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Zedler: Winter [1] HIS-Data
5028-57-878-4-01
Titel: Winter [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 57 Sp. 878
Jahr: 1748
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 57 S. 452
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Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

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Übersicht
Nahmen des Winters in andern Sprachen
Des Winters Anfang und Ende
Anzeichen von der Beschaffenheit des Winters
Ursachen des Winters

  Text Quellenangaben
  Winter, ist die kälteste von den vier Jahres-Zeiten, da die Tage am kürtzesten sind.  
     
  Nahmen des Winters in andern Sprachen:  
  Lateinisch heisset der Winter Hyems, Bruma; Frantzösisch Hiver; im Hebräischen [1 Wort Hebräisch] Hohel. II, 11,
  und [1 Wort Hebräisch] von [1 Wort Hebräisch] schänden, schmähen, weil der Winter die gantze Erde gleichsam schändet, indem er sie ihres Zierraths beraubet, 1 B. Mosis VIII, 22.
  Er heisset auch  
 
  • [hebräischer Text] die Zeit der Kälte,
  • Sprüchw. XXV, 10.
  • Buch der Weish. XVI, 29:
 
  • Die Schnee-Zeit,
  • Sprüch-W. XXVI, 1.
  • 2 Sam. XXIII, 10.
  • 1 Chron. XII, 22.
  Und im Griechischen hat er den Nahmen Cheimon vom regnen, weil die Regen-Zeit in den Morgen-Ländern in den Winter einfällt,
  • Matth. XXIV, 20.
  • 2 Tim. IV, 21.
  • Hohe-Lied II, 11.
     
  Des Winters Anfang und Ende.  
  Wie überhaupt der gemeine Mann die vier Jahrs-Zeiten in keine so genaue Schrancken einzuschliessen pfleget; also bestimmt er auch die Zeit des Winters nicht so eigentlich, wie es billig seyn solte. Denn er nennet Winter, wenn es kalt ist, daß es schneiet und gefrieret, daher, wenn man wahrnimmt, daß es zu einer Jahrs-Zeit, noch nicht gefrieret, oder schneiet, da sonst dergleichen geschehen, so pflegt man zu sagen: es wolle gar nicht Winter werden; und so macht man es auch mit den übrigen Jahrs-Zeiten.  
  Denn wird es warm, daß die Pflantzen und Bäume wieder grünen können, so nennt man es den Sommer, und wenn die Kälte wieder ihren Abschied nimmt, und warm zu werden anfängt, den Frühling, daß also dieser der mittlere Stand zwischen Winter und Sommer sey, gleichwie derjenige, der zwischen Sommer und Winter stehet, da die Wärme sich zu verlieren anfängt, und die Kälte herbey kommt, der Herbst genennet wird.  
  Doch weil nach solcher gemeinen Abtheilung ein Jahr nicht wie das andere ist, so hat man sich billig bemühet, um etwas gewissers zu haben, daß man denen vier Jahrs-Zeiten genauere Schrancken setze, und weil man gesehen, daß die Sonne dieselbige verursache, so hat man den Grund ihrer Abtheilung von ihrer Bewegung hergenommen. Es nimmt nemlich der Winter seinen Anfang bey uns um den ein und zwantzigsten December, und währet drey völlige Monat, nemlich so lange als die Sonne in dem Zeichen des Steinbocks, des Wassermanns und der Fische läufft.  
     
Arbeit eines Hauß-Vaters zur Winters-Zeit.  
  Obgleich der Winter vor die müßigste Jahres-Zeit gehalten wird, so findet doch ein fleißiger Haushalter auch im Winter seine Arbeit, die er ohne mercklichen Schaden nicht versäumen kan.  
  {Sp. 879|S. 453}  
  Anzeichen von der Beschaffenheit des Winters.  
  Wenn die Witterung von einer Jahrs-Zeit auf die andere geurtheilet, oder doch gemuthmasset werden kan, soll auf einen warmen, feuchten und nassen Herbst ein trockener langwühriger Winter folgen; Hingegen ein schöner klarer Herbst einen windigen Winter bringen.  
  So das Laub lang hinein in den Winter an den Bäumen bleibet, soll es ein Vorbote eines frühen Winters seyn.  
  Wenn die Vögel im Herbst sehr feist sind, soll ebenfalls ein kalter Winter folgen.  
  Wenn die Haasen im Herbst sehr feist befunden werden, ingleichen, wenn der Hüpauf an denen gebratenen Gänsen mehr weisses als braunes hat, soll es einen Winter mit vielen Schnee geben.  
  Eines langen Winters Vorboten sollen ferner seyn;  
 
  • Wenn die Eichbäume sehr viel Eicheln tragen;
  • Wenn viel Hornissen und Bremen vor dem Ausgang des Octobers erscheinen, ingleichen wenn es nicht recht verwittert; das ist; wenn der December oder auch wohl der Jenner nicht rechte gewöhnliche Winters-Art, mit vielem Frost, Schnee und Kälte haben, so sollen solche Witterungen dagegen mit Hauffen in den Februar und Mertzen fallen; und also nach den bekannten Sprichwort: Grüne Weyhnachten, gerne weisse Ostern geben.
 
  Die Fischer haben dieses Gemerck, so auch von der Erfahrung bestätiget wird und nicht leichtlich fehlet, indem sie aus der Leber eines im December gefangenen Hechtes von dem künfftigen Winter urtheilen: nemlich; wenn die Hechtleber gegen dem Gallenbläslein zu, das ist von hinten breit, von vorne aber spitzig und schmal ist, so bedeutet es einen harten und langen Winter.  
  So haben auch die Bauern gleichfalls die Gewohnheit, aus der Miltz ihrer im December geschlachteten Mastschweine von des Winters Beschaffenheit zu urtheilen; sie verfahren aber damit also: Wenn die Miltz durchgehends gantz gleich dicke ist, so sagen sie, daß ein starcker Winter kommen werde ist; ist aber die Dicke nur aufwärts gegen dem Rückgrade zu sehen, so soll die Kälte sich allererst im Ausgange des Winters äussern; ist die Miltz in der Mitten groß, so werde der mittlere Theil des Winters scharff eintreffen; ist aber die Miltz abwerts gegen dem Bauch dicke, so werde nur bloß die Kälte um den Anfang des Winters mit einem rauhen Frost sich spühren lassen:  
     
Ursachen des Winters.  
  Es hat der Herr Baron von Wolff eine Considerationem physico-mathematicam hiemis 1709, dem Drucke unterworffen, welche auch in Thümmigs meletematibus varii et ratioris argumenti … und in des Herrn Barons von Wolff gesammleten kleinen Philosophischen Schrifften, … zu lesen.  
  Ob er nun wohl in solcher absonderlich die Ursachen und Würckungen des im Jahr 1709 gewesenen harten Winters anführet; so handelt er doch zugleich auch überhaupt von dem Winter und dessen Haupt-Ursachen, die wir hier aus solcher Schrifft anführen wollen. Er schreibet:  
  Es ist gantz ohnstreitig, daß die Ursache, wie des Lichtes, also auch der Wärme,  
  {Sp. 880}  
  deren die Einwohner des Erdbodens von der gütigen Natur geniessen, in der Sonne zu suchen sey. Wir setzen zum voraus, daß schon aus den Haupt-Sätzen der Grund-Wissenschafften bekannt seyn müsse, wie sich kein Unterscheid in der Würckung bemercken lasse, als lange alle Umstände der Ursache einerley bleiben.  
  Da es nun aus der Erfahrung offenbar genung ist, daß auf dem Erdboden nicht immer einerley Wärme von der Sonne erreget werde: so hat man die Ursache solcher Verschiedenheit zu untersuchen. Man muß aber solche in der veränderten Stellung entweder der Sonne gegen den Erdboden, oder des Erdbodens gegen die Sonne setzen. So wollen wir dann diejenigen Veränderungen, welche theils durch den Fleiß der Sternkündiger bemercket worden, theils wir aus eigener Erfahrung haben, hier erzehlen.  
  Die Sternkundigen haben aus der verschiedentlich bemerckten Grösse des Durchmessers (diametri) der Sonnen abgenommen, daß sie in den kürtzesten Tagen um etliche 1000 Deutsche Meilen dem Erdboden näher sey, als bey Anfang des Sommers. Daher es einem wunderlich vorkommen möchte, daß die Sonnen-Strahlen bey der Sonnenwende (solstitio) im Winter nicht so erwärmen, als im Sommer. Und ob wir schon bald andere Ursachen anführen werden, warum dieser Nähe der Sonne ohngeachtet, die Krafft ihrer Strahlen im Winter geringer seyn muß, als im Sommer: so hat es doch nicht an Gelehrten gefehlet, denen man Erkenntniß natürlicher Dinge und Schärffe des Verstandes nicht absprechen kan, welche vermeynet, es hintere die Nähe der Sonne, wenn sie der Erde am nächsten ist, daß die Kälte des Winters so hefftig nicht seye, als sie sonst seyn würde.  
  Wenn wir aber aus der Sehekunst (Optica) annehmen, es verhielten sich die Entfernungen dessen, was man siehet, wie die contangentes der erscheinenden Grössen, und was öffters von den Verständigen in der Sehekunst von der Zertheilung des Lichts, von dem hochgelehrten Gregorius aber, öffentlichen Lehrer der Stern-Kunst in dem Savilianischen Stifft zu Oxfurt in dem vortrefflichen Werck der Anfangs-Gründe einer nach der Natur-Lehre und Meß-Kunst eingerichteten Stern-Kunst (Element. Astronomiae physicae et geometricae) im 48ten Satz des 1ten Buches von einer jeden Krafft, welche sich von dem Mittel Punct aus in geraden Linien rings herum gegen alle Gegenden ausbreitet, erwiesen worden ist, es verhalte sich die Wircksamkeit der Strahlen umgekehrt, wie die Entfernung von dem Ort, da sie herkommen, wenn das übrige einerley ist: so finden wir nach derjenigen Art, welche unten mit einem Beyspiel erläutert wird, daß der Unterschied, welcher aus der Veränderung der grösten Nähe und Ferne bey Erwärmung unserer Dunst-Kugel (atmosphaerae) und Erdbodens entstehet, vor nichts zu halten sey.  
  Es ist also die Meynung dererjenigen abgeschmackt, welche die Ursachen der ausserordentlichen Witterungen auf dem Erdboden zu erklären, ihre Zuflucht zu einer ungewöhnlichen Veränderung der Entfernung unsers Erdbodens von der Sonne  
  {Sp. 881|S. 454}  
  nehmen. Denn da niemahls eine Zeit gewesen, zu welcher ihrer so viele mit dem trefflichsten Werckzeug zugleich an verschiedenen Orten sich darauf geleget, die Himmels-Begebenheiten zu bemercken, als jetzo: So ist es wohl nicht möglich, daß eine ungewöhnliche Veränderung in der scheinbaren Größe des Durchmessers der Sonne sich solte ereignet haben, welche von ihnen nicht bemercket worden wäre.  
  Bisher aber hat sich keiner von ihnen nicht einmahl träumen lassen, daß der scheinbare Durchmesser der Sonne ausserordentlich größer oder kleiner erschienen wäre; denn von dergleichen Erscheinung stehet weder in den Abhandlungen der Königlichen Englischen Societät, noch in den Geschichten und Erläuterungen, (histoires et memoires) der Königl. Academie der Wissenschafften zu Paris, noch andern Begebenheiten der Gelehrten, welche alle Monate herauskommen, nur das mindeste, ohnerachtet alle Himmels-Erscheinungen (phaenomena) mit Fleiß darinnen angemercket werden.  
  Da nun die gewöhnliche Veränderung mit dem scheinbaren Durchmesser der Sonne in Absicht auf den Einfluß in die Erwärmung vor nichts zu halten ist, so kan auch keine unmerckliche Veränderung der Entfernung zwischen der Sonne und Erde, wenn sie schon geschähe, eine merckliche Veränderung ihres Einflußes in die Erwärmung des Erdbodens verursachen.  
  Noch weiter kommen diejenigen von dem Ziel ab, welche aus völliger Unwissenheit der Stern-Kunst erdichten, der Erdboden hätte seine Lage in Absicht auf den Himmel verändert, und sey doch noch immer in einer Weite von der Sonne geblieben. Denn diese Veränderung würde nicht allein die Höhen der Sonne und der Sterne, sondern auch die Länge der Tage und Nächte ändern, so gar, daß es nicht nur den Sternkündigern, sondern auch dem unwissenden Pöbel in die Augen fiele; dergleichen aber, soviel man weiß, weder in dem Winter des 1709ten Jahres noch jemahls zuvor, bemercket worden ist.  
  Nicht allein aus dem Bemerckungen der Sternkundigen, sondern auch des gemeinen Mannes ist bekannt, daß die Sonne nicht einen Tag so hoch über uns stehe als den andern, sondern bald mehr, bald weniger. Und zwar hat man aus den Regeln der Stern-Kunst und Gründen der Erdmeß-Kunst, (principiis Geograph.) daß die Sonne, vom Eintritt in den Steinbock an, bis zum ersten Grad des Krebses immer näher zu unserm Scheitel komme; hingegen von dem Eintritt in den Krebs an bis zum ersten Grad des Steinbocks immer von unserm Scheitel weiter weg rücke.  
  Wenn die Sonne dem Scheitel näher ist, so sind ihre Strahlen nicht so schief. Denn wenn die Sonne das Zenith berühret, welches nach den Lehren der Erdmeß-Kunst in dem heissen Strich Landes, (Zona torrida) geschiehet; so fallen die Strahlen auf den Erdboden senckrecht: Wenn sie aber von den Zenith weg ist, so gehen die Strahlen von der senckrechten Linie ab. Nach dem Winckel, welchen der Sonnen-Strahl mit der Horizontal-Linie machet, misset man, wie schief solches sey.  
  Es brauchet aber  
  {Sp. 882}  
  nicht viel Beweises, daß die Strahlen je schiefer sie sind, destoweniger erwärmen. Denn man kan genung aus dem Gefühl abnehmen, daß ein grosser Unterscheid zwischen der Wärme am Mittag und am Abend sey: Daß auch die Krafft der Strahlen, bey dem Untergang der Sonnen mercklich geschwächet werde, lässet sich zum wenigsten daraus erkennen, weil man in sie, ohne dem Auge Schaden zu thun, sehen kan, nicht anders, als wenn sie durch den Nebel ohne einige Strahlen hindurch scheinet, ja die untergehende Sonne thut den Augen nicht mehr, als wenn sie durch die Regen-Wolcken durchscheinet.  
  Es ist aber klar, daß die Sonnen-Strahlen zu Mittag mehr senckrecht, gegen Abend aber mehr schief sind. Also ist kein Zweifel, daß die Sonne, wenn sie dem Scheitel näher ist, oder einen Tag-Kreiß beschreibet, der den Mittags-Kreiß in einem Punct, welcher dem Scheitel näher ist, durchschneidet, sie mehr erwärme, als wenn der gemeinschafftliche Durchschnitt des Mittags- und Tages-Kreises weiter von dem Zenith entfernet ist.  
  Fraget man, woher es komme, daß die schiefen Strahlen nicht so warm machen als die senckrechten; so kan man eine doppelte Ursache davon angeben. Nemlich es lässet sich leicht begreiffen, daß die schiefen Strahlen dünner, die senckrechten aber dichter seyen. Denn setzen wir eine gewisse Anzahl Strahlen zwischen gleich entfernten Linien AB und CD: so ist offenbar, daß die Linie BD kürtzer ist als BE: Also sind die Strahlen in der Linie BD näher beysammen, in BE weiter von einander. Die Versuche aber, welche man mit den Brenn-Spiegeln und Gläsern machet, weisen aus, daß die dichtern Strahlen eine grössere Krafft zu erwärmen haben, als die dünnen. Ferner muß man mercken, daß die Wärme in einer gewissen Art der Bewegung bestehe, in welche die kleinsten Theilgen der erwärmten Cörper gesetzet worden sind. Man sehe unter andern noch in Frantz Baylens Anleitung zur Natur-Lehre auf den 231 u.f. Blat.  
  Also erwärmen die Sonnen-Strahlen unsere Dunst-Kugel, (atmosphaeram) in so fern sie den kleinsten Theilgen, auf welche sie stossen, die Bewegung mittheilen. Es ist aber von Johann Alphons Borell in der Schrifft von der Krafft des Stoßes, (de vi percussionis) in dem 46ten Satz, und andern Schrifften von dem Gleich-Gewichte mehr erwiesen worden, daß die Krafft des schiefen Stosses AB sich zu der Krafft des geraden CB verhalte, wie der sinus des Einfallwinckels (anguli incidentiae) ABH zu dem sin. tot. das ist wie JK zu JB. Da sich nun dieser Lehr-Satz auch auf die Sonnen-Strahlen, welche die Dunst-Kugel und den Erdboden erwärmen, deuten lässet; so hat es auch mit dem andern Grund seine Richtigkeit, warum die Sonnen-Strahlen desto geringere Krafft zu erwärmen haben, je schiefer sie einfallen.  
  Es ist ferner aus der Erfahrung bekannt, daß die Wärme, welche einmahl dem Cörper mitgetheilet worden ist, nicht so gleich aufhöre, sondern daß vielmehr der Eindruck noch fortdaure, wenn gleich der Stoß aufgehöret hat. Und daher ist es nicht zu bewundern, daß ein Cörper,  
  {Sp. 883|S. 455}  
  welcher lange im Sonnenschein gelegen hat, heisser wird, als einer, der nur kurtze Zeit beschienen wurde. Denn da sich die Wärme nach der Bewegung richtet, in welche die Sonnen-Strahlen die kleinsten Theilgen der Cörper bringen, so muß nach den gemeinen Regeln der Bewegung die Hitze von dem langen Sonnenschein stärcker werden, in dem die kleinsten Theilgen, welche von dem ersten Stoß schon einen gewissen Grad der Geschwindigkeit bekommen. Wenn also die Sonne lang über dem Horizont bleibet, so wird die Hitze dadurch vermehret.  
  Weil die Sonnen-Höhen in den Vormittags-Stunden immer zunehmen, hingegen in den Nachmittags-Stunden wieder abnehmen; so ist es offenbar, daß die Krafft der Sonnen-Strahlen biß gegen den Mittag immer gröser, hingegen aber von da an immer wiederum schwächer wird, wenn die übrigen Umstände einerley sind. Doch ist die Würckung der Strahlen Nachmittag grösser als Vormittag, wenn sonst alles wieder einerley ist, in so ferne nemlich ein Theil der Würckung, welcher eigentlich dem Schein vom Vormittag noch zuzuschreiben wäre, übrig ist. Daher die Bemerckungen der Wetter-Gläser, wenn der Sonnen-Schein nicht sonst gehindert wurde, angeben, daß die Feuchtigkeit eine Zeitlang nach dem Mittag, als um 2 Uhr höher zu stehen pflege, als selbst zu Mittage, oder um 12 Uhr. Und da man dieses täglich bemercken kan; so ist nicht nöthig, daß es mit Beyspielen bekräfftiget werde.  
  Übrigens ist daraus klar, daß wer sich auf Bemerckung der Witterung legen will, das Wetter-Glas nicht so wohl um 12 Uhr, als vielmehr um 2 oder auch um 3 Uhr ansehen müsse, so er die gröste Höhe der Feuchtigkeit jeden Tag anzumercken begehret. Hier könnte man die Lehr-Sätze erklären, welche Wolff von der Würckung der Sonne erfunden hat; allein es mag genung seyn, solche nur kürtzlich anzuführen. Es sind aber folgende:  
 
1) Die Kräffte der senckrechten Sonnen-Strahlen verhalten sich zu den Kräfften der schieffen, die auf eben dieselbe Fläche fallen, in so fern sie von der Dichtigkeit (densitae) herkommen, in einer zweyfachen Verhältniß des secantis complementi von dem Einfalls-Winckel (anguli incidentiae) CBD, nehmlich des Winckels CBA zu dem sinu toto,
2) Die Kräffte der schiefen Strahlen, in so ferne sie von ihrer Dichtigkeit herkommen verhalten sich gegen einander wie die Quadrate der Sinuum Angulorum incidentiae CBD.
3) Die Kräffte der schiefen Strahlen in so ferne sie von der Schieffe des Scheins, (obliquitate ictus) herkommen, verhalten sich gegen die Kräffte der senckrechten, wie die sinus der Einfalls-Winckel BCD. zu dem sinu toto.
4) Eben diese Kräffte verhalten sich gegen einander, wie die sinus der Einfalls-Winckel BCD.
5) Die Kräffte der schiefen Strahlen, welche auf eine Fläche fallen, in so ferne sie beydes von der Dichtigkeit und Schiefe des Scheins Herkommen, verhalten sich gegen einander, nach einer dreyfachen Verhältniß (ratione triplicata) der Sinuum von den Einfalls-Winckeln BCD.
6) Die Bestimmung der Würckung (actionis) der Sonne auf einen Tag, in so ferne die Krafft von der Dichtigkeit der Strahlen herkommt, setzet die Quadratur der Rundung, darinnen die Ordination zu der Grund-Linie, (welche
 
  {Sp. 884}  
 
  ein halber Tage-Kreis (Semicirculus diurnus) der Sonne ist,) sich wie die Quadrate der Sinuum von den Einfalls-Winckeln in BCD verhalten, zum voraus.
 
 
7) Die Bestimmung der Würckung der Sonne auf einen Tag hindurch, beruhet, wenn man auf die Schiefe des Stosses allein siehet, auf der Quadratur der Cylindrischen Stücke, (ungularum cylindricarum)
welchen Lehr-Satz der in der Meßkunst hocherfahrene Halley in den Englischen Abhandlungen, (transactionibus) schon vorgebracht, daraus es in dem 2ten Theil des Anhangs zu den Leipziger Actis Eruditorum gesetzet worden ist.
 
8) Die Bestimmung der Sonnen-Würckung auf jeden Tag, wie sie in der Welt sich ereignet, das ist, in so ferne sie zugleich auf die Dichtigkeit der Strahlen und Schiefe des Scheins ankommt, richtet sich nach der Quadratur der runden Stücke, (ungularum) deren Grund-Linie die halben Tages-Kreise der Sonne sind, die Application aber in einer dreyfachen Verhältniß der Sinuum von den Einfalls-Winckeln stehen.
 
  Alle diese Mannigfaltigkeit der Würckung (actionis) der Sonnen-Strahlen, von welcher bisher geredet worden, entspringet von der täglichen Bewegung der Erd-Kugel um ihre eigene Axe, und ihrer jährlichen um die Sonne herum her. Und alles das wird sich also, wie gemeldet worden ist, verhalten, wenn die Sonne immer auf einerley Weise scheinet, oder wenigstens die Verschiedenheit ihres Scheins, in Absicht auf den Einfluß in die Erwärmung der Erde vor nichts zu rechnen ist.  
  Wir haben zwar die Beschaffenheit der Sonne bisher noch nicht also ergründet, daß wir bestimmen könnten, ob immer gleichviel und gleichkräfftige Strahlen heraus schiessen, indem niemand noch als Villemotte in dem neuen Welt- Bau oder neuen Erklärung der Bewegung der Irrsterne, die zu Lion in Franckreich 1707 herausgekommen, im 6ten Hauptstück auf der 65ten und folgenden Seiten nach den Gesetzen der Bewegung solche bisher aus Gründen heraus zubringen versuchet hat, und die Krafft, damit die Sonne erwärmet, auszurechnen bemühet gewesen ist: Doch ist offenbar genung, daß die Flecken, welche sich immer auf den Sonnen-Teller sehen laßen, einen Theil der Strahlen auffangen.  
  Es zeigen zwar die grossen Sonnen-Finsternissen, dergleichen die vom Jahr 1699 im Herbst-Monat, ingleichen eine andere, welche im May des 1706ten Jahres an denjenigen Orten, wo sie nicht total erschienen, bemercket worden ist, zur Genüge, daß die Wärme um ein merckliches vermindert werde, wenn die Sonnen-Strahlen von einem dunckeln Cörper, der zwischen der Erd-Kugel und einem Theil der Sonne zu stehen kommt, aufgefangen werden: Doch muß man allerdings noch untersuchen, ob die Sonnen-Flecken, eine merckliche Veränderung zu verursachen, im Stande seyen. Am 6 Jenner des 1709 Jahres haben sich in der Sonne 2 Flecken sehen lassen, davon der grössere den 5ten Februar noch nicht vergangen war; aber der grössere war kaum den 40ten Theil so groß als der Sonnen-Teller.  
  Wir wollen aber nun zusehen, ob diese Flecken die Krafft der erwärmenden Sonne also haben verringern können, daß man die Abnahme auch an dem Wetter-Glaß verspüren können. Setzt man den Flecken cir-  
  {Sp. 885|S. 456}  
  culrund; so hat er nur [Bruchzahl] Theil der Sonnenstrahlen aufgehalten. Eignet man nun einem Strahl eine eben so grosse Krafft der Erwärmung zu, als dem andern; so ist die Krafft zu erwärmen in der Sonne um einen sechzehenhunderten Theil verringert worden.  
  Nun setzen wir ferner, daß der Durchmesser der Kugel in dem Wetter-Glaß sich zu dem Durchmesser der Röhre verhalte wie 1 zu 15, und das 1 zugleich die Grösse eines Grades, an der angemachten Eintheilung ausdrucke: so ist die Grösse der Kugel, so ferne man die Verhältniß des Durchmessers eines Circuls zu dem Umfang annimmt wie 100 zu 314, 17. 6625 und die Anzahl der Feuchtigkeit, welche auf einen Grad gehet 785: und solchergestalt enthält ein Grad ohngefehr [Bruchzahl] von aller Feuchtigkeit. Solte also die sämmtliche Feuchtigkeit in der Röhre seyn, so müste sie 2250 Grade haben.  
  Am 6 Jenner, da der Flecken erschien, stund die Feuchtigkeit in dem Wetter Glase 40 Grade über der Kugel. Aber der Flecken verringerte die Krafft der Erwärmung an der Sonne nur um einen tausend sechshunderten Theil, wie erst vorhin erwiesen worden. Setzet man nun, daß sich die Ausdehnungen des Brandweins in dem Wetter- Glas eben so, wie die Kräffte der Sonnenstrahlen (gegen einander) verhalten: so ist auch um einen tausend sechshunderten Theil weniger da gewesen, als vorhanden hätte seyn müssen, wenn der Flecken nicht da gewesen wäre. Theilet man nun durch 1600: so kommt [Bruchzahl] Theil heraus, um welchen das Ausdehnen verhindert worden ist. Also kan man selbigen Flecken nimmer den mercklichen Einfluß des Wachsthums der Kälte zuschreiben, und wenn er auch nicht da gewesen wäre: so würde dadurch die hefftige Kälte nicht aufgehalten worden seyn.  
  Aus dem bisher gesagten ist klar, daß das Steigen und Fallen der Wärme an einem Ort in einem Jahre beständig wie in dem andern seyn würde, wenn nicht die Würckung (actio) der Sonne durch verschiedene Zufälle der Dunstkugel in Unordnung gebracht würde. Da nun von solchen vornemlich die Verschiedenheit der Witterungen im Winter entspringet; so haben wir mit Fleiß ferner darauf vornemlich unsere Untersuchungen zu richten.  
  Wir mercken also an; erstlich die Würckung (actio) der Sonnen-Strahlen werde von den Wolcken und Nebeln verhindert, (aufgehalten). Denn wenn man die Sonne im Winter durch den Nebel ansiehet: so schimmert selbst in dem Mittags-Circul ihr Teller nur wie ein weises Tuch gantz blaß, und ohne einigen Glantz, und was sie gerad bescheinet, bekommt noch weit weniger von ihren Strahlen einen Schimmer. Und wenn die Nebel oder Wolcken dünn sind, daß der Glantz der durchscheinenden Sonne den Augen noch unerträglich ist; so hat auch das, was sie bescheinet, nur einen geringen Glantz.  
  Daraus erhellet genungsam, daß alsdenn weniger Strahlen auf unsere untere Dunst-Kugel fallen: und darum müssen noch weit weniger darein kommen, wenn dicke Wolcken die Sonne völlig aus dem Gesichte entziehen. Und wer kan daran  
  {Sp. 886}  
  zweifeln? Daß die Wolcken und Nebel hindern, damit nicht so viel Strahlen in die untere Dunst-Kugel kommen. Denn Wolcken und Nebel ziehen sich aus den gesammleten Dünsten zusammen.  
  Die Dünste sind Wasser-Bläßgen, die im Winter und auch gar im Sommer in der obern Gegend der Lufft zu Eiß werden. Also werffen sie viele Strahlen gegen den Himmel zurück, welches die Zahl der Strahlen nothwendig vermindert. Da nun Wolcken und Nebel die Zahl der Strahlen, welche die unsere Dunst Kugel erwärmen, verringern[1]; so ist auch die Hitze bey neblichten und trüben Wetter nicht so groß, als sie seyn würde, wenn Wolcken und Nebel weg wären. Und weil die einmahl gefaste Wärme nicht gleich aufhöret: so muß die Wärme desto mehr nachlassen, je längere Zeit der Himmel mit Wolcken überzogen ist.
[1] HIS-Data: korrigiert aus: verrinnern
  Wolcken und Nebel sind nichts anders als gesammlete Dünste. Also lässet sichs leicht begreiffen, daß auch  
  2) die durch die Dunst-Kugel, (atmosphaeram) zerstreuete Dünste, und die man mit den Augen nicht wahrnimmt, im Wege stehen, daß nicht viele Strahlen in unsere untere Dunst- Kugel gelangen. Und daraus lässet sich die Himmels Begebenheit erklären, welche die Königl. Academie der Wissenschafften zu Paris bewundert hat, wie deren Geschichte vom Jahr 1705 in der 10 Bemerckung zur Natur-Lehre auf der 50ten Seite der Holländischen Ausgabe, ausweisen.
  Es hat nehmlich Herr Homberg bemercket, daß bey schwülender Hitze die Krafft der Brennspiegel kleiner sey, als wenn die Sonne, nachdem es starck geregnet zuerst den Erdboden wieder beleuchtet. Denn die Sonne macht durch die Wärme die Ausdünstungen rege, welche, wenn sie durch die heitere Lufft zerstreuet waren, einen Theil der Strahlen auffangen. Dannenhero fallen weniger Strahlen in das Brenn-Glaß, als wenn selbige Ausdünstungen weg wären. Allein wenn der Regen aus der Dunst-Kugel herab gefallen ist; so stürtzt er so wohl die Dünste, als übrigen Ausdünstungen mit sich herab, und macht die Lufft rein. Daher sind keine Hindernisse mehr vorhanden, welche die Sonnenstrahlen aufhielten; und was ist es Wunder, wenn eine vielfältige Krafft stärcker würcket?  
  Wendet man ein, wie es gleichwohl komme, daß weniger Strahlen die Lufft mehr erwärmen, als viele: so ist die Antwort leicht. Denn, anders zu übergehen, was eine weitläufftigere Ausführung erfodert; so ist aus dem obigen bekannt, daß die Lufft die einmahl empfangene Wärme nicht gleich verliere und also durch eine geringere Krafft zu einen grössern Grad der Hitze gelange, wenn sie schon einige hat: als durch eine grössere, wenn sie keinen oder wenigstens einen geringerm hat. Also ist selbst die Hitze, durch ihren Wachsthum, ihrem weiteren Wachsthum zu wider.  
  Es hindern vor das 3te die hefftigen Winde auch die Würckung der Sonnen-Strahlen, welches so bekannt ist, daß man, die Hitze zu vertreiben, einen Wind durch die Kunst zu erregen pfleget. Es soll aber genauer untersuchet werden, warum der Wind die Erwärmung hindere?  
  Wir nehmen also aus der Natur-Leh-  
  {Sp. 887|S. 457}  
  re an, daß der Wind eine Bewegung der Lufft sey[1]; und daß nicht immer eben dieselbige Lufft an einem Orte bleibe, sondern es komme bald dieselbige von uns anders wohin, bald anders woher zu uns. Geschieht es, daß die kleinen Theilgen der Dunst-Kugel, welche nicht so erwärmet sind, als diejenigen, welche weggetrieben werden, zu uns gelangen, und wenn sie einen Theil der Wärme angezogen, wiederum weggewehet werden, und daß andere kältere an ihre Stelle kommen; so muß die Würckung der Sonnenstrahlen, wie oben gesaget worden, allerdings geringer seyn, als sie sonst seyn würde, wenn dieses Hinderniß nicht vorhanden wäre.
[1] HIS-Data: korrigiert aus: rsey
  Die Fälle, in welchen er kältere Lufft und Dünste herwehen muß, können leicht bestimmet werden. Nemlich  
 
1) geschiehet es, wenn er über sehr hohe Berge oder vom Lande, so mit Eiß und Schnee bedecket ist, herkommet, daher Winterszeit Ost- und Norden die Kälte vermehren, vornemlich wenn sie viel gefrorne Theilgen mitbringen.
2) Wenn er aus einer Gegend wehet, da die Sonne niemahls senckrecht zu stehen kommt, daher auch selbst im Sommer der Nordwind kalt zu seyn pfleget.
 
  Doch muß man mercken, daß auch selbst diese Winde verschiedene Grade der Kälte haben, nachdem nemlich an denjenigen Orten, daher sie die Lufft zu uns treiben, die Wärme grösser oder geringer ist, und die Würckungen der Sonne daselbst mehr oder weniger befördert oder gehindert werden.  
  Vielleicht aber hindern die Winde nicht allein die Wärme, und vermehren hingegen die Kälte, in soferne sie immer eine zum erwärmen unschickliche Materie mitbringen, sondern auch insofern sie die Wärme selbst zerstreuen. Denn die Wärme bestehet in einer gewissen Bewegung kleiner Theilgen, (molecularum): Hingegen der Wind ist ebenermassen eine Bewegung der Lufft Theilgen, (machinularum aerearum); begiebt es sich nun, daß die Bewegung der gantzen Lufft-Theilgen der besondern Bewegung einiger kleinen Theilgen, daraus jene bestehen, zuwider wäre: so höret die sonst warm-machende Bewegung auf, und die Lufft wird kalt.  
  Ob aber dergleichen Streit der Bewegungen in der Lufft möglich sey; kan man nicht gewiß sagen. Es bekommt aber daher einen Schein, weil die Lufft in der Stube durch einen gemachten Wind kalt wird, dahin diejenige Machine gehöret, welche in Böcklers Schau-Platz auf der 83ten Seite vorgestellet wird. Gleichwie aber in diesem Wercke viele Machinen vorkommen, welche gantz und gar unmöglich sind; und noch mehrere, welche von der Vollkommenheit, dazu sie schon lange gediehen, noch weit entfernet sind: also hätte man auch einen noch weit bequemere Verfertigung von einer abkühlenden Machine ausdencken können.  
  Endlich scheinen die hefftigen Winde auch selbst dadurch die Erzeugung der Wärme zu hindern, daß sie die kleinen Theilgen, (molecula) darauf die Strahlen fallen müsten, ihnen entreissen, daß sie entweder gar nicht, oder doch mit einem nicht so kräftigem Stoß getroffen werden.  
  Aus dem bisßher vorgebrachten erhellet, was denn zur Erregung der Kälte im Winter zusammen kommen  
  {Sp. 888}  
  könne. Nemlich auf Seiten der Sonne wird eine grosse Entfernung von unserm Scheitel, und eine kleine Verweilung über dem Horizont; auf Seiten des Erdbodens aber erfordert, daß die Dunst-Kugel voll Ausdünstungen, und von Wolcken schwer sey: auch daß die Winde von Osten und Norden vornehmlich hefftig wehen. Am allermeisten aber ist nöthig, daß die Würckungen der Sonne sowohl lange, als auch vornehmlich zu der Zeit gehindert werden, wenn[1] die Ursachen der Kälte zusammen kommen.
[1] HIS-Data: korrigiert aus: wen
     

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Stand: 25. Februar 2013 © Hans-Walter Pries