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Zedler: Teutschen Gelahrheit (Historie der) HIS-Data
5028-42-1807-5
Titel: Teutschen Gelahrheit (Historie der)
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 42 Sp. 1807
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 42 S. 917
Vorheriger Artikel: Teutsche Gast-Freyheit
Folgender Artikel: Teutscher gelber Steinklee
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel

  Text Quellenangaben
  Teutschen Gelahrheit (Historie der) berichtet, was die Teutschen Gelehrten in Ansehung der Gelahrheit überhaupt, und der darzu gehörigen Künste und Wissenschafften insonderheit merkwürdiges gethan haben.  
  Daß die Teutschen in diesem Stücke ihre besondere Verdienste haben, davon liegen unzehlige Proben am Tage. Und gleichwie sie die ersten sind, die sich um die Historie der Gelahrheit und um die Kenntniß und Wissenschafft der darzu gehörigen Bücher verdient gemacht, also geben sie auch noch bis jetzo keiner Nation in diesem Studio etwas nach.  
  Denn vor dem Conrad Gesner weiß man kei-  
  {Sp. 1808}  
  nen, der an eine Bibliothecam Vniversalem gedacht. Dieses sein Buch, welches unsern Satz unterstützet, hat folgenden Titel: Bibliotheca universalis sive Catalogus omnium Scriptorum locupletissimus in tribus linguis, latina, graeca et hebraica extantium et non extantium veterum et recentiorum, und ist 1545 in fol. zu Zürch heraus gekommen. Er hat darinnen die Auctores nach der Ordnung des Alphabeths; in den 1548. und 1549. edirten Pandectis aber, so den andern Tomum der Bibliothecæ ausmachen sollen, nach den Wissenschafften und Materien gesetzet.  
  Ob nun wohl einige meynen, ob habe Baco de Verulamio de Dignitate et Augm. Scientiarum Lib. I. cap. 4. (dessen Innhalt man in Morhofs Polyhist. T. I. Lib. I. cap. 2. §. 3. kürtzlich angeführet findet) zuerst gewiesen, wie man eine Historie der Gelahrheit verfertigen soll, so ist doch gewiß, daß noch vor demselben Christoph Myläus die Nutzbarkeit eines solchen Werckes erkannt hat. Dessen Consilium Historiæ universitatis scribendæ per Christophorum Mylæum ist 1548. in 4. zu Florentz, desgleichen unter dem Titel: Christophori Mylæi Hermes Academicus, seu de scribenda universitatis rerum Historia Libri V. zu Basel 1551. und 1579. in 8. ingleichen zu Jena 1624. in 8. heraus gekommen. In der Excursione, so vor dem fünfften Buche stehet, hat Myläus die Nothwendigkeit der Gelehrten-Historie allerdings erkannt, auch einen Catalogum der Gelehrten, die vom Anfang der Welt bis auf das zwölffte Jahrhundert nach Christi Geburt gelebet, daselbst mitgetheilet.
  • Reimmanns Einl. Vol. I. p. 5. f. Vol. III. p. 464. und Vol. V. p. 781. Morhofs Polyhist. l. c. §. 4. und lib. II. cap. 4. §. 16.
  So hat auch Bartholomäus Keckermann in seinem Commentario de Natura et proprietatibus Historiæ, so zu Hannover 1610. in 8. heraus gekommen, cap. VI. p. 102. u. f. einen nicht unebenen Abriß davon publiciret, wie dieses Reimmann in der Einl. Vol. III. p. 454. u. f. zuerst angemercket. Stollens Historie der Philosophischen Gelahrheit, p. 23.
  Es würde aber zu weitläufftig werden, wenn man theils alle diejenigen Deutschen beybringen wolte, welche ihren Ruhm durch die Litteratur erworben, theils auch alle Arten der Gelahrheit durchgehen solte. Inzwischen wollen wir doch eines und das andere davon berühren.  
  Was sich die Gelehrten unter denen Teutschen für Mühe gegeben, um ihre Sprache und folglich auch um ihre Grammatick, wie nicht weniger um ihre Poesie, davon siehe die Artickel  
 
  • Teutsche Sprache,
  • Teutsche Sprachkunst,
  • Teutsche Dichtkunst,
  • und Teutsche Gesellschafften.
 
  Ja sie haben sich nicht nur allein um ihre Mutter-Sprache, sondern auch um andere verdient gemacht. Wie sie denn viele Bücher aus fremden Sprachen theils in die Teutsche, theils in die denen Gelehrten übliche, oder Lateinische, übersetzet. Wie denn z.E. was die Griechischen Schrifften derer alten Medicorum des Hippocrates, Galenus, und anderer anbetrifft, das Lob der Ubersetzung vornehmlich denen Teutschen gebühret.  
  Denn der einige Janus Cornarius hat den  
  {Sp. 1809|S. 918}  
  Hippocrates, Dioscorides, den Paul Aeginetam, den Aetius, und das meiste von dem Galenus übersetzet, auch andere bereits übersetzte Scriptores Medicos ausgebessert. Siehe Cornatius (Janus) im VI Bande, p. 1295. Johann Guinterius, Leonhard Fuchs und Conrad Gesner haben ein gleiches zu thun sich bearbeitet.
  • Conring Comment. de Scriptor. Sec. XVI. cap. IV. init. p. 115. Stollens Historie der Medicinischen Gelahrheit p. 134. §. 143.
  In Ansehung der Hebräischen Sprache wollen wir dieses nur gedencken, daß auch Ausländer, als Philipp Oussel in Introduct. in Accentuat. Hebr. denen Teutschen den Ruhm in der Accentuation vor andern geben, als welcher auch die Principia derer Teutschen behält. Unsch. Nachr. des Jahrs 1714 p. 775 f.
  Und gewiß, die Teutschen können allemahl so vortreffliche Männer in allen Arten der Gelahrheit aufweisen, als andere Nationen. Wir wollen zum Exempel hier nur die Weltweisen und Mathematicos anführen, welche groß gewesen, und andern den Weg, die Wissenschafften zu vermehren, gewiesen haben. Italien mag seinen Galiläus und Caßinus loben, wir setzen denenselben den Copernicus, Keplern, Scheinern und den Marius engegen. Franckreich mag seinen Remond, de la Hire, den Insulanus etc. Engelland seinen Halley und Flamsted preisen; Teutschland kann Heveln und Kirch dargegen stellen.  
  Franckreich mag den de l' Hospital und Bernoulli rühmen; wir haben Hermann und Bülfingern. Italien mag den Machiavel erheben, Franckreich den Montanus und Vayer, Engelland den Hobbes und Wollaston; wir Teutschen lassen dagegen den Grotius, Pufendorfen, und den Thomasius auftreten.  
  Wir setzen dem Borello und Vallisnerio derer Italiener, Sturmen und Scheuchzern; dem Lock und Malebranche unsern Tschirnhauß; dem Boyle und Hamel den Guericke und Leewenhoock; dem Cartesius und Newton endlich Leibnitzen und Wolffen entgegen.  
  Ob nun wohl, wie aus dem bereits angezeigten zu ersehen, Teutschland keinen Mangel an solchen Leuten gehabt, welche in allen Arten der Wissenschafften ihren besondern Ruhm erlangt, diese auch sich allezeit vieler Bescheidenheit gebrauchen, und die ausländischen Gelehrten von jeder Art verehren, gleichwohl nimmt man wahr, daß ihnen gar wenig Ehre dagegen erwiesen wird, und daß viele derer Teutschen, welche Helden unter den Gelehrten sind, bey jenen von mäßigen Scribenten verächtlich gehalten werden.  
  Es ist zu bedauren, daß die Teutsche Nation ihren Kräfften zu wenig zutrauet, und dasjenige, was ausser denen Grentzen Teutschlandes zum Vorschein gekommen, allzusehr bewundert. Daher eben die Ausländer eine, wiewohl noch lange nicht rechtmäßige vielweniger zulängliche Ursache nehmen, die Teutschen zu verachten. Sie nehmen auch Gelegenheit die Teutschen geringe zu halten, von der Unvollkommenheit aller derer Schrifften, die von denen Ausländern auch ausgearbeitet worden.  
  Aber, wie eine schlechte Ursache hieraus die Ausländer nehmen können, ist nicht nöthig hier zu zeigen, wie wir denn auch ihre Mängel und Irrthü-  
  {Sp. 1810}  
  mer hier nicht beleuchten wollen, weil von beyden der Beweiß genugsam am Tage lieget. Damit wir aber einige derer Ausländer z. E. anführen, welche die Teutschen Gelehrten verachten, so wird unter andern des Frantzosen, des Perrault zu gedencken seyn, dieser meynet in seiner Parallele des Anciens et des Modernes en ce qui regarde les Arts et les Sciences unter andern auch von den Teutschen, sie hätten in ihrer Sprache noch nicht viel gethan; gegentheils aber seine Frantzosen allein über alles erhebet. Wir Teutschen aber wissen, daß Leute, die unsere Sprache nicht verstehen, auch von denen darinn geschriebenen Büchern nicht urtheilen können. Es ist genug, daß einige Frantzosen zugestanden, daß, obschon ihre Nation an sogenannten beaux Esprits eine grössere Anzahl ausweisen könne, die Teutschen dennoch mehr judicieuse Scribenten haben. Stollens Hist. der Philos. Gelahrh. p. 16. §. 27. not.
  Vor einigen Jahren hielt Santäus, ein Jesuitischer Priester zu Paris, eine Rede, in welcher er sich bemühete zu erweisen, daß seine Frantzosen alle Europäische Völcker an Verstande überträfen, da er denn auch, was die Teutschen anbelanget, sich bey aller Gelegenheit angelegen seyn ließ, denenselben eine Trägheit und Armseligkeit des Verstandes zuzuschreiben, und solche lebendig abzumahlen.  
  Der bekannte Baillet hat auch nicht unterlassen, die Teutschen Gelehrten verächtlich zu tractiren. Denn er hält in seinen Jugemens des Scavans T. I. P. II. c. 7. des prejuges des Nations §. 6. p. 272. dafür: Germanorum animas, non, ut hominum aliorum, in cerebro, sed in dorso sedem habere, ac Minervam in harum terrarum Scholis Academiisque mulos suos alere.  
  So meynet auch Dominicus Bouhours in seinen Dialogis: Der Frantzösische Bel Esprit, wie er es nennet, käme niemahls über den Rhein, es sey denn, daß er sich ohngefer einmahl verirrete. Gelehrte Fama 37-48 Th. p. 115 f.
  Der Professor Silberrad zu Straßburg, welcher in seinen Dissertationen de Invidia Eruditorum die Frantzosen defendiret, will daß man solchen Neid eintzeler Männer nicht der gantzen Nation zuschreibe, sintemahl ja die Teutschen Gelehrten allerdings auch in Franckreich ästimiret würden, und zwar von dem Könige selbst, welcher auch gewissen in Teutschland lebenden Gelehrten jährliche Stipendien reichen liesse; siehe Chapuzäus P. Europe Vivante L. I. p. 356.
  Dabey hält er es dem berühmten Morhof vor übel, daß er de meritis Germanorum in rem litterariam zu schreiben, angefangen; ingleichen einem Ungenannten, welchen er vor J. F. Cramern, einen Preußischen Rath hält, welcher 1694. Vindicias nominis Germanici contra quosdam obtrectatores Gallos in Fol. zu Berlin ediret, Gelehrte Fama l. c.
  Dieses alles aber wird dem wahrhafften Ruhme derer Teutschen keinen Abbruch thun. Es hat, M. Meister in dem Vorbericht vor seinen unvorgreifflichen Gedancken von teutschen Epigrammatibus, in welchem er von dem Esprit derer Teutschen handelt, gegen die Frantzosen deutlich genug gewiesen, daß es ihm, und andern Teutschen an Esprit nicht mangele. Srolle l. c. p. 230. not. 9.
  Die Engelländer sind nicht weniger von der verkehrten Liebe  
  {Sp. 1811|S. 919}  
  gegen ihre Landsleute eingenommen, und wollen sich durch die Verachtung derer Teutschen groß machen. Dieses kan man mit einem Exempel aus Joh. Locks Opp. T. III edit. Lond. in f. 1717 erweisen. Dieser Tomus hält ausser andern Lockischen Schrifften, Briefe dieses Weltweisens und seiner Freunde, insonderheit des Molynäus, in sich. Wir wollen hier nur darauf sehen, was von dem berühmten Leibnitz gesaget wird. Dieser hatte nach seiner Gewohnheit, auch über des Locks Buch von dem menschlichen Verstande, seine Gedancken zu Papiere gebracht und Locken selbst einhändigen lassen. Lock gedencket derselben p. 557 mit allem Ruhm, setzet aber hinzu, dieselben schienen ihn vor einen so grossen Mann unanständig zu seyn, und sie wären bloß aus Unwissenheit der Engelländischen Sprache entsprungen.  
  Molynäus antwortet hierauf Locken, und spricht zwar Leibnitzen das Lob eines grossen und ausserordentlichen Mannes nicht ab, ziehet aber dasselbe mit Unrecht bloß auf Mathematische Sachen, und trauet ihm in Logisch- Metaphysischen Dingen wenig zu. Lock stellet bald darauf eine Antwort, und überschicket diesem Freunde die Leibnitzische Schrifft. Dabey berichtet er, es habe, weiß nicht was vor ein Cunninghamus, ihn schrifftlich versichert, er habe Leibnitzens Schrifft nicht verstanden; ferner füget er hinzu, es sey nicht genug, daß man einen grossen Verstand ohne viele Meditation habe.  
  In einem andern Briefe an den Molynäus führet er einige Worte von einem Freunde aus Holland an, welcher, wie es scheinet Johann Clericus ist. Diese lauten unter andern also: On m'a dit mille biens de ce Mathématicien. Il y a long tems, que magna et præclara minatur, sans rien produire que quelques demonstrations detachées. Je crois neanmoins, qu’il ne vous entend pas, et je doute, qu'il s’entende bien lui, même. Welches sich gewiß nicht mit dem Lobe reimt, das man Leibnitzen beyleget.  
  Zu Gefallen schreibt hierauf Molynäus, Leibnitz brauche entweder eine unglückliche Schreib-Art, oder er sey so sehr tumm, daß er desselben Schrifft nicht verstehe. Ferner sagt er auch die Mathematische Erfindungen des Leibnizens hätten die gantze Welt betrogen, aber in andern Versuchen verstehe sich Leibnitz selbst so wenig, als ihn andere verstünden. Siehe des berühmten Herrn Prof. Gottscheds Programma, so betittelt: Iniquitas exterorum in ferendo de eruditis nostratibus judicio etc. Leipzig 1734 in 4.
  Es haben auch die Teutschen in Ansehung der Gelehrsamkeit sich dadurch hervor gethan, daß sie sich Academien und Schulen anzulegen, angelegen seyn lassen, deren sich die Academien auf 38 belauffen. Siehe Teutsche Academien. Von den Teutschen Ritter-Academien handelt auch ein besonderer Artickel.  
  Teutschland aber hat nicht nur an eigentlich sogenannten Gelehrten sondern auch an Künstlern beständig in Ansehen gestanden. Schon vor fast ein paar hundert Jahren, nehmlich 1548 begehrte der Rußische Czaar Johann Basilides II durch seinen Gesandten von dem Kayser Carl V, daß dieser sein Gesandter einige Theologen, welche die Lehren und Ceremonien der Lateinischen  
  {Sp. 1812}  
  Kirche ihm und den Seinigen vortragen könnten, und Staats-erfahrnen Leuten, auch verschiedene Künstler und Handwercksleute aus Teutschland mit in Moscau bringen möchte, und nachdem solche, wiewohl es der Kayser zugestanden, durch Hintertreibung der Lübecker nicht dahin gelassen worden; so that der Czaar noch einmahl bey dem Kayser Ferdinand darum Ansuchung. Treuers Einleitung zur Moscowitischen Historie p. 62.
  Nicht einmahl zugedencken, was zu des Czaars Peters des Grossen Zeiten vorgegangen, der die Teutschen Gelehrten und Künstler allen andern vor und zu sich gezogen, welches noch jederman bekannt, und daher keines weitläufftigen Beweises bedarff.  

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Stand: 18. November 2016 © Hans-Walter Pries