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Wille des
Menschen,
Lat. Voluntas
hominis, Voluntas humana, wir wollen hier
eine dogmatische und
historische Abhandlung anstellen, und bey jener die
Sache
erklären, bey dieser aber die
vornehmsten
Meynungen der
Philosophen hiervon
erzehlen.¶ |
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I. Dogmatische Abhandlung. ¶ |
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1) Allgemeine Betrachtung. ¶ |
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Bey der Dogmatischen Betrachtung haben wir erstlich zu sehen: Was
der menschliche Wille sey? Es wird das
Wort Wille auf
verschiedene Art gebraucht, indem solches entweder vor das
Vermögen der
Seelen,
etwas zuwollen oder vor einen Habitum, wenn man eine beständige Neigung zu etwas
hat, oder auch vor eine
Würckung genommen wird. Weil die Würckungen und Habitus
die Fähigkeit und das Vermögen voraussetzen, so bleiben wir bey der ersten
Bedeutung, und halten den menschlichen Willen vor diejenige
Krafft der Seelen,
da sie gegen eine
Sache, an der man was Gutes befindet, einen Neigung, und vor
derjenigen, an der man was
Böses wahrnimmt, einen Abscheu haben, aber auch in
dem erlangten Guten acqviesciren, und desselben geniessen kan. Oder will man die
Sache kürtzer geben, so kan man
sagen, der Wille ist dasjenige Vermögen der
Seelen, da sie das Gute
liebt, und das
Böse hasset.¶ |
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Der Wille hat, wie aus der gegebenen Beschreibung zu ersehen ist, eigentlich
zwey Fähigkeiten, eine thätige und eine leidende. |
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Die thätige Fähigkeit bestehet in einem Verlangen, und Triebe zu demjenigen
Objecte, das der
Verstand für Gut
erkennet; Damit zugleich in dem Gegentheil die
Fliehung desjenigen Objectes
verknüpffet ist, welches der Verstand für
Böse
erkläret. |
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Die leidende Fähigkeit aber ist ein
Vermögen, das dargereichte Gute
anzunehmen, und sich in demselben zu beruhigen, welches nicht ohne Vergnügen
geschiehet; Das hingegen in eine Unruhe und Traurigkeit, durch den
Verlust
solches Gutes verwandelt werden kan. |
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Indem wir |
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{Sp. 60} |
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den Willen eine
Krafft der
Seelen nennen, so gehen wir von denjenigen ab,
welche
sagen, die Seele bestünde aus
Verstand und Willen, als zwey
unterschiedenen
Substantzen, auch selbige nach dem unterschiedlichen Sitz eines
jedweden unterscheiden, und dem Verstande in dem Haupte, dem Willen aber in dem
Hertzen, eine Wohnung einräumen. Denn, wie man sich auf solche Weise einen gantz
andern Concept von einem
Geiste und von der Seelen machen und sich einbilden
müste, daß ein geistliches Wesen einen Verstand ohne Willen, und einen Willen
ohne Verstand haben könnte; Also finden wir in den
Würckungen der
Seelen, wenn
sie gedenckt, oder
Begierden hat, noch keinen
Grund, warum man Verstand und
Willen als zwey von einander unterschiedene Substantzen ansehen solte. |
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Es ist eine
Seele, sie thut aber nach dem Unterschied der ihr vorkommenden
Dinge unterschiedene
Würckungen, folglich hat sie unterschiedene
Kräffte, denen
man
billig unterschiedene Benennungen beyleget. Wir finden dieses auch an den
natürlichen
Cörpern, als an der Sonne, welche nach dem Unterscheid der
Sachen
bald ihre Krafft etwas zu erhärten; bald etwas zu erweichen äussert, wiewohl
sich solche Gleichnisse in Ansehung der geistlichen
Substantzen nicht wohl
brauchen lassen. |
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Es ist wohl wahr, daß etliche
Bewegungen des Willens am meisten im Hertzen
empfunden werden; Es folgt aber noch nicht daraus, daß man ihm deswegen im
Hertzen eine eigene Stelle anweisen müsse. Zwar bedeutet in
heiliger Schrifft
das
Wort Hertz öffters den Willen, es haben aber die Theologen wol erinnert, es
geschehe dieses deswegen, weil ein
Mensch die Bewegungen des Willens im Hertzen
hauptsächlich
empfindet, man könne aber daraus noch nicht folgern, daß der Sitz
des Willens im Hertzen sey, indem auch die andern
Kräffte der
Seelen, entweder
allzusammen, oder jede absonderlich den
Nahmen des Hertzens führten. |
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Dasjenige, womit der Wille beschäfftiget ist, das ihn bewegt und rührt,
damit diese Krafft der Seelen in die würckliche
That ausbrechen kan, ist
entweder was gutes oder
böses: Jenes begehrt er, vor diesem flieht er. Die
Ursach, warum
GOtt die
menschliche Seele mit einem Willen versehen, ist, weil er
den Menschen zur willkührlichen Glückseligkeit in dem Genuß eines Guts und der
damit verknüpften
angenehmen
Empfindung bestehet, so muste eine Krafft vorhanden
seyn, dadurch man das Gute verlangen, und das
Böse fliehen konnte.¶ |
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2) Besondere Abhandlung.
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(a) Des natürlichen Willens.
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Doch wir müssen vors andere die
Natur des
menschlichen Willen ins besondere
nach denen unterschiedenen Stücken betrachten, und einen dreyfachen
Stand
desselbigen, als den natürlichen, den verderbten und verbesserten Stand in
Erwegung ziehen. Was anlangt: den natürlichen Stand, so begreift derselbige
alles dasjenige, was zu der Natur und
Wesen des Willens erfordert, folglich auch
bey einem jeden Willen angetroffen wird. Dieses kommt auf drey Stücke an: |
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{Sp. 61|S. 44} |
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Das Objectum ist allezeit entweder was gutes, oder was
böses, davon jenes
der Wille verlangt, dieses hingegen fliehet. Man muß aber hier die
Sache nicht
nach ihrer natürlichen Vortrefflichkeit ansehen, sondern sofern jemand etwas
daran findet, so er vor gut oder
böse hält, und daher eine Verwandtschafft mit
seinem Glücke oder Unglücke hat, oder zu haben scheinet. Es ist auch gleich
viel, ob das Gute ein
wahrhafftiges, oder nur ein Schein-Gut ist, gnug daß der
Wille gerühret wird; so bald man eine Sache vor was gutes ansieht, es mag die
Erkenntniß gegründet, oder irrig seyn. |
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Aus diesem können wir eine vierfache Moralische
Erfahrung erklären. Denn
einmahl weiß man, daß die
Menschen solche
Dinge als was gutes
lieben, suchen und
darnach streben, die in der That was
böses sind, und mehr ihr Unglück, als Glück
befördern, z.E. wenn ein Wollüstiger eine ihm ungesunde Speise mit gröstem
Appetit isset, welche ihm doch eine Kranckheit verursachet; indem sie aber
solche ihnen schädliche Dinge verlangen, so
erkennen sie dasjenige, was an ihnen
böse ist, nicht, und halten sie vielmehr vor was gutes, indem sie solche blos
nach der Sinnlichkeit betrachten. |
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So ist auch bekannt, wie unbeständig die Menschen in ihren Neigungen und
Begierden sind. Das, was sie zu einer Zeit
geliebet, achten sie zu einer anderen
nicht mehr, oder hassen sie wohl gar, welche
Veränderung nicht von dem Objecto,
das an sich unveränderlich bleibt; sondern vielmehr von der Vorstellung, die man
sich von demselbigen machet, herkommt. Denn im Anfange kan man sich an
demselbigen fälschlich was gutes haben eingebildet, das man nachgehends bey
reiffer Überlegung anders befunden und gesehen, es sey mehr
schädlich als
nützlich, wie man z.E. in der Jugend an manchen
Dingen eine grosse Lust und
Vergnügen hat, die man, wenn man zum mehrern
Verstand kommt, gäntzlich hasset. |
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Noch weiter befinden wir bey der
Erfahrung, daß offt bey einerley
Sache die
Neigungen der
Menschen gantz unterschieden sind, daß was dem einen Lust
erwecket, das achtet der andere nicht, und machte ihm wohl Unlust, folglich muß
es der eine vor was gutes, der andere hingegen vor was
böses halten. Ja die
Erfahrung lehret, daß man sich durch leere
Einbildungen
Begierden erwecken kan,
welches nicht nur offt in den Träumen geschiehet; sondern auch wenn ein Mensch
wachet, und indem er seinen
Phantasien nachhängt, sich bald eine vergebene
Hoffnung, bald eine Freude,
Furcht u.s.w. erreget, welches alles solche Umstände
sind, die sattsam bekräfftigen, man müsse das Gute und
Böse bey dem menschlichen
Willen nicht nach seiner
Natur, sondern nach der Einbildung und Vorstellung der
Menschen betrachten. |
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Es ist ohnmöglich, daß der Wille das
Böse, in so fern es böse ist, begehren,
und vor dem Guten, in so fern es gut ist, einen Abscheu haben solte. Und wenn
auch ein Mensch das Böse ergreifft, so thut er dieses entweder aus Irrthum, daß
ers fälschlich vor was gutes hält, oder er will dadurch ein grösseres Übel
wegräumen, und in so weit sieht ers vor gut an, so ferne er |
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{Sp. 62} |
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solches zu einem Mittel brauchen will, dem grössern Übel zu entgehen, z.E.
Alle Menschen halten den
Tod vor was
böses, und gleichwohl finden sich Leute,
die sich selbst um das
Leben bringen; weil nun der Tod was böses, so dörffte man
daraus schliessen, der Wille verlange dergleichen. |
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Man antwortete aber
billig darauf: Ein
Mensch, der sich selbst ums
Leben
brächte, sey entweder bey keiner
Vernunfft mehr, und da könnte er freylich nicht
unterscheiden, was gut oder
böse sey, oder er habe noch seinen
Verstand, als
wenn ein Missethäter sich die Kehle abschneide, den man zu rädern willens
gewesen, und dieser ergreiffe den Selbst-Mord, als ein Mittel, den grösten
Schmertzen dadurch zu entgehen, und in so weit halte er ihn vor was gutes. Alle
Menschen gestehen, daß die Zerstimmelung der Glieder was
böses; wenn sich aber
einer den Fuß, daran er den kalten Brand hat, ablösen lässet, um sein Leben zu
erhalten, so begehrt er solche Ablösung in so weit als was gutes, daß sie zu
einem Mittel, einem grössern Übel, welches der
Tod ist, zu entgehen, dienen
soll.¶ |
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Die
Würckungen des Willens sind nach dem zweyfachen Objecte, dem guten und
bösen, zweyerley: Cupiditates und Aversationes. Denn wenn ihm was gutes
vorgestellet wird, so neigt er sich zu demselbigen, und will sich mit ihm
vereinigen, welches wir Begehren nennen; hat er aber was
Böses vor sich, so
flieht er davor, und zieht sich gleichsam zurücke, welches einen Abscheu tragen
heisset. Woraus zu schliessen, daß in demselben so wohl eine Thätlichkeit als
eine
Leidenschafft anzutreffen. |
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Die
Begierden sind überhaupt entweder cupiditates naturales oder
arbitrariae. Jene, die natürlichen Begierden, gründen
sich auf einen von
Natur eingepflantzten Trieb, die allen
Menschen gemein, und
deswegen von
GOtt eingepflantzet worden, daß sie desto eher ihrer Erhaltung
sollen angetrieben werden. |
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Einige hat der Mensch mit dem unvernünfftigen Vieh gemein, und die zielen |
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- entweder auf die Erhaltung sein selbst, deren drey sind, als
- der Appetit, oder das Verlangen zu essen und zu trincken,
- der Schlaf und
- der Abscheu in vor allem demjenigen, was der menschlichen
Natur
nachtheilig;
- oder sie gehen auf die Erhaltung des menschlichen
Geschlechts, wozu GOtt
auch einen zweyfachen Trieb in die Natur, geleget, als
- die Lust zum Beyschlaf,
- und die natürliche
Liebe der
Eltern gegen die
Kinder, oder der
Kinder gegen die Eltern.
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Einige von solchen
Begierden hat der Mensch vor sich gantz allein, als die
Begierde |
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welche
Materie Rüdiger in der Anweisung zu der
Zufriedenheit der menschlichen Seele weiter ausgeführet hat. Nach dem
Falle sind
diese
Begierden in Unordnung gerathen, daher selbige die Menschen nach der
Vernunfft einrichten und dirigiren müssen. |
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Die cupiditates arbitrariae, oder die willkührliche
Begierden rühren von den
Gedancken, und dependiren von der
Determination des
Verstandes, so fern eine
Sache was Gutes, oder was
Böses an
sich hat, welche wir da- |
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{Sp. 62|S. 45} |
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her in unserer
Gewalt haben, und nach dem Unterscheid der
Menschen gar sehr
unterschieden sind, z.E. Da sich jemand heute das schöne Wetter vorstellte, so
bekam er Lust, heute spatzieren zu gehen, und das war eine cupiditas
arbitraria, eine Begierde, die er sich durch seine Gedancken erreget; aber
auch zugleich in seiner Gewalt hatte, daß, wie er sich die Lust spatzieren zu
gehen erwecket hatte; also konnte er sich selbige durch eine andere Vorstellung,
z.E. daß der Wind so starck gienge, wieder vergehen lassen. |
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Anders verhält sich die
Sache mit den natürlichen
Begierden. Denn da ist
keine Determination des
Verstandes nöthig; sie sind nach dem Unterscheid der
Menschen nicht unterschieden, und denn hat man sie nicht in seiner
Gewalt, daß
wenn jemand bey dem Hunger Lust zu essen hat, so kan er sich solche durch keine
Gedancken vergehen lassen. |
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Die willkührlichen
Begierden theilen wir in cupiditates habituales
und transitorias. Jene sind, wenn man nach einer gewissen
Sache ein
beständiges Verlangen hat, wie die Neigungen des Ehrgeitzes, der Wollust und des
Geldgeitzes sind, die man auch propensiones zu nennen pflegt; die
transitoriae hingegen entstehen nur zu
gewissen Zeiten, und gehen bald
wieder vorbey, die wieder entweder blosse volitiones sind, wenn man von
ohngefehr zu etwas einen Lust bekommt, die eben so starck nicht ist; oder
adfectus, wenn das Verlangen sehr hefftig, welche
Materie von den Begierden
und
Affecten des menschlichen Willens schon oben in besondern
Artickeln
abgehandelt worden, die wir hier nur der
Ordnung wegen kürtzlich haben mitnehmen
müssen. |
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Auf solche Weise scheint die
Sache mit den
Würckungen des menschlichen
Willens ordentlich vorgetragen zu seyn, wobey wir von der gemeinen Lehre, die
wir nicht vor richtig befunden, abgegangen. Nach derselbigen betrachtet man |
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- erstlich die Fähigkeit des Willens, nebst den dahin gehörigen
Eigenschafften,
- und dann die
Würckungen desselbigen, welche man wieder in gedoppelten
Verstande nimmt:
- einmahl in weitläufftigen, so ferne sie alle Regungen des Willens in
sich fassen, folglich auch die Neigungen und
Affecten begreiffen;
- denn in engern, so ferne sie den Neigungen und Affecten
entgegengesetzt würden, und alle Verrichtungen des Willens bedeuteten.
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Diese Verrichtungen werden nun eingetheilet |
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- in actus elicitos, welche in den Willen entstünden, auch
darinnen zur vollkommenen Ausübung kämen,
- und in actus imperatos, die zwar auch im Willen entstünden, und
von ihm dirigirt würden, welche aber ordentlich der
Leib zur Ausübung
brächte,
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z.E. nähme ich mir vor spatzieren zu gehen, so sey der Vorsatz ein actus
elicitus, gieng ich aber würcklich spatzieren, so hiessen dieses ein
actus imperatus, der gleichsam von dem Willen dem Leibe anbefohlen worden. |
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Von jenen werden wieder sechs
Arten gemacht, |
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- deren drey auf den
Endzweck, oder auf das Gut so wir zu erlangen
suchten, giengen, als
- volitio, welches das Wohlgefallen, so man an dem
erkannten
Endzwecke habe;
- intentio, so das Bemühen nach demselbigen und
- fruitio, wenn man den
Endzweck erlangt, und in dem Genuß
des Guten stünde;
- drey aber auf die Mittel, so zur Erhaltung
{Sp. 64}
des
Endzwecks dienlich, als
- consensus, wenn man versichert sey, daß diese oder jene
Mittel, so zur Erlangung eines Endzwecks dienten;
- electio, wenn man die Besten auslese,
- und usus, wenn man selbige anwende und applicire.
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Diese Lehre halten wir in vielen Stücken vor ungegründet und
unordentlich.
Denn die gemeine Eintheilung der
Würckungen des Willens in actus elicitos
und imperatos kommt uns deswegen bedencklich vor, weil auch
diejenigen Würckungen, die man als elicitos angiebt, in gewissen
Stücken imperati sind, da die
Imagination dem
Gemüthe die Vorstellung
von dem Objecto thut, vermöge welcher Vorstellung das Gemüth entweder eine
Begierde, oder Eckel bekommen muß, welches eben die
Leidenschafft des Willens
ist; hernach werden bey dieser Eintheilung die Würckungen selbst des Willens und
dasjenige, so darauf folgt, und wozu sie Gelegenheit gegeben, mit einander
vermischet. Denn daß ich spatzieren gehe, solches kan ich eigentlich vor keine
Würckungen des Willens ansehen, obschon freylich der Wille vorher gegangen,
soferne ich mir vorgenommen, und den Schluß gefast hatte, spatzieren zu gehen. |
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Theilet man ferner die actus elicitos in sechs
Arten ab, als in |
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- volitionem,
- intentionem,
- fruitionem,
- electionem,
- consensum und
- usum,
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so werden hier die
Würckungen des
Verstandes und des
Willens untereinander
vermenget. Denn die electio ist ein
Werck des Judicii, daß wenn
vermittelst des Ingenii allerhand Mittel ausgesonnen worden, aus demselbigen
durch Hülffe des Judicii die besten heraus gelesen werden; wie nun das Judicium
beschaffen, nach dem geschicht auch die Wahl: consensus ist nur die
Determination von der Election, und usus gehört zu dem Ingenio und
Judicio zugleich, daß man das auserlesene Mittel applicire, da man denn
wahrnimmt, daß nach der Beschaffenheit des Ingenii und Judicii auch die
Application angestellet werde. |
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Die anderen drey, als |
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- volitio,
- intentio und
- fruitio
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halten eine Vermischung desjenigen, was so wohl bey der eigentlichen
Würckung des Willens vorher geht, als nachfolget, mit der Würckung selbst in
sich. Denn die volitio ist, wie man sie hier nimmt, eine
angenehme
Empfindung, und die daher entstehende Begünstigung; hierauf folgt die
intentio, so die eigentliche Würckung, oder das Verlangen des Willens ist,
worauf denn fruitio, oder der Genuß kommt.¶ |
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Es folgen noch die
Eigenschafften des menschlichen Willens,
deren wir sonderlich bey den willkührlichen
Begierden zwey antreffen. Einmahl
können wir in unsern Willen nicht etwas
wollen, oder nicht wollen, es sey denn
ein
Bewegungs-Grund vorhanden, daß nehmlich in dem
Verstande eine Vorstellung
vorhergegangen, wie sich an einer
Sache entweder was gutes, oder was
böses
befinde, welches eben den
Grund, oder die
Ursach in sich hält, warum sich der
Wille entweder zu etwas lencket, oder davon zurücke ziehet. |
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Diese
Regul ist sattsam in der
Erfahrung gegründet, und man wird keine
Exempel aufweisen können, daß man bey solchen willkührlichen
Bewegungen des
Willens etwas gewolt, oder nicht |
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{Sp. 65|S. 46} |
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gewolt, ohne eine
Ursache dazu zu haben. Zwar geschicht es öffters, daß man
Dinge will, oder nicht will, ohne daß man vorher eine Vorstellung hat, und durch
dieselbige den
Grund
erkennet; welches sich aber nur alsdenn zuträgt, wenn man
schon öfters etwas gewolt, oder nicht gewolt, da sich der Wille alsbald regt, so
bald nur einem die
Sache vorkommt oder einfällt, ohne daß der
Verstand vorher
determiniret hat, ob an der Sache was gutes, oder was
böses sey, z.E. wenn
jemand schon öfters Caffe getruncken und befunden hat, daß er ihm wohl schmecke,
und also daran was gutes angetroffen, so kriegt er eine
Begierde, davon zu
trincken, so bald ihm dieses Geträncke vor die Augen kommt, und er gedenckt
nicht vorher, ob das selbige was gutes, oder was
böses in sich hat. |
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Allein hier ist der
Bewegungs-Grund schon ausgemacht, und wird gleichsam
voraus gesetzet, daß weil der
Mensch einmahl die
Gedancken von dem Caffe hat, er
sey was gutes, so braucht er nicht allezeit, so oft ihm dergleichen
Sache
vorkommt, sich neue Vorstellungen zu machen. Setzt man hingegen einen Caffe vor,
der niemahls etwas davon gehört, noch denselbigen getruncken, so wird vorher,
ehe er den
Schluß faßt, davon zu trincken, eine Überlegung in dem Verstande
geschehen, und wenn man genaue Achtung giebt, wird man befinden, daß einen eine
Ursach zu solchem Schlusse bewogen hat. |
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Es liegt hier nicht dran, ob die
Bewegungs-Gründe gegründet, oder
ungegründet sind: jene sind judicieuse Vorstellungen, wenn man eine
Sache, wie
sie ihrer Natur nach beschaffen, als was gutes, oder als was
böses betrachtet;
Diese hingegen werden entweder blos nach der Sinnlichkeit, oder nach den
Affecten eingerichtet, z.E. wenn man ein Essen, welches an sich der Gesundheit
nicht zuträglich, deswegen vor gut hält, weil es einen
angenehmen Geschmack
erwecket; oder ein Ehrgeitziger hat eine
Begierde, sich an seinem Feinde zu
rächen, ob er sich schon dadurch in ein grösser Unglück stürtzet, da ihm denn
den Bewegungs-Grund, als könnte er auf solche Art seine
Ehre am besten retten,
der Ehrgeitz, oder ein aus demselbigen entstehendes falsches
Principium an die
Hand giebt. |
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Weiter finden wir bey den willkührlichen
Begierden diese
Eigenschaft, daß
der Mensch das
Vermögen hat, sich selbige zu erregen, und wieder vergehen zu
lassen. Wie sie durch eine Vorstellung erweckt werden, also müssen sie durch
eine Gegenvorstellung, die einen gegenseitigen
Bewegungs-Grund, der den ersten
überwieget, in sich hält, gedämpfet werden, z.E. Jetzo habe ich Lust ein
Buch zu
kauffen, welche Lust diesen Bewegungs-Grund hat, daß ich solches bey einem
Collegio, so ich ietzo höre, wol brauchen kan; ich lasse mir aber die Lust
vergehen, und kauffe selbiges nicht, welches auch seine
Ursachen hat, weil ich
gedacht, wie ich ietzo kein
Geld übrig hätte, und das Buch von einem guten
Freunde zu meinem Gebrauche auf eine Zeitlang könne geborgt bekommen. Dieser
Bewegungs-Grund, warum ich das Buch nicht kauffen soll, überwiegt denjenigen,
warum ichs kauffen soll, mithin da vorher in meinem Willen ein
Wollen gewesen,
so |
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{Sp. 66} |
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entsteht nunmehro ein Nichtwollen. Hierinnen beruhet eben die
menschliche
Freyheit, die wir eigentlich darinnen setzen müssen, daß der
Mensch das Vermögen
hat, sich eine
Sache bald auf diese, bald auf jene Art vorzustellen, und dadurch
den Willen bald dahin, bald dorthin zu lencken. |
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Das
Wollen und Nichtwollen ist an sich in dem Willen allezeit nothwendig.
Denn dieses ist die gemeine
Eigenschaft des menschlichen Willens bey allen
seinen
Begierden, daß er eine facultas necessaria, das ist, er muß das
Gute lieben und das
Böse hassen, und in so weit kan man ihm selbst keine
Freyheit beylegen, womit aber der Mensch seine Freyheit noch nicht
verliert,
indem es nur darauf ankommt, worinnen man dieselbige setzen soll, von welcher
Materie wir in einem besondern
Artickel:
Willens, (Freyheit des)
handeln wollen.¶ |
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b) Des verderbten Willens.
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So verhält sich der Wille nach seinem natürlichen
Stand. Nun müssen wir auch 2) dessen verderbten
Stand erwegen. Daß der
menschliche Wille verderbt sey, kan ein ieglicher durch die eigene
Empfindung
der bey ihm aufsteigenden
bösen Lüste und
Begierden fühlen, und aus denen
Folgerungen der Laster, die ihn unglücklich machen,
erkennen. Seine
Natur bringt
mit sich, daß er das Gute
liebt und das
Böse hasset. Man hat wahre und
Schein-Güter und Übel, unter denen eins grösser und wichtiger, als das andere
seyn kan. |
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Wenn nun die
Bewegungen des Willens so eingerichtet werden, daß er die
wahrhaftigen
Güter liebet, und die wahrhaftigen Übel hasset, und bey beyden eine
Proportion zwischen diesen Bewegungen und den Objectis, darauf sie gehen, in
Acht genommen wird, so
sagt man, der Wille befinde sich in einem
gesunden
Zustande, in welchem er sich, philosophisch davon zu
reden,
allezeit nach der Vorschrift der
gesunden Vernunft richten muß. |
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Aus diesen können wir leichte
erkennen, worauf dessen Verderbniß
oder Kranckheit ankomme, wenn nemlich seine
Bewegungen
unordentlich sind, sie kommen aber aus der
Ordnung, wenn sich der Wille zu dem
Bösen neiget und
liebt, was zu hassen, und von dem Guten zurück zieht, und
hasset, was zu lieben; ingleichen wenn man bey denenjenigen
Gütern, die man
lieben kan, und bey denenjenigen Übeln, welche zu hassen sind, keine Proportion
hält, und unter andern ein geringes Gut mehr liebet, als ein grössers. |
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Bey solchen unordentlichen
Bewegungen, welche das Verderbniß des
menschlichen Willens ausmachen, sieht der
Mensch vornemlich auf sich selbst,
daher die Moralisten nicht unrecht lehren, wenn sie
sagen, es bestehe die
Kranckheit des menschlichen Willens in der verderbten Eigenliebe, da der Mensch
sich selbst auf solche Art liebet, daß, da er sich glücklich machen will, er in
der That seinen
Zustand verschlimmert. |
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Dieses geschicht auf dreyerley Weise, als |
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- einmahl, wenn man diejenigen Mittel, durch deren Gebrauch man glücklich
werden soll, als den
Endzweck selber ansiehet, mithin die von
GOtt
ausersehene Glückseligkeit nicht erreichet, als wenn ein Geitziger aus
Eigenliebe nach grossem
Reichthum strebet, und gleichwol das
Geld, so nur
ein Mittel ist, nicht brauchet,
{Sp. 67|S. 47}
sondern solches nur als den Endzweck ansiehet,
- hernach wenn man aus Irrthum
schädliche
Dinge vor was gutes hält, als
wenn Wollüstige dencken, sie wolten ihrem
Leibe durch den Gebrauch hitziger
Geträncke was zu gute thun, da sie doch ihre Gesundheit damit verderben,
- und denn, wenn man die Dinge, die zu lieben sind, nicht in gehöriger
Ordnung liebt. Denn daß ein
Mensch sich selber liebt, ist an sich nicht
unrecht; liebt er sich aber mehr, als
GOtt und seinen Nächsten, so wird
durch diese Unordnung seiner Eigenliebe unvernünftig; oder daß man vor
seinen Leib sorget ist gantz gut, zieht man ihn aber der
Seelen vor, so wird
dadurch diese Eigenliebe auch mangelhaft, welche
Materie von der Eigenliebe
oben im VIII
Bande, p. 510 u.f. ausführlicher und
ordentlicher vorgestellet worden.
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Aus solcher Eigenliebe entstehen
unmittelbar die drey Haupt-böse Neigungen, |
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- der Ehrgeitz,
- Geldgeitz und
- die Wollust,
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die nichts anders als
Arten derselben sind, und nach dem Unterscheid der
Dinge, darauf sie gerichtet wird, modificiret werden, daß sie gleichsam bald
diese, bald jene
Gestalt annimmt. Denn fällt der
Mensch mit seiner Eigenliebe
auf Dinge, wodurch die
Sinnen ergötzet werden, so heißt sie die Wollust; erlangt
er dabey
Sachen so zur
Ehre gehören, so ist sie der Ehrgeitz, und wenn er sich
zu Geld und Gut dabey neiget, der Geldgeitz. Dieses können wir auch daher sehen,
daß ein jeglicher bey diesen Neigungen bemühet ist, sich ein Vergnügen zu
machen, welches aus der Eigenliebe herkommt. |
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Nach diesen drey Neigungen entstehen die unterschiedenen
Arten der
Menschen
in der Verderbniß ihres Willens, daß obwohl bey einem jeden Menschen alle drey
Neigungen anzutreffen, sie gleichwol auf verschiedene Weise in ihrer
Lebhaftigkeit unter einander vermischt sind, welches man das Naturell
des Willens zu nennen pfleget. Denn nachdem die menschliche
Natur durch
den
Fall so sehr verderbet worden, so werden alle Menschen mit einer
unvernünftigen Eigenliebe, und insonderheit mit einer verderblichen Neigung zur
Wollust,
Ehre und
Geld gebohren, dergestalt, daß solche Neigungen nunmehro
allgemein und erblich worden, wovon oben der
Artickel:
Naturell des
Willens, in dem XXIII
Bande, p. 1251 u.f. zu lesen
stehet. |
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Eine jede dieser Neigung hat gewisse Laster neben sich; Als wenn |
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- Wollüstige verschwenderisch, unmäßig, faul, leichtsinnig, schwatzhaftig,
veränderlich;
- Ehrgeitzige zornig, rachgierig;
- Geldgeitzige mißtrauisch, lieblos, neidisch, und so ferner,
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sind. |
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Hiernächst siehet man alle Tage, daß, wie der
Verstand, also auch der Wille
des Menschen, nach dem Unterschied der Jahre und des Alters, unterschieden zu
seyn pflege. Kleine
Kinder lieben insgemein den
Müßiggang, schlafen gern lange,
haben ein gut Gedächtniß, sind in ihren
Reden und
Thun unbedächtig, u.s.w. Junge
Leute sind offenhertzig, leichttrauisch, tollkühne, den Lüsten ergeben,
belustigen sich an
Sachen, so den äusserlichen
Sinnen schmeicheln, depensiren
gerne, u.s.w. die in männlichen Jahren fangen nunmehro an, ordentlich zu leben,
sich auf Verrichtungen zu appliciren, gute Haushalter zu seyn, und so ferner.
Wenn aber das hohe Alter eintritt, so werden die Leute karg,
verdrüßlich, achten
den Schlaf nicht, |
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{Sp. 68} |
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das Judicium beginnet abzunehmen, verachten die fleischlichen Lüste, und
dergleichen. |
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Nehmen wir nun dieses alles zusammen, und erwegen, wie in dem Willen die
unvernünfftige Eigenliebe sitzet, und aus derselbigen die drey
bösen Neigungen
aus diesen aber so viele Laster, und aus den Lastern so viele unvernünfftige
würckliche
Thaten entspringen, so können wir uns einen gar leichten Concept von
dem Verderbniß des Willens machen. Solches ist was allgemeines, von dessen
Ursprunge uns zwar die
heilige Schrift einen deutlichen
Unterricht ertheilet;
wenn aber ein
Philosophe mit seiner
Vernunft über die Lehre vom Ursprung des
Bösen kommt, so kan er wenig, oder nichts davon
erkennen, wie oben in dem
Artickel vom
Bösen im IV
Bande, p. 392 u.f.
ist gezeiget worden.¶ |
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Daß solches Verderben bey einem
Menschen grösser, als bey den andern, und in
der menschlichen Bosheit und Thorheit gewisse Stuffen angetroffen werden,
solches rühret von
besondern Ursachen her, nachdem iemand eine
Auferziehung,
Unterweisung und
Umgang mit andern Leuten gehabt, wodurch das natürliche Übel
kan vergrössert und verringert werden.¶ |
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(c) Des verbesserten Willens.
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Ist der Wille so sehr verderbt, so ist der
Mensch, wenn er überhaupt
verbunden, seinen
Zustand vollkommen zu machen, auch verpflichtet, sich um die
Verbesserung des Willens zu bemühen. Besonders haben
Eltern dahin zu sehen, wie
sie von Jugend auf den Willen ihrer
Kinder verbessern, und ihnen eine
Begierde
nach dem Guten, hingegen einen Abscheu für dem
Bösen, folglich eine Liebe zu der
Tugend, und einen Haß gegen die Laster, bey
Zeiten einpflantzen, auch alle
Begierde zu dem Bösen und allen
Widerwillen gegen das Gute, ausrotten mögen; |
Worzu
Wolff in dem gesellschafftlichen Leben der Menschen, p. 71 u.f. Anweisung
gegeben hat. |
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Betrachten wir nun 3) den verbesserten
Stand des Willens
etwas genauer, so haben wir dabey zwey Stücke zu erwegen. Einmahl, wohin solche
Verbesserung ziele, und denn: durch was vor Mittel selbige zu
Stande zu bringen?¶ |
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Die Absicht dieser Verbesserung kan zweyerley seyn, entweder daß man den
Willen dahin zu bringen suchet, daß er in dem äusserlichen
Thun und Lassen der
Vorschrift der
gesunden Vernunft folge; oder daß in demselbigen die
bösen Triebe
und Neigungen würcklich gedämpffet, und hingegen eine wahre Liebe gegen das Gute
und deren Grade gepflantzet werde. Das letztere kan durch natürliche Mittel
nicht bewerckstelliget werden, und wird dazu eine höhere
Kraft, so die
Natur
übersteigt, erfordert, daß also ein
Philosophe selbige nicht zum
Zweck seiner
Moral setzet, und sie vielmehr einen Theologen überlässet. Er suchet nur eine
solche Verbesserung des Willens, daß der
Mensch geneigt werde äusserlich einen
erbaren und
vernünftigen Wandel zu führen. |
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Es theilen sonst einige den
Stand des
Menschen in den viehischen,
menschlichen und christlichen ein, und haben einige
behaupten wollen, als wenn bereits Hyeronimus in dem
Buche
de viro perfecto von dieser Eintheilung |
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{Sp. 69|S. 48} |
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Meldung gethan, wie denn auch unter seinem
Nahmen T. IV.
oper. p.
32. in der Auflage, so zu
Franckfurt am Mayn 1684 heraus kommen, ein
Buch mit
solchem
Titel vorhanden; es ist aber ausgemacht, daß selbiges ihm fälschlich
zugeeignet wird. Dem sey wie ihm wolle, so kan man diese Eintheilung, wenn sie
recht erkläret wird, beybehalten, und hier so appliciren, daß man
sagt, die
Philosophische Verbesserung ziele dahin ab, daß sie einen Menschen aus dem
bestialischen
Stande in den menschlichen setze, und das geschicht, wenn man der
Vorschrifft der gesunden Vernunfft folgt, und eine solche
Herrschafft über die
böse Neigungen und
Affecten erlanget, daß sie äusserlich in grobe sündliche
Thaten nicht ausbrechen.¶ |
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Die Mittel, die hierzu können gebraucht werden, sind
zweyerley. Etliche sind insonderheit von ein und dem andern
Philosophen vor gut
befunden worden, wie die alten Philosophen der Gymnosophisten und Pythagoräer
ihre besondere Tugend-Übungen hatten, die dahin abgesehen, die Laster,
vornemlich die Wollust, den Geldgeitz und denen Ehrgeitz zu zähmen, und unter
den Fuß zu bringen. |
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Andere werden von der sich selbst gelassenen
Vernunfft
erkannt, und von
einem vernünfftigen
Philosophen vorgeschlagen. Diese theilen wir in
gemeine und besondere, davon jene zu diesem
Zwecke
dienen müssen, daß man dem Willen überhaupt eine Neigung zu einem
vernünfftigen
Leben, mithin den
Regeln der gesunden Vernunfft zu folgen, beybringe; jene aber
zielen insonderheit zur Verbesserung eines besondern Moralischen Fehlers,
Lasters und Affects ab.¶ |
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Die allgemeinen können wir wieder in zwey
Arten theilen. |
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Denn etliche sind schlechterdings nöthig, wodurch das
Werck der Verbesserung
selbst zu
Stande gebracht wird, welche darauf ankommen, daß man kräfftige
Vorstellungen des Guten und
Bösen erlange, mithin muß der Wille durch den
Verstand verbessert werden. Hiezu kan man nicht nur
Regeln, sondern auch wahre
und erdichtete Exempel brauchen, und an denselbigen die
Bewegungs-Gründe dem
Gemüthe vorstellen. |
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Äusserliche Zwangs-Mittel thun hier zur
Sache nichts. Denn wenn gleich der
Mensch aus
Furcht vor dieselbige das
Böse unterläst, und das Gute vollbringt, so
thut er dieses doch nur gezwungen, und der Wille selbst wird dadurch nicht
verbessert, der in dem wahrhafftig verbesserten
Stand
freywillig das Gute verlangen, und das Böse fliehen muß, |
welches weiter
Wolff in
den vernünftigen Gedancken von der Menschen Thun und Lassen ... ausgeführet. Siehe auch Desselben Nachricht von seinen
eigenen Schrifften ... |
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Andere Mittel der gemeinen Verbesserung erleichtern das
Werck. Denn es
wollen bisweilen die blossen Vorstellungen der
Vernunfft, wenn sie auch noch so
kräfftig sind, nicht hinreichen, den Willen zum Guten zu bringen, daher die
Moralisten diese
Regeln gegeben haben, man könne zu den Betrachtungen der
Vernunfft die Vorstellungen der
Affecten, die mit der Vernunfft in so weit auf
gleichen
Zweck zielten, nützlich hinzu fügen, um das
Gemüth wider denjenigen
Fehler, dem man widerstehe, desto stärcker einzunehmen. |
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Also sey es z. E. nicht unrecht, daß ein
Mensch, der |
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{Sp. 70} |
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unter seinen Vollkommenheiten den Fehler an sich habe, daß er ein Knicker
sey, und vermittelst blos
vernünftiger Betrachtung nicht fähig, solchem Fehler
abzuhelffen, ein und andere Reitzungen der Wollust, oder des Ehrgeitzes dabey zu
Hülffe nehme, so viel nemlich die
Vernunfft zu ihren
Zwecke vor nöthig befinde.
Es wären zwar solche Verrichtungen noch keine wahre Tugenden, weil sie nicht auf
die bloß reine Vorstellung der Vernunfft zu des Menschen wahrer Glückseligkeit
und zu anderer
Nutzen nach
GOttes Willen gegründet, sondern aus anderen eiteln
Affecten herkämen; allein es sey doch sonder Zweiffel weit leichter, ein solches
simulacrum virtutis, oder Schein-Tugend mit der Zeit in eine wahre
Tugend zu verwandeln, und durch Abthuung der annoch anklebenden Eitelkeit, ihr
die zu einer wahren Tugend erforderte Formalität der Vernunfft vollends zu
geben, als wenn man ein in lasterhaftem Geitz ersoffenes
Gemüth sofort
unmittelbar und auf einmahl auf eine Tugend richten wolte. |
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Dieses Mittel läst sich nicht nur bey eintzeln Fehlern, wie in dem
angeführten Exempel angegeben worden; sondern auch bey der gantzen Verderbniß
des
Gemüths brauchen, als wenn ein Wollüstiger seine ihm wegen der Wollust
anklebende Fehler durch Erregung des Ehrgeitzes zu verbessern suchet; ob man
aber damit so viel ausrichte, ist eine andere Frage. Denn Theologisch davon zu
reden, so treibt man hier einen Teuffel durch den andern Teuffel aus, daß wenn
man gleich unter anderen wollüstige Fehler durch Erregung des Ehrgeitzes
wegschaffet, so kommen doch an ihre Statt in dem Gemüthe die ehrgeitzigen
Fehler. Doch weil man hier nur auf das äusserliche sieht, und eine Neigung vor
der andern durch die äusserliche
Würckungen und
Thaten schlimmer und
schädlicher
ist, so kan man in so weit dergleichen Verbesserung einräumen. Denn es ist
endlich besser, wenn eine äusserliche grobe That, wie bey der Wollust Fressen
und Sauffen unterbleibt, man mag nun dieses aus Ehrgeitz, oder aus einer andern
Absicht thun, als wenn sie würcklich übernommen wird. |
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Ein solches Mittel ist auch dasjenige, daß man die anklebende Fehler nur
nach und nach abzulegen, sich bemühen müsse, so daß man auf einmahl nicht mehr,
als ein weniges davon wegthue, so viel man auf einmahl nach Proportion der
Macht, die man über sich hat, beständig zu unterlassen gedencket. Denn solche
anklebende Fehler sind allezeit Habitus; wie nun ein Habitus nicht anders als
nach und nach durch unterschiedene auf einander folgende Grade sich angewöhnen
lässet, deren jeder nur um eine Kleinigkeit höher ist, als der andere, also läst
sich auch kein Habitus anders, als nach und nach durch unterschiedene auf
einander folgende Stuffen abgewöhnen. |
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Man fängt von geringen an, und wenn man befindet, daß einem, hierinnen
seinen
Affect durch die
Vernunfft zu zwingen, leichter mit der Zeit wird, so
schreitet man nach und nach zu mehrern. Wie wenig man insgemein ausrichte, wenn
man diese
Regel hindan setzet, sieht man vielfältig an denen vergebenen
Bemühungen derjenigen, die z.E. den Müßiggang, die Schwelgerey u.d.g. sich
abzugewöhnen suchen, und dieses an sich selbst gute Vorhaben damit verderben,
daß sie von nun an den gantzen Tag der |
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{Sp. 71|S. 49} |
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Arbeit wiedmen, oder auf einmahl Muster der Mäßigkeit werden wollen, da man
denn wenige siehet, die viel über eine Woche ausgehalten. |
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Nicht weniger gehört zu solchen Erleichterungs-Mitteln, daß man die
Gelegenheit meide, wodurch die Neigung und
Affecten äusserlich ausbrechen
können. Denn
sagt man sonst im Sprichwort: Gelegenheit macht Diebe, so kan man
auch
sagen: Gelegenheit macht Trunckenbolde, Hurer, Müßiggänger u.s.f. welches
seine
natürliche Ursachen hat. Durch die Gelegenheit kommen einem allerhand
Objecta vor die äusserlichen
Sinnen, welche die
Empfindungen; die Empfindungen
die
Gedancken, und die Gedancken die
Begierden reitzen.¶ |
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Bey der besondern Verbesserung des Willens, welcher auf eintzelne und
besondere Fehler gerichtet, wenn man z.E. seine Neigung zum
Zorn, zur
Unmäßigkeit ablegen will, können auch die gemeinen Mittel, wie wir sie jetzo
vorgestellt, gebraucht; aber auch zugleich noch besondere, die aus der
Natur des
abzulegenden Fehlers fliessen, und besondere
Bewegungs-Gründe abgeben müssen,
genommen werden, welche sich hier nicht erklären lassen. Eine solche natürliche
oder
Philosophische Verbesserung ist von keinem sonderlichen Nachdruck. Denn
wenn man gleich den Neigungen und
Affecten dadurch den Weg verlegen kan, daß sie
äusserlich in grobe Schandthaten nicht ausbrechen, so kan man doch die
Kranckheiten des
Gemüths selbst nicht heilen, noch die Laster aus dem
Grunde
heben; Und daher müssen die Theologischen Mittel darzu genommen werden.¶ |
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Es wird aber diese Verbesserung des Willens in der Schwachheit dieses
Lebens, auch durch die Theologischen Mittel, zu keiner solchen Vollkommenheit
gebracht, als die Fanaticker sich fälschlich einbilden. So wird z.E. in der
Berlenburgischen Bibel, und zwar deren erstem Theile, von 1726,
bey 1 B. Mos. I, 28. gelehret: |
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"Wie Christo alle Macht im Himmel und auf
Erden gegeben, so habe auch der Mensch, welcher sein Ebenbild und lebendiger
Ausdruck sey, alle Macht auf Erden, und deswegen befinde er sich in der
Übergabe, Vereinigung und Verwandelung seines Willens, in den göttlichen, so
befestiget, daß er gar keinen eigenen Willen in sich mehr finden könne. Christus
würde uns nicht befohlen haben, im Vater Unser zu beten: Dein Wille
geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden; wenn es nicht möglich
wäre, diese Versenckung des Willens in GOttes Willen hier in dieser
Welt zu
erlangen, wie es die Seligen in dem Himmel besitzen."¶ |
Unschuld. Nachr. von 1727, p. 1170
u.f.
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