Stichworte |
Text |
Quellenangaben und Anmerkungen
|
Standes-Klage |
Dafern es sich auch füget, wie es denn gar öffters geschiehet, daß ein
Unterthan nicht allein seiner
Obrigkeit den ihr
schuldigen
Gehorsam entzieht,
und die ihm von derselben anbefohlenen
Dienste auszurichten sich verweigert,
sondern auch wohl gar, ihr mit Unterthänigkeit verwandt zu seyn,
leugnet; oder
aber umgekehrt diese oder jene Obrigkeit einen, der doch ihr Unterthan nicht
ist, vor ihren Unterthan gehalten
wissen
will; so hat in beyden Fällen die in
den
gemeinen rechten
verordnete Präjudicial- oder Standes-Klage statt, welche
ehemahls zwar eigentlich nur zwischen einem Römischen
Herrn und dessen
Knechte
üblich war, heut zu
Tage aber auch zwischen einem
Eigenthums-Herrn und dessen
Eigenbehörigen, und überhaupt zwischen allen
Herrschafften
oder Obrigkeiten und
deren wahrhafftigen oder vermeyntlichen Unterthanen angestellet werden
mag. |
|
|
Welches geschieht, wenn entweder eine
Herrschafft sich wider einen oder den
andern ihrer Unterthanen beschweret, daß er sich der
Dienstbarkeit und seiner
Schuldigkeit entziehen wolle oder sie entstehet zwischen einer
Person freyen
Standes, und demjenigen, welcher sie widerrechtlich und ungebührlicher Weise zur
Dienstbar- oder Unterthänigkeit halten oder nöthigen will. Und zwar, wenn ein
Unterthan sich als eine freye Person aufführet, und also in dem
Gleich-als-Besitze der
Freyheit sich befindet; so muß die Herrschafft des
Standes-Klage wider ihren Unterthan an dem
Orte, woselbst dieser sich aufhält,
anstellen. |
|
|
Wofern aber eine Herrschafft einen freyen
Menschen als ihren Unterthan
gebraucht, und also jene in dem Gleich-als-Besitze der Dienstbar- oder
Unterthänigkeit ist; so wird dieser genöthiget, wider die Herrschafft die Klage
anzustellen, auf seine
Freyheit sich zu beziehen, und der Herrschafft das
Recht
der
Dienstbar- oder Unterthänigkeit zu verneinen. Die erste hat fast eine
Verwandtschafft mit der Confessorien- die letztere aber mit der
Negatorien-Klage, oder mit denenjenigen Klagen, welche wegen des Dienst-Rechts
gebrauchet werden. |
Vinnius ad … |
|
Dergleichen Klagen können heutiges Tages auch besonders von denen
Herrschafften wider ihre Unterthanen wegen derer
Frohn-Dienste und anderer
Schuldigkeiten, oder von diesen wider jene wegen vorgegebener
Freyheit
füglich
angestellet werden. |
Struv in Jurisprud. |
gegen Stadt-Obrigkeit |
Aus eben diesem
Grunde und in gleicher Absicht hat auch eben diese
Standes-Klage zwischen einer
Stadt-Obrigkeit und ihren Unterthanen oder
Bürgern
statt, wenn nehmlich diese die Real- und Personal-Beschwerden, und |
|
|
{Sp. 2262} |
|
|
andere ihnen obliegende Schuldigkeiten, von welchen absonderlich in
Struvs Synt. … und oben unter dem
Artickel:
Munera, im XXII
Bande, p. 819
u.ff. ein mehrers nachgelesen werden kan, abzustatten, sich wegern, und wohl gar
vorgeben, daß sie keine Bürger selbiger
Stadt seyn, in welchem Falle eine
Stadt-Obrigkeit wider solche zu klagen, und ihr
Stadt-Recht zu behaupten
allerdings befugt ist. |
|
|
Da hingegen eine Stadt-Obrigkeit ihre
Bürger vom Genusse der ihnen
zukommenden
Stadt-Freyheiten und vom
Bürger-Rechte ausschliessen will; solchen
Falls können wiederum die Bürger wider die
Obrigkeit die Standes-Klage
anstellen. Wiewohl, eigentlich von der
Sache zu
reden, in diesen Fällen nicht so
wohl von dem Römischen, oder wie man etwan heut zu Tage
sagen könnte, von dem
Reichs Bürger-Rechte, als vielmehr nur von dem Bürger-Rechte einer
Land-Stadt,
die Frage ist, und darüber vermittelst obiger Standes-Klage gestritten wird. |
- l. 37 …
-
Struv in Jurispr. …
|
Lohndienste |
Dafern es aber nun mit der Unterthänigkeit seine gute Richtigkeit hat, und
die Unterthanen wider ihre
Herrschafft
deshalber nichts erhebliches einzuwenden
wissen, noch auch gemeynet sind; so sind alsdenn, wenn die Unterthanen und deren
Kinder um einen gewissen Lohn
Dienste bey andern thun, ihre
Herren, unter deren
Bothmäßigkeit sie stehen, darzu die nächsten. Es scheinet zwar so wohl dem
Rechte der Natur, als auch andern Rechts-Gründen gemäß zu seyn, daß Unterthanen,
oder Einwohner auf den
Dörffern, welche ihre
Dienste entweder mit Pferden, oder
mit Hand-Arbeit zu verrichten pflegen, gantz nicht können gezwungen werden,
ihrem Herren für andern, auch um denselben Lohn, zu Dienste zu seyn. |
- L. invitus …
- Hartmann Pistor Observ. …
- Henning Hammel de Action. …
|
|
Und obwohl dieses insgemein sich also verhält; so wird es jedoch in solchem
Falle moderiret, wenn nehmlich die
Bauern und deren
Kinder nicht in ihren
eigenen Diensten begriffen sind, sondern selbige einem andern, auch wohl einem
Fremden, verdingen wollen; als denn hat der
Herr, wenn die
Sache noch in ihrem
vorigen Stande ist, so er dazu kommt, und gleichen Lohn verspricht,
billig einen
Vorzug, weil insonderheit ihnen nichts daran gelegen, warum sie nicht vielmehr
ihrem Herrn, als einem Fremden, dienen wollen, da sie doch jenem insonderheit
vermöge ihrer
Pflicht zum
Gehorsam und
Dienst
verbunden sind, |
- Jason in L. 2 …
- Didacus
Covartuvias Lib. …
|
|
Und so sie dieses nicht thun wollen, sind sie zu Ersetzung des dem andern
Herren daraus erwachsenden
Schadens
billig anzuhalten. |
- Hartmann Pistor. d. Observ. …
- Carpzov Constit. …
- Richter Dec.
…
|
|
In Betrachtung dieser
Billigkeit
hat auch die Juristen-Facultät zu Leipzig, vor den
Magistrat an H.H.H. zu W. im
Monat May 1646 also gesprochen: |
|
|
„Hat euer Vater sel. bey allen seinen Unterthanen ohne
Unterscheid, und also auch mit den Einwohnern der Dörffer, so zuvor ins Amt |
|
|
{Sp. 2263|S. 1147} |
|
|
Grimma gehöret, hernachmahls aber eurem Vater erblich eingeräumet worden,
jedes Jahr es also gehalten, daß er der Unterthanen Kinder, so ohne das sich zu
Dienste begeben, um Weynachten zu seinen
Knechten und
Mägden, wie viel er derer
bedürfftig gewesen, auf ein Jahr lang ausgelesen, die es auch billig geschehen
lassen. Und als euch selbige Dörffer erblich zukommen, habt ihr es mit den
Unterthanen gleichfalls also gehalten; anjetzo aber wollen sich etliche,
insonderheit aber die zu N. dazu ferner nicht verstehen, mit Vorwenden, daß sie
es mit euch annehmen wollten. |
|
|
Ob es nun wohl geschehen seyn mag, daß, weil man des vielen Gesindes die
Zeit über nicht bedürfftig gewesen, ihre Kinder mit diesem Anmuthen eine
Zeitlang verschonet worden, keine rechtmäßige Praescription und
Gewohnheit auch
deswegen wieder sie verhanden; dennoch aber und dafern sich ihre Kinder sonsten
zu
Knechten und
Mägden in den Dörffern vermiethen wollen, und deswegen keinem
gewissen Herrn ihre Dienste albereit versprochen, ihr auch ferner ihnen eben
dasjenige Lohn, so sie bey andern erlangen können, zu geben, sie nicht
schärffer, als bey andern gewöhnlich, zu halten, und mit ebenmässiger Kost zu
versehen gemeinet, also, daß sie keine beständige Ursach ihrer Verweigerung
vorbringen können, so seynd sie, ihres Vorwendens ohngeachtet, vor andern bey
euch sich, vor Knechte und Mägde auf ein Jahr lang zu vermiethen, und Dienste zu
leisten schuldig, darzu sie in Verweigerung durch Gefängnis billig angehalten
werden, V.R.W.“ |
|
|
Gleicher
Gestalt
hat auch die Juristen-Facultät zu Jena im Monat May 1630 auf Befragen Hanß
Georgens von Hochberg zu Uhlfeld, geantwortet: |
|
|
„Habet ihr in der verschiedenen Erndte Zeit zwantzig Schock
Getreydig, so auf eurem Bauern-Gut zu Bartzschefeld erwachsen, gern in die
Scheune schaffen wollen, weiln damahlen böses Regen-Wetter zu besorgen gewesen,
und deswegen eure Pferd-Bauern gütlich ansprechen lassen, euch ums Lohn dieselbe
einzuführen, neben Anzeigung dieser Ursache, damit es durch das Regen-Wetter
nicht verderbet, noch zu Schanden werden möchte; darauf gemeldte Anspanner, eure
Unterthanen, geantwortet, sie wären nicht bedacht, dasselbe zu thun, der fünffte
Wagen gienge denn auch mit. |
|
|
Derowegen ihr sie noch einsten gebethen, weil es zu derselben Zeit mit dem
fünfften Wagen unmöglich wäre, sie sollten doch mit den vier Wagen das Getreydig
ums Lohn einführen, und euch, als ihrem Gerichts- und
Erb-Herrn, diesen
geneigten
Willen erzeigen, weil sie andern Leuten um das Lohn arbeiteten, und
dasselbe ohne solche Hülffe wegen Regen-Wetters leichtlich verderben möchte, sie
aber bey ihrer Verweigerung geblieben, dahero euch die angezogene zwantzig
Schock Getreydig, durch das eingefallene Regen-Wetter fast gantz zu Schanden
worden, welchen Schaden dieselben auch muthwillig zugefüget, und wohl verhüten
können; so wird euch von ihnen, gestalten Sachen nach, angezogener erlittener
Schaden billig ersetzet und |
|
|
{Sp. 2264} |
|
|
erstattet. V.R.W." |
|
|
Nicht weniger haben auch die
Churfürstlich-Sächsischen Schöppen zu Leipzig
in
Sachen
Christophs Nißmitz zu Rebra im Monat November 1593 also gesprochen: |
|
|
„Da nun euere Unterthanen, so andern Leuten um den Tage-Lohn
zu arbeiten pflegen, mit ihrer eigenen Arbeit nichts zu thun, noch sich andern allbereit
verdinget und versprochen hätten, auch ihr und ein Fremder solche Hand-Arbeit,
davon sie gleichen Lohn haben und verdienen könnten, ihnen zu einer Zeit
andeuten würdet etc. So wären sie euch vor Fremden um solchen Lohn zu arbeiten
schuldig. V.R.W.“ |
|
Lohndienste für Pfarrer |
Und eben dieses ist aus gleicher Ehrerbietung auch bis auf die Dorff-Pfarrer
extendiret worden, daß nehmlich die Eingepfarrten ihre Dienste zum
Acker-Bau
andern nicht versprechen können, bevor nicht die
Äcker, so zu der Pfarre
gehören, von ihnen bestellet worden, wovon weitläufftig Carpzov
in Jurispr. … handelt; wie auch in der Churfürstl. Sächßl.
Kirchen-Ordnung hiervon insonderheit Versehung gethan worden, art.
General. 27 §. |
|
|
„Dahero wegen und daß die Pfarrer die Äcker, so ihnen zum
Unterhalt verordnet, samt ihrem Hauß-Gesinde geniessen, und ihres Studirens und
Amts desto fleißiger abwarten können, ist unser ernster Will und Meynung, daß
die Bauren fremde Äcker um
Geld zu beschicken, nicht annehmen, es seynd denn
zuvorn des Pfarrers und Schreibers Äcker, da sie nicht selbsten anzuspannen
haben, samt ihren Nachbaren desselben Dorffs Äcker um ein gebührlich und
gleichmäßig Lohn beschickt etc.“ |
|
|
Wie auch im Synodal-Decrete von 1624. Insonderheit aber in den
Worten:
„Sollen hinführo schuldig seyn auf Begehren des Pfarrers, wie auch des
Custodis, die Äcker um einen
billigen Lohn vor andern zu beschicken.“ |
Richter Dec. … |
|
Also hat auch das
Churfürstlich Sächsische Ober-Consistorium dem
Superintendenten und dem Schösser zu Meissen den 21. September 1625 geantwortet: |
|
|
„Wir haben euren eingeschickten Bericht, betreffende die
Irrungen, so zwischen den Pfarrer zu Lommatzsch und seinen Eingepfarrten wegen
Beschickung der Felder sich enthalten, verlesen hören. Wann denn nicht allein
die alten Generalen ausdrücklich besagen, daß die Eingepfarreten fremde Äcker ums Geld zu
beschicken, eher nicht annehmen sollen, es seyn denn zuvor des Pfarrers und
Schreibers Äcker, um einen gebührlichen und gleichmäßigen Lohn, Zechweise
beschickt, sondern auch die neuen sich darauf referiren, und darinne verordnet,
daß, wenn die Eingepfarreten sich deswegen verweigern, auf erfolgten Bericht,
aus dem Consistorio Anordnung geschehen sollte, und hieneben eine grosse
Wiederspenstigkeit, daß die eingepfarreten Dorfschafften dem Pfarrer auch um das
Lohn, so sie sonsten von den Bürgern nehmen, seine Äcker nicht zu bestellen
sich verlauten lassen; |
|
|
als ist hierauf an statt höchst gedachtes Unsers gnädigsten Herrn, unser
Begehren, ihr wollet demselben solche ihre Wiedersetzlichkeit mit Ernst
verweisen, und dem Pfarrer seine Äcker Zechweise vor andern um ein billiges
Lohn, welches ihr disfals ermessen werdet, zubestellen auferlegen, auch in
beharrlicher |
|
|
{Sp. 2265|S. 1148} |
|
|
Verweigerung, ihr der Schösser, sie duch gebührliche Zwangs-Mittel darzu
anhalten. etc." |
Besiehe Franckenbergs Prax. ... |
Gebot und Verbot |
Hiernächst ist unstreitig auch dieses sowohl eines der höchsten Vorrechte
derer
Herrschafften
und Obrigkeiten, daß sie die
Macht und
Gewalt haben, ihren
Unterthanen
Rechte und
Gesetze vorzuschreiben, und die
Übertreter derselben mit
Nachdruck zu
bestraffen, als auch derer Unterthanen unverbrüchlichste
Pflicht u.
Schuldigkeit ihrer Obrigkeit
Geboten u. Verboten treulichst und gebührend
nachzuleben, wenn ihnen solche nur gehörig
publiciret und bekannt gemachet
worden, wie davon unter dem
Artickel:
Lex,
im XVII
Bande, p. 999 u.ff. bereits mit mehrerm gehandelt
worden. |
|
Kenntnis der Gesetze |
Gegenwärtig aber wird nicht undienlich seyn, die gar öffters vorkommende
Frage zu berühren: Ob nehmlich ein Unterthan auch nach einem
Gesetze zu richten,
das ihm nicht bekannt geworden? denn wie der Glaube aus der Predigt kommt; also
erfordert auch der
Gehorsam einen bekannt gemachten
Befehl. Von einem gewissen
tyrannischen Kayser wird erzehlet, daß er die Gesetz-Tafeln so hoch aushängen
lassen, daß man sie kaum mit dem Gesichte erreichen mögen, damit nur fein viele
gegen dieselben handeln und seine Strafcasse vermehret werden möchte. Und
Wilhelmus Conquestor soll in Engelland aus gleichen Absehen seine Gesetze
in seiner
Sprache habe abfassen lassen, welche die Britten nicht verstanden. |
|
|
Es ist also ein Gerechtigkeit
liebender
Fürst
billig bemühet, daß seine
Gesetze den Unterthanen zeitig zu Ohren oder Gesichte kommen möchten: Der weise
Justinian hat zu solchem Ende in der
Novella 66 versehen, daß |
|
|
1) |
seine neue Satzungen zeitig in alle
Provintzien seines Reiches versendet
werden möchten; |
|
|
|
2) |
wenn solches geschehen, hatten die Unterthanen deswegen noch 2 Monate
Zeit, ihre Handlungen nach dem
Gesetze einzurichten, damit sich um soviel
weniger jemand mit der Unwissenheit oder Übereilung entschuldigen könnte;
|
|
|
|
3) |
wurden die letzteren Satzungen in die Mutter-Sprache, so die
Griechische
war, abgefasset, daß es keines Nachfragens oder Dolmetschens bedurffte; |
|
|
|
4) |
wurden von dem Kayser die Satzungen höchsteigenhändig unterschrieben, (Sacra
subnotatione nostra) um allen Zweiffel, wo die Satzungen herkämen, zu
benehmen. Const. ad
Mennam de Cod. … |
|
|
|
5) |
wurden solche an Feyertagen öffentlich in der Kirchen verlesen und dem
Volcke zu Ohren gebracht. |
|
- Const. ead. …
- Spanhem in Orb. …
|
Bekanntmachung früher |
Welches letztern zwar sich die eigensinnige
Geistlichkeit unter dem Vorwande
geweigert, daß zu solcher
Zeit die Zuhörer in ihren
Gedancken aus der Predigt
nicht gestöhret werden möchten, worinnen sie aber endlich doch, wie viele
Magistrate in denen
Reichs-Städten, nachgegeben, da nehmlich die Bekanntmachung
und Verlesung der neuen Satzungen des Sonnabends durch den Stadtschreiber aus
dem Rathhaus-Fenster, auf dem Marckte geschiehet. Da denn die Stadt-Knechte
bestellet sind, das Marckt-Volck zur Anhörung dessen, was verlesen wird,
einzutreiben. |
|
und heute |
Heutigen Zeiten nach aber ist solches alles viel leichter und ordentlicher.
Denn |
|
|
1) |
haben wir die Druckereyen, da die neuen Satzungen, mit geringen
Unkosten, so viele tausendmahl abgedrucket werden können; da |
|
|
|
{Sp. 2266} |
|
|
|
hingegen die eigenhandigen Abschrifften unzählige Mühe und Kosten
verursachet. Dahero man sich
billig wundern muß, wie es möglich gewesen, daß
ehedem wenigstens jeder
Richter und Advocat, wo auch nicht jeder
Lehrer und
Student sich das gewaltige Corpus Juris in einer Handschrifft, die
wohl hundert und mehr Reichs-Thaler kosten müssen, absonderlich mit den
grossen Glossen, anschaffen können. Nachgehends und |
|
|
|
2) |
gehen jetzo die Posten ordentlich hin und her, wovon man vor 200 Jahren
gleichfals nichts gewust hat, sondern sich, an statt dessen, eigener Bothen
oder Couriers bedienen müssen. |
|
|
|
3) |
Haben jetzo alle Unterthanen ihre gewisse Eintheilung, wo sie
eingepfarret sind; da denn das in der Pfarre abgelesene leichtlich allen
Eingepfarrten bekannt werden muß. |
|
|
|
4) |
Stehen diesen
Befehlen auch an theils
Orten, wie z.E. in Halle, die
wöchentlichen Anzeigen zu Dienste, die gleichfals allen Innungen und Pfarren
zu Händen und Gesichte kommen. |
|
|
|
5) |
Ist es ein herrliches
Werck, daß jeder
Richter die Satzungen in einem
Buche zusammen halten solle, wohin jeder Unterthan seine Zuflucht nehmen
mag, |
|
|
|
6) |
hat man auch, soviel besonders die
Königlich-Preußischen und
Chur-Brandenburgischen
Lande und Unterthanen betrifft, das nützliche
Vorhaben des
Herrn Geheim-Raths Mylii zu erwarten: Welches alle
Edicte
vollständig zusammen gedrucket, dem Lande zum besten, in einem
Bande in sich
verfassen soll; worinnen dieselben schon so viele andere Länder, als
Österreich, Chur-Sachsen,
Böhmen, Schlesien u.a. absonderlich auch die
Ausländer, als die Holländer, Engelländer, Dänen, Pohlen, u.a. zu Vorgängern
gehabt haben. |
|
|
|
Inzwischen heisset es bey solcher mühsamen Bekanntmachung der
Gesetze:
Qui Jus ignorat, pro sciente habetur, das ist, wer gleich das
Recht oder
die Gesetze nicht weiß, wird dennoch vor einen Wissenden gehalten, und mag er
sich deshalber mit seiner vorgeschützten Unwissenheit nicht entschuldigen, |
L. 9
C.
ad L. Falc. |
|
indem auch einem Unwissenden allezeit Advocaten zur Hand seyn, bey denen er
sich Rathes, was
Rechtens, erholen mögen. |
L. 2 § 43
ff. de O.I. |
|
Welches jedoch auch seine Abfälle hat, als |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
wovon besonders in tit. ff. de juris et facti ignorantia und besser
unten bey dem
Artickel: Unwissenheit, ein mehrers nachgelesen werden kan. |
|
|
In welchem letztern Falle man auch absonderlich heut zu Tage desto
mildreicher seyn solle, weil das Corpus Juris
Lateinisch
redet, und, wie
ehemahls
GOttes Wort, den Ungelehrten verschlossen ist. |
Ludwigs Gel. Anz. von 1730 Num. 43
... |
|
Es ist aber auch die
Gewohnheit, die ausgefertigten
Fürstlichen
Befehle,
sowohl in Polizey- als
Justitz-Sachen, mit Beyfügung des Fürstlichen
Nahmens,
auf dessen Befehl, und des
Ortes, wo solche abgefasset und ausgestellet worden,
zu unterschreiben, so alt und löblich, daß nicht allein vorbemeldeter Justinian
sondern auch alle nachfolgende
Kayser und andere Fürsten, sich es nicht zu
beschwerlich seyn lassen, fast aller
Orten, wohin sie sich von
Zeit zu Zeit
verfüget, ihre Cantzeleyen mit sich herum zu führen. Daher denn |
|
|
{Sp. 2267|S. 1149} |
|
|
auch besonders in dem
Justinianischen Codice so viele und mancherley
Unterzeichnungen der Örter bey denen daselbst befindlichen
Kayserlichen
Befehle
und
Rescripte, allwo dieselben ausgefertiget worden, vorkommen, als z.E.
Syrmii, Nicomediae, Pantichi, Mediolani, Sardicae, Thessalonicae, u.s.w. |
|
|
Dergleichen auch hernachmahls von denen Deutschen
Kaysern mit gleicher
Freyheit beybehalten und beobachtet worden, wie unter andern, Carls des Grossen,
derer Otten, u.a. nicht zu gedencken, besonders von Friedrichen den I.
Radevicus Lib. … mit mehrerm erzehlet. |
Wehner in Obs. Pract. v. Justici-Wesen.
|
|
Wie aber insgemein die
hohen Landes-Obrigkeiten an ihre Unterthanen, in
denen an sie erlassenen
Befehlen, und sonst zu
schreiben pflegen, davon ist zu
sehen unter dem
Artickel: Unserm lieben Getreuen. |
|
Unterschriften |
Und obgleich sonst, zumahl heutiges Tages viele grosse
Herren, welche nicht
gerne an die mühsame eigenhändige Unterschrifften ihrer
Befehle kommen, solche
absonderlich in Justitz-Sachen, ihren darzu verordneten Räthen, unter der
gewöhnlichen Formel: Aus Fürstlichen
Gnädigstem Special-Befehl,
überlassen, welche nebst dem
Fürstlichen Siegel wohl einem jeden
Richter genug
seyn muß, darauf zu
erkennen, ohne in der Cantzeley-Weise seinem eigenen Dünckel
zu folgen; so hat doch der ehemahlige
Cantzler
von Ludwig in
Halle in der Vorschrifft von der neuen Öconomie-Profeßion und neueingerichteten
Königlich-Preußischen Policey §. 39 mit mehrerm gehandelt, wie unermüdet weyland
Sr. Königl.
Majestät in Preussen,
Herr Friedrich Wilhelm Glorwürdigsten
Andenckens in Dero höchsteigenhändigen Unterschrifften sich bezeiget,
ohngeachtet die
Regierung Dero vielen und gantz verschiedenen
Provintzien und
Staaten solche fast unzählig gemachet. |
|
Preußen |
Wie denn auch erstbemeldeter Ludwig in den Gel. Anz. von
1730 Num. 43 … ein besonders
Edict beybringet, wie es von dato an mit
Publicirung
derer Königlichen Befehle in denen Königlich Preussischen und
Chur-Fürstlichen Brandenburgischen
Landen gehalten werden solle, welches wohl
verdienet, allhier eingerücket zu werden, und von
Wort
zu Wort also abgefasset ist: |
|
|
„Demnach Sr. Königl. Majest. in Preussen etc. Unser
allergnädigster Herr, mißfällig vernommen, daß Dero im Lande publicirten Edicten
nicht überall nachgelebet werde, und man wahrgenommen, daß solches grossen
Theils daher rühre, weil sie zu jedermanns Wissenschafft nicht gelanget; so soll
hinführo mit
Publication derselben es folgender
Gestalt gehalten werden: |
|
|
Sobald Sr. Königl. Majestät allergnädigst resolviret, Dero gefasten
Schluß-Willen und Befehl in Geist- oder
weltlichen Sachen, dem gantzen Lande
bekannt zu machen, und durch ein gedrucktes Edictum zu publiciren; so soll
dasjenige Collegium, darin das Edictum abgefasset, oder wem die Ausfertigung
desselben committiret worden, zuförderst dafür sorgen, daß die Exemplaria in
zureichender und mehrern Zahl, als bishero geschehen, gedrucket werden. Zu
welchem Ende |
|
|
1) |
[1] zum Voraus ein vor allemahl Erkundigung
einzuziehen, wie viel Exemplaria in Städten, und wie viel auf |
|
[1] |
HIS-Data: erste Nummer fehlt in der Vorlage |
|
|
{Sp. 2268} |
|
|
|
dem Lande zu distribuiren. |
|
|
|
2) |
Ist auch bey jedem Collegio in der Residentz ein
Buch zu halten in
welches einzuschreiben, so offt ein Edict bey dem Collegio emaniret; mit
Benennung dessen Inhalts, und wie viel Exemplaria davon gedruckt worden,
auch wie dasselbe zur Publication gekommen. |
|
|
|
3) |
Hat ein jeder Land-Rath, an welchen ein Edict gesand wird, genau zu
überschlagen und zu berichten, wie viel Edicta er in allem haben müste, um
dieselbe jeden
Orts im Creyse bekannt zu machen. Massen nicht allein an
denen Orten, wo die Adel. Gerichts-Obrigkeit wohnet, sondern auch nach
Beschaffenheit der
Sachen andern
Dörffern, wo nur Schultzen und
Einwohner
vorhanden, die Edicta zu
insinuiren seyn. Wann nun der Bote in einem Dorffe
angekommen, so insinuiret er der Obrigkeit daselbst zwey Exemplaria jedes
Edicti, davon das eine so fort muß angeschlagen; das andere Exemplar aber
vom Küster, oder einem andern, der lesen kan, nächsten Sonntag vor der
Cantzel nach dem GOttesdienst, deutlich abgelesen werden. Sollte aber einem
Edicto wichtiger Ursachen halber expresse einverleibet seyn, daß der
Prediger es selbst von der Cantzel ablesen solle; so ist er schuldig, ohne
fernere Nachfrage, deme nachzuleben. Die Unterthanen aber sind ein vor
allemahl zu bedeuten, daß wann Edicta abgelesen werden sollen, sie zu
Anhörung derselben sich fleißig einstellen, und bey Vermeydung
willkührlicher Straffe eher nicht, als bis die Verlesung geschehen, aus der
Kirche gehen sollen. |
|
|
|
4) |
Muß endlich die Obrigkeit Befehls halber, oder der Schultze im Dorffe,
dieses abgelesene Edict wohl verwahren, und alle bey einander in ein
Buch
hefften lassen. Und damit es soviel besser geschehen könne; so sollen Edicta
hinführo nicht mehr als ein Patent, sondern der Bogen auf beyden Seiten
gedrucket werden. Dieses Edicten-Buch muß hernach entweder in der Kirche
oder im Gericht wohl aufgehoben werden und sollen 10 Rthlr. Straffe darauf
stehen, wann bey etwa anzustellender Nachfrage sich finden sollte, daß ein
oder ander Edictum fehlete, so doch
insinuiret worden. Signatum
Berlin, den 24 Augusti 1717. |
|
|
|
|
Friedrich Wilhelm
L.O.E. v. Plotho |
|
|
|
|
|