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Zedler: Unterthan [2] HIS-Data
5028-49-2253-2-02
Titel: Unterthan [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 49 Sp. 2261
Jahr: 1746
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 49 S. 1146
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Übersicht
Standes-Klage
  gegen Stadt-Obrigkeit
Lohndienste
  allgemein
  für Pfarrer
Gebot und Verbot
  Kenntnis der Gesetze
 
  Bekanntmachung
  Unterschriften
  Preußen

Stichworte Text Quellenangaben und Anmerkungen
Standes-Klage Dafern es sich auch füget, wie es denn gar öffters geschiehet, daß ein Unterthan nicht allein seiner Obrigkeit den ihr schuldigen Gehorsam entzieht, und die ihm von derselben anbefohlenen Dienste auszurichten sich verweigert, sondern auch wohl gar, ihr mit Unterthänigkeit verwandt zu seyn, leugnet; oder aber umgekehrt diese oder jene Obrigkeit einen, der doch ihr Unterthan nicht ist, vor ihren Unterthan gehalten wissen will; so hat in beyden Fällen die in den gemeinen rechten verordnete Präjudicial- oder Standes-Klage statt, welche ehemahls zwar eigentlich nur zwischen einem Römischen Herrn und dessen Knechte üblich war, heut zu Tage aber auch zwischen einem Eigenthums-Herrn und dessen Eigenbehörigen, und überhaupt zwischen allen Herrschafften oder Obrigkeiten und deren wahrhafftigen oder vermeyntlichen Unterthanen angestellet werden mag.  
  Welches geschieht, wenn entweder eine Herrschafft sich wider einen oder den andern ihrer Unterthanen beschweret, daß er sich der Dienstbarkeit und seiner Schuldigkeit entziehen wolle oder sie entstehet zwischen einer Person freyen Standes, und demjenigen, welcher sie widerrechtlich und ungebührlicher Weise zur Dienstbar- oder Unterthänigkeit halten oder nöthigen will. Und zwar, wenn ein Unterthan sich als eine freye Person aufführet, und also in dem Gleich-als-Besitze der Freyheit sich befindet; so muß die Herrschafft des Standes-Klage wider ihren Unterthan an dem Orte, woselbst dieser sich aufhält, anstellen.  
  Wofern aber eine Herrschafft einen freyen Menschen als ihren Unterthan gebraucht, und also jene in dem Gleich-als-Besitze der Dienstbar- oder Unterthänigkeit ist; so wird dieser genöthiget, wider die Herrschafft die Klage anzustellen, auf seine Freyheit sich zu beziehen, und der Herrschafft das Recht der Dienstbar- oder Unterthänigkeit zu verneinen. Die erste hat fast eine Verwandtschafft mit der Confessorien- die letztere aber mit der Negatorien-Klage, oder mit denenjenigen Klagen, welche wegen des Dienst-Rechts gebrauchet werden. Vinnius ad
  Dergleichen Klagen können heutiges Tages auch besonders von denen Herrschafften wider ihre Unterthanen wegen derer Frohn-Dienste und anderer Schuldigkeiten, oder von diesen wider jene wegen vorgegebener Freyheit füglich angestellet werden. Struv in Jurisprud.
gegen Stadt-Obrigkeit Aus eben diesem Grunde und in gleicher Absicht hat auch eben diese Standes-Klage zwischen einer Stadt-Obrigkeit und ihren Unterthanen oder Bürgern statt, wenn nehmlich diese die Real- und Personal-Beschwerden, und  
  {Sp. 2262}  
  andere ihnen obliegende Schuldigkeiten, von welchen absonderlich in Struvs Synt. … und oben unter dem Artickel: Munera, im XXII Bande, p. 819 u.ff. ein mehrers nachgelesen werden kan, abzustatten, sich wegern, und wohl gar vorgeben, daß sie keine Bürger selbiger Stadt seyn, in welchem Falle eine Stadt-Obrigkeit wider solche zu klagen, und ihr Stadt-Recht zu behaupten allerdings befugt ist.  
  Da hingegen eine Stadt-Obrigkeit ihre Bürger vom Genusse der ihnen zukommenden Stadt-Freyheiten und vom Bürger-Rechte ausschliessen will; solchen Falls können wiederum die Bürger wider die Obrigkeit die Standes-Klage anstellen. Wiewohl, eigentlich von der Sache zu reden, in diesen Fällen nicht so wohl von dem Römischen, oder wie man etwan heut zu Tage sagen könnte, von dem Reichs Bürger-Rechte, als vielmehr nur von dem Bürger-Rechte einer Land-Stadt, die Frage ist, und darüber vermittelst obiger Standes-Klage gestritten wird.
  • l. 37 …
  • Struv in Jurispr. …
Lohndienste Dafern es aber nun mit der Unterthänigkeit seine gute Richtigkeit hat, und die Unterthanen wider ihre Herrschafft deshalber nichts erhebliches einzuwenden wissen, noch auch gemeynet sind; so sind alsdenn, wenn die Unterthanen und deren Kinder um einen gewissen Lohn Dienste bey andern thun, ihre Herren, unter deren Bothmäßigkeit sie stehen, darzu die nächsten. Es scheinet zwar so wohl dem Rechte der Natur, als auch andern Rechts-Gründen gemäß zu seyn, daß Unterthanen, oder Einwohner auf den Dörffern, welche ihre Dienste entweder mit Pferden, oder mit Hand-Arbeit zu verrichten pflegen, gantz nicht können gezwungen werden, ihrem Herren für andern, auch um denselben Lohn, zu Dienste zu seyn.
  • L. invitus
  • Hartmann Pistor Observ. …
  • Henning Hammel de Action. …
  Und obwohl dieses insgemein sich also verhält; so wird es jedoch in solchem Falle moderiret, wenn nehmlich die Bauern und deren Kinder nicht in ihren eigenen Diensten begriffen sind, sondern selbige einem andern, auch wohl einem Fremden, verdingen wollen; als denn hat der Herr, wenn die Sache noch in ihrem vorigen Stande ist, so er dazu kommt, und gleichen Lohn verspricht, billig einen Vorzug, weil insonderheit ihnen nichts daran gelegen, warum sie nicht vielmehr ihrem Herrn, als einem Fremden, dienen wollen, da sie doch jenem insonderheit vermöge ihrer Pflicht zum Gehorsam und Dienst verbunden sind,
  • Jason in L. 2 …
  • Didacus Covartuvias Lib. …
  Und so sie dieses nicht thun wollen, sind sie zu Ersetzung des dem andern Herren daraus erwachsenden Schadens billig anzuhalten.
  • Hartmann Pistor. d. Observ. …
  • Carpzov Constit. …
  • Richter Dec. …
  In Betrachtung dieser Billigkeit hat auch die Juristen-Facultät zu Leipzig, vor den Magistrat an H.H.H. zu W. im Monat May 1646 also gesprochen:  
  „Hat euer Vater sel. bey allen seinen Unterthanen ohne Unterscheid, und also auch mit den Einwohnern der Dörffer, so zuvor ins Amt  
  {Sp. 2263|S. 1147}  
  Grimma gehöret, hernachmahls aber eurem Vater erblich eingeräumet worden, jedes Jahr es also gehalten, daß er der Unterthanen Kinder, so ohne das sich zu Dienste begeben, um Weynachten zu seinen Knechten und Mägden, wie viel er derer bedürfftig gewesen, auf ein Jahr lang ausgelesen, die es auch billig geschehen lassen. Und als euch selbige Dörffer erblich zukommen, habt ihr es mit den Unterthanen gleichfalls also gehalten; anjetzo aber wollen sich etliche, insonderheit aber die zu N. dazu ferner nicht verstehen, mit Vorwenden, daß sie es mit euch annehmen wollten.  
  Ob es nun wohl geschehen seyn mag, daß, weil man des vielen Gesindes die Zeit über nicht bedürfftig gewesen, ihre Kinder mit diesem Anmuthen eine Zeitlang verschonet worden, keine rechtmäßige Praescription und Gewohnheit auch deswegen wieder sie verhanden; dennoch aber und dafern sich ihre Kinder sonsten zu Knechten und Mägden in den Dörffern vermiethen wollen, und deswegen keinem gewissen Herrn ihre Dienste albereit versprochen, ihr auch ferner ihnen eben dasjenige Lohn, so sie bey andern erlangen können, zu geben, sie nicht schärffer, als bey andern gewöhnlich, zu halten, und mit ebenmässiger Kost zu versehen gemeinet, also, daß sie keine beständige Ursach ihrer Verweigerung vorbringen können, so seynd sie, ihres Vorwendens ohngeachtet, vor andern bey euch sich, vor Knechte und Mägde auf ein Jahr lang zu vermiethen, und Dienste zu leisten schuldig, darzu sie in Verweigerung durch Gefängnis billig angehalten werden, V.R.W.“  
  Gleicher Gestalt hat auch die Juristen-Facultät zu Jena im Monat May 1630 auf Befragen Hanß Georgens von Hochberg zu Uhlfeld, geantwortet:  
  „Habet ihr in der verschiedenen Erndte Zeit zwantzig Schock Getreydig, so auf eurem Bauern-Gut zu Bartzschefeld erwachsen, gern in die Scheune schaffen wollen, weiln damahlen böses Regen-Wetter zu besorgen gewesen, und deswegen eure Pferd-Bauern gütlich ansprechen lassen, euch ums Lohn dieselbe einzuführen, neben Anzeigung dieser Ursache, damit es durch das Regen-Wetter nicht verderbet, noch zu Schanden werden möchte; darauf gemeldte Anspanner, eure Unterthanen, geantwortet, sie wären nicht bedacht, dasselbe zu thun, der fünffte Wagen gienge denn auch mit.  
  Derowegen ihr sie noch einsten gebethen, weil es zu derselben Zeit mit dem fünfften Wagen unmöglich wäre, sie sollten doch mit den vier Wagen das Getreydig ums Lohn einführen, und euch, als ihrem Gerichts- und Erb-Herrn, diesen geneigten Willen erzeigen, weil sie andern Leuten um das Lohn arbeiteten, und dasselbe ohne solche Hülffe wegen Regen-Wetters leichtlich verderben möchte, sie aber bey ihrer Verweigerung geblieben, dahero euch die angezogene zwantzig Schock Getreydig, durch das eingefallene Regen-Wetter fast gantz zu Schanden worden, welchen Schaden dieselben auch muthwillig zugefüget, und wohl verhüten können; so wird euch von ihnen, gestalten Sachen nach, angezogener erlittener Schaden billig ersetzet und  
  {Sp. 2264}  
  erstattet. V.R.W."  
  Nicht weniger haben auch die Churfürstlich-Sächsischen Schöppen zu Leipzig in Sachen Christophs Nißmitz zu Rebra im Monat November 1593 also gesprochen:  
  „Da nun euere Unterthanen, so andern Leuten um den Tage-Lohn zu arbeiten pflegen, mit ihrer eigenen Arbeit nichts zu thun, noch sich andern allbereit verdinget und versprochen hätten, auch ihr und ein Fremder solche Hand-Arbeit, davon sie gleichen Lohn haben und verdienen könnten, ihnen zu einer Zeit andeuten würdet etc. So wären sie euch vor Fremden um solchen Lohn zu arbeiten schuldig. V.R.W.“  
Lohndienste für Pfarrer Und eben dieses ist aus gleicher Ehrerbietung auch bis auf die Dorff-Pfarrer extendiret worden, daß nehmlich die Eingepfarrten ihre Dienste zum Acker-Bau andern nicht versprechen können, bevor nicht die Äcker, so zu der Pfarre gehören, von ihnen bestellet worden, wovon weitläufftig Carpzov in Jurispr. … handelt; wie auch in der Churfürstl. Sächßl. Kirchen-Ordnung hiervon insonderheit Versehung gethan worden, art. General. 27 §.  
  „Dahero wegen und daß die Pfarrer die Äcker, so ihnen zum Unterhalt verordnet, samt ihrem Hauß-Gesinde geniessen, und ihres Studirens und Amts desto fleißiger abwarten können, ist unser ernster Will und Meynung, daß die Bauren fremde Äcker um Geld zu beschicken, nicht annehmen, es seynd denn zuvorn des Pfarrers und Schreibers Äcker, da sie nicht selbsten anzuspannen haben, samt ihren Nachbaren desselben Dorffs Äcker um ein gebührlich und gleichmäßig Lohn beschickt etc.“  
  Wie auch im Synodal-Decrete von 1624. Insonderheit aber in den Worten: „Sollen hinführo schuldig seyn auf Begehren des Pfarrers, wie auch des Custodis, die Äcker um einen billigen Lohn vor andern zu beschicken.“ Richter Dec. …
  Also hat auch das Churfürstlich Sächsische Ober-Consistorium dem Superintendenten und dem Schösser zu Meissen den 21. September 1625 geantwortet:  
  „Wir haben euren eingeschickten Bericht, betreffende die Irrungen, so zwischen den Pfarrer zu Lommatzsch und seinen Eingepfarrten wegen Beschickung der Felder sich enthalten, verlesen hören. Wann denn nicht allein die alten Generalen ausdrücklich besagen, daß die Eingepfarreten fremde Äcker ums Geld zu beschicken, eher nicht annehmen sollen, es seyn denn zuvor des Pfarrers und Schreibers Äcker, um einen gebührlichen und gleichmäßigen Lohn, Zechweise beschickt, sondern auch die neuen sich darauf referiren, und darinne verordnet, daß, wenn die Eingepfarreten sich deswegen verweigern, auf erfolgten Bericht, aus dem Consistorio Anordnung geschehen sollte, und hieneben eine grosse Wiederspenstigkeit, daß die eingepfarreten Dorfschafften dem Pfarrer auch um das Lohn, so sie sonsten von den Bürgern nehmen, seine Äcker nicht zu bestellen sich verlauten lassen;  
  als ist hierauf an statt höchst gedachtes Unsers gnädigsten Herrn, unser Begehren, ihr wollet demselben solche ihre Wiedersetzlichkeit mit Ernst verweisen, und dem Pfarrer seine Äcker Zechweise vor andern um ein billiges Lohn, welches ihr disfals ermessen werdet, zubestellen auferlegen, auch in beharrlicher  
  {Sp. 2265|S. 1148}  
  Verweigerung, ihr der Schösser, sie duch gebührliche Zwangs-Mittel darzu anhalten. etc." Besiehe Franckenbergs Prax. ...
Gebot und Verbot Hiernächst ist unstreitig auch dieses sowohl eines der höchsten Vorrechte derer Herrschafften und Obrigkeiten, daß sie die Macht und Gewalt haben, ihren Unterthanen Rechte und Gesetze vorzuschreiben, und die Übertreter derselben mit Nachdruck zu bestraffen, als auch derer Unterthanen unverbrüchlichste Pflicht u. Schuldigkeit ihrer Obrigkeit Geboten u. Verboten treulichst und gebührend nachzuleben, wenn ihnen solche nur gehörig publiciret und bekannt gemachet worden, wie davon unter dem Artickel: Lex, im XVII Bande, p. 999 u.ff. bereits mit mehrerm gehandelt worden.  
Kenntnis der Gesetze Gegenwärtig aber wird nicht undienlich seyn, die gar öffters vorkommende Frage zu berühren: Ob nehmlich ein Unterthan auch nach einem Gesetze zu richten, das ihm nicht bekannt geworden? denn wie der Glaube aus der Predigt kommt; also erfordert auch der Gehorsam einen bekannt gemachten Befehl. Von einem gewissen tyrannischen Kayser wird erzehlet, daß er die Gesetz-Tafeln so hoch aushängen lassen, daß man sie kaum mit dem Gesichte erreichen mögen, damit nur fein viele gegen dieselben handeln und seine Strafcasse vermehret werden möchte. Und Wilhelmus Conquestor soll in Engelland aus gleichen Absehen seine Gesetze in seiner Sprache habe abfassen lassen, welche die Britten nicht verstanden.  
  Es ist also ein Gerechtigkeit liebender Fürst billig bemühet, daß seine Gesetze den Unterthanen zeitig zu Ohren oder Gesichte kommen möchten: Der weise Justinian hat zu solchem Ende in der Novella 66 versehen, daß  
 
1) seine neue Satzungen zeitig in alle Provintzien seines Reiches versendet werden möchten;
 
 
2) wenn solches geschehen, hatten die Unterthanen deswegen noch 2 Monate Zeit, ihre Handlungen nach dem Gesetze einzurichten, damit sich um soviel weniger jemand mit der Unwissenheit oder Übereilung entschuldigen könnte;
 
 
3) wurden die letzteren Satzungen in die Mutter-Sprache, so die Griechische war, abgefasset, daß es keines Nachfragens oder Dolmetschens bedurffte;
 
 
4) wurden von dem Kayser die Satzungen höchsteigenhändig unterschrieben, (Sacra subnotatione nostra) um allen Zweiffel, wo die Satzungen herkämen, zu benehmen. Const. ad Mennam de Cod.
 
 
5) wurden solche an Feyertagen öffentlich in der Kirchen verlesen und dem Volcke zu Ohren gebracht.
  • Const. ead. …
  • Spanhem in Orb. …
Bekanntmachung  früher Welches letztern zwar sich die eigensinnige Geistlichkeit unter dem Vorwande geweigert, daß zu solcher Zeit die Zuhörer in ihren Gedancken aus der Predigt nicht gestöhret werden möchten, worinnen sie aber endlich doch, wie viele Magistrate in denen Reichs-Städten, nachgegeben, da nehmlich die Bekanntmachung und Verlesung der neuen Satzungen des Sonnabends durch den Stadtschreiber aus dem Rathhaus-Fenster, auf dem Marckte geschiehet. Da denn die Stadt-Knechte bestellet sind, das Marckt-Volck zur Anhörung dessen, was verlesen wird, einzutreiben.  
und heute Heutigen Zeiten nach aber ist solches alles viel leichter und ordentlicher. Denn  
 
1) haben wir die Druckereyen, da die neuen Satzungen, mit geringen Unkosten, so viele tausendmahl abgedrucket werden können; da
 
  {Sp. 2266}  
 
  hingegen die eigenhandigen Abschrifften unzählige Mühe und Kosten verursachet. Dahero man sich billig wundern muß, wie es möglich gewesen, daß ehedem wenigstens jeder Richter und Advocat, wo auch nicht jeder Lehrer und Student sich das gewaltige Corpus Juris in einer Handschrifft, die wohl hundert und mehr Reichs-Thaler kosten müssen, absonderlich mit den grossen Glossen, anschaffen können. Nachgehends und
 
 
2) gehen jetzo die Posten ordentlich hin und her, wovon man vor 200 Jahren gleichfals nichts gewust hat, sondern sich, an statt dessen, eigener Bothen oder Couriers bedienen müssen.
 
 
3) Haben jetzo alle Unterthanen ihre gewisse Eintheilung, wo sie eingepfarret sind; da denn das in der Pfarre abgelesene leichtlich allen Eingepfarrten bekannt werden muß.
 
 
4) Stehen diesen Befehlen auch an theils Orten, wie z.E. in Halle, die wöchentlichen Anzeigen zu Dienste, die gleichfals allen Innungen und Pfarren zu Händen und Gesichte kommen.
 
 
5) Ist es ein herrliches Werck, daß jeder Richter die Satzungen in einem Buche zusammen halten solle, wohin jeder Unterthan seine Zuflucht nehmen mag,
 
 
6) hat man auch, soviel besonders die Königlich-Preußischen und Chur-Brandenburgischen Lande und Unterthanen betrifft, das nützliche Vorhaben des Herrn Geheim-Raths Mylii zu erwarten: Welches alle Edicte vollständig zusammen gedrucket, dem Lande zum besten, in einem Bande in sich verfassen soll; worinnen dieselben schon so viele andere Länder, als Österreich, Chur-Sachsen, Böhmen, Schlesien u.a. absonderlich auch die Ausländer, als die Holländer, Engelländer, Dänen, Pohlen, u.a. zu Vorgängern gehabt haben.
 
  Inzwischen heisset es bey solcher mühsamen Bekanntmachung der Gesetze: Qui Jus ignorat, pro sciente habetur, das ist, wer gleich das Recht oder die Gesetze nicht weiß, wird dennoch vor einen Wissenden gehalten, und mag er sich deshalber mit seiner vorgeschützten Unwissenheit nicht entschuldigen, L. 9 C. ad L. Falc.
  indem auch einem Unwissenden allezeit Advocaten zur Hand seyn, bey denen er sich Rathes, was Rechtens, erholen mögen. L. 2 § 43 ff. de O.I.
  Welches jedoch auch seine Abfälle hat, als  
 
1) in Unmündigen,
 
 
2) Soldaten,
 
 
3) Weibs-Personen und
 
 
4) gemeinen Standes
 
  wovon besonders in tit. ff. de juris et facti ignorantia und besser unten bey dem Artickel: Unwissenheit, ein mehrers nachgelesen werden kan.  
  In welchem letztern Falle man auch absonderlich heut zu Tage desto mildreicher seyn solle, weil das Corpus Juris Lateinisch redet, und, wie ehemahls GOttes Wort, den Ungelehrten verschlossen ist. Ludwigs Gel. Anz. von 1730 Num. 43 ...
  Es ist aber auch die Gewohnheit, die ausgefertigten Fürstlichen Befehle, sowohl in Polizey- als Justitz-Sachen, mit Beyfügung des Fürstlichen Nahmens, auf dessen Befehl, und des Ortes, wo solche abgefasset und ausgestellet worden, zu unterschreiben, so alt und löblich, daß nicht allein vorbemeldeter Justinian sondern auch alle nachfolgende Kayser und andere Fürsten, sich es nicht zu beschwerlich seyn lassen, fast aller Orten, wohin sie sich von Zeit zu Zeit verfüget, ihre Cantzeleyen mit sich herum zu führen. Daher denn  
  {Sp. 2267|S. 1149}  
  auch besonders in dem Justinianischen Codice so viele und mancherley Unterzeichnungen der Örter bey denen daselbst befindlichen Kayserlichen Befehle und Rescripte, allwo dieselben ausgefertiget worden, vorkommen, als z.E. Syrmii, Nicomediae, Pantichi, Mediolani, Sardicae, Thessalonicae, u.s.w.  
  Dergleichen auch hernachmahls von denen Deutschen Kaysern mit gleicher Freyheit beybehalten und beobachtet worden, wie unter andern, Carls des Grossen, derer Otten, u.a. nicht zu gedencken, besonders von Friedrichen den I. Radevicus Lib. … mit mehrerm erzehlet. Wehner in Obs. Pract. v. Justici-Wesen.
  Wie aber insgemein die hohen Landes-Obrigkeiten an ihre Unterthanen, in denen an sie erlassenen Befehlen, und sonst zu schreiben pflegen, davon ist zu sehen unter dem Artickel: Unserm lieben Getreuen.  
Unterschriften Und obgleich sonst, zumahl heutiges Tages viele grosse Herren, welche nicht gerne an die mühsame eigenhändige Unterschrifften ihrer Befehle kommen, solche absonderlich in Justitz-Sachen, ihren darzu verordneten Räthen, unter der gewöhnlichen Formel: Aus Fürstlichen Gnädigstem Special-Befehl, überlassen, welche nebst dem Fürstlichen Siegel wohl einem jeden Richter genug seyn muß, darauf zu erkennen, ohne in der Cantzeley-Weise seinem eigenen Dünckel zu folgen; so hat doch der ehemahlige Cantzler von Ludwig in Halle in der Vorschrifft von der neuen Öconomie-Profeßion und neueingerichteten Königlich-Preußischen Policey §. 39 mit mehrerm gehandelt, wie unermüdet weyland Sr. Königl. Majestät in Preussen, Herr Friedrich Wilhelm Glorwürdigsten Andenckens in Dero höchsteigenhändigen Unterschrifften sich bezeiget, ohngeachtet die Regierung Dero vielen und gantz verschiedenen Provintzien und Staaten solche fast unzählig gemachet.  
Preußen Wie denn auch erstbemeldeter Ludwig in den Gel. Anz. von 1730 Num. 43 … ein besonders Edict beybringet, wie es von dato an mit Publicirung derer Königlichen Befehle in denen Königlich Preussischen und Chur-Fürstlichen Brandenburgischen Landen gehalten werden solle, welches wohl verdienet, allhier eingerücket zu werden, und von Wort zu Wort also abgefasset ist:  
  „Demnach Sr. Königl. Majest. in Preussen etc. Unser allergnädigster Herr, mißfällig vernommen, daß Dero im Lande publicirten Edicten nicht überall nachgelebet werde, und man wahrgenommen, daß solches grossen Theils daher rühre, weil sie zu jedermanns Wissenschafft nicht gelanget; so soll hinführo mit Publication derselben es folgender Gestalt gehalten werden:  
  Sobald Sr. Königl. Majestät allergnädigst resolviret, Dero gefasten Schluß-Willen und Befehl in Geist- oder weltlichen Sachen, dem gantzen Lande bekannt zu machen, und durch ein gedrucktes Edictum zu publiciren; so soll dasjenige Collegium, darin das Edictum abgefasset, oder wem die Ausfertigung desselben committiret worden, zuförderst dafür sorgen, daß die Exemplaria in zureichender und mehrern Zahl, als bishero geschehen, gedrucket werden. Zu welchem Ende  
 
1) [1] zum Voraus ein vor allemahl Erkundigung einzuziehen, wie viel Exemplaria in Städten, und wie viel auf
[1] HIS-Data: erste Nummer fehlt in der Vorlage
  {Sp. 2268}  
 
  dem Lande zu distribuiren.
 
 
2) Ist auch bey jedem Collegio in der Residentz ein Buch zu halten in welches einzuschreiben, so offt ein Edict bey dem Collegio emaniret; mit Benennung dessen Inhalts, und wie viel Exemplaria davon gedruckt worden, auch wie dasselbe zur Publication gekommen.
 
 
3) Hat ein jeder Land-Rath, an welchen ein Edict gesand wird, genau zu überschlagen und zu berichten, wie viel Edicta er in allem haben müste, um dieselbe jeden Orts im Creyse bekannt zu machen. Massen nicht allein an denen Orten, wo die Adel. Gerichts-Obrigkeit wohnet, sondern auch nach Beschaffenheit der Sachen andern Dörffern, wo nur Schultzen und Einwohner vorhanden, die Edicta zu insinuiren seyn. Wann nun der Bote in einem Dorffe angekommen, so insinuiret er der Obrigkeit daselbst zwey Exemplaria jedes Edicti, davon das eine so fort muß angeschlagen; das andere Exemplar aber vom Küster, oder einem andern, der lesen kan, nächsten Sonntag vor der Cantzel nach dem GOttesdienst, deutlich abgelesen werden. Sollte aber einem Edicto wichtiger Ursachen halber expresse einverleibet seyn, daß der Prediger es selbst von der Cantzel ablesen solle; so ist er schuldig, ohne fernere Nachfrage, deme nachzuleben. Die Unterthanen aber sind ein vor allemahl zu bedeuten, daß wann Edicta abgelesen werden sollen, sie zu Anhörung derselben sich fleißig einstellen, und bey Vermeydung willkührlicher Straffe eher nicht, als bis die Verlesung geschehen, aus der Kirche gehen sollen.
 
 
4) Muß endlich die Obrigkeit Befehls halber, oder der Schultze im Dorffe, dieses abgelesene Edict wohl verwahren, und alle bey einander in ein Buch hefften lassen. Und damit es soviel besser geschehen könne; so sollen Edicta hinführo nicht mehr als ein Patent, sondern der Bogen auf beyden Seiten gedrucket werden. Dieses Edicten-Buch muß hernach entweder in der Kirche oder im Gericht wohl aufgehoben werden und sollen 10 Rthlr. Straffe darauf stehen, wann bey etwa anzustellender Nachfrage sich finden sollte, daß ein oder ander Edictum fehlete, so doch insinuiret worden. Signatum Berlin, den 24 Augusti 1717.
 
 
 
        Friedrich Wilhelm
                  L.O.E. v. Plotho
 
     

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Stand: 14. November 2016 © Hans-Walter Pries