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Zedler: Türcken [2] HIS-Data
5028-45-1629-8-02
Titel: Türcken [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 45 Sp. 1629
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 45 S. 833
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Übersicht
  Türckische Historie [1645-1737]
  Türckische Sultane
  Kayser
  Die Residentz-Stadt

  Text Quellenangaben
  Mahometh, der Vierdte, sein Sohn und Nachfolger war ein Printz von acht Jahren, als der Vater mit Tode abgieng. Deswegen führete die Mutter und Groß-Mutter die Vormundschafft, und als sich diese beyden Weiber nicht mit einander vertragen konnten,  
  {Sp. 1641|S. 834}  
  kam es endlich so weit, daß Mahomets Groß-Mutter im Jahr 1651. im 80sten Jahre ihres Alters stranguliret ward. Die Armee aber commandirte der berühmte Groß-Vezier Kiuperli, und nach ihm sein Sohn, mit solcher Autorität, daß die Ottomannische Pforte von der Minorennität dieses Sultans keinen Schaden empfunden hat. Man hat diesem Kiuperli nachgerechnet, daß er zu Behauptung seiner Autorität 36000 Menschen hohes und niedriges Standes, und zwar nur innerhalb 5 oder 6 Jahren, nehmlich von 1656 biß 1661 hat hinrichten lassen.  
  Der erste Krieg ward mit denen Venetianern geführet, und hatte schon zu Ibrahims Zeiten aus folgenden Ursachen seinen Anfang genommen. Im Jahr 1644 reisete ein vornehmer Aga mit seinem Sohne, den er mir einer schönen Sclavin gezeuget hatte, nebst einem grossen Schatze nach Egypten, weil er bey dem Sultan Ibrahim in Ungnade gekommen war. Dieses Schiff eroberten die Maltheser-Ritter, und weil sie meyneten, es wäre ein Kayserlicher Printz, so machten sie zu Maltha einen grossen Staat von dieser Beute, und liessen den vermeynten Printz, anfangs seinem Stande gemäß erziehen. Letztens aber ward er ein Prediger-Mönch, und ward insgemein Pater Ottomann genennet.  
  Unterdessen nahm der Türckische Kayser Ibrahim dieses Unterfangen der Malteser vor einen grossen Affront an, und weil die Ritter mit der Beute Anfangs in einem Candiatischen Hafen entweder eingelauffen waren, oder doch hatten einlauffen wollen; so muste daß gute Königreich Candia das entgelten, und die Venetianer konnten den unverdienten Zorn auf keinerley Weise abwenden. Also gieng der Krieg in Candia 1645 an und währete biß 1669 zusammen 24 Jahr.  
  Bald anfangs eroberten die Türcken Canea und Retimo; hernach thaten die Flotten einander Abbruch, wo sie wusten und konnten. Und endlich rückten die Türcken vor die Haupt-Stadt Candia im Jahr 1666, und belagerten diese vortreffliche Festung drey Jahre nach einander. Nun thaten zwar die Venetianer ihr äusserstes, den Ort zu entsetzen, u. erhielten auch von dem Könige in Franckreich einen ansehnlichen Succurs. Allein die Türcken hatten unterdessen nicht weit von dem alten Candia ein neues Candia aufgebauet, u. brachten endlich im Jahre 1669 die Festung durch Accord zur Übergabe.  
  Weil nun ohnedem die Christen in Ungarn mir denen Türcken Friede geschlossen hatten, und die Venetianer also nicht im Stande waren, der gantzen Türckischen Macht allein zu wiederstehen, so machten sie im Jahr 1669 Friede mit den Türcken, und überliessen ihnen das gantze Königreich Candia, ausgenommen die drey Festungen Suda, Garabusa und Spinalonga, von welchen aber Garabusa durch Verrätherey 1692 wieder in Türckische Hände gerathen ist. Dieses ist der erste Krieg, den Mahomet der vierdte von seinem Vater geerbet, und glücklich ausgeführet hat.  
  Der andere Krieg entstund im Jahr 1660 in Ungarn bey folgender Gelegenheit. Der Fürst in Siebenbürgen George Ragoczy mengete sich im Jahr 1657 in den Krieg der damahls zwischen Schweden und Pohlen geführet ward, und gedachte vielleicht gar mit einander König in Pohlen zu werden. Als er aber von de-  
  {Sp. 1642}  
  nen Pohlen sehr übel zugerichtet, nach Hause geschicket ward; so setzte ihn Mahomet der vierdte zur Rede, warum er sich ohne Vorwissen der Pforte in einen auswärtigen Krieg eingelassen hätte? Und als sich der trotzige Ragoczy zu keiner demüthigen Abbitte verstehen wolte, giengen die Türcken in Siebenbürgen, und erschlugen erstlich den Ragoczy in der Schlacht, und nahmen gleich darauf die Siebenbürgische Festung Groß-Waradein hinweg, setzten auch hiernächst einen neuen Fürsten in Siebenbürgen, Michael Abaffi oder Apaffi genannt.  
  Nachdem nun also mit Groß-Waradein abermahl eine Vormauer der Christenheit umgefallen war, so merckten die Christen wohl, daß sich das Ungewitter nun bald über Ungarn ziehen würde, und daß es an nichts, als an einer Ursache fehlete, welche sich bald darauf in Nieder-Ungarn ereignete. Denn als der Ungarische Graf Serini nicht weit von Canischa eine Festung anlegen, und dieselbige nach seinen Nahmen Neu-Serinwar nennen ließ, wolten die Türcken solches nicht leiden, und kündigten deßwegen dem Römischen Kayser im Jahr 1661 den Krieg an, kamen auch soweit, daß sie im Jahr 1663 Neuheusel, und 1664 Neu-Serinwar eroberten, und nunmehro einen offenen Weg nach Wien vor sich hatten.  
  In dieser Noth brachten die Christen eine schöne Armee in Ungarn zusammen, darunter auch ein Succurs aus Franckreich war, damit schlugen sie im Jahr 1664 bey S. Gothard mit den Türcken, und erfochten einen herrlichen Sieg. Weil man aber damahls nicht wuste, was der König in Franckreich im Sinne hatte, ward der Sieg nicht prosequiret, sondern wieder Vermuthen im Jahre 1664 ein Stillstand auf 20 Jahr geschlossen, und Neuheusel noch darzu in Türckischen Händen gelassen. Doch aber an dessen statt die Festung Leopoldsstadt angeleget.  
  Der dritte Krieg unter Mahomets des vierdten Regierung entzündete sich in Pohlen. Denn als 1667 die Cosacken guten Theils zu den Türcken gefallen waren; so entstund darüber mit Pohlen ein Krieg, und die Türcken waren so glücklich, daß sie im Jahr 1672 die vor unüberwindlich gehaltene Festung Caminieck in Podolien eroberten. Nun wurden zwar gleich darauf die Türcken von dem damahligen Feld-Herrn, und nachmahligen König in Pohlen Johannes Sobiesky dergestalt bey Cochin oder Coczin empfangen, daß nicht vielweniger als 30000 Türcken auf dem Platze blieben; nichts destoweniger erfoderte der damahlige verwirrete Zustand in Pohlen einen Frieden, welcher auch im Jahr 1676 mit solchen Bedingungen geschlossen wurde, daß die Festung Caminieck in Türckischen Händen verblieb.  
  Der vierdte und letzte Krieg dieses Kaysers entstund zwar Anfangs nur in Ungarn; breitete sich aber so weit aus, daß die Ottomannische Pforte zugleich mit dem deutschen Kayser, mit Pohlen, mit Moscau und mit den Venetianern fechten muste. So bald der zwantzigjährige Stillstand im Jahr 1664 mit den Türcken geschlossen wurde, entstunden in Ungarn die sogenannten Malcontenten, um das Jahr 1670 Diese erwehleten endlich im Jahr 1682 den bekannten Ungarischen Grafen Tekeli zu ihrem Haupte, wel-  
  {Sp. 1643|S. 835}  
  cher durch das Frantzösische Geld dergestalt souteniret ward, daß er dem Römischen Kayser nach dem Niemägischen Frieden nicht wenig zu schaffen machte.  
  Endlich als diese Malcontenten den Kayserlichen nicht weiter gewachsen waren, so lockte Teckeli, und heimlich der König in Franckreich im Jahr 1683 die Türcken in Ungarn, da doch der 20jährige Stillestand allererst in dem folgenden 1684sten Jahre zu Ende gieng. Der erste Einbruch war gefährlich vor die Christen. Denn die Türcken schlugen nicht allein die Kayserlichen Truppen, sondern giengen auch im Jahr 1683 gerades Weges vor die damahls Kayserliche Residentz- Stadt Wien, und gedachten dasjenige möglich zu machen, was Solimann im Jahr 1529 nicht hätte ausführen können.  
  Als nun die Noth am größten war, fiel das grosse Glück des Türckischen Reiches auf einmahl über den Hauffen. Denn weil die Janitscharen mit dem Groß-Vezier in nicht allzugutem Vernehmen stunden, so gieng solche Belagerung nicht alzumbesten von statten. Der König in Pohlen, Johannes der Dritte, der Churfürst in Bayern, Maximilianus, und der Churfürst zu Sachsen, Johann Georg der Dritte entsatzten die Stadt Wien den 2 September glücklich, und darauf ward die grosse Alliance zwischen dem Kayser, Pohlen und Venedig wieder die Türcken aufgerichtet, welche mit gutem Vortheile der Christen biß zum Ende des Krieges ist continuiret worden.  
  Die Pohlen haben zwar nach dem Entsatz der Stadt Wien wenig wider die Türcken ausgerichtet, und auch nicht einen Ort von Importantz erobert. Die Ursachen waren leicht zu errathen, nachdem die Pohlen in den öffentlichen Zeitungen selber bekenneten, daß dieser sonst streitbaren Nation durch das Frantzösische Geld die Hände wären gebunden gewesen. Die Venetianer hingegen haben das Ihrige sehr wohl gethan, und in diesem Kriege das Königreich Morea, vor diesem Peloponnesus genannt, nebst unterschiedenen vortheilhafften Plätzen in Dalmatien erobert, und durch viele glückliche Schlachten die Türckische Flotte in den Stand gesetzt, daß sich bißhero die eintzigen Venetianer davor nicht gefürchtet haben, da vor diesen fast alle Flotten in Europa musten aufgebothen werden, wenn die Christen der Türckischen See-Macht wolten gewachsen seyn.  
  Die Haupt-Entreprisen, die unter dieses Mahomets Regierung auf Venetianischer Seite sind vorgenommen worden, sind folgende: Im Jahr 1684 ward Prevesa, und die Insel S. Maura erobert. Im Jahr 1685 ward der Anfang in Morea gemacht und die Festung Coron eingenommen. Im Jahr 1686 eroberten die Venetianer die Festung Modon, und den importanten See-Platz Neapoli di Romania. Im Jahr 1686 waren die Venetianischen Waffen im höchsten Flor, und brachten die kleinen Dordanellen, und Patraßo und Lepanto, ferner die in der alten Historie berühmten drey Städte Athen, Lacedämon und Corintho, nebst Castelnuovo in Dalmatien unter ihren Fuß.  
  Am allerschärffsten aber ist der Krieg in Ungarn wider die Türcken unter dem siegreichen Kayser Leopold fortgesetzet worden. Ob nun wohl eine particulaire Erzehlung davon nirgends anders, als  
  {Sp. 1644}  
  in der Ungarischen Special-Historie kan ausgeführet werden, so will doch an diesem Orte eine kurtze Specification vonnöthen seyn. Im Jahr 1683 ward nach dem Entsatz der Stadt Wien die Türckische Armee alsobald verfolget, bey Barcan geschlagen, und noch selbiges Jahr die Festung Gran erobert. Im Jahr 1684 giengen die Christen vor die Haupt-Stadt Ofen, nachdem sie vorher die Türckische Armee geschlagen hatten; büsseten aber vieles Volck davor ein, und musten endlich die Belagerung mit mercklichem Schaden aufheben. Doch wurden etliche geringe Plätze erobert.  
  Im Jahr 1685 ward die Festung Neuheusel mit Sturm; Eperies aber durch Accord erobert, und also in Ober-Ungarn ein fester Fuß gesetzt. Nächst diesem wurden die Türcken bey Gran in die Flucht geschlagen, und die berühmte Eßecker-Brücke ruiniret. Im Jahr 1686 ward Ofen, die Haupt-Stadt, in Ungarn endlich mit stürmender Hand von dem Churfürsten zu Bayern und Hertzoge von Lothringen im Angesichte der Türckischen Armee erobert ingleichen in Nieder-Ungarn, Fünfkirchen und Segedin. Im Jahr 1687 wurden die Türcken bey Mohaz von dem Churfürsten von Bayern totaliter geschlagen, und der importante Ort Eßeck nebst Pederwardein und Walpo, ingleichen Possega und Erla erobert.  
  Und biß hieher geht Mahomets des vierdten Regierung. Denn weil die Türcken sahen, daß ihnen das Kriegs-Glücke gantz zuwider war, so erregten sie im Jahr 1687 im November einen Aufstand wider ihn, und setzten seinen Bruder Solimann auf den Thron; Mahomet aber muste ins Gefängniß, darinnen er auch 1693 gestorben ist.  
  Dieser Solimann, der Dritte in der Ordnung war in seinem langwierigen Gefängnisse zur Regierung gantz untüchtig geworden. Doch ward der Krieg auf allen Seiten folgender massen fortgesetzt. Die Venetianer belagerten im Jahr 1688 die vortreffliche Festung Negroponte, welches derjenige Platz ist, von dem die Sicherheit und Conservation aller bißherigen Conqueten dependiret. Allein sie waren unglücklich, daß sie den Ort mit grossem Verlust endlich verlassen musten. Hingegen eroberten sie im Jahr 1690 die Stadt und Hafen Napoli di Malvasia, welches aber mit Negroponte in keine Vergleichung kömmt.  
  In Ungarn kamen die Kayserliche Waffen unter Solimanns Regierung auf den höchsten Grad, denn im Jahr 1688 ward nicht nur Stul-Weißenburg, sondern auch Griechisch Weißenburg oder Belgrad, der Schlüssel zu Ungarn und zur Europäischen Türckey, mit Sturm erobert, wobey der Churfürst in Bayern seinen Helden-Muth sonderlich sehen ließ.
  So bald Griechisch-Weissenburg in Christlichen Händen war, erwehlete auch das Fürstenthum Siebenbürgen den Römischen Kayser zu seinen Schutz-Herrn. Endlich ergab sich auch im Jahr 1688 die Festung Mongatsch in Ober-Ungarn an die Christen, in welcher des Tekeli Familie und ein reicher Schatz gefunden ward. Gestalt denn auch von selbiger Zeit an Tekeli gantz unkräfftig gewesen ist. Im Jahr 1689 wurde Sigeth, Nissa, und Widin durch den Marggrafen Louis von Baaden den Türcken abgenommen. Und weil man also  
  {Sp. 1645|S. 836}  
  immer näher gegen Constantinopel rückte, so hielten die Türcken durch eine Gesandschafft am Kayserlichen Hofe inständig um einen Frieden an.  
  Um selbige Zeit erklärete sich der König in Franckreich ziemlich deutlich vor einen Bunds-Genossen des Türckischen Kaysers, indem er nicht allein im Occidente einen blutigen Krieg erregte, und nicht nur starcke Wechsel, sondern welches noch mehr Aufmercksamkeit verdienet, eine grosse Menge Officirer nach Constantinopel schickte, welche die Türcken in allerhand Kriegs-Künsten dergestalt informiret haben, daß sie nachhero denen Christen ziemlich wieder zu Kopffe gewachsen waren.  
  Im Jahr 1690 ergab sich zwar die Nieder-Ungarische Festung Canischa nach einer langwierigen Bloquade an die Christen; Hingegen eroberten die Türcken Belgrad, man weiß nicht ob durch Verrätherey oder durch Unglück; und hiermit gieng alles wieder verlohren, was die Christen hinter Griechisch-Weißenburg erobert hatten.  
  Es starb auch selbiges Jahr der tapffere Hertzog von Lotharingen, und General Heußler ward in Siebenbürgen geschlagen und gefangen. Eßeck aber ward von den Türcken vergebens belagert. Im Jahr 1691 kam es bey Salankemen nicht weit von Griechisch- Weißenburg zu einem sehr blutigen Treffen, darinnen endlich die Christen unter Anführung des tapffern Marggrafens Louis von Baden einen vollkommenen Sieg erfochten. Und bis hieher hat Solimann regieret, und ist nachher gestorben.  
  Achmet der Andere, Solimanns Nachfolger im Reich, war dessen jüngster Bruder, welchen man ebenfalls aus dem Gefängniße heraus hohlete und auf den Thron setzte. Maßen denn das eben nach der Türckischen Politic ein Fehler von Mahomet dem vierdten war, daß er seine beyden Brüder nicht in Zeiten aus dem Wege geräumet hatte.  
  Die Venetianer waren um diese Zeit nicht sonderlich glücklich. Denn im Jahr 1692 belagerten sie nicht allein die Festung Canea vergebens, sondern die Festung Garabusa auf der Insel Candia kam auch durch Verrätherey in der Ungläubigen Hände. In Ungarn ward im Jahr 1692 die Festung Groß-Waradein nach einer langwierigen Belagerung erobert, und dadurch der Verlust von Griechisch-Weißenburg einiger maßen ersetzet. Im Jahr 1693 belagerten die Christen die Festung Griechisch-Weißenburg vergebens; doch eroberten sie im Jahr 1694 die Festung Giula. Zum Anfange des 1695sten Jahres aber starb der Türckische Kayser Achmet der Andere an der Wassersucht.  
  Mustapha der Andere des abgesetzten Mahomets des vierdten Sohn, folgete im Reich, und nahm sich im Anfange des Regiments trefflich an. Die Venetianer haben zu seiner Zeit zwar im Jahr 1695 die reiche Insel Scio erobert, aber auch im folgenden Jahre wiederum verlohren. Nachgehends sind zur See viel Scharmützel vorgegangen, die aber wenig effectuiret haben.  
  In Ungarn ward der Tekeli bald beym Antritte seiner Regierung gefangen nach Constantinopel geführet, und nachgehends in eine Türckische Provintz verwiesen, allwo er auch gestorben ist. Im Jahr 1695 wolte dieser Kayser mit Macht durch das so genannte eiserne Thor in Siebenbürgen einbrechen, muste  
  {Sp. 1646}  
  aber nach einem blutigen Gefechte mit dem General Veterani bey Lugos abziehen.  
  Im Jahr 1696 gieng auch der Czaar in Moscau wieder die Türcken zu Felde, und eroberte durch Hülffe etlicher deutschen Ingenieurs die wichtige Festung Azow hinten am schwartzen Meer, welcher Platz der Tartarn wegen gantz important ist. In eben solchem 1696sten Jahre machten die Christen Mine, als wenn sie vor Temeswar gehen wolten, wandten sich aber alsobald unter Anführung Chur-Fürst Friedrich Augusts zu Sachsen gegen die Türckische Armee, welche der Groß-Sultan selbst commandirte, und fochten mit solcher Hertzhafftigkeit, daß die Türcken die Campagne lieber schliessen, als noch einmahl anbeissen wolten.  
  In der letzten Campagne im Jahr 1697 kam es bey Zentha an der Theiß endlich abermahl zu einer blutigen Schlacht. Die Türckische Armee commandirte der Sultan selber. Die Christen aber wurden von dem Savoischen Printz Engenius angeführet. Der Ausgang war dieser, daß die Christen einen vollkommenen Sieg erhielten, und mehr als 20000 Barbaren theils erschlugen, theils ins Wasser jagten. Ehe man die Winter-Quartiere bezoge, legte man Seraglio und etliche andere Örter in Bosnien vorher in die Asche.  
  Endlich ward im Jahr 1699 zu Carlowitz der Krieg völlig aufgehoben. Der Römische Kayser schloß einen Stillstand auf 25 Jahr, und behielt unterdessen alles, was er im Kriege gewonnen, worunter auch das Fürstenthum Siebenbürgen begriffen war. Die Pohlen machten einen ewigen Frieden, krafft dessen die Türcken die treffliche Festung Caminiek musten abtreten. Die Venetianer schlossen auch auf ewig, und behielten alles, ausser der Festung Lepanto. Die Moscowiter machten einen Stillstand auf zwey Jahre, und behielten unterdessen die Festung Azow am schwartzen Meere. Es wurde aber nachgehends dieser Stillstand in einen dreyßigjährigen Frieden, von 1699 an zu rechnen, verwandelt.  
  Im Jahre 1703 kam endlich die unverhoffte Post, daß dieser Sultan in einem Aufstande wäre abgesetzt, und in ein Gefängniß gestecket worden.  
  Achmet der Dritte folgete nach Mustapha den andern. Er war ein Bruder des abgesetzten Mustaphas, welcher den Frieden mit dem Christlichen Kayser gantzer 16 Jahr unverbrüchlich gehalten hat, ohnerachtet die Malcontenten in Ungarn gar leicht zu einem Friedens-Bruche hätten können Anlaß geben.  
  Hingegen hat die Pforte im Jahr 1710 zu einem Kriege mit den Moscowitern resolviret. Die Haupt- Ursache war wohl die Staats-Jalousie, daß Moscau sonderlich am schwartzen Meere nicht allzumächtig werden möchte. Die Gelegenheit darzu gab sonst der König von Schweden, welcher sich im Jahr 1709 nach der fatalen Schlacht bey Pultava nach der Türckischen Gräntz-Festung Bender retiriret hatte. Der Tartar-Chan, und der Frantzösische Ambaßadeur contribuirten das ihrige auch darzu. Der Vorwand war unterdessen, weil erstlich die Russen hinter dem schwartzen Meer neue Festungen auf Türckischem Gebiete angeleget, und über dieses durch Verfolgung der Schweden biß in die Moldau das Türckische Territorium beleidiget hätten.  
  Es ward aber die-  
  {Sp. 1647|S.837}  
  ser Krieg im Jahr 1711 in einer eintzigen Campagne geendiget. Die Türckische Armee lagerte sich in der Moldau an den Fluß Pruth und ward vom Groß-Vezier commandiret. Der Czaar aber führete seine Russen selber an, und hieb sich im Julio 3 Tage nach einander mit den Türcken herum. Aber mitten in solchem Blut-Vergiessen ward ein Friede projectiret, und auch würcklich geschlossen, worzu der Mangel der Lebens-Mittel auf Moscowitischer Seite wohl das meiste mochte contribuiret haben. Der vornehmste Artickel war dieser, daß der Czaar den Türcken Azow wieder abtreten, und die andern neu gebauten Festungen am schwartzen Meere dem Erdboden gleich machen muste.  
  Seit diesem hat es zwar etliche mahl darauf gestanden, daß der Krieg so wohl gegen Moscau als gegen Pohlen hat aufs neue angehen sollen. Es ist aber endlich im Jahr 1713 der Friede mit Moscau wiederum auf 25 Jahr verlän gert, und im folgenden 1714 Jahre auch mit Pohlen alles abgethan worden, was zum Kriege Gelegenheit hätte geben können.  
  Mittlerweile gieng es am Türckischen Hofe bund unter einander, und es schien, als wenn die Pforte zu Befestigung der innerlichen Ruhe eines auswärtigen Krieges nöthig hätte. Erstlich dachte man, es wäre auf die Insel Malta angesehen, deßwegen auch der Groß-Meister alle Anstalt zu einer vigoureusen Gegenwehre machen ließ. Aber im Jahr 1715 ward es klar, daß es auf die Republic Venedig gemüntzet war. Denn die Türcken fielen dieselbe mit solcher Furie an, daß in einer eintzigen Campagne nicht nur gantz Morea, sondern auch die beyden Candiatischen Festungen Suda und Spinalong von den Türcken erobert wurden. Die Anzahl derer dabey gefangenen Christen ward auf 80000 geschätzet.  
  In dem folgenden 1716den Jahre wolten die Türcken weiter gehen, und belagerten nicht nur die Insel Corfu, gesondern gedachten auch vielleicht noch in dieser Campagne dem Pabst zu Rom eine Visite zu geben. Doch der Römische Kayser nahm sich der bedrängten Christenheit an, zumahl da sich auch an der Donau eine solche Türckische Armee versammlete, die auch gantz Ungarn konnte formidable seyn.  
  Es gieng auch in dieser ersten Campagne im Jahr 1716 so gut, daß unter Anführung des tapffern Printzen Eugens nicht nur die Türcken bey Peterwaradein totaliter geschlagen, sondern auch die importante Festung Temeswar erobert ward. Im Jahr 1717 hat GOtt durch diesen grossen Held noch grösser Heil gegeben, weil die Christen die vor unüberwündlich gehaltene Festung Belgrad erobert, und die grausame Armee, welche den Ort zu Wasser und Lande entsetzen wolte, auf das Haupt geschlagen.  
  Die Christen wären hierauf capable gewesen die Türcken gar aus Europa zu jagen, wofern die Spanier nicht den Krieg wieder den Kayser declariret hätten. Also kam es mit den Türcken zum Frieden, welcher 1718 zu Paßarowitz geschlossen wurde. Krafft dieses Friedens behielt der Kayser nicht nur Temeswar und Belgrad, sondern auch ein Stück von Servien, und von der Wallachey biß an den Fluß Aluta: Die Venetianer musten das Königreich Morea im Stiche lassen.  
  Nach der Zeit hat der Persianische Rebelle Miriweis, und dessen  
  {Sp. 1648}  
  Nachfolger Esref Gelegenheit gegeben, daß die Türcken ihre Macht in Asien gewaltig und so, als in 60 Jahren kaum geschehen war, ausgebreitet haben. Endlich lief im Jahr 1730 die unverhoffte Nachricht ein, daß Achmeth in einem wegen der bey Tauris von den Persianern erlittenen Niederlage der Türckischen Armee entstandenen grossen Tumulte abgesetzet und in ein Gefängniß gestecket worden, darinnen er im Jahr 1736 ums Leben gekommen.  
  Zu Ende des 1732sten Jahres starben innerhalb wenig Wochen viere von seinen Kindern, nehmlich zwey Printzen und zwey Prinzeßinnen. Der eine von den Printzen, welcher der älteste von seinen Söhnen war, war ohngefähr 5 Jahr alt, und ist sowohl als der andere, welcher 12 biß 13 Jahr alt gewesen, im December gestorben. Die eine von den Prinzeßinnen war an den Ali Bassa vermählet, welcher unter voriger Regierung das Amt eines Nichandgi verwaltet, und diese hatte man insgemein die Gelehrte und Heilige genennet. Mehrere und umständliche Nachricht von diesem Kayser findet man in Ranffts Archivario 1736. p. 331. u.ff.
  Mahomet der Fünffte ein Bruders Sohn des vorigen hat im Jahr 1696 den 18 September das Licht der Welt erblicket, kam 1730 den 5 October zur Regierung. Er führete den Krieg, den sein Vorfahr mit den Persianern und deren tapffern Oberhaupt Thomas Koulichan angefangen, mit schlechtem Glücke fort, bis endlich im Jahr 1736 nachdem die Türcken bey Georgien totaliter geschlagen worden, der Friede zwischen der Pforte und dem neuen Schach Nadyr in Persien erfolgete.  
  Inzwischen war es mit dem Rußischen Reiche zur Ruptur gekommen, da die Rußen in einem Feldzuge im Jahr 1736 nicht nur die importante Festung Azow eroberten, sondern auch den Tartar-Chan gewaltig züchtigten. Im Jahr 1737 nahmen die Russen Oczakow, ebenfalls eine wichtige Festung ein. Der Römische Kayser, als Rußlands Alliirter, kündigte den Türcken den Krieg 1737 auch an, und eroberte die Festung Nissa, welche aber bald wieder in Türckische Hände gerieth.  
  Damit man auf einmahl über sehen könne, welche Sultane und Kayser auf einander gefolget, und zu welcher Zeit ein jeder regieret habe, theilen wir folgendes Verzeichnis mit:  
  Türckische Sultane.  
  1. Osmannus I. oder Ottomannus I, Stiffter der Ottomanischen Pforte, legte seine Residentz zu Pruscia im Jahr 1303. u. starb 1327.  
  2. Orchanes ward Sultan 1327. starb 1358.  
  3. Amurath I. 1358. starb 1389.  
  4. Bajazeth I. 1389. wurde von Tamerlan gefangen, und erstieß sich 1402.  
  5. Josua, ward Sultan 1399. ward von seinem Bruder erschlagen 1403.  
  6. Solimannus I. Sultan 1403. wurde von seinem Bruder erschlagen 1410.  
  7. Musa, Sultan 1410. erschlagen von seinem Bruder 413.  
  8. Mahometh I. Sultan 1413. starb 1422.  
  9. Amurath II. 1422. starb 1451.  
  {Sp. 1649|S. 838}  
  Kayser.  
  10. (l.) Mahomet II. wurde Sultan 1451. eroberte Constantinopel, und wurde also Kayser im Jahr 1453. starb 1481.  
  11. (II.) Bajazeth ll. 1481. starb 1512.  
  12. (III.) Selimus l. starb 1520.  
  13. (IV.) Solimannus II. 1520. starb 1566.  
  14. (V.) Selimus II. 1566. starb 1574.  
  15. (VI.) Amurath Ill. 1575. starb 1595.  
  16. (VII.) Mahometh lll. 1595. starb 1603.  
  17. (VlIl.) Achmeth I. 1603. starb 1617.  
  18. (IX.) Mustapha l. 1617. gieng ins Kloster 1618 kam wieder auf den Thron 1622. ins Gefängniß 1523. und wurde endlich stranguliret 1639.  
  19. (X.) Osmannus II. wurde Kayser 1618. wurde von den Janitscharen stranguliret 1622.  
  20. (XI.) Amurath IV. Kayser 1623. starb 1640.  
  21. (XII.) Ibrahim, Kayser 1640. wurde von den Janitscharen stranguliret 1648.
  22. (XIII.) Mahometh lV. Kayser 1648. wurde abgesetzt 1687. und starb 1693.  
  23. (XIV.) Solimannus III. Kayser 1687. starb 1691.  
  24. (XV.) Achmet II. 1691. starb 1695.  
  25. (XVI.) Mustapha lI. 1695. wurde abgesetzt 1703. und starb 1707.  
  26. (XVII.) Achmeth III. 1703. wurde abgesetzt 1730. starb 1736.  
  27. (XVIII.) Mahometh V. Kayser seit 1730.  
  Die Residentz-Stadt  
  der Türckischen Kayser war anfänglich Prusia in Bithynien. Hierauf wurde sie nach Adrianopel verlegt, und endlich Constantinopel darzu gemacht, allwo sie auch biß auf diesen Tag geblieben ist.  

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Stand: 2. November 2016 © Hans-Walter Pries