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Zedler: Studiren, Studien [2] HIS-Data
5028-40-1200-4-02
Titel: Studiren, Studien [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 40 Sp. 1208
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 40 S. 617
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  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

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Übersicht
Lernende
Vergnügen an der Wissenschaft

  Text   Quellenangaben
Lernende Was nun ferner die Lernenden betrifft, so hat man auf vieles zu sehen, woferne man in einem Lande gute Künste und Wissenschafften in Aufnehmen zu bringen gesonnen ist.  
  Für allen Dingen hat man davor zu sorgen, daß niemand zum Studiren gelassen wird, als der dazu benöthigte Fähigkeit und Lust hat. Denn wo es an einem von beyden fehlet, da wird nichts rechts gelernet. Wie viel aber in einem Lande daran gelegen sey, daß man hierauf auf das sorgfältigste Acht habe, lässet sich leicht zeigen. Wenn man Leute studiren lässet, die keine Fähigkeit haben, oder denen es wenigstens an gehöriger Lust fehlt; so bekömmt man Gelehrte, die das ihrige nicht recht verstehen, und daher denen Ämtern, dazu sie hernach gezogen werden, vorzustehen nicht geschickt sind, sondern vielmehr allerhand Unheil anrichten. Pfleget es wohl gar zu geschehen, daß sie mit unter die Lehrer erhoben werden; so sind die Lernenden schlecht mit ihnen versorgt, und können zu keiner gründlichen Erkänntniß gelangen, wenn sie gleich noch so grosse Fähigkeit und Lust haben, auch allen ihren möglichen Fleiß anzuwenden sich angelegen seyn lassen.  
  Und solchergestalt kömmt es mit den guten Wissenschafften und Künsten immer weiter herunter. Weil es sich aber nicht allezeit füget, daß diejenigen, welche von der Natur geschickte Köpffe zum Studiren bekommen, und Lust darzu haben, auch mit genugsamen Mitteln versehen sind, die was gründliches zu erlernen erfordert werden, so hat man dafür zu sorgen, wie ihnen durch zureichende Hülffe die darzu benöthigten Mittel verschaffet werden; dergleichen Gelder man Stipendien zu nennen pfleget. Wie man sich mit diesen Geldern zu verhalten habe, daß das Studiren befördert werde, kan man unter dem Artickel, Stipendien, finden.  
  Da man dafür zu sorgen hat, daß in einem Lande von einem jeden Stande so viel vorhanden sind, als es die gemeine Wohlfarth erfordert; absonderlich aber bekannt ist, daß Gelehrte, wenn sie nicht in Bedienungen leben, nichts erwerben können, und dannenhero dem Lande nothwendig eine Last sind, weil andere sie unterhalten müssen; so hat man auch zu veranstalten, daß nicht zu viele studiren, und hauptsächlich diejenigen zurücke bleiben müssen, die entweder keine Mittel oder kein Geschicke haben, etwas rechtes zu lernen, am allermeisten aber diejenigen, denen es an beyden fehlet.  
  Die hingegen befördern gar schlecht die Wohlfarth des Landes, welche durch kümmerliche Allmosen allerhand zum Studiren untüchtige Leute darzu anlocken, damit sie ihrer Faulheit ein Genügen thun, und der Arbeit entgehen können. Wenn solcher Leute zu viel werden, daß sie unmöglich alle unterkommen können, so suchen sie sich mit Unterrichtung der Jugend fortzubringen, und begeben sich nicht allein auf das Land zu Predigern und Edelleuten, sondern auch in Städten zu vermögenden Bürgern, um ihnen ihre Kinder  
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  zu informiren. Dadurch nehmen Schulen und Gymnasien ab; die guten Männer, die man auf öffentliche Kosten hält, können nicht mehr durch ihren Fleiß so viele Gutes stifften; von solchen Privat-Lehrern wird die Jugend öffters verdorben, und man ziehet auf Universitäten, ohne daß man genugsamen Grund geleget.  
  Gleichwie nun aber insgemein solche junge Leute auf Universitäten entweder gar verderben, oder doch nichts rechtschaffenes lernen; so erfolget nach diesem noch viel anderes Unheil daraus, so wohl für Eltern als für das gantze Land. So lange einer noch nicht des Guten gewohnet ist, so muß man ihm die Gelegenheit, Böses zu thun, benehmen. Derowegen, weil die Jugend zur Wollust geneigt ist, die Wollust aber sie von dem Fleisse abziehet, der zum Studiren erfordert wird, wo man was rechtes lernen will; so muß man auch denen Studirenden die Gelegenheit zur Wollust benehmen, soviel als nur immer möglich ist.  
  Es kömmt auch dieser Schaden daraus, daß die der Wollust ergebene das Geld zu allerhand Üppigkeit anwenden, was sie auf ihren nöthigen Unterhalt und auf das Studiren wenden solten. Daher gerathen sie entweder in Schulden, und betrügen die, so ihnen getrauet, oder sie verschwenden ihnen und den Eltern das Ihrige, welches sie nach diesem in ihren künfftigen Leben hätten besser gebrauchen können. Um diesem Unheil vorzukommen, wäre es gut, wenn auf Academien dergleichen Einrichtungen wären, daß die Studirenden das zu nöthigen Ausgaben gewidmete Geld nicht an ungebührenden Orten anwendeten.  
  Weil aber der Mensch verbunden ist, alles zu vermeiden, was seiner Gesundheit schaden kan; und da durch stetes Sitzen und Studiren die Gesundheit des Leibes Abbruch leidet: So soll man auch nicht durch stetes Sitzen und Studiren seiner Gesundheit schaden. Und demnach müssen auch Lernende unterweilen Abwechselungen haben, da der Leib durch bequeme Bewegung erfrischet, das Gemüthe aber durch andere Gedancken ermuntert wird.  
  Wie die Ergötzlichkeiten, die bey dem Studiren zu untermengen sind, beschaffen seyn müssen, lässet sich aus vielen Gründen beurtheilen. Weil ein jeder Mensch verbunden ist, alle besondern Absichten dergestalt mit einander zu verbinden, daß immer eine ein Mittel zu andern wird; so muß auch die Ergötzlichkeit dem Studiren keinen Eintrag thun, und wird demnach alles verworffen, was auf einige Art und Weise dem Studiren etwas hinderliches nach sich ziehen, oder auch zu andern Dingen mehr Lust als zum Studiren machen kan; hingegen findet für allem andern statt, was dem Studiren beförderlich ist, und die Lust darzu vermehret. Wer mehr hiervon zu wissen verlanget, kan Wolf von dem gesellsch. Leben der Menschen … nachlesen.
  Es ist nicht zu läugnen, daß das Studiren eine Ursache von einen kräncklichen Cörper seyn könne, obgleich die wenigsten Ursache haben, ihre Kranckheiten davon herzuleiten. Die Gesundheit des Cörpers bestehet darinnen, wenn das Geblüte allezeit frisch, und durch Hülffe der Lebens-Geister in seinem Umlauffe ungehindert bleibet. Indem aber die Gelehrten stets sitzen, und durch Wachen und Meditiren die Lebens-Geister zerstreuen, so wird das Geblüte di-  
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  cke, ja wie ein stets stehendes Wasser gleichsam zur Fäulung gebracht. Daher wird der Appetit verderbet, die Verdauung gehindert, die Colica erreget, Blehungen und hypochrondrische Beschwerden erzeuget. Weil nun wegen des dicken Chyli dem Geblüte seine gehörige Nahrung entzogen wird, so muß der Cörper bleich und mager werden; weswegen auch so viele Gelehrte vor der Zeit graue Köpffe erlangen.  
  Es kommen auch wegen Mangel gehöriger Bewegung allzu viel rohe und nicht sattsam gekochte Theilchen in das Geblüte, woraus nach und nach Kopff-Schmertzen, hectische Fieber und allerhand scorbutische Beschwerungen entspringen. Wenn sich diese rohen Theilchen, welche in das Geblüte gekommen sind, nach und nach zusammen setzen, so melden sich die podagrischen und chiragraphischen Schmertzen, wie auch allerhand Entzündungen. Werden die Lebens-Geister allzusehr mitgenommen, so erfolget der Mangel des Gedächtnisses: Und wenn man demselben durch hitzige Sachen, als The, Chocolate, Toback, etc. helffen will, so kan man nicht selten in Schlafsucht, Raserey und andere Übel verfallen. Aus diesen Dingen vermeynen einige gar leichte die Ursache zu finden, warum die Gelehrten so unfruchtbar sind, oder doch zum wenigsten keine lebhafften Kinder erzeugen.  
  Ob sich aber gleich dieses alles gar wohl hören lässet; so giebt man doch ohne Zweiffel dem Studiren mehr Schuld, als es sich gebühret. Der Tod will eine Ursache haben. Wenn jemand kranck wird, so übereilet sich der Artzt vielfältig, indem er den Ursprung einer Unpäßlichkeit einer Sache zuschreibet, die doch wenig Theil daran hat. Sobald einem Gelehrten etwas fehlet, so müssen die armen Studien alles gethan haben. Allein unter tausenden, welche den Nahmen der Gelehrten führen, finden sich offt nicht zweene, welche sich ihr Handwerck so angelegen seyn lassen, daß der Leib darunter leiden müste. Die schwache Beschaffenheit der Cörper, die angeerbten Beschwerungen, die üble Diät, die Sünden der Jugend und andere Dinge sind die Quellen der meisten Kranckheiten.  
  Man trifft die angeführten Beschwerungen eben so wohl, ja noch häuffiger bey Leuten an, welcher eine gantz andere Lebens-Art haben, und nichts weniger thun, als Sitzen. Es sind viel und grosse Männer unter denen Gelehrten, welche bey ihrem Meditiren, Lucubriren und beständigen Arbeiten sehr wohl bey Leibe sind, und gesund bleiben. Ja es ist glaublich, daß wenn man die Sache untersuchen solte, man unter denen Liebhabern der Gelehrsamkeit ebenso viel starcke als schwache Männer finden würde. Und dieses haben die Studien mit andern Lebens-Arten gemein.  
  Daß die Gelehrten unfruchtbar sind, oder meistentheils Kinder von blöden Verstande zeugen, ist gar nicht erwiesen. Tiraquelli und hundert anderer Exempel liegen am Tage. Man hat gantze Geschlechter, bey welchen die Gelehrsamkeit gleichsam ein Erb-Stücke gewesen ist. Die Camerarii, Buxtorfe, Olearii, Carpzove, Osianders, Lyser, Opitze, Meibome und viele andere beweisen es sattsam.  
Vergnügen an der Wissenschaft Es muß hier noch eine Frage entschieden werden, welche man öffters aufzuwerffen pfleget. Leute, welche mit genugsamen Gütern versehen sind, daß  
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  sie sich ihr Leben ohne alle anderweitige Hülffe ruhig und bequem machen können, weyhen sich öffters der Gelehrsamkeit, und treiben die Wissenschafften nicht aus der Absicht, daß sie ihrem Nächsten damit dienen wollen, sondern sie klären ihren Verstand aus keiner andern Ursache auf, als weil sie an der Erkenntniß der Wahrheiten ein Vergnügen finden. Man findet auch Leute, welche, ob sie gleich von Mitteln entblößt sind, und ihren Unterhalt meistentheils von fremden Händen empfangen, dennoch nur diesen einzigen Endzweck in ihren Studiren haben, daß sie dadurch ihr Vergnügen zu befördern suchen. Kan man diese Absicht wohl entschuldigen, oder ist sie strafbar? Ist es erlaubt, bloß zu seinem Vergnügen zu studiren? Diese Frage zu entscheiden hat man folgendes zu mercken.  
  Die Begierde etwas neues zu erkennen, scheint uns von der Natur eingepflantzt zu seyn. Man bemercket sie bey Kindern, deren vieles Fragen oft von unwissenden Wärterinnen, und von gleich dummen Lehrmeistern mit verdrüßlichen Antworten belohnet wird: Man bemercket sie bey Erwachsenen unter verschiedenen Gestalten. Dieser suchet, ihr zu gefallen, eine beständige Abwechselung in dem Vergnügen, daß er seinen Sinnen macht; jener ist immer begierig neue Zeitungen zu hören. Bey niemand aber zeigt sie sich lebhafter als bey einem Gelehrten. Diesen beschäftiget eine Menge von Wahrheiten beständig, ohne daß er seine Bemühung nach Erkenntniß mit was anders belohnet sähe, als mit dem Vergnügen das aus dieser Erkenntniß entspringt.  
  Aber eben diese Neubegierde, die bey den Gelehrten so würcksam ist, machet auch vielleicht seine Bemühungen oft strafbar. Denn sie treibt ihn an, unnütze Wahrheiten zu untersuchen, bloß weil ihn die Erkenntniß davon ergötzet. Er bekümmert sich nicht, ob er durch seinen Fleiß den Vortheil seiner Mitbürger fördert; genung wenn dieser Fleiß ihn durch Erforschung unbekannter Dinge vergnügt.  
  Wir wollen einen Gelehrten annehmen, von dem man dieses sagen kan, und untersuchen, ob sich nicht dem ungeachtet seine Lebensart rechtfertigen läßt. Hierbey fordert man aber dieses von ihm, daß es würckliche Wahrheiten sind, mit denen er sich beschäfftiget, und daß er nicht etwan durch leere Wörter sich und andere betrügt; Ein grosser theil der Scholastischen Philosophie ist unnütze, nicht weil er im gemeinen Leben unbrauchbar ist, sondern weil er die gemeinsten Sätze mit den barbarischen Kunstwörtern prächtig verdunckelt. Man muß allerdings einen solchen Gelehrten annehmen; denn wie vortheilhafft öffters diejenigen Bemühungen eines Gelehrten sind, die am meisten als unnütze ausgeschrien werden, das fällt einem jeden in die Augen, der in der Erkenntniß der Wahrheit ein wenig geübt ist, und sieht, wie aus den trockensten Sätzen oft die fruchtbarsten Folgerungen fliessen.  
  Der gröste Theil unserer irdischen Glückseligkeit kömmt darauf an, daß wir die Kräffte, die in der Natur liegen, zu brauchen wissen. Wenn wir also diese Kräffte aus einer blossen Neugierigkeit untersucht, und kennen gelernet haben, so ist es hernachmahls leichte, sie zu  
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  unserm Dienste anzuwenden. Aber ohne die Entdeckung, welche die Neugier gemacht hatte, hatten wir im geringsten keinen Begriff von diesen Kräfften, und mußten also auch des Vortheils, den sie uns geben konnten, entbehren. Ein gemeiner Handwercker, der nur dasjenige fleißig nachmachet, was er von seinem Lehrmeister gelernet hat, bringt es nimmermehr so weit, als ein anderer, der selbst nachdenckt, sich öffters mißlungene Versuche nicht abschrecken läßt, immer mehr zu künsteln, und hierdurch öffters eine Verbesserung hervorbringt, die anfänglich ein blosses Spielwerck seiner Neugier gewesen war.  
  Eben so muß ein Brodgelehrter von einem andern unterschieden werden. Der erste, wenn er noch gewissenhafft handelt, treibt sein Studiren als ein Handwerck. Er lernet so viel, als er glaubet, daß ihm zu dem Amte werden nöthig seyn, dem er sich bestimmt. Aber wie öffters rächen sich hernach die Wissenschafften an ihm, die er als unnütze verachtet hat: Wie öffters wünscht ein Advocat, der seinen Proceß gantz wohl versteht daß er sich um die Meßkunst, um die Anatomie mehr bekümmert hätte, wenn er eine Grentzstreitigkeit ausmachen, oder Personen, denen man eine Mordthat Schuld giebt, vertheidigen soll! Wie viel Vortheile haben diejenigen, die zur Ausbreitung der Religion in entfernte Länder gereiset sind, davon empfunden, wenn sie sich durch einige Kenntniß in der Naturlehre und Sternkunst, die Verwunderung der Barbaren zuziehen konnten. Wie also ein Gelehrter nicht allemahl wird voraus sehen können, was ihm für eine Erkenntniß auch zu seiner Hauptwissenschafft nützlich seyn werde, so folget, daß ihm öffters etwas fehlen wird, wenn er glaubet, alles gelernet zu haben, was er nöthig hatte.  
  Aber wie soll man sich hier helffen? Soll man sich von dergleichen Sachen nur soviel Erkenntniß erwerben, als zu seiner Hauptwissenschafft erfordert wird? Es wäre gut, wenn man dieses thun könnte. Allein die in andern Theilen der Gelehrsamkeit brauchbaren Sätze einer Wissenschafft sind offt mit den übrigen Wahrheiten so genau verbunden, daß man sie nicht abgesondert erlernen kan, zugeschweigen, daß die Wahl und Absonderung dieser Sätze sehr schwer ist.  
  Es bleibt also kein Mittel übrig als dieses: Die Gelehrsamkeit nicht Handwercksmäßig zu treiben, sondern aus den Studiren überhaupt sich ein Vergnügen zu machen, und für den Fleiß, den man auf verschiedene Wissenschafften wendet, keine andre Belohnung zu fordern, als die Ergötzung, welche uns dieser Fleiß selbst giebt. Wer so gesinnt ist, der läßt keinen Theil der menschlichen Erkenntniß gantz mit Verachtung vorbey; er suchet sich von allen Wissenschafften einige Grundsätze bekannt zu machen, und wird hierdurch fähig, wenn er eine gewisse Wissenschafft bey seinem Hauptwercke nöthig hat, aus ihren ihm bekannten Grundsätzen, die Folgerungen, die er braucht, herzuleiten, oder wenigstens einzusehen, wie die Lehrer dieser Wissenschafft diese Folgerungen herleiten.  
  Es ist eine bekannte Wahrheit, daß alle Wissenschafften eine gewisse Verbindung mit einander haben, und daß niemand fähig ist, in ei-  
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  ner groß zu werden, der nicht in vielen andern eine Einsicht hat. Aber diese Einsicht erwirbt sich keine von denen kleinen Seelen, die, so bald sie sich bemühen sollen, was zu lernen, gleich fragen, wozu nützet mir das? Wenn man also auch in solchen Wissenschafften, deren Nutzen unläugbar ist, groß werden will: So gehöret darzu ein solcher Geist, der bloß zu seinem Vergnügen zu Studiren fähig ist.  
  Was sind es dann aber für Wissenschafften, die Nutzen bringen, und was für welche sind an sich unnütze, und vielleicht nur in soweit zu gebrauchen, in soweit sie in jene einem Einfluß haben? Dieses zu entscheiden, muß man zuvor die Begriffe von dem, was nützlich und unnützlich heißt, aus einander setzen. Wir nennen diejenigen Sachen nützlich, die unsre Lebensart bequemer und vergnügter machen. Viele von diesen Sachen sind eine geraume Zeit von den Menschen entbehret worden, und doch fanden sie bey ihrer Entdeckung allgemeinen Beyfall, und wurden dadurch nothwendig.  
  Diese Nothwendigkeit, dieser Nutzen kömmt öffters nur auf eine Einbildung an. Das Alterthum hat seine Danckbarkeit gegen die Erfinder des Ackerbaues und des Weins bis zur Vergötterung getrieben: Werden aber diejenigen Völcker wohl von eben dieser Religion seyn, die noch jetzo ohne das Korn und den Traubensafft leben? Die Lebensart dieser Völcker ist elend, wird man sprechen: Aber das Elend besteht bloß in der Einbildung. Dem Grönländer ist es eben so verdrüßlich hinter einem Pfluge herzugehen, so beschwerlich es dem gesitteten Europäer ist, eines Seehundes wegen sich durch Eis und Wellen zu wagen. Der Americaner hat vor dem Saltze einen Abscheu, und in Franckreich hat sich ein Aufstand erregt, wenn der König eine Theurung des Saltzes verursacht hat.  
  Hieraus fliesset, daß von dem Nutzen einer eintzigen Sache in verschiedenen Ländern gantz anders geurtheilet werden wird. In jedem Lande aber wird man dasjenige nützlich nennen, was zu dem Vergnügen und der Bequemlichkeit der Einwohner etwas beyträgt. Die meisten Menschen sind für die Sinne eingenommen; daher ist es kein Wunder, daß sie nur solchen Dingen Nutzen beylegen, die ihren Cörper rühren. Aber warum soll der Verstand nicht auch hier in Betrachtung kommen? Auch ist er gewisser Vergnügungen fähig, und zwar auch solcher die mit den Sinnen keine grosse Verbindung haben.  
  Ist denn dasjenige unnütze, waß zu diesen seinen Vergnügungen etwas beyträgt? Warum nennt man denn dasjenige nützlich, was die Sinne ergötzet? Ein gewisses Kraut ist nützlich, denn es heilet unsern Cörper von einer gewissen Kranckheit; kan denn eine Wahrheit unnütze heissen, die den Verstand vom Irrthume befreyt? Der Fleiß des Ackermannes ist nützlich, denn er verschaffet unserm Cörper Nahrung; nutzet denn der Fleiß des Philosophen nichts, der die Seele mit Wahrheit, der Nahrung der Geister, versorgt? Es ist wahr, nicht alle Geister verlangen diese Nahrung, aber das verringert den Werth des Philosophen so wenig, so wenig es den Werth des Feldbaues verringert, wenn der Grönländer sich mit stinckenden Fischen  
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  sättigt. Man könnte ja nicht billiger seyn.  
  Man vergönnt es denen, die an Untersuchung der Wahrheit kein Vergnügen finden, daß ihnen andere Sachen nützlich sind: Aber man fordert von ihnen, daß sie die Bemühungen der Gelehrten nicht als überhaupt unnütz schmähen solten, weil sie ihnen unnütze sind. Sonst wird der, der keinen Toback rauchet, den Kauffmann mit Rechte, als ein unnützes Mitglied des Staates betrachten, dessen größtes Gewerbe in Toback besteht, und derjenige, der nur Tuchkleider zu tragen gewohnt ist, wird dem Sammtmacher und den Seidenhändler aus der Republick vertreiben dürffen. Wer die Entdeckungen unnütze nennt, die nur den Verstand ergötzen, der setzet zum Voraus, daß der Verstand uns nur gegeben ist, den Cörper zu versorgen. Vielleicht ist diese Beschäftigung für seinen Verstand wichtig genung; aber deswegen soll er andre nicht tadeln, die, ohne diese Pflicht zu vergessen, ihren Verstand noch auf eine andere Art zu gebrauchen wissen.  
  Denn dieses wird vor allen Dingen erfordert, daß bey dem Vergnügen, welches uns die Wissenschafften geben, die Pflichten nicht müssen versäumet werden, die man sich und andern schuldig ist. Unsere Seele ist an den Cörper gebunden, und wird, wenn er Noth leidet, auch an den reinesten Würckungen des Verstandes gehindert. Selbst also die Absicht, die ein Liebhaber der Wahrheit hat, nöthiget ihn, sich in solche Umstände zu setzen, daß er seinen Untersuchungen nachhängen kan. Öfters beruht die Wohlfarth anderer auf unsern Bemühungen, und da darf man das geringere Vergnügen, daß man aus der Erkenntniß der Wahrheit hat, nicht der gantzen Wohlfarth seines Mitbürgers vorziehen. Ein Artzney-Gelehrter verfolge die Ästchen eines Gefässes, bis sie für die kleinsten Kügelchen des Quecksilbers zu enge werden: Vielleicht hat die Heilungskunst keinen Vortheil davon; doch seine Beschäftigung vergnügt ihn; sie erweitert unsre Erkenntniß von dem Baue des Cörpers, und das ist genung. Aber wie strafbar würde er nicht seyn, wenn er darüber einen Krancken sterben lassen wolte, dem seine zeitigere Gegenwart das Leben erhalten hätte?  
  Eben so wird man da unrecht thun, seinen Betrachtungen nachzuhängen, wenn man der Republick in der Ausübung wichtige Dienste leisten könnte, und kein anderer dazu fähig wäre. Aber wo ein anderer Geschicklichkeit und Lust besitzt, dem Staate einen Dienst zu leisten, dazu ich nur Geschicklichkeit ohne Lust habe, da wird er mir gerne mein ruhiges Glück lassen, wenn ich ihm die Ehre, die er erwirbt, gönne. So soll also ein Theil von dem Vergnügen des Gelehrten allemahl dem gantzen Glücke des Ungelehrten weichen, nicht deswegen, weil der eine gelehrt, und der andere ungelehrt ist, sondern weil der Theil weniger ist als das Gantze. Wo aber nur Vergnügen mit Vergnügen streitet, da kan man nicht sehen, warum gerade derjenige das Seinige entbehren soll, der den meisten Verstand besitzt.  
  Man sieht, daß ein Gelehrter sich viel mit Dingen beschäfftiget, die seinen und anderer Verstand ergötzen; man fordert von ihm, er solle et-  
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  was nützlichers thun. Was will man damit sagen? Er solle Sachen vornehmen, welche die Sinne seiner Mitbürger mehr vergnügten. Der Mathematick verständige hat eine neue Eigenschafft einer krummen Linie entdeckt, das heißt, seine Zeit verdorben; aber er würde diese Zeit viel besser angewendet haben, wenn er einen neuen Springbrunnen erdacht, oder ein Lusthaus angegeben hätte. Warum? Könnte man den Springbrunnen und das Lusthaus nicht ebenso wohl entbehren als die krumme Linie? Nein, denn den ersten Verlust vermissen die Sinne, und den andern nur der Verstand.  
  Woher kömmt aber doch das Recht, das dem sinnlichen Theil unsrer Mitbürger mehr Anspruch auf unsre Bemühungen ertheilt, als dem Verständigen? Es giebt Leute genung, welche für die Sinne arbeiten; man tadelt sie nicht; aber was verbindet denn einen Gelehrten insbesondere, eben dieser Arbeit die Vergnügungen seines Verstandes aufzuopffern? Ist denn seine Ergötzung nicht ebenso viel werth als von einem Bürger? Vielleicht wird dieser Schluß vielen Leuten sehr verwegen vorkommen, die wenn man ein Wortspiel im Schertze wagen darf, könnten Publicisten genennet werden; weil sie sich einbilden, kein Mensch sey für sich selbst, sondern für die gantze Welt, oder wenigstens für das heilige Römische Reich deutscher Nation gebohren. Das prächtige Lob nimmt sie ein, das ein Poet, der ein Spanier und Stoicker war, dem Cato beylegt: Non sibi sed toti natum se credere mundo. Doch wo finden sich Verbindlichkeit und Kräffte für eine so grosse Pflicht?  
  Die vernünfftige Sittenlehre so wohl als die Christliche verbinden uns, unsern Nächsten nur so sehr als uns selbst zu lieben. Heißt dieß, wir sollen unser gantzes Glück dem Glücke des Nächsten aufopffern? Gesetzt es hiesse so viel, so verbindet ihn eben diese Regel, sein Glück geringer zu schätzen, als das unsrige. Er darf also das unsrige nicht annehmen, und es wird sich zwischen ihm und uns ein Complimentirstreit erheben, wer den andern glücklich machen soll? Doch niemand hat sich zu befürchten, daß ihn ein paar solche Menschenfreunde etwa zum Schiedsrichter erwehlen möchten. Denn so schön dergleichen Reden klingen, so wenig werden sie ausgeübt. Jedweder Mensch sorget am meisten für sein Glück, und wenn er dadurch zufälliger Weise das Glück anderer würcket, so geschiehet es, weil es mit dem seinigen genau verbunden ist.  
  Ein Kauffmann ernährt eine Menge armer Arbeitsleute, nicht daß er sie ernähre, sondern daß sie ihn reich machen. Ein Sachwalter übet sich in der Wissenschafft, ohne die kein Staat bestehen kan; aber wird er wohl mit dem Italienischen Rechtsgelehrten, Alexander Tartagna, sagen: Ich habe die Gesetze gelernet, sie zu wissen und nicht zu verkauffen. Selbst die Lehrer heiliger Wahrheiten wissen sich darauf zu beruffen, daß ein Arbeiter seines Lohnes werth sey. Man tadelt keinen, der auf diese Art sein Glück mit dem Glücke anderer zu verbinden weiß, man fordert nur von ihnen, die Quelle ihrer Thaten zu untersuchen; es wird ihnen rühmlicher seyn, dieselbige in einer vernünfftigen Selbstliebe als in einem eingebildeten Eifer für das gemeine Beste zu finden.  
  Die Vorsicht erhält das Beste der gan-  
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  tzen Welt, indem sie in jedem Theile den Trieb für seine Erhaltung gesenckt hat. So ist bey einem Baue jeder Arbeiter mit dem ihm angewiesenen Stücke beschäftiget, und überläßt es dem Baumeister, die Verbindung des Gantzen zu besorgen. Man stelle sich aber einen patriotischen Maurergesellen vor, der es für seine Pflicht hält, seinen Mitarbeitern überall zu helffen. Hier setzt er am Ende des Gebäudes einen Stein für einen seiner Gehülffen ein; nun eilet er nach dem andern Ende, um dem zweyten eine Kelle Kalck zuzureichen; er findet unterwegens das Senckbley, das der Dritte hat liegen lassen, und suchet ihn auf, ihm solches zu überbringen; aber indem er sich in alle diese wichtigen Pflichten zerstreuet, so versäumet er darüber seine ihm vorgeschriebene Arbeit.  
  Handeln die Publicisten wohl anders, wenn sie so handeln wie sie reden? Doch zu allem Glücke nehmen sie sich wohl in Acht, daß man ihren Thaten den Vorwurff nicht machen kan, den ihre Lehren verdienen. Sie sehen es vielleicht gerne, wenn andere Leute diesem Satze Glauben beymässen, sowie gewisse orientalische Priester ihren Völckern die Seeligkeit noch sehr lebhafft vorzustellen wissen, welche die freywillig Armen nach dem Tode zu hoffen haben, und dabey so liebreich sind, die irdischen Güter von jedem anzunehmen, der sich davon zur Erlangung der zukünfftigen entledigen will.  
  Hieraus folget, daß der Gelehrte mit Recht am meisten für sein Vergnügen sorgen, und solches dem Vergnügen seiner Mitbürger vorziehen könne. Er handelt hierinnen nicht anders als seine Mitbürger selbst, und es ist keine Pflicht vorhanden, die ihn stärcker verbinden solte, als sie. Wird man denn also den Gelehrten zu einem Menschenfeinde machen, der aufs höchste nur mit einigen tiefsinnigen Geistern seiner Art in Verbindung steht, und sonst dem gantzen menschlichen Geschlechte unnütze ist? Im geringsten nicht. Der Gelehrte brauchet ja in vielen Stücken keinerley Nothwendigkeiten mit dem Ungelehrten. Es giebt ja gantze Profeßionen und Künste, die nur von dem Fleiß des Gelehrten leben. Und überdieses mag sich der Gelehrte auf eine Wissenschafft legen, auf welche er will, so wird sie niemahls gantz und gar ohne Einfluß auch in den Vortheil ungelehrter Mitbürger seyn, ungeachtet es Wahrheiten darinnen geben kan, wo dieser Einfluß nicht mercklich ist.  
  Es ist aber dem Gelehrten eben so erlaubt, sich an diesen Wahrheiten zu vergnügen, so erlaubt es den Kaufmanne ist, einen Theil seines Reichthums bloß zu seiner Ergötzung anzuwenden, wenn er mit dem übrigen dem Staate Nutzen bringt. Aber ist es nicht besser, solche Bemühungen vorzunehmen, deren Nutzen in die Sinne fält, und daran also viele Theil nehmen, als durch tiefsinnige Wahrheiten nur weniger erhabener Geister zu vergnügen?  
  Hierbey muß man erstlich dieses anmercken, daß man denjenigen noch nicht allemahl nützlich heißt, der andern, gesetzt, daß deren auch viele wären, Vortheile verschafft. Man stelle sich den eintzigen Erben eines reichen Vaters vor. Man setze, er theile seine Einkünffte so ein, daß er bloß von denselben lebet, ohne das Vermögen zu verringern. In so weit verdienet seine Haushaltung Lob. Aber  
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  man gebe ihm nun keine andere Lebens-Art als schlaffen, essen und trincken. Wird man diesen Menschen für nützlich halten, ungeachtet vielleicht eine Anzahl Bediente und andere Leute von ihm Unterhalt und Vortheile haben? Die blosse Versorgung anderer also machet unsere Lebens-Art noch nicht nützlich; sondern es werden gewisse Beschäftigungen darzu erfordert, die eines Menschen würdig sind; denn die nur erzehlet worden sind, sind uns auch mit den Thieren gemein.  
  Kan man wohl aus der Zahl dieser Beschäftigungen, die man nützlich nennet, die blosse Übung des Verstandes ausschliessen, da der Verstand uns am allermeisten von den Thieren unterscheidet? Derjenige der ihn uns gegeben hat, schiene in der That etwas Überflüßiges gethan zu haben, wenn er wolte, daß wir ihn nicht weiter ausbessern solten, als es zur Erhaltung unsers Cörpers nöthig ist, da die Thiere ohne eine so vortreffliche Fähigkeit sich in die Erhaltung ihres Cörpers eben so glücklich finden, als wir. Ist uns aber der Verstand deswegen gegeben, weil wir künfftig zu einer Glückseligkeit bestimmet sind, die den Thieren versagt ist, und die weniger auf die Sinne ankömmt, so wird es auch nicht unnütze seyn, sich schon gegenwärtig an etwas andere als sinnliche Vergnügungen zu gewöhnen.  
  Vielleicht aber verbindet die Danckbarkeit einen Gelehrten seine Kräffte dem Staate aufzuopffern, der ihn nähret? Allein er genießt ja die Vortheile, die er von dem Staate zieht, nicht umsonst. Er erhält von andern nicht mehr, als er ihnen vergilt. In so fern er also von seinen Mitbürgern leben muß, in so fern wird er freylich sich mit solchen Dingen beschäfftigen müssen, darein sie einen Werth setzen. Weiter aber ist keine Ursache vorhanden, warum er seine Zeit andern aufopffern soll, da der schlechteste Bürger dieses nicht thut, als in so weit ihm seine Umstände darzu nöthigen. Was findet man also straffbares in dem Fleisse eines Gelehrten überhaupt, und warum will man ihm nicht das Glück gönnen, daß er darinnen sucht? wenn er nur nicht darbey seine übrigen Pflichten vergißt.  
  Was bisher gesaget worden ist, rechtfertigt die Bemühungen der Gelehrten, in so weit sie als unnütze von den Ungelehrten getadelt werden. So gemein dieser Tadel ist, so würde er doch ohne Zweiffel noch höher getrieben werden, wenn ein Ungelehrter zum Unglücke hinter die Zänckereyen kommen solte, die unter den Gelehrten selbst wegen des Nutzens ihrer Wissenschafften im Schwange gehen. Da erklärt der Sachwalter die Bemühungen des Philosophen für unnütze, der Philosoph urtheilet ebenso von dem Fleisse des Lateinischen Critici, und der Criticus giebet diesen Tadel an den Deutschen Wortforscher weiter. Der Metaphysicus hält sich über den Poeten auf, und beyder Unterschied bestehet doch gröstentheils darinnen, daß des einen Erdichtungen tiefsinnig, und des andern aufgeweckt sind. Einer glaubet der Rechtsgelehrsamkeit einen wichtigen Dienst geleistet zu haben, wenn er die Gesetze des Romulus sorgfältig von den Verfassungen des Numa unterscheidet, und der andere meynt, die Rechte mathematisch zu demonstriren, wenn er aus der Ontologie weit-  
  {Sp. 1220}  
  läufftig darthut: Ein Römischer Bürger habe das Bürgerrecht verlohren, so bald ihm die Freyheit genommen wurde.  
  Man gönnt einem jeden von diesen Leuten die süssen Einbildungen, die er sich von der Wichtigkeit seiner Beschäfftigungen macht, wenn er nur andere darüber nicht verachtet; doch wenn er sich wie ein irrender Ritter einen andern in den Weg stellet, ihn zu zwingen, daß er seine Printzeßin unbekannter Weise für die schönste unter der Sonnen erklären soll; so kan er auch noch das Hertz haben, da ihn seine Beherrscherin gestärcket, einen Gang mit ihm zu wagen.  
  Nicht alle Wissenschafften haben an einem Orte den Beyfall, den sie an andern Orten finden. Die Vornehmsten in Engelland und Franckreich machen sich eine Ehre daraus, Beforderer und Kenner von gewissen Theilen der Gelehrsamkeit zu seyn, die man in andern Ländern den Schulfüchsen überläßt. Und wenn eine Wissenschafft nur beliebt ist, so nennet man es schon nützlich, sich darauf zu legen; denn man kan dadurch, wie wir reden, sein Glück machen. Aber ein anderer, dem diese Wissenschafft nicht so gefällt, ist deswegen nicht zu tadeln, daß er Beschäfftigungen erwehlt, die ihm vielleicht anderswo ebenfalls mehr äusserliche Vortheile erwerben könnten, genung daß er mit dem Vergnügen, welches ihm seine Wissenschafften geben, zufrieden ist, und weder Ehre noch Reichthum verlangt.  
  Denn man sieht bey der Belohnung der Wissenschafften und Künste nicht allezeit darauf, wie wenig man sie entbehren kan. Welcher Künstler würde sonst vor einem Ackersmanne den Vorzug fordern können? Vielmehr mißt man den Werth einer gewissen Bemühung nach der Geschicklichkeit und nach dem Verstande ab, die darzu erfordert werden, insbesondere, wenn die Würckung dieser Bemühung auch in die Sinne fällt, und hierdurch Leute ergötzen kan, die ihren Verstand, sich zu vergnügen, nicht anstrengen wollen. Darum finden der Mahler, der Bildhauer so viel Hochachtung.  
  Wenn man also dem Gelehrten nicht allein das Recht rauben will, das man jeden Menschen zugesteht, sein eigenes Glück, so weit es ohne Verletzung anderer geschehen kan, zu befördern; wenn man nicht den Grundsatz annehmen will, daß uns der Verstand nur den thierischen Nothwendigkeiten zu gefallen gegeben sey; wenn man sich nicht den Weg zu den nützlichsten Erfindungen verschliessen will, die offt die Frucht von den so genannten müßigen Betrachtungen sind, so wird man einem Gelehrten verstatten müssen, daß bey seinem Studiren das Vergnügen sein Hauptwerck sey. Belust. des Verst. und Witzes  
       

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Stand: 7. April 2013 © Hans-Walter Pries