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Zedler: Titul [Charakter] [4] HIS-Data
5028-44-473-1-04
Titel: Titul [Charakter] [4]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 44 Sp. 493
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 44 S. 260
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Übersicht
Regeln gegenüber Anderen
Standes-Personen
  Wir von Gottes Gnaden

Stichworte Text   Quellenangaben
Regeln gegenüber Anderen Nachdem in dem vorhergehenden angeführet, was einer in Ansehung der Titel gegen sich selbst zu beobachten hat, so will man im folgenden noch einige Regeln mittheilen, was man gegen andere bey den Titulaturen in Acht nehmen soll.  
  Einem Fremden und Unbekannten muß man keinen besondern Titel beylegen, der etwann einem gewissen Stand und Character eigenthümlich ist. Denn man stehet sonst immer in Furcht, daß man ihm zuviel oder zuwenig geben möchte. Giebt man ihm zuviel, so möchte ers uns vor eine Einfalt, Niederträchtigkeit oder eigennützige Schmeichelerey und Schmarotzerey auslegen; giebt man ihm zu wenig, und er ist sehr Ehrgeitzig so würde es ihn verdriessen, diesemnach ist am besten, wenn man ihn, mein Herr schlechtweg nennet. Hat er keinen Bedienten bey sich, den man fragen kan, und man kan es auch sonst nicht erfahren, wer er ist, so mag er entweder damit vorlieb nehmen, oder wenn er meynet, daß seine Ehre dadurch verletzet würde, sagen, wer er sey, damit man ihm seinen rechten Titel geben könne.  
  Ein junger Cavalier thut überaus wohl, wenn er sich nach den Unterscheid der Titulaturen, wie sie sowohl ihrem Range, als andern Würckungen nach, nach den Höfen und Örtern unterschieden zu seyn pflegen, erkundiget. Manche Chargen führen eine gleiche Benennung und einerley Titulatur, und sind dennoch ihren Prärogativen nach gar sehr von einander abgesondert. Mancher Character begreifft an diesem Hofe eine sehr ansehnliche Bedienung unter sich, und an einem andern Hofe wird kein groß Werck daraus gemacht. Wem nun diese Unterschiede bekannt worden, weiß er hernach desto besser, wie er sich in dem Umgange gegen einem jeden aufzuführen, und was er in Ansehung seiner zu beobachten habe.  
  Man muß einem jeden den Titel beylegen, der seiner Geburt, Bedienung, und seinem Stande gemäß ist, darin ihn GOtt gesetzt, den die Höflichkeit und der Wohlstand erfordert, und die Gewohnheit unserer Zeiten eingeführt. Man dencke, daß man eben dergleichen von andern verlange, und auch dieses von ihnen zu fordern berechtiget. Will der andere, zumahl der Höhere, aus besonderer Höflichkeit und Sittsamkeit oder Gnade, die er vor uns bezeuget, eine gewisse Courtoisie und Titulatur von uns nicht annehmen, so treibet uns zwar dieses noch mehr an, ihn zu ehren, man muß  
  {Sp. 494}  
  sich aber doch auch dasjenige, was er beliebt, gefallen lassen, und sich seinem Willen nicht allzu sehr wiedersetzen. Also findet man bisweilen einige grosse Generals, die es nicht leiden können, wenn man sie Ihro Excellenz nennt, und die sich lieber Herr General heissen lassen.  
  Wie nun die Humeure der Leute bey der Titulatur sowohl, als in andern Puncten gar sehr unterschieden zu seyn pflegen, so muß man sich vorher genau erkundigen, wie man einem jeden zu begegnen habe, damit man nicht verstosse. Ist einem an dergleichen Ceremonien-Werck sehr viel gelegen, und man ist nach den Umständen, darinnen man sich befindet, seiner Gnade oder Gunst benöthiget, so ertheile man ihm einen sehr grossen Titel. Bey einigen Umständen, die bereits oben angeführet, wenn z.E. der andere entweder die diesem Prädicat zugehörigen und eigenthümlichen Dienste würcklich versiehet, oder versehen hat, oder wenn der Character so gut als ausgemacht ist, und es etwan nur noch an der Notification oder Ausfertigung des Titels fehlt, oder wenn der andere mit Connivenz der Höhern durch die Observantz sich in den Posses eines Titels gesetzt, wie denn dergleichen Fall in der Welt auch bisweilen möglich; kan man zwar den andern im Reden oder Schreiben diesen Character beylegen, überhaupt aber ist es wieder den Wohlstand, wenn man den andern einen Titel oder Prädicat giebt, den er nicht besitzt, und mit Recht behaupten kan.  
  Unser Verlangen, den andern zu ehren, kan ihm ja kein Prädicat zuwege bringen. Dieses dependiret von der Macht und Entschliessung der Höhern, ja auf gewisse Masse ist es eine Art einer Beschimpffung, die man ihm erzeiget, wenn man glaubt, daß der andere den, von einer Privat-Person ihm zugeschriebenen Titel annehmen werde. Ist er eines gewissen Prädicats würdig, so wird er auch an seinem Ort und zu seiner Zeit schon Mittel und Wege finden, dasselbe zu überkommen, oder ohne dieses Ceremoniel geruhig, und als ein geehrter Mann in der Welt leben.  
  Der Titel giebet keine Verdienste, sondern soll sie nur belohnen. Man hat ja mancherley Gelegenheit, die Hochachtung, die man vor dem andern heget, an Tag zu legen, ob man ihn schon nicht nach einem falschen Character benennt. Es ist besser, den andern in der That und im Wercke, als mit blossen Worten zu ehren und zu lieben. Der Wohlstand, die Höflichkeit und Schuldigkeit erfordert, daß wir einen jeden diejenigen äusserlichen Ehren-Bezeugungen leisten, die ihm nach seinem Stande oder Prädicate zukommen, ob er schon seinen Einkünften nach nicht so grossen Staat und Figur machen kan, als ein anderer. Ist er unserer Wohltaten und Hülffe nicht benöthiget, so haben wir uns auch um ihn nicht zu bekümmern, und ihm bey seinen Ausgaben keine Vorschrifft zu ertheilen. Darum haben sich seine Herrschafft und seine Vorgesetzten zu befragen. Des andern Abgang an zeitlichen Gütern ertheilt uns kein Privilegium, ihm dasjenige zu versagen, was sein Amt oder Stand mit sich bringen.  
  Der Christlichen Liebe nach sind wir verbunden, auch denjenigen alle äusserliche Ehre zu erweisen, die ihnen zugehörig, die sich in der grösten Armuth befinden, und unse-  
  {Sp. 495|S. 261}  
  rer Liebe und Gutthat bedürfftig. ob sie schon, wenn sie sich als Vernünfftige bezeigen wollen, in dergleichen Umständen mancherley Ehren-Benennungen nicht von uns begehren noch annehmen werden, so müssen wir doch bereitwillig seyn, ihnen solche anzubieten; da sie durch ihre Armuth allbereits unglückseelig sind, müssen wir sie durch Verachtung und Beschimpffung nicht noch unglückseeliger machen. Ein anders wäre es, wenn sie sich lasterhafft dabey aufführten; denn da alle äusserliche Ehre eine Belohnung der Tugend seyn soll, so steiget dieselbe mit gutem Grunde bey lasterhafften Armen um viele Grade tieffer herunter.  
  Gleichwie die Armuth an und vor sich selbst keine rechtmäßige Gelegenheit giebt, den andern um deswillen gering zu achten, also verdienet auch der Reichthum an und vor sich selbst nicht, daß man den andern dieserwegen erhebe. In so weit als der andere, durch seinen Fleiß, Tugend und Geschicklichkeit zu Vermögen gekommen, in so weit ist er auch, um seiner Tugenden willen, aller Ehre würdig; er verdienet aber deswegen keine weitern äusserlichen Ehren-Bezeigungen, als ein anderer, der mit ihm von gleichem Stand, Bedienung und Gewerbe, aber weniger Einkünffte hat.  
  Will sich ein Thore, wie es nicht selten zu geschehen pfleget, auf seyn vieles Geld etwas einbilden, und nicht allein über andere seines Standes, sondern auch wohl, die noch höhern Standes, als er, erheben, so muß man ihn seiner Einbildung überlassen, er wird deswegen nicht in der That etwas höhers. In den Tollhäusern findet man Rasende die sich einbilden, sie wären Kayser und Könige. Man muß sich hierinnen dem Pöbel conformiren, der die Leute nur nach dem Gelde und dem äusserlichen Staat, den sie führen, zu respectiren pflegt. Also heissen die Bauren denjenigen unter ihnen, der der wohlhabenste ist, nicht Görge und Matthes schlechtweg, sondern Herr Görge und Herr Matthes, ja sie achten ihn wohl gar vor vornehm. Die Schmarotzer machen es in diesem Stück nicht viel besser, als der Pöbel, sie erzeigen allen denjenigen, bey denen sie schmausen, und mit denen sie schmausen, um ihres Fressens, Saufens und Eigennutzes willen, äusserliche Ehren-Bezeigungen, Titel und Benennung, die solche Leute nur annehmen wollen, sie mögen vor sie gehören oder nicht.  
  Äusserliche Ehre, Titel, Character und höherer Stand soll allezeit eine Belohnung sonderbarer Tugenden und rühmlicher Thaten seyn, und ist es auch bisweilen, wie aber der Neid und die Eifersucht allezeit ein treuer Gefehrde des Glücks, der Tugend und des Ruhms, also geschicht es gar öffters, daß manche, wenn sie hören, daß ein anderer entweder durch besondere Direction GOttes, durch das blosse Glück, oder durch Verdienste, nebst ihnen in einen gleichen Grad des Glücks und der Ehre gestellt, oder wohl gar noch auf eine höhere Ehren-Staffel gesetzet wird, vor Neid, Zorn und Grimm fast zerborsten wollen. Sollen ihm höhere Prärogativen zugeschrieben werden, und der höhere Stand und Character ist noch nicht zur völligen Consistentz gediehen, so suchen sie es zu hintertreiben, wo sie nur wissen und können, sie legen ihm sehr viele Steine des Anstossens in den Weg. Sind sie aber dabey nicht mit zu Rath gezogen, und die andern ohne ihre Zuthun zu einem  
  {Sp. 496}  
  grössern Glück gekommen, so fangen sie an ihre Personen bloß um des Glückes Willen zu hassen, ob sie ihnen gleich ihr Lebtage nichts zu Leide gethan. Werden sie nicht von den Höhern oder aus Noth gezwungen, sie zu ehren, da sie sich vor ihrer Macht zu fürchten haben, so machen sie ihnen den Rang, Titulatur, und anderer äusserliche Ehren-Bezeugungen schwer und disputirlich, und legen ihnen wohl gar hinterwärts spöttische Nahmen bey.  
  Die mit ihnen von gleichen Stande, verlangen die eintzigen zu seyn, die, oder deren Vorfahren solcher Titel, Rangs und Benennungen würdig geachtet werden. Die Geringern sind noch verdrießlicher, daß sie vor ihnen den Vorzug erlangt. Gleichwie nun aber ein Vernünfftiger gar wohl erkennet, daß dieses alles Ausbrüche des Hochmuths, und einer thörichten Selbst-Liebe, dadurch der Direction GOttes, der Höchsten dieser Welt, und überhaupt auch der Höhern Ziel und Maaß solte gesetzet werden, und ein solcher Widerstand vor unvernünfftig und vergeblich zu achten; so sind sie auch willig und bereit, allein denjenigen Ehre zu geben, denen entweder ihrer Verdienste, oder dem Befehl und Willen der Höhern nach, Ehre gebühret. Herrn von Rohr Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen, p. 54. ff.
Standes-Personen Daß mit denen Titulaturen unter Privat-Leuten von den ältesten Zeiten her bis auf die jetzigen manche Veränderung vorgegangen ist oben weitläufftig gezeiget worden. Ebenso starcke Veränderungen aber haben sich von uralten Zeiten her bis jetzo auch bey denen Titulaturen unter denen höhesten Standes-Personen geäussert, von denen wir nunmehro reden wollen.  
  Einige alte Titel hatten fast mehr Realität als die neue. Ehedem waren die grösten Monarchen mit dem Titel Herr zufrieden, weil man aber dieses Wort zu einer allgemeinen Benennung derjenigen gebrauchte, welche andern etwas zu befehlen haben, so ertheilte man ihnen nach der Zeit andere Beywörter, um die Höhern von den Geringern zu unterscheiden. In Teutschland wird bey unterschiedenen Geistlichen und Weltlichen Dignitäten grosse Parade gemacht, weil grosse Einkünffte und ein hoher Rang damit vergesellschafftet, und manche würden sich doch gewiß der Verrichtungen schämen, welche sonst diejenigen, deren Successores sie seyn wollen, über sich genommen.  
  Ob zwar in den vorigen Zeiten, da das Heydenthum geherrschet, so wohl den Kaysern als andern Regenten, ebenfals sehr grosse Titel und fast Göttliche Benennungen beygelegt worden, wovon die Dissertation des Herrn D. Post de divinis Imperatorum titulis nachgelesen werden kan, so muß man doch bekennen, daß die Titulaturen mehrentheils ehedem weit geringer gewesen, und ihre Magnificenze fast durchgehends in den folgenden Zeiten durch die äusserliche zunehmende Pracht, durch die Schmeicheleyen der Unterthanen, und die Ämulation der andern, vermehret worden.  
  Daß die Könige der Longobarden sich den Titel EXCELLENTISSIMI selbst gegeben, siehet man bey dem Mabillion de re Diplomatica, Libr. II. cap. 4. §. 12.  
  Bevor der Titel Durchlauchtig aufkam, wurden die Fürsten und Chur-Fürsten nur mit dem Titel Ihrer Fürstlichen und Chur-Fürstlichen  
  {Sp. 497|S. 262}  
  Gnaden beehrt. Wicquefort de Legat. T. I. c. XX. f. 386.
  Im Jahre 1440 und 1443 wurde Ulricus Herr und Regent zu Ost-Friesland, Ehrhaffter Juncker, Edler Juncker und Edler Mann genannt. Brenneisens Ost-Frießländische Historie I Band, p. 59.
  Im Jahre 1450 wurde in der Eheberedigung, die Chur-Fürst Friedrich der Gütige, und Hertzog Albrecht III, in Ober- und Nieder-Bayern ihrer Kinder wegen mit einander aufrichteten, die Prinzeßin Elisabeth von Bayern, Jungfer Elisabeth genannt. Müllers Annal. Saxon. p. 72.
  Im Jahr 1586 wurde am Spanischen Hofe wegen der Titulaturen, darum so viel Streitigkeiten entstanden waren, eine Policey-Ordnung publicirt, der König befahl in dieser Ordnung, daß man ihn im Schreiben nicht mehr als oben im Briefe SENOR und auf der Überschrifft A REY NUESTRO SENNOR geben, in der Überschrifft aber keine Cortesie brauchen, sondern der, welcher den Brief schriebe, allein seinen Nahmen unterzeichnen solte. Gleiche Manier solte man mit den Printzen und Infanten halten, und ihnen an statt Ihrer Majestät Altezza geben, die übrigen Grandes aber unter einander weder oben noch über den Cortesien setzen, sondern stracks von der Sache zuschreiben anfangen. Kevenhüllers Annal. Ferd. in T. II. p. 483.
  Der ehemalige König in Schweden Gustav mag sich auch um die Titel nicht groß bekümmert haben. Denn als die Liefländer 1559 ihre Gesandten an ihn abschickten, und er auf dem Credentz-Schreiben wahrgenommen, daß sie ihm Erlauchtigst genannt, sagte er zu den Gesandten, was bedeutet Erlauchten, es ist durch Gottes Gnade der Schwedische König nicht so dunckel, daß er der Liefländer Erlauchtung von nöthen hätte. Harsdörffers Part. II. des Teutschen Secretar. Praef. von den Ehren-Titeln. N. 15.
  In den vorigen Zeiten sind in der That sehr viel Titel, deren sich grosse Herren nachgehends bedient, anfänglich niemahls auf eine öffentliche Weise, oder durch einen allgemeinen Consens ausgemacht worden, sondern einige von ihren Unterthanen haben ihnen dieselben aus eigennützigen Absichten zu erst beygelegt. Wenn sie nun dieselben ihrem Stand und Sinn gemäß befunden, so haben sie solche durch einen stillschweigenden Consens approbirt, sie auch wohl in die aus ihren Cantzeleyen expedirten Schrifften mit einfliessen lassen. Andere, die mit ihnen von gleichem Stande, haben es ihnen nachgehends aus Jalousie, damit sie dadurch keinen Vorzug gewinnen möchten, nachgethan, und daher sind manche Titulaturen aufgekommen.  
  Es hat zu jeden Zeiten sehr viel Dispüten gegeben, wann sich ein Fürst eine Gemahlin aus einem geringern Stande beylegen, und derselben so wohl bey den Hochfürstl. Gefreunden, als auch bey den übrigen Puissancen, die gewöhnliche Titulatur auswürcken wollen. Daher haben auch unterschiedene, um aller Zwistigkeiten überhoben zu seyn, hierinnen nachgegeben, so viel nur möglich gewesen. Als sich der Hertzog zu Sachsen Wilhelm III, mit der Catharina von Brandstein vermählen wolte, so befahl er in der Instruction seinen Gesandten, die er an seinen Herrn Bruder Churfürst Friedrichen den Gütigen und seine Söhne, wegen Prästirung ihres Consenses, zu Constituirung des Leibgedinges  
  {Sp. 498}  
  abfertigte: Dafern man Churfürstl. Seiten etwan wegern würde, in dem Verwilligungs-Brief die Worte: die Hochgebohrne Fürstin zusetzen, darwider nichts zu moviren, sondern nur anzusuchen, daß allein Durchlauchtigste Fürstin möchte gesetzt werden; dieses letztere ist zwar bey jetzigen Zeiten noch mehr als jenes, jedoch hat man sonder Zweiffel die Absicht darauf genommen, daß der Titel Hochgebohren, Ihre Qualität, Geburt und Herkunfft an Tag legt. Sie ist so glücklich gewesen, daß sie von Chur-Fürst Ernsten und dessen Bruder Hertzog Albrechten das Prädicat Irlaucht, das ist Durchlauchtige Fürstin und Hochgebohrne Fürstin, gleich ihren Gemahl erhalten. Müllers Annal. Saxon.
  Der Römische Pabst stehet mit einigen, die ihn schmeicheln in den Gedancken, als ob ihm allein zukomme unter den grossen Herrn die Titel auszutheilen, und daß die weltlichen souverainen Fürsten verbunden wären, ihre Gewalt und Titel von ihm zu holen. Daher haben sie nicht allein zu unterschiedenen mahlen sich den protestirenden Puissancen wiedersetzt, wenn sie höhere Dignitäten und Titulaturen annehmen wollen, sondern auch andere Römisch-Catholische Fürsten aufgehetzt, daß sie ihnen solche verweigern sollen. Es hat aber der Herr von Ludwig in seinem Päbstlichen Unfuge wieder die Cron Preußen gar wohl ausgeführt, daß die Päbste allezeit viel verlohren, so offt sich selbige in die Titulatur und Würdigkeit souverainer Häupter gemengt, und daß kein souveraines Haupt verbunden den Königlichen Nahmen und Würde von dem Römischen Stuhl zusuchen, dem Pabst auch dergleichen auszutheilen gar nicht zukomme.  
  Es haben auch allbereits einige gescheute Männer mitten im Pabstthum dieses erkannt, und einen Unterschied gemacht unter den weltlichen und geistlichen Würden. Die Päbste haben so genung mit ihrer Titel-sichtigen ihnen unterworffenen Clerisey zu thun, wie sie derselben Titel vermehren. Als die Zahl und Hochmuth der Geistlichen sehr anwuchs, und ein jeder gerne Bischoff heissen, mithin von der Jurisdiction der weltlichen Obrigkeit entlediget seyn wolte, die Zahl der Bisthümer aber nicht mehr zulangte, so kam die Mode auf daß die Päbste nur Titulatur-Bischöffe creirten, dem sie in den Ländern in welchen zwar vor diesen Bißthümer gewesen, die aber jetzund in den Händen der Ungläubigen sich befinden, oder in partibus infidelium eine Kirche aßignirten, z.E. zu Antiochia, Tripoli, Ephesus. Sie werden nicht allein Episcopi Titulares, und in partibus infidelium, sondern auch wohl Spottweise Episcopi nullatenus genennt. Dieses sind heut zu Tage die so genannten Weyh-Bischöffe oder Päbstlichen Nuncii, und dieses zu dem Ende, damit sie die Bischöfflichen Functionen an den Orten wo sie sich aufhalten, verrichten könne.  
  Bisweilen finden sich auch einige unter der Römischen Geistlichkeit, die mit ihren bisherigen Dignitäten zufrieden sind, und keine höhern verlangen, auch wohl die ihnen angetragenen, ausschlagen, wiewohl dergleichen Exempel sehr rar sind. Also wolte Pabst Clemens XI, 1706 den Filipucci einen Römer zum Cardinal machen, er erklärte sich aber nach verlaufner ihm gegebenen Bedenck-Zeit, er fände sich darzu nicht  
  {Sp. 499|S. 263}  
  geschickt, bäte also, ihn damit zu verschonen, und ließ sich auf keinen andern Sinn bringen, ob ihn gleich der Pabst selbst nebst verschiedenen Cardinälen ziemliche Summen anboth, um sich Standesmäßig aufzuführen. Er retirirte sich so gar in ein Kloster, damit er Friede hätte. Der Pabst ließ ihn auf seine Unkosten ansehnlich begraben, und durch einen berühmten Jesuiten eine Leich-Predigt halten, dazu er ihm den Text aufgab: Magnus quia meruit, maximus quia renuit. Theatr. Europ. des XVII Jahres p. 249.
  Gleichwie Pabst Innocentz XIII in allen Stücken die Pracht, die Galanterie und das Ceremoniel-Wesen nicht groß achtete, also scheinet er auch kein grosser Liebhaber des Titular-Wesens gewesen zu seyn. Im Jahr 1724 ließ er einen Befehl an alle seine Hof-Bedienten ergehen, den Titel EXCELLENTISSIMI, in den Päbstlichen Pallast nicht mehr anzunehmen. Siehe das XXIX Stück der Einleitung zur neuesten Historie p. 264.
  Es bezeigt sich bey den Titulaturen wohl niemand besonderer, als einige ausserhalb Europa herrschende Regenten. Also soll sich der Kayser von Äthiopien auf folgende Weise schreiben: Durch die Gnade unseres HErrn JEsu Christi Kayser in Äthiopien, Nubien, Saba und allen Grentzen von Arabia, aus einen Durchlauchtigen Stamm absprossend von der Königin von Saba, Demüthiger seiner Feinde, Beschützer derjenigen, die ihre Zuflucht bey ihm suchen, Erhalter des Glaubens JEsu Christi, König der Soldaten und ungezwungenen Armeen, Patron in Macht und Worten, mit einer unaussprechlichen Mäßigkeit, Vollmond seines Reichs ohne Finsternis u.s.w.  
Wir von Gottes Gnaden Es ist wohl von vielen Jahrhunderten her, bey allen Regenten in Europa und bey sehr vielen ausser Europa eingeführet, daß sie ihren Titeln das Wir von GOttes Gnaden prämittiren. Es soll dieses bey Fürsten und Herren eine sonderbare gute Erinnerung abgeben, daß sie alle ihre Gewalt, Macht und Ehre, GOtt als dem König aller Könige und Herrn aller Herren zuschreiben, und damit zuverstehen geben, daß sie ihren hohen Stand aus Göttlicher Gnaden-Hand empfangen, und ihn in dessen Nahmen auf Erden führen. Spath, Secretariat-Kunst …
  So solte es wohl seyn; allein die allerwenigsten dencken daran, und gebrauchen sich dieser Formul als eines blossen Ceremoniels. Man findet diese Formul bey den Geschicht-Schreibern auf unterschiedener Art exprimiret, als:  
 
  • Ex gratia Dei,
  • divina gratia,
  • divina disponente gratia,
  • divina propitiante gratia;
 
  ingl. auf folgende Weise:  
 
  • Ex dispositione Dei,
  • Deo favente,
  • divina indulgentia,
  • miseratione Dei,
  • Dei nomine,
  • nutu Dei,
  • divina permissione,
  • pia Dei ordinatione,
  • u.s.w.
D. Geißlers Diss. de Titulo Nos Dei gratia, Wir von GOttes Gnaden.
  Heutiges Tages darff sich kein Land-Stand unterstehen, ob gleich solches vor Alters nicht ungewöhnlich gewesen, und mehr zum Zeichen der Demuth als Hoheit gereichet, den Titel von GOttes Gnaden bey seinem Nahmen zusetzen, wenn er schon Gräflichen Standes seyn solte. So kommt es ihm auch nicht zu, daß er das Wörtgen, Wir, führen darff, wie der Landes-Fürst von sich zuschreiben pflegt, und damit seinen höchsten nach GOttes Willen haben-  
  {Sp. 500}  
  den Regiments-Stand und Vorzug vor seinen Unterthanen üblichen Gebrauch anzeiget. Die grossen Herren gebrauchen das Wörtgen Wir nur pro auctoritate, nehmlich in offenen Befehlen und Cantzley-Briefen; wenn sie aber aus guter Vertraulichkeit und in Hand-Briefen an einander schreiben, so reden sie mit dem Wörtgen Ich, von sich.  
  Nachdem die Reichs-Fürsten bey Erhaltung ihres Fürstlichen Standes, Ehre, Macht und Hoheit schuldig, zuförderst den Respect, die Ehre und Hoheit des Teutschen Reichs und der Kayserlichen Majestät vor Augen zu haben, so pflegen sie, wenn sie an des Römischen Kaysers Majestät schreiben, den Titel, Wir von GOttes Gnaden, auszulassen. Seckendorff Fürsten-Staat II Theil …
  Sie stehen in einer Verbindung mit dem Kayser und dem Reich, und in Ansuchung gegen dem Kayser kan man sie nicht allein vollkommen vor souverain achten; und einige wollen doch die Titulatur, Wir von GOttes Gnaden, also auslegen, als ob hiedurch angedeutet würde, daß sie keinem Menschen hier auf Erden unterworffen, und bloß von GOtt gesetzt wären, als wie die Englischen Juristen von ihrem König reden: Omnes sub illo, ille sub nullo, nisi tantum Deo, a quo secundum sine quo, primus ante omnes et super omnes in suis ditionibus. Beckmanns Notit. Dignitat. Illustr. p. 63.
     

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Stand: 3. April 2013 © Hans-Walter Pries