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Ursprung und Notwendigkeit |
Nunmehro
wollen wir noch von dem
Ursprunge und der
Nothwendigkeit des eingeführten Eigenthum-Rechts handeln. Eigentlich ist diese
Materie
historisch, und gehöret nicht so wohl vor die
Philosophen als
Theologen,
insofern alles dasjenige, was wir davon
wissen, aus der
heiligen Schrift
genommen wird. Der
Philosophus kan wohl
wahrscheinlich die
Ursachen,
wodurch man zu Einführung des Eigenthum-Rechts veranlasset worden, anführen,
gleichwohl wie es eigentlich zugegangen, nichts
gewisses ausmachen. |
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Gesetzt aber, daß man in dem historischen
Ursprunge fehle, so
hat doch die
moralische
Nothwendigkeit, nemlich, daß das Eigenthum bey der
Verderbniß der
Menschen, bey denen anwachsenden
Künsten und
Fleiß dererselben um
die Streitigkeiten zu vermeiden, habe
müssen
eingeführet werden, ihren
guten
Grund, und kan der historische
Ursprung, welcher bey einer moralischen Sache
nicht wesentlich ist, dem moralischen Ursprung keinen Eintrag thun. |
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Einteilung |
Wir wollen die Abhandlung von dem
Ursprunge des Eigenthums in
diese drey
Fragen
eintheilen, erstlich, was es gleich vom Anfange der
Welt damit
vor eine Beschaffenheit gehabt habe? hernach auf was Art das Eigenthum, wenn
solches gleich nicht vom Anfange gewesen, eingeführet worden? und drittens, wie
weit
GOtt bey solcher Anordnung mit seinem
Willen concurriret? |
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Anfang der Welt |
Bey der ersten Frage sind die Natur-Lehrer nicht einig, sie
widersprechen einander, doch läufft vieles auf eine blosse Wortstreitigkeit
hinaus. Man hat sich die
Sache durch die beyden
Wörter Dominium und
Communionem schwer gemacht, indem man dieselbe bald in engern, bald in
weitern Verstande angenommen. Die Communionem hat man wieder in
positivam und negativam eingetheilet. |
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Communio negativa |
Die Communio negativa
ist diese, da sich ihrer viele einer
Sache zugleich bedienen können, doch so,
daß sich keiner derselben, ausser, wenn er sie
gebrauchet, als eigenthümlich
anmasset; die Communio positiva hingegen ist, wenn alle zugleich ein
Eigenthums-Recht an einer
Sache haben, welche auch das Dominium commune
genennet wird. |
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proprietas und Communio positiva |
Mit denen
Wörtern proprietas und Communio positiva
sind
verschiedene Verwirrungen vorgegangen; die verschiedene
Meynungen derer
Gelehrten aber sind nachfolgende: |
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1. Meinung |
Grotius de Jure Belli …
scheinet eine Communionem positivam behauptet zu haben, er zeigt, wie es
unmöglich gewesen wäre, daß man in solcher Gemeinschafft derer
Güter geblieben,
wobey das Eigenthum gleich vom Anfange der
Welt gewesen wäre, doch so, daß das
Eigenthum bey allen gewesen, kein Dominium particulare aber eingeführet
worden. |
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Diese
Sätze des Grotii sind von
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- Zieglern in Not. ad Grot. … und
- Böclern
in Commentario ad Grotium …
- Osiander ad
Grotium …
-
Kulpisio in
Collegio …
-
Pufendorf. de Jure Naturae …
- Strauchio de Imperio …
- Oberrechten in Dissertatione …
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angegriffen worden. Die Gegner aber haben hiebey besondere
Absichten gehabt, indem einige auf die Communionem positivam,
andere hingen auf die Proprietatem, oder das eigentliche Eigenthum,
gedrungen haben. Grotius de Mare libero hat sich |
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{Sp. 1223|S. 637} |
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auch dahin erkläret, daß dieses gemeinschafftliche
Recht alle
Proprietaet ausschliesse. |
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2. Meinung |
Die andere
Meinung dringet auf eine Communionem negativam,
in welcher ein ieder die
Sache
gebrauchen kan, ohne, daß er ein Recht habe, den
andern gäntzlich davon auszuschliessen. Welcher
Meynung |
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Pufendorf de Officio …
- Thomasius Jurispr.
…
- Wernher in Element. …
- Treuer in
Notis ad Pufendorfium …
- Heumann in Dissertatione de Origine Imperii,
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beypflichten. |
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Thomasius erinnert insonderheit, die Worte
GOttes, welche er zu unsern ersten
Eltern gesprochen: Machet euch die
Erde unterthan, und herrschet über die Thiere, zeigten nichts anders
an, als daß denen ersten
Menschen die
Freyheit gegeben worden, sich aller dieser
Dinge zu bedienen. Eine Freyheit aber zeige noch kein
Dominium an, dessen
Eigenschafft es wäre, daß es gegen einen andern, welcher ausgeschlossen werden
könnte,
müste gehalten werden. Bey unsern ersten Eltern wäre niemand vorhanden
gewesen, welcher hätte können ausgeschlossen werden. Hätten die ersten Menschen,
im
Stande der Unschuld,
Kinder gezeuget, so hätten sie gleiches
Recht mit ihren
Eltern gehabt. Die Eltern hätten also in Ansehung der Kinder die
Herrschafft
nicht haben können. |
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Adam hätte, als
GOtt dieses zu ihnen
gesagt, das
gantze
menschliche
Geschlecht
vorgestellet, dahero müsten die Worte GOttes wie bey einem, also auch
bey dem andern, verstanden werden. Auf solche Weise wäre denn bei der
Fortpflantzung des menschlichen Geschlechtes die Communio negativa nicht
aufgehoben, sondern nur auf mehrere
Personen gebracht worden. Das Sprichwort:
Amicorum bona sunt communis, hätte seine gute Richtigkeit, und im Stande der
Natur wäre die
vollkommenste Freundschafft gewesen. |
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Ferner, so verursache das Eigenthum eine grosse Ungleichheit unter denen
Menschen, indem daher
arme und
reiche entstünden, welche Ungleichheit aber dem
Stand der Natur zuwider wäre. Endlich habe man auch damals keine
Ursache, das
Eigenthum einzuführen, gehabt, die
Erde hätte vor sich das ihrige
hervorgebracht, die
Arbeit wäre nicht beschwerlich gewesen, die menschliche
Natur hätte mit wenigen vorlieb genommen, und man hätte von keiner Uppigkeit,
Zänckerey, und keinem Neide gewust. Doch diese letztere
Gedancken gehören fast
mehr zu dem
Stande der
Vollkommenheit, als zu dem Stande der Natur. |
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3. Meinung |
Die
Meynung der dritten verwirft so wohl die Communionem positivam,
als negativam, und dringet auf das Dominium insonderheit, welches
ursprünglich weder von einer Einnehmung noch von einer
Theilung der
Menschen,
sondern von einer göttlichen Uberlassung, die Anfangs dem Adam, und nachgehends
nach der Sündfluth dem Noah geschehen, herkäme. Welche Meynung von |
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- Zieglern
ad Grotium …
- Osiandern ad Grotium …
- Böclern in Commentario …
-
Kulpisio in
Colleg. Grot. …
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behauptet wird. |
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Sie sind aber nicht mit einander einig; ob Adam solche
Herrschafft vor seine
Person von
GOTT bekommen, oder in so fern er das
gantze
menschliche
Geschlechte
vorgestellet habe. Böcler will insonderheit behaupten, daß eine
Gemeinschafft derer
Güter weder iemahls gewesen, noch hätte dieselbige iemahls
seyn können. Das Eigenthum wäre also nicht von |
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{Sp. 1224} |
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denen
Menschen, sondern von GOtt selbst eingeführet worden, und dahero vor
eine
gewisse Frucht des
natürlichen Rechtes anzusehen. In welchen Stücken auch
Valentin Alberti Compendio Juris … ihm beypflichtet. |
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Böcler führet zu Behauptung seiner
Meynung nachfolgendes
an: Der Diebstahl sey gleich vom Anfange in dem natürlichen Rechte verboten
gewesen, und dieses Verbot wäre hernachmahls nur in dem Decalogo
wiederholet worden. Weil nun kein Diebstahl ohne das Eigenthum seyn könnte, so
müste das Eigenthum vom Anfange des Natur-Rechts gewesen seyn. Ferner, wäre ein
solcher
Stand der Gemeinschaft gewesen, so hätte er nicht die geringste Zeit
bestehen können, weil er dem
vernünfftigen und geselligen
Wesen der menschlichen
Natur entgegen wäre. |
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Gleichfalls streitet die Gemeinschafft derer Güter mit dem
Gesetze, welches
die in Besitz zu nehmenden
Sachen austheile und anweise. Ohne das Gesetz könten
die Menschen nach dem
Falle nicht gesellig leben, und würde also bey der
Gemeinschafft derer Güter keine
Gesellschafft bestehen können. Ja, da man dem
andern weit mehr seine Liebe zeigen könnte, wenn man ihm was von dem Seinigen
mittheile, so folge, daß auch im
Stande der Unschuld der eigenthümliche
Unterscheid derer
Güter gewesen wäre. |
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Auf diese leichten Einwürffe antwortet
Pufendorf
de Jure … Auf den ersten Einwurff führet er an, daß die besondern
natürlichen Gesetze nicht eher existiren könten, als bis das
Objectum
vorhanden wäre, daß man niemand todt schlage, keinen Ehebruch treibe, die
Eltern
ehre, wären auch natürliche Gesetze, welche aber so lange nicht Statt gefunden
hätten, als Adam alleine gewesen, und mit der Eva noch keine
Kinder gezeuget
hätte. Eben so verhielte es sich auch mit dem Verbote vom Diebstahle. Bey dem
andern
erinnert er, daß dies seiner
Meynung von der Communione negativa
gar nicht entgegen sey, indem er damit nur anzeige, was es gleich vom Anfange
vor eine Beschaffenheit mit denen
Sachen
gehabt habe, ehe die
Menschen, in Ansehung des
Gebrauches derselben, etwas
verordnet, und sich worüber verglichen hätten. Gegen den dritten
Beweiß
saget er, daß nicht alle Gesetze das Eigenthum
voraus setzten, und das Gesetze bey der Gemeinschafft derer Güter nicht
gäntzlich aufgehoben wäre. |
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Wegen derer beyden letzen
Umstände erinnert er nichts, welches aber
Jäger in Observat. ad Grotium …
thut.
Er
saget,
wider den Umstand, daß bey der Gemeinschaft derer Güter keine
bürgerliche
Gesellschafft bestehen könne, daß die
Meynung des Pufendorfs
dahin nicht ginge, als könnte selbige bey einer grossen Anzahl
Menschen
dauern,
sondern er rede nur von dem Anfange derer
Sachen. Wider den letzten Einwurf von
der zu bezeugenden Liebe bringet er diese Instanz: In dem
Stande der
Seligkeit würde zwar wohl der
vollkommenste Grad der Liebe, aber nicht das
Eigenthum angetroffen werden. Gleichfalls wäre auch nicht erwiesen, daß im
Stande der Unschuld das Eigenthums-Recht gewesen wäre. |
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Kulpisius in Coll. …
erinnert wider
Pufendorfen,
er vermischte das Eigenthum selbst mit der Art und Weise, wie dasselbige von
einem auf den andern könnte gebracht werden, jenes käme von einer
göttlichen Cession, das letztere aber
dependire von
den Vergleichen derer
Menschen: wobey er aber das erstere von der göttlichen
Cession, unbillig, als |
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{Sp. 1225|S. 638} |
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etwas ausgemachtes annimmt. Ferner, so mache er keinen
Unterscheid unter dem
Wesen und unter der
Würckung des Eigenthums. Das Wesen bestünde darinne, daß man
eine
Sache als
eigen hätte, die Würckung aber, welche nur zufällig wäre,
bestünde darinne, daß man den andern von seiner Sache abhalten könne. |
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4. Meinung |
Viertens
meynen einige, man könne gar wohl
sagen, daß vom Anfange das
Eigenthum in der
Welt gewesen, wenn man nur die Ausschliessung andrer nicht zu
dem
Wesen des Eigenthums rechnete. |
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Daß aber dieses nur mit dem
Worte Dominium spielen heisse, bemercket
Müller in dem Rechte der Natur … |
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Art und Weise |
Der andre Punct, auf was Art und Weise das besondre Eigenthum aufgekommen,
wird also beantwortet: Was
vermuthlich Anlaß hierzu gegeben, ist eines
Theils
die Menge, andern Theils die
Bosheit derer Leute gewesen, welche sich über den
Gebrauch derer
Güter nicht unter einander haben vertragen könne. Ob es aber
hernachmahls durch die
Theilung, die
Pufendorf de
Jure Naturae … behauptet, oder durch die Einnehmung eigentlich
hervorgebracht worden ist, darüber sind einmahl die
Gelehrten nicht einig,
Theils werden wir auch ein mehrers unter dem Titel Einnehmung hievon zu
reden
haben. |
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Konkurrenz Gottes |
Die Beantwortung des dritten Puncts, wie weit
GOtt bey solcher Anordnung mit
seinem
Willen concurrire,
wollen wir aus
Walchs Lexico
Philosophico … weil er ein
Gottesgelahrter ist, nehmen. Nach seiner
Meynung
wäre zwar das Dominium nicht nach dem
Willen GOttes eingeführet, wohl
aber von demselbigen, als ein
Mittel, die Ruhe
der
menschlichen
Gesellschafft zu
befördern, zugelassen worden. Die Anabaptisten haben sich eingebildet, es
müste unter denen
Christen die Gemeinschafft derer Güter nach dem
Exempel der
ersten Kirche zu Jerusalem
Actor. 2, 44. 45. eingeführet werden. |
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Walch aber antwortet hierauf, das besondre Eigenthum wäre
an und vor sich selbst nichts
böses, sondern würde nur durch den Mißbrauch zu
einem Ubel. Das Exempel von der alten Kirche wäre nicht uns zur Nachfolge
aufgeschrieben. Diese Gemeinschafft wäre etwa nur zum Besten derer
Armen
gestifftet worden, und hätte ihren
Ursprung nicht von denen Aposteln, als welche
selbige in andern
Gemeinen nicht eingeführet hätten. |
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Nach dem
Falle wären viele
Dinge
nöthig geworden, die vor dem nicht von
solcher Beschaffenheit gewesen wären, und indem hierdurch ein göttlicher
Endzweck befördert wird: so kan der Gebrauch dieses Mittels dem
göttlichen
Willen nicht zuwider seyn. Die Absichten
GOttes blieben
unveränderlich, die
Mittel aber, benebst der Art und Weise, wie solche zu gebrauchen,
veränderten
sich. Im Stande der Unschuld hätte man bey der Gemeinschafft
glücklich
leben
können, welches aber nach dem
Falle nicht anginge. |
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