Stichworte |
Text |
Anmerkungen
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Definition |
Krafft,
Lat. Vis, ist in dem allgemeinen
Verstande
dasjenige, welches den zureichenden
Grund in sich hat, warum in einem
Dinge der
Zustand desselbigen geändert werde. |
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Nehmlich der
Zustand eines Dinges ist die Bestimmung des
veränderlichen, so
an demselbigen Statt finden kann. Also wenn ein
Cörper, den wir bey finstrer
Nacht nicht sehen konnten durch die
Gegenwart eines leuchtenden Cörpers uns
unsichtbar[1] wird; so
saget man, er sey dadurch in den Zustand der Sichtbarkeit
gesetzet worden. Derselbige Cörper konnte sichtbar und unsichtbar seyn, |
[1] |
HIS-Data: erster Buchstabe in der Vorlage
verderbt; inhaltlich richtig: sichtbar |
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{Sp. 1663|S. 828} |
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nach dem das
Licht, so ihn erleuchtete, entweder gegenwärtig oder abwesend
war. Dahero ist das sichtbar oder unsichtbar seyn an demselbigen Cörper etwas
veränderliches, so nicht eher als durch die Gegenwart oder Abwesenheit des
Lichts determiniret wird. Und auf eben diese Determination
gründet sich der
Begrieff des Zustandes, in welchem wir einen Cörper oder ein
Ding zu seyn richten. |
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Gleicher
Gestallt, wenn ein Cörper denenjenigen
Ort in dem unbeweglichen
Welt-Raume, darinnen er sich befindet, nicht ändert, sondern beständig an
seiner Stelle verbleibet, so
saget
man der Cörper sey in dem
Zustande der Ruhe;
denn hingegen ein solcher Cörper continuirlich seine Stelle ändert, so
leget man ihme einen Zustand der
Bewegung zu. Daher der Zustand der Ruhe oder
Bewegung darinnen bestehet, daß da bestimmet werde, ob der Cörper an einerley
Orte verbleibe, oder seine Stelle continuirlich
verändere, als zu
welchen beyden der Cörper fähig und folglich das stille liegen und bewegen an
dem Cörper selbst veränderlich ist. |
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Wenn eine
Veränderung mit dem
Zustande eines
Dinges vorgehen, oder wenn ein
Ding, das sich ietzo in einem
gewissen Zustande befindet, in einen andern
gebracht werden
soll, so
muß nach dem
Satze
des zureichenden Grundes, etwas vorhanden seyn, in welchen eben der zureichende
Grund enthalten ist, warum sich diese Veränderung zutrage. Also bey dem
obgedachten sichtbar werden eines Cörpers, war die
Gegenwart des leuchtenden Cörpers
Schuld daran, daß uns jener
sichtbar wurde; removirte man dieses, wurde der Cörper wieder
unsichtbar; folglich war mit der Gegenwart und Abwesenheit des Lichts der
Zustand der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit des Cörpers
verknüpfet. Eben so wenn
ein Cörper in Ruhe liegt, so fängt er von sich selbst nicht an, sich zu bewegen,
sondern es muß etwas vor handen seyn, so ihn aus diesem Zustande seiner Ruhe
bringet, in dem ihn
z.E. ein anderer bewegter Cörper stösset, und ihm dadurch
eine
Bewegung
mittheilet. |
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Dasjenige, was den zureichenden Grund in sich enthält, warum ein
Cörper aus
diesem
Zustande in einen andern gebracht werde, wird eine Krafft
genennet. Also leget man dem Lichte eine erleuchtende Krafft bey, weil es fähig
ist, durch seine
Gegenwart den Zustand der Unsichtbarkeit des Cörpers in den
Zustand der Sichtbarkeit zu verwandeln. Von dem bewegten Cörper
saget man, er
habe eine Krafft gegen den stille liegenden Cörper ausgeübet, da er dessen
Zustand der Ruhe geändert, und solchen in
Bewegung gebracht hat. |
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Kennzeichen |
Das Kennzeichen demnach von der
Gegenwart einer Krafft kommt darauf an, daß
wir Acht geben, ob der
Zustand eines
Dinges verändert werde. Denn wo dieses sich
ereignet, müssen wir also bald eine Krafft zugeben, welcher der
Grund dieser
Veränderung des Zustandes zuzuschreiben ist. Wenn wir die Dinge, so in der
Welt
vorhanden sind, in
Erwegung zühen, so befinden wir an ihnen, daß ihr Zustand auf
über aus viele Art verändert werden könne, welches ohne zureichenden Grund und |
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{Sp. 1664} |
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Gegenwart einer Krafft nicht geschehen kan. Ja den zureichenden Grund derer
Veränderung derer Dingen
untersuchen, ist eben dasjenige, was man die
Erforschungen der
Natur derer Dinge nennet; wie denn die Natur in dem
allgemeinen
Verstande nichts anders ist, als der Inbegrieff aller Kräffte,
wodurch die
Veränderungen derer Dinge in der
Welt zu Wege gebracht werden. |
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Hieraus kan man leichtlich ermessen, wie weit sich die Betrachtung derer
Kräffte erstrecke, und daß überaus viel dazu erfordert werde, eine rechte
Erkenntniß dererselbigen zu erlangen. Wir sehen so unzählich viele
Arten derer
Veränderungen in der
Welt, und so vielerley Kräffte müste man auch zugeben,
welche dieselbigen herfürbrächten; woferne man nicht durch Gegeneinanderhaltung
derer
Effecte, welche sothane Kräffte hervorbringen, eine Ähnlichkeit
unter ihnen wahrnehme, von welcher wir mit
Recht auf die Ähnlichkeit derer
Kräffte, die sie produciret haben,
argumentiren und als einen
Grundsatz in der
Philosophie zum voraus setzen, daß Effecte
von einerley
Art auch einerley
Ursache haben müssen. |
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Einteilung |
Durch diesen Grundsatz ist man in den
Stand gerathen, die Kräffte in gewisse
Classen
einzutheilen und sich einen allgemeinen
Begieff von ihnen zu machen.
Der
Grund ihrer
Eintheilung bereuhet in der
verschiedenen Beschaffenheit derer
Würckungen, welche sie
verrichten. |
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historische Erkenntnis der Wirkungen |
Es wird dahero eine genugsame
historische
Erkenntniß derer
Würckungen, die
in der Natur sich begeben, erfordert, um diese Eintheilung gehöriger Massen
auszuführen. |
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Nun ist es zwar heute zu
Tage
durch vielen
Fleiß
geschickter
Männer dahin
gediehen, daß wir einen ziemlichen grossen Vorrath von solchen
Würckungen vor
uns haben, durch deren Vergleichung man zu der
Erkenntniß derer Kräffte gelangen
könnte; allein dieser Vorrath ist bey weiten noch nicht hinlänglich, eine genaue
Erkenntniß derer Kräffte zu etabliren; dahero man auch noch immer dahin
bemühet ist, durch Observationes und Experimenta dasjenige zu
erforschen, was die
Natur uns entweder freywillig, oder, in dem sie dazu
angereitzet wird, offenbaren will. |
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Und was das meiste ist, so sind sehr viele, ja fast die meisten von denen
Würckungen, von welchen wir eine historische
Erkenntniß haben, in so vielerley
Umstände verwickelt, daß es überaus schwer, ja öffters
unmöglich fallen will,
sie auseinander zu wickeln, und dadurch zu bestimmen, zu welcher Classe
eigentlich die Kräffte, welche dieselben Würckungen hervorgebracht haben,
gehören. Und dieses ist es, warum aufrichtige
Philosophen offenhertzig gestehen
müssen, daß noch überaus viele Kräffte der Natur uns verborgen seyn, und wie
schwer es zugehe, eine genaue
Untersuchung derer Kräffte anzustellen; als woher
es auch kommt, daß in der natürlichen Erkenntniß derer
Dinge überaus vieles noch
auf Probabilitaeten beruhe. |
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Doch ist der unermütete Fleiß
geschickter Philosophen in
Untersuchung derer Kräffte nicht gäntzlich fruchtloß gewesen, daß man die
vornehmsten
Kräffte der Natur noch so ziemlich in
gute
Ordnung gebracht, zu
welcher Untersuchung ihnen
vornemlich dieser |
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{Sp. 1665|S. 829} |
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Methode |
Vorsatz zu Statten gekommen, daß ihm die
Existenz und
Beschaffenheit einer Krafft aus denen simplesten und vom vielen andern
Umständen entblößten Phaenomenis ausfündig gemacht, hernach die andern
ähnlichen Phaenomena mit denen zuvor entdeckten Conditionen
der Krafft verglichen und untersuchet haben, ob auch selbige von dieser Krafft
haben hervorgebracht werden können, und ob dieselbigen Conditiones der
Krafft auch richtig aus denen Phaenomenis sind gefolgert worden oder
nicht, welches man hat
probiren können, in dem man aus denen
Conditionen der Krafft gewisse
Würckungen, die sie unter gewissen Umständen
hervorbringen müsten, durch Vernunfft-Schlüsse gefolgert; hernach durch
Experimente derselbigen Krafft Anleitung gegeben, daß sie unter solchen
Umständen eine solche Würckung hat herfürbringen müssen, da denn die
Erfahrung
den Ausspruch gethan, ob man die
Eigenschafften selbiger Krafft richtig
erkannt
habe oder nicht: |
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Diese
Methode ist der rechte Weg gewesen, auf welchen man in denen
neuern Zeiten die Spuhr von einer wahrhafften
Erkenntniß derer Kräffte
angetroffen hat; da man zuvor durch viele
Jahrhunderte solche
völlig aus den
Augen gesetzet, und nach dem man aus einigen Phaenomenis eine
Ähnlichkeit derer Kräffte geschlossen, sich
Elementa, Atomos,
Geister
und andere allgemeine
Principia fingiret, denen man diese und jene
Würckung in der
Natur
Schuld gegeben; und die Explication davon so
abgeschmackt und nach ihrer Willkührlichkeit beygebracht, daß man sich heut zu
Tage
billig
darüber verwundern muß, wie viele von denen
alten
Philosophen,
die doch in andern
Disciplinen überaus gute Progressen
gemacht, nach so einer schlechten Methode die Untersuchung derer
Kräffte angestellet. |
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Hypotheses fingiren, und die
Natur gleichsam dazu neigen, daß sie
sich nach diesen eingebildeten Hypothesibus in Hervorbringung ihrer
Würckungen richten solle, wie viele auch unter denen neuern bey
Erklärung ihrer
Experimente
thun, ist eine
Sache, die einer genauen
Erkenntniß der
Natur und ihrer Kräffte nicht anders als höchst
schädlich seyn kan. |
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Fragt man nun, wie vielerley Kräffte denn die neuern
Philosophen
nach oben angeführter Methode ausfündig gemacht? so würde es überaus
weitläufftig fallen, diese Frage gehöriger Massen zu beantworten, in dem man
einige davon zwar in gute
Ordnung gebracht; bey denen meisten aber hat es noch
nicht angehen wollen, die selbigen in allgemeiner
Classen zu rengiren. |
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Zweierlei Arten |
Hauptsächlich ersehen wir zweyerley
Arten Kräffte in der
Natur die in
Ansehung derer
Würckungen, die sie hervorbringen, sich von ein ander überaus
distinguiren. Bey der einen
Art bestehet der
Effect in einer
Repraesentation; bey der andern in einer
Bewegung. |
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Repräsentation |
Eine Krafft von der erstern
Art
schreibet man denen
Seelen derer
Menschen
und Thieren zu, da man ihnen eine Krafft zu
empfinden, oder sich eine
Vorstellung von einem
Dinge zu machen, eine
Einbildungs-Krafft, eine
Gedächtniß-Krafft, und bey der Seele des Menschen eine Krafft zu
gedencken, und
zu reflectiren und so ferner beyleget. |
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Die
Regeln oder
Gesetze, nach welchen sich diese Kräffte in ihrer Thätig- |
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{Sp. 1666} |
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metaphysische Kräfte |
keit richten, haben die
Philosophen jeder Zeit zu
untersuchen sich
bemühet, und solche in denen
metaphysicalischen
moralischen
und logicalischen
Schrifften abgehandelt; daher sie auch Regulae
Logico-morales; diese Kräffte aber selbst Vires metaphysicae
genennet werden. |
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bewegende Kräfte |
Die Kräffte von der andern Classe heissen Vires mouentes,
bewegende Kräffte, welche, wenn sie in einem
Cörper
würcken, in demselbigen eine Translation aus einem
Orte in den andern, das ist, eine
Bewegung verursachen, welches ohne eine Succession nicht geschehen kan,
Massen ein Cörper nach und nach aus einem Orte in den andern gelanget, und es
eine Contradiction involviren würde, wenn man einen Cörper gleicher
Zeit an zwey diversen
Örter
concipiren
wollte. |
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Wir sehen, daß eine dergleichen
Bewegung erfolget, wenn man einen Cörper
anstosset oder wenn ein anderer bereits bewegter Cörper an einem ruhenden
anrennet, wodurch dieser eine Bewegung erhält; daß folglich durch eine Bewegung
bey den Conflictu dem ruhenden Cörper eine Krafft sich zu bewegen
mitgetheilet werden kan. |
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Kräfte der Seelen und bewegende Kräfte |
Wenn man diese
Dinge, so man bey denen
bewegenden Kräfften in Ansehung der
Succession und daß durch eine
Bewegung eine Krafft zu bewegen erreget
werden könne, mehr nimmt, mit denen
Eigenschafften der vorhin angeführten
Kräfften der Seelen in
Erwegung ziehet, so könnte man auf die
Gedancken
gerathen, ob nicht diese beyden
Arten Kräffte unter einerley Classe, und die
Kräffte der Seelen zugleich mit unter die bewegenden Kräffte
gezählet werden
könnten. |
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Wenn man auf die
Umstände Acht giebet, die uns vorkommen, wenn die
Seele
eine
Empfindung hat oder gedencket; so müssen wir zugestehen, daß solches nach
und nach geschehe, und sich folglich hier eben Falls, wie bey denen
bewegenden Kräfften eine Succession ereigne. Sehen wir auf die Art des Empfindens
der Seele, so befinden wir, daß durch die äusserliche
Sinne der Seele dazu Anlaß
gegeben werde. Wenn wir sehen sollen, so muß ein Liecht-Strahl die Retinam
unsers Auges in eine vibratorische
Bewegung setzen, und dieser
respondiret die Repraesentation eben desselbigen
Objecti,
so in das Auge strahlet, in unseren Seele. Wir empfinden einen Schall, wann ein
vibrirender Cörper die
Lufft in eine Wellenartige Bewegung bringet,
welche das Tympanum unsers Ohrs tremulirend machet, und mit
einer solchen
verschiedenen Tremulation harmoniret, auch eine
verschiedene Empfindung des Schalls in unserer Seele. |
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Sollte sich hier nicht eine Ähnlichkeit zwischen denen Kräfften der
Seelen
und denen
bewegenden Kräfften finden? die letztern können, obberührter Massen,
durch eine
Bewegung erreget werden, daß sie in einem
Cörper zu Activitaet
gelangen, wenn ein anderer bewegter Cörper in solchen würcket. Bey dem Sehen,
Hören und andern sinnlichen
Empfindungen befinden sich unsere Organa
sensoria in einer Bewegung, und mit dieser ist die
Empfindung in unserer
Seele verknüpffet. Sollte vielleicht die Activitaet der Krafft unserer
Seelen von dieser Bewegung derer äusserlichen
Sinne erreget werden? Wir
wissen
zwar keine |
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{Sp. 1667|S. 830} |
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Translationem Loci, so durch diese erregte Krafft unserer Seelen
bewerckstelliget würde; allein von unserer Unwissenheit können wir auf das Nicht
seyn nicht argumentiren. |
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So lange uns der Nexus des Cörpers und der
Seele verborgen ist, so
lange scheinet es, als wann weder pro non contra hiervon was zu
sagen
wäre. Die Frage ist zwar subtil, könnte aber so wohl erörtert werden,
als man durch die bekannten Systemata des Influxus physici,
caussarum occasionalium harmoniae praestabilitae, den Nexum Corporis et
Animae per hypotheses zu zeigen sich
bemühet hat; welches aber hieher nicht
gehöret, wo wir die allgemeinen
Eigenschafften derer Kräffte, und zwar derer
bewegende Kräffte
untersuchen
wollen; da das übrige
billig dahin gehöret, wo
die Eigenschafften unserer Seele, und anderer so genannten
geistigen Wesen
untersuchet werden. |
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animalische Kräfte |
Wo gehören aber diejenigen Kräffte hin, die wir bey denen Thieren, Pflantzen
Mineralien und andern
irdischen
Cörpern wahr nehmen, Vermöge welcher sie
Actiones zu
verrichten, ingleichen zu wachsen und andere
Dinge von ihrer
Art zu erzeugen in den
Stande seyn? Was ist der Spiritus animalis,
welcher die Musceln eines thierischen Cörpers der
Gestallt dirigiret, daß so
vielerley
Arten der
Bewegung in denen organis desselbigen erfolgen, und Vermöge
welcher die Thiere allerhand Bewegungen in anderen Cörpern hervorzubringen
vermögend sind, von welchen man
saget, sie wären von denen viribus animalibus
erreget worden? Was ist dasjenige in einem thierischen Cörper, wodurch
derselbige, wenn er von äusserlichen Dingen unterhalten wird, wächset und
zunimmet; und was vor eine Krafft lieget in ihnen verborgen, Vermöge, welcher
sie in dem Stande sind, Dinge von ihrer Art zu erzeugen, daß nehmlich
Menschen
wiederum Menschen, Hunde ebenfalls Hunde, u.s.w.
zeugen? |
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Was ist die Anima vegetativa bey denen Pflantzen, durch welche dieselbigen wachsen und Frucht bringen, in welchen wiederum Saamen enthalten, aus
welchen Pflantzen von ähnlicher
Art wieder erzeuget werden können? was ist
dasjenige bey denen Metallen und andern Mineralien, wodurch solche in der
Erde
erwachsen? Was ist der von denen Chymicis sogenannte Spiritus
Rector, welchen man bey jeglichen Thiern, bey jeglicher Pflantze, bey
jeglichen
Cörper von besonderer Beschaffenheit antrifft, und wodurch sich das
Genie eines ieglichen Cörpers von dem anderen genau distinguiret
? sind dieses nicht alles Kräffte der Natur? |
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Kohäsion |
Daß diese unter die
bewegenden Kräffte gehören, läßt sich eher, als oben von
denen metaphysickalischen Kräfften behaupten. Die Vires animales,
weil sie in andern
Cörpern eine
Bewegung hervorbringen können,
muß man
allerdings unter die bewegenden Kräfften
zählen. Das Wachsthum eines thierischen
Cörpers und Pflantze, geschiehet per succesivam Concrescentiam derer
Theile von andern Cörpern, die in selbige gebracht werden, welche
Concrescentiam man wohl von solchen Kräfften herzuleiten
nöthig hat, die
man Vires Cohaesionis zu
nennen pfleget. Das Wachs- |
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{Sp. 1668} |
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thum derer Mineralien wird eben Falls durch die Vires
Cohaesionis bewerckstelliget, wenn durch das unterirdische Feuer
Vapores Pyritis, die aus vielerley
Materien bestehenden Fossilien
soluiret werden, und nun die Partes magis homogenae, indem sie
sich von denen
Banden anderer heterogenearum partium losgerissen,
Vermöge ihrer zusammenhangen Krafft zusammen gehen, und dadurch einen neuen
Cörper formiren, der von denen vorigen Fossilien
unterschieden
ist. |
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Nun sind die Vires Cohaesionis
bewegende Kräffte, wie bald erhellen
soll; derowegen werden auch angeführte Kräffte unter die bewegenden zu zählen
seyn. Der Spiritus Rector derer Chymicorum giebet sich durch
den Geschmack, oder Geruch zu
erkennen, und distinguiret dadurch die
Cörper von einander. Weil er nun dadurch in unsere Organa sensoria
würcket, diese aber bey ihrer
Empfindung in einer
Bewegung sich befinden, wie
die
Erfahrung an die Hand gibet; so siehet man, daß dem sogenannten Spiritui
Rectori eine Krafft, etwas zu bewegen, beyzulegen sey. |
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Was aber dasjenige vor eine Krafft sey, welche in denen Thieren und
Pflantzen bewerckstelliget, daß sie ähnliche
Dinge wieder erzeugen, und hervor
bringen, ist eine überaus schwäre Sache, nur einiger Massen zu erzählen. Man
saget zwar, die Constitution eines ieglichen
Cörpers, und die Gefässe
desselbigen, darinnen dergleichen Erzeugung geschiehet, ist in einem ieden
Cörper besonders, von welcher Diversität auch der
Unterscheid des
erzeugten herrühret. Jedoch diese Constitution kan ohne eine thätige Krafft
nichts vor sich hervor bringen, und diese thätige Krafft muß in andern und
andern Cörpern, anders und anders beschaffen seyn, weil die
Würckung derselbigen
verschieden. |
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physikalische Kräffte |
Allein eben von der
Natur dieser Krafft,
wissen wir überaus wenig, doch
scheinet sie eben Falls unter die
bewegenden Kräffte mit zu gehören, weil von
ihr die Formation eines
Cörpers, unter einer
gewissen
Gestallt,
herrühret. Diese bisher angeführte Kräffte, werden von einigen Vires
physicae, oder physicalische Kräffte genennet, in dem sie
einigen physicalischen Cörpern im
gantzen,
und in ihrer
völligen
Constitution zukommen, und dieselbigen dadurch
wesentlich von andern
unterscheiden; in dem
z.E. ein Feigen-Baum nur in so weit fähig ist, Saamen von
seiner
Art zu bringen, wenn er aus seinen wesentlichen und gesunden Theilen
bestehet, und in dem
Erdreiche sich befindet, und hinlängliche
Nahrung erhält;
da hingegen, wo etwas von diesen
mangelt, auch keine Erzeugung Statt finden
wird. |
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Wenn wir in
Untersuchung derer Kräffte weiter gehen, und die
Veränderungen
bey solchen Cörpern, die wir als tod anzusehen pflegen, examiniren, so
werden wir überaus viele Kräffte an ihnen wahrnehmen, die sich unter allen am
deutlichsten, als
bewegende Kräffte, zu
erkennen geben. Bey allen Cörpern, mit
denen wir Experimenta anstellen können, treffen wir eine Bemühung an,
niederwärts gegen die
Erde, oder viel mehr gegen den Mittel-Punct der Erden,
sich zu bewegen, welche
Bewegung auch
würcklich zu
Stand gebracht wird, wo- |
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{Sp. 1669|S. 831} |
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fern nicht etwas vorhanden ist, so sie an diesem Niedersteigen hindert. Ein
Stuck Bley, so man zwischen zweyen Fingern hält, ziehet unsere Hand niederwärts,
und so bald man das Stück Bley von denen Fingern los lässet, fällt es würcklich
darnieder, und zwar nach einer Direction, so perpendicular auf
den Horizonte stehet, welche folglich, weil unsere Erde bey nahe eine
Kugel ist, durch den Mittel-Punct derselbigen gehet. |
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Schwere |
Diese Bemühung eines
Cörpers gegen den Mittel-Punct der
Erden sich zu
bewegen, heisset die Schwäre eines Cörpers, und giebt dadurch,
was sie hervor bringen sich bemühet, gnugsam zu
erkennen, daß sie eine
bewegende Krafft sey. Einige Cörper haben eine solche Beschaffenheit, daß, wenn sie von
einer andern Krafft gespannt, gedehnet, oder zusammen gedruckt werden, sich
alsbald wieder in den vorigen
Zustand, darinnen sie vor dem Drucke, oder
Spannung waren, sich begeben, so bald ermeldete Krafft zu spannen, oder zu
drucken aufhöret. |
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Ein Bogen, wenn man ihn mit der Hand spannet, springet alsbald wieder
zurücke, so bald man die Hand weg thut. Ein Ballon, so zusammen gedrucket wird,
erlanget seine vorige Figur, wenn man zu drucken aufhöret. Eine Saite, die man
ausdehnet, ziehet sich wieder zusammen, wenn man sie zu dehnen nachlässet. Durch
das Spannen, Dehnen, Drucken, wird der Cörper in einen
gewissen
Zustand
gesetzet, da aber der Cörper nicht darinnen verharret, sondern sich wieder in
den vorigen Zustand setzet, so muß in dem Cörper etwas seyn, so diese
Veränderung des Zustandes
würcket. |
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elastische Kraft |
Es wird dasselbige die
elastische Krafft eines
Cörpers genennet, und gehöret eben Falls unter die
bewegende Kräffte, Massen
sie
z.E. die zusammen gedruckten
Theile des Cörpers von einander bringet,
welches ohne
Bewegung nicht geschehen kann. |
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Einige Cörper haben diese
Eigenschafft an sich, daß, wenn sie starck
gerieben worden, sie einige Cörper von weiten an sich zu ziehen, und in
Bewegung
zu setzen, vermögend sind. Ein gläsern Rohr, ein Stück Agt-Stein, Siegellack,
wenn man solches starck reibet, daß es sich erhitze, ziehet kleine Stücklein
Papier, oder Gold-Blätgen, und andere leichte Cörper an sich. |
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elektrische Kraft |
Dasjenige, was bey dergleichen
Cörpern unter diesen
Umständen eine
Bewegung
hervor bringet, wird eine electrische Krafft genennet,
und erweiset sich durch ihre
Würckung, als eine
bewegende Krafft. In dem Magnet
trifft man ein besonderes thätiges
Wesen an, welches sich auch nur gegen einen
andern Magnet, und gegen das Eisen thätig erzeiget, indem ein Magnet einen
andern, nach gewissen Umständen, entweder an sich ziehet, oder von sich
wegjaget, das Eisen hingegen an sich ziehet. |
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magnetische Kraft |
Ein dergleichen in einem Magnete befindliche Krafft, wird nach ihm eine
magnetische Krafft genennet, und
zählet sich eben Falls unter
die
bewegenden Kräffte. Sie ist von der electrischen Krafft darinnen
unterschieden, daß sie sich nur bey dem Magnete äussert, und sich thätig
erzeiget, ohne, daß der Magnet zuvor gerieben werden darff, wie bey der Erregung
der |
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{Sp. 1670} |
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electrischen Krafft
nothwendig geschehen
muß. |
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anziehende und abstoßende Kräfte |
Wenn wir fortfahren, die
Eigenschafften derer
Cörper in so ferne sie sich
thätig erweisen, zu
untersuchen, so treffen wir bey ihnen noch eine überaus
grosse Menge von Kräfften an, die zwar in
verschiedenen Cörpern, unter
verschiedenen Umständen, sich äussern, und aller Dings von einander
unterschieden sind; je doch darinnen mit einander überein kommen, daß sie, wenn
die Cörper, denen sie beywohnen, einander nahe kommen, dieselbigen sich entweder
an einander hangen, zusammen gehen, sich einander anziehen; oder auch sich von
einander weg treiben, oder weg jagen; dahero auch jene Vires Cohoesionis,
attractiuae; diese Vires fugae, repellentes genennet werden. |
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Kohäsions-Kraft |
Die
Theile eines ieglichen
Cörpers hangen aneinander, und ist öffters eine
grosse Krafft von
Nöthen, sie voneinander zu reissen. Was sich einer Krafft
entgegen setzet, und dieselbige in der Erzeugung ihre
Würckung hindert, muß
selbst eine Krafft seyn, in dem sie das jenige continuirlich wieder zu
nichte macht, was jene bewerckstelligen will. Da nun die Theile eines Cörpers,
in dem sie von einander
getrennet werden sollen, sich dieser Zertrennung
wiedersetzen, so muß etwas in ihnen seyn, womit sie sich zusammen halten, das
ist, sie hangen an einander vermittelst einer gewissen Krafft, so eben ihre
Cohaesions-Krafft genennet wird. |
|
|
Wenn Silber in Scheide-Wasser solviret wird, so vertheilen sich die
kleinsten Theile des Silbers, unter die Theile des Scheide-Wassers, und hangen
an selbigen feste, ungeachtet sie an- und vor sich, Vermöge ihrer grössern
Schwäre, untersincken können, wie sie solches in andern flüssigen
Materien, z.E.
Wasser thun. Es muß dahero dem Scheide-Wasser eine Krafft beywohnen, daß solche
das Silber an sich ziehen, und verursachen kan, daß es an ihm hangen bleibe.
Hier findet wieder eine Cohaesions-Krafft Statt: Zwey Tropffen
Quecksilber, wenn sie auf einer polirten gläsernen Tafel nicht allzu
weit von einander gestellet werden, nahen sich gegen einander, und umflüssen
sich. Hier
erkennet man die Cohaesions-Krafft, als eine
bewegende Krafft, unter welcher
Gestalt sie sich ebenfalls in andern Fällen verhält, nur,
daß solches nicht alle Mahl so deutlich in den
Sinn fällt. |
|
abstoßende Kräfte |
Bey der Decrepitation
des Saltzes, bey der Detonation des in Fluß gebrachten Salpeters, bey
der Dispersion des geschmeltzten Kupfers, wenn kaltes
Wasser hinein
gegossen wird, und so ferne trifft man eine solche
Art
bewegende Kräffte an, die
man ihrer Würckung wegen, als Vires repellentes zu betrachten hat. |
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chemische Kräfte |
Und so giebt es in überaus vielen Fällen, besonders bey denen Chymischen
Operationen, solche Begebenheiten, da wir zugeben müssen, daß Kräffte
vor Handen sind, von welchen sie
dependiren, und welche Kräffte auch
von allen anderen sich distinguiren; allein, eine genaue
Erkänntniß
dieser Kräffte, wie wir solche etwa von denen Kräfften der Schwere, des
Elateris, u.s.f. in einen ziemlich grossen Gradu erhalten haben,
ist bis ietzo noch unter die pia Desideria zu rechnen. Phaenomena
davon sind genug vor Handen, |
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{Sp. 1671|S. 832} |
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allein unter gewisse allgemeine
Geschlechter, wollen sich dieselbigen noch
nicht hinlänglich vertheilen lassen. Und man kan das Geschlechte derer
Virium Cohaesionis et Fugae in der Physic als ein Asilum
Ignorantiae ansehen, wohin man diejenigen Kräffte versetzet, von deren
Beschaffenheit man noch keine hinlängliche
Ursache anzugeben vermögend ist. |
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erwärmende Kraft |
Gehen wir in der
Natur weiter, so finden wir in denen meisten
Cörpern etwas,
welches, wenn es durch gewisse Umstände zur Activität gelanget, die
Cörper ausdehnet, auch öffters die Theile desselbigen in eine gewisse
Art der
Bewegung setzet, die unsern
Sinnen eine gewisse
Empfindung beybringet, so wir
Wärme zu nennen pflegen. Man nennet dasselbige
Ding in denen
Cörpern das elementarische Feuer, und leget ihm eine
erwärmende Krafft bey, die, weil sie den Cörper ausdehnen, und
in eine zitterende Bewegung bringen kan, gleich Falls unter die
bewegenden Kräffte gehöret. |
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Will man die Kälte als etwas positiues ansehen, so mit der Wärme in
unaufhörlichen Streite liege, und als eine Vis destruens derselbigen
sich erzeiget; wie der
Titel Kälte,
Tom. XV. p. 21.
seq. dazu Anlaß geben könnte, so müste man dieselbige eben Falls unter
die
bewegenden Kräffte zählen, in dem sie nicht nur die Cörper
contrahiret,
sondern auch die von der Wärme in denen Theilen des Cörpers erregte zitterende
Bewegung hemmet. |
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Man hat nehmlich die
Gegenwart
einer Krafft nicht nur daraus zu
beurtheilen
Ursache, wenn wir sehen, daß der
Zustand eines
Dinges
verändert, und eine
Würckung hervorgebracht werde, sondern man muß auch auf selbige
argumentiren,
wenn wir wahr nehmen, daß eine von einer andern Krafft bewerckstelligte Würckung
wiederum vernichtet, oder eine Krafft an der Erzeugung ihrer Würckung verhindert
wird; sintemahl wir in beyden Fällen etwas thätiges
concipiren müssen,
wodurch der Zustand einer bereits hervorgebrachten Würckung wieder verändert
werden, oder der arbeitenden Krafft Einhalt geschehen könne. |
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zerstörende Kräfte |
Kräffte von dergleichen
Art pfleget man Vires destruentes oder
resistentias zu nennen. Und unter dieser Betrachtung kan eine Krafft bald
eine
bewegende, bald eine wiederstehende Krafft seyn, nachdem dieselbe mit
anderen Kräfften in Collision gebracht wird. |
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widerstehende Kräfte |
Wir haben gesehen, daß die Schwere eine
bewegende Krafft sey; wenn man nun
einen schweren
Cörper in die Höhe heben
will, so
empfindet man einen Widerstand,
der aus der Schwere des Cörpers seinen
Ursprung nimt; da nun diese Schwere jetzo
der thätigen Krafft des
Menschen, der den Cörper heben will, sich widersetzet;
so erzeuget sie sich unter diesen Umständen als eine wiederstehende Krafft; und
können folglich auch bewegende Kräffte zu widerstehenden werden, wann sie
miteinander dergestallt in Collision gerathen, daß eine die
Activitaet der andern zu verhindern fähig ist. |
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