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Regeln gegenüber Anderen |
Nachdem in dem vorhergehenden angeführet, was einer in Ansehung der Titel
gegen sich selbst zu beobachten hat, so
will man im folgenden noch einige
Regeln
mittheilen, was man gegen andere bey den Titulaturen in Acht nehmen
soll. |
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Einem Fremden und Unbekannten muß man keinen besondern Titel beylegen, der
etwann einem gewissen
Stand
und Character
eigenthümlich ist. Denn man stehet sonst immer in
Furcht, daß man
ihm zuviel oder zuwenig geben möchte. Giebt man ihm zuviel, so möchte ers uns
vor eine Einfalt, Niederträchtigkeit oder eigennützige Schmeichelerey und
Schmarotzerey auslegen; giebt man ihm zu wenig, und er ist sehr Ehrgeitzig so
würde es ihn verdriessen, diesemnach ist am besten, wenn man ihn, mein
Herr
schlechtweg nennet. Hat er keinen
Bedienten
bey sich, den man fragen kan, und man kan es auch sonst nicht
erfahren, wer er
ist, so mag er entweder damit vorlieb nehmen, oder wenn er meynet, daß seine
Ehre dadurch verletzet würde, sagen, wer er sey, damit man ihm seinen rechten
Titel geben könne. |
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Ein junger Cavalier thut überaus wohl, wenn er sich nach den Unterscheid der
Titulaturen, wie sie sowohl ihrem
Range,
als andern
Würckungen nach, nach den Höfen und
Örtern
unterschieden zu seyn pflegen, erkundiget. Manche Chargen führen eine gleiche
Benennung und einerley Titulatur, und sind dennoch ihren
Prärogativen
nach gar sehr von einander abgesondert. Mancher Character begreifft an diesem
Hofe eine sehr
ansehnliche
Bedienung unter sich, und an einem andern Hofe wird kein groß
Werck daraus
gemacht. Wem nun diese Unterschiede bekannt worden, weiß er hernach desto
besser, wie er sich in dem Umgange gegen einem jeden aufzuführen, und was er in
Ansehung seiner zu beobachten habe. |
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Man muß einem jeden den Titel beylegen, der seiner Geburt,
Bedienung,
und seinem
Stande
gemäß ist, darin ihn
GOtt gesetzt, den die Höflichkeit und der Wohlstand
erfordert, und die
Gewohnheit
unserer Zeiten eingeführt. Man dencke, daß man eben dergleichen von andern
verlange, und auch dieses von ihnen zu fordern berechtiget. Will der andere,
zumahl der Höhere, aus besonderer Höflichkeit und Sittsamkeit oder
Gnade, die er
vor uns bezeuget, eine gewisse Courtoisie und Titulatur von uns nicht annehmen,
so treibet uns zwar dieses noch mehr an, ihn zu
ehren, man muß |
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{Sp. 494} |
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sich aber doch auch dasjenige, was er beliebt, gefallen lassen, und sich
seinem
Willen nicht allzu sehr wiedersetzen. Also findet man
bisweilen einige grosse Generals, die es nicht leiden können, wenn man sie Ihro
Excellenz nennt, und die sich lieber Herr General heissen lassen. |
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Wie nun die Humeure der Leute bey der Titulatur sowohl, als in andern
Puncten gar sehr unterschieden zu seyn pflegen, so muß man sich vorher genau
erkundigen, wie man einem jeden zu begegnen habe, damit man nicht verstosse. Ist
einem an dergleichen Ceremonien-Werck sehr viel gelegen, und man ist nach den
Umständen, darinnen man sich befindet, seiner
Gnade oder Gunst benöthiget, so
ertheile man ihm einen sehr grossen Titel. Bey einigen Umständen, die bereits
oben angeführet, wenn z.E. der andere entweder die diesem Prädicat zugehörigen
und eigenthümlichen
Dienste
würcklich versiehet, oder versehen hat, oder wenn der Character so gut als
ausgemacht ist, und es etwan nur noch an der Notification oder Ausfertigung des
Titels fehlt, oder wenn der andere mit Connivenz der Höhern durch die Observantz
sich in den Posses eines Titels gesetzt, wie denn dergleichen Fall in der
Welt
auch bisweilen möglich; kan man zwar den andern im
Reden oder
Schreiben diesen
Character beylegen, überhaupt aber ist es wieder den Wohlstand, wenn man den
andern einen Titel oder Prädicat giebt, den er nicht besitzt, und mit
Recht
behaupten kan. |
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Unser Verlangen, den andern zu
ehren, kan ihm ja kein Prädicat zuwege
bringen. Dieses dependiret von der
Macht
und Entschliessung der Höhern, ja auf gewisse Masse ist es eine
Art einer
Beschimpffung, die man ihm erzeiget, wenn man glaubt, daß der andere den, von
einer Privat-Person ihm zugeschriebenen Titel annehmen werde. Ist er eines
gewissen Prädicats würdig, so wird er auch an seinem
Ort
und zu seiner Zeit schon Mittel und Wege finden, dasselbe zu überkommen, oder
ohne dieses Ceremoniel geruhig, und als ein geehrter
Mann in der
Welt
leben. |
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Der Titel giebet keine
Verdienste, sondern soll sie nur belohnen. Man hat ja
mancherley Gelegenheit, die Hochachtung, die man vor dem andern heget, an Tag zu
legen, ob man ihn schon nicht nach einem falschen Character benennt. Es ist
besser, den andern in der
That
und im
Wercke,
als mit blossen
Worten
zu ehren und zu
lieben. Der Wohlstand, die Höflichkeit und Schuldigkeit
erfordert, daß wir einen jeden diejenigen äusserlichen Ehren-Bezeugungen
leisten, die ihm nach seinem
Stande oder Prädicate zukommen, ob er schon seinen
Einkünften nach nicht so grossen
Staat und Figur machen kan, als ein anderer.
Ist er unserer Wohltaten und Hülffe nicht benöthiget, so haben wir uns auch um
ihn nicht zu bekümmern, und ihm bey seinen Ausgaben keine Vorschrifft zu
ertheilen. Darum haben sich seine
Herrschafft und seine Vorgesetzten zu befragen.
Des andern Abgang an zeitlichen
Gütern ertheilt uns kein
Privilegium, ihm
dasjenige zu versagen, was sein
Amt oder Stand mit sich bringen. |
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Der Christlichen Liebe nach sind wir verbunden, auch denjenigen alle
äusserliche Ehre
zu erweisen, die ihnen zugehörig, die sich in der grösten
Armuth befinden, und
unse- |
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{Sp. 495|S. 261} |
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rer Liebe und Gutthat bedürfftig. ob sie schon, wenn sie sich als
Vernünfftige
bezeigen wollen, in dergleichen Umständen mancherley Ehren-Benennungen nicht von
uns begehren noch annehmen werden, so müssen wir doch bereitwillig seyn, ihnen
solche anzubieten; da sie durch ihre Armuth allbereits unglückseelig sind,
müssen wir sie durch Verachtung und Beschimpffung nicht noch unglückseeliger
machen. Ein anders wäre es, wenn sie sich lasterhafft dabey aufführten; denn da
alle äusserliche
Ehre eine Belohnung der Tugend seyn soll, so steiget dieselbe
mit gutem
Grunde
bey lasterhafften
Armen um viele Grade tieffer herunter. |
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Gleichwie die
Armuth an und vor sich selbst keine
rechtmäßige
Gelegenheit giebt, den
andern um deswillen gering zu achten, also
verdienet auch der
Reichthum an und
vor sich selbst nicht, daß man den andern dieserwegen erhebe. In so weit als der
andere, durch seinen Fleiß, Tugend und
Geschicklichkeit zu
Vermögen gekommen, in
so weit ist er auch, um seiner Tugenden willen, aller
Ehre
würdig; er verdienet
aber deswegen keine weitern äusserlichen Ehren-Bezeigungen, als ein anderer, der
mit ihm von gleichem
Stand,
Bedienung und Gewerbe, aber weniger Einkünffte hat. |
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Will sich ein Thore, wie es nicht selten zu geschehen pfleget, auf seyn
vieles
Geld
etwas einbilden, und nicht allein über andere seines
Standes,
sondern auch wohl, die noch höhern Standes, als er, erheben, so muß man ihn
seiner Einbildung überlassen, er wird deswegen nicht in der That etwas höhers.
In den Tollhäusern findet man Rasende die sich einbilden, sie wären
Kayser und
Könige.
Man muß sich hierinnen dem Pöbel conformiren, der die Leute nur nach dem Gelde
und dem äusserlichen
Staat, den sie führen, zu respectiren pflegt. Also heissen
die Bauren
denjenigen unter ihnen, der der wohlhabenste ist, nicht Görge und Matthes
schlechtweg, sondern Herr Görge und Herr Matthes, ja sie achten ihn wohl gar vor
vornehm. Die Schmarotzer machen es in diesem Stück nicht viel besser, als der
Pöbel, sie erzeigen allen denjenigen, bey denen sie schmausen, und mit denen sie
schmausen, um ihres Fressens, Saufens und Eigennutzes willen, äusserliche
Ehren-Bezeigungen, Titel und Benennung, die solche Leute nur annehmen wollen,
sie mögen vor sie gehören oder nicht. |
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Äusserliche
Ehre,
Titel, Character und höherer
Stand
soll allezeit eine Belohnung sonderbarer Tugenden und rühmlicher
Thaten seyn,
und ist es auch bisweilen, wie aber der Neid und die Eifersucht allezeit ein
treuer Gefehrde des Glücks, der Tugend und des Ruhms, also geschicht es gar
öffters, daß manche, wenn sie hören, daß ein anderer entweder durch besondere
Direction
GOttes, durch das blosse Glück, oder durch
Verdienste, nebst
ihnen in einen gleichen Grad des Glücks und der Ehre gestellt, oder wohl gar
noch auf eine höhere Ehren-Staffel gesetzet wird, vor Neid,
Zorn und
Grimm fast
zerborsten wollen. Sollen ihm höhere
Prärogativen zugeschrieben werden, und der
höhere Stand und Character ist noch nicht zur völligen Consistentz gediehen, so
suchen sie es zu hintertreiben, wo sie nur wissen und können, sie legen ihm sehr
viele Steine des Anstossens in den Weg. Sind sie aber dabey nicht mit zu Rath
gezogen, und die andern ohne ihre Zuthun zu einem |
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{Sp. 496} |
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grössern Glück gekommen, so fangen sie an ihre
Personen
bloß um des Glückes
Willen
zu hassen, ob sie ihnen gleich ihr Lebtage nichts zu Leide gethan. Werden sie
nicht von den Höhern oder aus Noth gezwungen, sie zu
ehren, da sie sich vor
ihrer Macht
zu fürchten haben, so machen sie ihnen den
Rang,
Titulatur, und anderer äusserliche Ehren-Bezeugungen schwer und
disputirlich,
und legen ihnen wohl gar hinterwärts spöttische
Nahmen
bey. |
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Die mit ihnen von gleichen
Stande,
verlangen die eintzigen zu seyn, die, oder deren Vorfahren solcher Titel,
Rangs
und Benennungen würdig geachtet werden. Die Geringern sind noch verdrießlicher,
daß sie vor ihnen den
Vorzug erlangt. Gleichwie nun aber ein
Vernünfftiger gar
wohl
erkennet, daß dieses alles Ausbrüche des Hochmuths, und einer thörichten
Selbst-Liebe, dadurch der Direction
GOttes, der Höchsten dieser
Welt, und
überhaupt auch der Höhern Ziel und Maaß solte gesetzet werden, und ein solcher
Widerstand vor unvernünfftig und vergeblich zu achten; so sind sie auch willig
und bereit, allein denjenigen
Ehre zu geben, denen entweder ihrer
Verdienste,
oder dem
Befehl und
Willen der Höhern nach, Ehre gebühret. |
Herrn von Rohr Einleitung zur
Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen, p. 54. ff. ¶ |
Standes-Personen |
Daß mit denen Titulaturen unter Privat-Leuten von den ältesten Zeiten her
bis auf die jetzigen manche
Veränderung vorgegangen ist oben weitläufftig
gezeiget worden. Ebenso starcke
Veränderungen aber haben sich von uralten Zeiten
her bis jetzo auch bey denen Titulaturen unter denen höhesten
Standes-Personen
geäussert, von denen wir nunmehro
reden
wollen. |
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Einige alte Titel hatten fast mehr Realität als die neue. Ehedem waren die
grösten
Monarchen mit dem Titel
Herr zufrieden, weil man aber dieses
Wort zu einer allgemeinen Benennung derjenigen gebrauchte, welche andern etwas
zu
befehlen haben, so ertheilte man ihnen nach der Zeit andere Beywörter, um
die Höhern von den Geringern zu unterscheiden. In
Teutschland wird bey
unterschiedenen Geistlichen und Weltlichen
Dignitäten grosse Parade gemacht,
weil grosse Einkünffte und ein hoher
Rang damit vergesellschafftet, und manche
würden sich doch gewiß der Verrichtungen
schämen, welche sonst diejenigen, deren
Successores sie seyn wollen, über sich genommen. |
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Ob zwar in den vorigen Zeiten, da das Heydenthum geherrschet, so wohl den
Kaysern
als andern
Regenten,
ebenfals sehr grosse Titel und fast Göttliche Benennungen beygelegt worden,
wovon die Dissertation des Herrn D. Post de divinis
Imperatorum titulis nachgelesen werden kan, so muß man doch bekennen, daß
die Titulaturen mehrentheils ehedem weit geringer gewesen, und ihre Magnificenze
fast durchgehends in den folgenden Zeiten durch die äusserliche zunehmende
Pracht, durch die Schmeicheleyen der
Unterthanen, und die Ämulation der andern, vermehret worden. |
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Daß die Könige der Longobarden sich den Titel EXCELLENTISSIMI
selbst gegeben, siehet man bey dem Mabillion de re
Diplomatica, Libr. II. cap. 4. §. 12. |
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Bevor der Titel Durchlauchtig aufkam, wurden die
Fürsten
und
Chur-Fürsten
nur mit dem Titel Ihrer Fürstlichen und Chur-Fürstlichen |
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{Sp. 497|S. 262} |
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Gnaden beehrt. |
Wicquefort de Legat. T. I. c. XX. f.
386. |
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Im Jahre 1440 und 1443 wurde Ulricus Herr und
Regent
zu Ost-Friesland, Ehrhaffter Juncker, Edler Juncker und
Edler Mann genannt. |
Brenneisens Ost-Frießländische Historie I
Band, p. 59. |
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Im Jahre 1450 wurde in der Eheberedigung, die
Chur-Fürst
Friedrich der Gütige, und
Hertzog
Albrecht III, in Ober- und Nieder-Bayern ihrer
Kinder wegen mit
einander aufrichteten, die Prinzeßin Elisabeth von Bayern, Jungfer
Elisabeth genannt. |
Müllers Annal. Saxon. p. 72. |
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Im Jahr 1586 wurde am Spanischen Hofe wegen der Titulaturen, darum so viel
Streitigkeiten entstanden waren, eine Policey-Ordnung publicirt, der
König
befahl in dieser
Ordnung,
daß man ihn im
Schreiben
nicht mehr als oben im Briefe SENOR und auf der Überschrifft A REY NUESTRO
SENNOR geben, in der Überschrifft aber keine Cortesie brauchen, sondern der,
welcher den Brief schriebe, allein seinen
Nahmen unterzeichnen solte. Gleiche
Manier solte man mit den Printzen und Infanten halten, und ihnen an statt Ihrer
Majestät Altezza geben, die übrigen Grandes aber unter einander weder oben noch
über den Cortesien setzen, sondern stracks von der
Sache
zuschreiben anfangen. |
Kevenhüllers Annal. Ferd. in T. II. p.
483. |
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Der ehemalige
König
in Schweden Gustav mag sich auch um die Titel nicht groß bekümmert haben. Denn
als die Liefländer 1559 ihre Gesandten an ihn abschickten, und er auf dem
Credentz-Schreiben wahrgenommen, daß sie ihm Erlauchtigst
genannt, sagte er zu den Gesandten, was bedeutet Erlauchten, es ist durch
Gottes Gnade der Schwedische König nicht so dunckel, daß er
der Liefländer Erlauchtung von nöthen hätte. |
Harsdörffers Part. II. des Teutschen
Secretar. Praef. von den Ehren-Titeln. N. 15. |
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In den vorigen Zeiten sind in der That sehr viel Titel, deren sich grosse
Herren
nachgehends bedient, anfänglich niemahls auf eine öffentliche Weise, oder durch
einen allgemeinen Consens ausgemacht worden, sondern einige von ihren
Unterthanen haben ihnen dieselben aus eigennützigen
Absichten zu erst beygelegt. Wenn sie nun dieselben ihrem
Stand
und
Sinn
gemäß befunden, so haben sie solche durch einen stillschweigenden Consens
approbirt, sie auch wohl in die aus ihren Cantzeleyen expedirten
Schrifften mit einfliessen lassen. Andere, die mit ihnen von gleichem
Stande, haben es ihnen nachgehends aus Jalousie, damit sie dadurch keinen
Vorzug
gewinnen möchten, nachgethan, und daher sind manche Titulaturen aufgekommen. |
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Es hat zu jeden Zeiten sehr viel Dispüten gegeben, wann sich ein
Fürst
eine Gemahlin aus einem geringern
Stande
beylegen, und derselben so wohl bey den Hochfürstl. Gefreunden, als auch bey den
übrigen Puissancen, die gewöhnliche Titulatur auswürcken wollen. Daher haben
auch unterschiedene, um aller Zwistigkeiten überhoben zu seyn, hierinnen
nachgegeben, so viel nur möglich gewesen. Als sich der
Hertzog
zu
Sachsen Wilhelm III, mit der Catharina von Brandstein vermählen
wolte, so befahl er in der Instruction seinen Gesandten, die er an seinen
Herrn
Bruder Churfürst
Friedrichen den Gütigen und seine
Söhne, wegen Prästirung ihres Consenses, zu
Constituirung des Leibgedinges |
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{Sp. 498} |
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abfertigte: Dafern man Churfürstl. Seiten etwan wegern würde, in dem
Verwilligungs-Brief die
Worte:
die Hochgebohrne Fürstin zusetzen, darwider nichts zu moviren,
sondern nur anzusuchen, daß allein Durchlauchtigste Fürstin
möchte gesetzt werden; dieses letztere ist zwar bey jetzigen Zeiten noch mehr
als jenes, jedoch hat man sonder Zweiffel die Absicht darauf genommen, daß der
Titel Hochgebohren, Ihre Qualität, Geburt und Herkunfft an Tag
legt. Sie ist so glücklich gewesen, daß sie von Chur-Fürst Ernsten und dessen
Bruder Hertzog Albrechten das Prädicat Irlaucht, das ist
Durchlauchtige Fürstin und Hochgebohrne Fürstin,
gleich ihren Gemahl erhalten. |
Müllers Annal. Saxon. |
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Der Römische Pabst stehet mit einigen, die ihn schmeicheln in den
Gedancken,
als ob ihm allein zukomme unter den grossen
Herrn
die Titel auszutheilen, und daß die
weltlichen
souverainen
Fürsten
verbunden wären, ihre
Gewalt und Titel von ihm zu holen.
Daher haben sie nicht allein zu unterschiedenen mahlen sich den protestirenden
Puissancen wiedersetzt, wenn sie höhere
Dignitäten und Titulaturen annehmen
wollen, sondern auch andere Römisch-Catholische Fürsten aufgehetzt, daß sie
ihnen solche verweigern sollen. Es hat aber der Herr von Ludwig in seinem
Päbstlichen Unfuge wieder die Cron Preußen gar wohl ausgeführt, daß die Päbste
allezeit viel verlohren, so offt sich selbige in die Titulatur und Würdigkeit
souverainer Häupter gemengt, und daß kein souveraines Haupt verbunden den
Königlichen
Nahmen und
Würde von dem Römischen Stuhl zusuchen, dem Pabst auch
dergleichen auszutheilen gar nicht zukomme. |
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Es haben auch allbereits einige gescheute
Männer mitten im Pabstthum dieses
erkannt, und einen Unterschied gemacht unter den
weltlichen
und geistlichen Würden. Die Päbste haben so genung mit ihrer Titel-sichtigen
ihnen unterworffenen Clerisey zu thun, wie sie derselben Titel vermehren. Als
die Zahl und Hochmuth der
Geistlichen sehr anwuchs, und ein jeder gerne
Bischoff
heissen, mithin von der
Jurisdiction der
weltlichen Obrigkeit entlediget seyn
wolte, die Zahl der Bisthümer aber nicht mehr zulangte, so kam die Mode auf daß
die Päbste nur Titulatur-Bischöffe creirten, dem sie in den
Ländern in welchen
zwar vor diesen Bißthümer gewesen, die aber jetzund in den Händen der
Ungläubigen sich befinden, oder in partibus infidelium eine Kirche aßignirten,
z.E. zu Antiochia, Tripoli, Ephesus. Sie werden nicht allein Episcopi Titulares,
und in partibus infidelium, sondern auch wohl Spottweise Episcopi nullatenus
genennt. Dieses sind heut zu Tage die so genannten Weyh-Bischöffe oder
Päbstlichen Nuncii, und dieses zu dem Ende, damit sie die Bischöfflichen
Functionen an den
Orten wo sie sich aufhalten, verrichten könne. |
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Bisweilen finden sich auch einige unter der Römischen
Geistlichkeit,
die mit ihren bisherigen
Dignitäten zufrieden sind, und keine höhern verlangen,
auch wohl die ihnen angetragenen, ausschlagen, wiewohl dergleichen Exempel sehr
rar sind. Also wolte Pabst Clemens XI, 1706 den Filipucci einen Römer zum
Cardinal machen, er erklärte sich aber nach verlaufner ihm gegebenen
Bedenck-Zeit, er fände sich darzu nicht |
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{Sp. 499|S. 263} |
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geschickt, bäte also, ihn damit zu verschonen, und ließ sich auf keinen
andern
Sinn
bringen, ob ihn gleich der Pabst selbst nebst verschiedenen Cardinälen ziemliche
Summen anboth, um sich Standesmäßig aufzuführen. Er retirirte sich so gar in ein
Kloster, damit er
Friede
hätte. Der Pabst ließ ihn auf seine Unkosten
ansehnlich begraben, und durch
einen berühmten Jesuiten eine Leich-Predigt halten, dazu er ihm den Text aufgab:
Magnus quia meruit, maximus quia renuit. |
Theatr. Europ. des
XVII Jahres p. 249. |
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Gleichwie Pabst Innocentz XIII in allen Stücken die Pracht, die
Galanterie und das Ceremoniel-Wesen nicht groß achtete, also scheinet er auch
kein grosser Liebhaber des Titular-Wesens gewesen zu seyn. Im Jahr 1724 ließ er
einen
Befehl an alle seine Hof-Bedienten ergehen, den Titel EXCELLENTISSIMI,
in den Päbstlichen Pallast nicht mehr anzunehmen. |
Siehe das XXIX Stück der Einleitung zur neuesten
Historie p. 264. |
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Es bezeigt sich bey den Titulaturen wohl niemand besonderer, als einige
ausserhalb
Europa herrschende
Regenten.
Also soll sich der
Kayser von
Äthiopien auf folgende Weise schreiben: Durch die Gnade unseres HErrn JEsu
Christi Kayser in Äthiopien, Nubien, Saba und allen Grentzen von Arabia, aus
einen Durchlauchtigen
Stamm absprossend von der Königin von Saba, Demüthiger
seiner Feinde, Beschützer derjenigen, die ihre Zuflucht bey ihm suchen, Erhalter
des Glaubens JEsu Christi, König der Soldaten und ungezwungenen Armeen, Patron
in Macht und Worten, mit einer unaussprechlichen Mäßigkeit, Vollmond seines
Reichs ohne Finsternis u.s.w. |
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Wir von Gottes Gnaden |
Es ist wohl von vielen Jahrhunderten her, bey allen
Regenten
in Europa
und bey sehr vielen ausser Europa eingeführet, daß sie ihren Titeln das
Wir von GOttes Gnaden prämittiren. Es soll dieses bey
Fürsten
und
Herren
eine sonderbare gute Erinnerung abgeben, daß sie alle ihre
Gewalt,
Macht
und Ehre,
GOtt als dem
König
aller Könige und Herrn aller Herren zuschreiben, und damit
zuverstehen geben,
daß sie ihren hohen
Stand
aus Göttlicher Gnaden-Hand empfangen, und ihn in dessen
Nahmen
auf
Erden
führen. |
Spath, Secretariat-Kunst … |
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So solte es wohl seyn; allein die allerwenigsten dencken daran, und
gebrauchen sich dieser Formul als eines blossen Ceremoniels. Man findet diese
Formul bey den Geschicht-Schreibern auf unterschiedener Art exprimiret, als: |
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- Ex gratia Dei,
- divina gratia,
- divina disponente gratia,
- divina propitiante gratia;
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ingl. auf folgende Weise: |
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- Ex dispositione Dei,
- Deo favente,
- divina indulgentia,
- miseratione Dei,
- Dei nomine,
- nutu Dei,
- divina permissione,
- pia Dei ordinatione,
- u.s.w.
|
D. Geißlers Diss. de Titulo Nos Dei
gratia, Wir von GOttes Gnaden. |
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Heutiges Tages darff sich kein
Land-Stand
unterstehen, ob gleich solches vor Alters nicht ungewöhnlich gewesen, und mehr
zum
Zeichen der Demuth als
Hoheit
gereichet, den Titel von GOttes Gnaden bey seinem
Nahmen
zusetzen, wenn er schon Gräflichen
Standes
seyn solte. So kommt es ihm auch nicht zu, daß er das Wörtgen, Wir,
führen darff, wie der
Landes-Fürst von sich zuschreiben pflegt, und damit seinen höchsten nach
GOttes
Willen haben- |
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{Sp. 500} |
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den
Regiments-Stand und
Vorzug vor seinen
Unterthanen üblichen
Gebrauch anzeiget. Die grossen
Herren gebrauchen das Wörtgen
Wir nur pro
auctoritate, nehmlich in offenen
Befehlen und Cantzley-Briefen; wenn sie aber
aus guter Vertraulichkeit und in Hand-Briefen an einander schreiben, so reden
sie mit dem Wörtgen Ich, von sich. |
|
|
Nachdem die
Reichs-Fürsten
bey Erhaltung ihres Fürstlichen
Standes,
Ehre,
Macht und
Hoheit schuldig,
zuförderst den Respect, die Ehre und Hoheit des
Teutschen Reichs und der
Kayserlichen Majestät vor Augen zu haben, so pflegen sie, wenn sie an des
Römischen Kaysers Majestät schreiben, den Titel, Wir von GOttes Gnaden,
auszulassen. |
Seckendorff Fürsten-Staat II Theil … |
|
Sie stehen in einer
Verbindung mit dem
Kayser und
dem
Reich,
und in Ansuchung gegen dem Kayser kan man sie nicht allein vollkommen vor
souverain achten; und einige wollen doch die Titulatur, Wir von GOttes
Gnaden, also auslegen, als ob hiedurch angedeutet würde, daß sie keinem
Menschen
hier auf
Erden
unterworffen, und bloß von
GOtt gesetzt wären, als wie die Englischen Juristen von
ihrem König
reden: Omnes sub illo, ille sub nullo, nisi tantum Deo, a quo secundum sine
quo, primus ante omnes et super omnes in suis ditionibus. |
Beckmanns Notit. Dignitat. Illustr. p.
63. |
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