|  | Text | Quellenangaben | 
|  | Wissenschafften, ob dieselben ewig sind?
¶ |  | 
|  | Endlich beschliessen wir diesen 
				Artickel mit der 
				Frage: Ob die 
Wissenschafften ewig sind? Das
				Wort ewig nehmen wir hier in 
seiner 				
				völligen Weite. Es  
				bedeutet eine Zeit ohne Ende. Es wird demnach hier 
behauptet, daß die Wissenschafften nicht nur in Ansehung ihres 
				Nutzens, sondern 
auch an sich selbst durch alle unendliche Zeitläuffe der Ewigkeit fort dauren, 
und gewissermassen steigen werden. Wir setzen also voraus, daß es eine Ewigkeit 
giebt, daß die 
Menschen 
ewig 
				leben, daß die Seligen sowohl in der
				Erkenntniß, 
als auch in der Seligkeit und dem Vergnügen wachsen werden. |  | 
|  | Andere haben diese Sätze schon erwiesen, und uns wäre es zu weitläufftig, 
die 
				Beweise hier zu wiederhohlen. Doch werden wir Gelegenheit haben, den letzten 
Satz hier noch klärer und gewisser zu machen. |  | 
|  | Wissenschafft, so ferne wir sie in dem 
				Menschen betrachten, ist ein gründliches 
				Erkenntniß eines 
				Dinges, oder die 
Fertigkeit des				
				Verstandes, 
alles, was man behauptet, aus unwiedersprechlichen 
				Gründen darzuthun. Leben die 
Menschen ewig; so behalten sie auch ihren Verstand. Dieser muß mit seinen 
Fertigkeiten gewiß nicht ab, sondern vielmehr zunehmen. Besitzen viele Menschen 
schon hier ein gründliches Erkenntniß vieler Dinge; so muß diese Erkenntniß in 
der Ewigkeit noch gründlicher werden, und sich auf mehrere Dinge erstrecken. Das 
wird noch weiter erwiesen werden. |  | 
|  | Wir 
			reden zwar von dieser Wissenschafft eigentlich in unserem 
				Satze nicht. Doch lieget die- |  | 
|  | {Sp. 1506} |  | 
|  | ser Satz: ein verewigter Mensch behält eine gründliche 
				Erkenntniß vieler 
				Dinge ewig, und kan darinn zunehmen; zum 
				Grunde, und wird 
				durch die zu erweisende 
				
				Wahrheit noch mehr 
				befestiget und aufgekläret. Wissenschafften aber, so ferne sie 
				Gegenstände des 				
				menschlichen Verstandes 
				sind, damit er sich 
				beschäfftiget, sind die mancherley Wahrheiten und Lehren, welche 
				der  
				Mensch durch 
			
			Unterricht,
				Erfahrung, 
				Versuche, Nachdencken und Fleiß einsehen lernet. Die 
				
				Lateiner 
				nennen sie Scientias, in eben der Absicht, wie sie die
				Deutsche 
				Wissenschafften nennen, weil man die Wahrheiten weiß und 
				einsiehet. Und von diesen Wahrheiten behaupten wir nicht nur, 
				daß sie an sich ewig dauren; sondern auch, daß sie den Menschen 
				ewig bekannt bleiben, und sich ihnen immer mehr und mehr 
				entdecken werden. |  | 
|  | Alle Wissenschafften, Lehren, 
				
				Wahrheiten und
				Künste sind aber nicht so beschaffen, daß wir von ihnen 
				die Ewigkeit behaupten können. Einige sind sündlich und 
				unnütz, andere aber gehören nur für dieses 
				Leben. Beyde werden 
				die Seligen nicht treiben, sondern vielmehr vergessen, und aus 
				ihrem 
				Sinne verbannen. Es sind also nur einige, und zwar die 
				edelsten, denen wir das Vorrecht, ewig zu dauren, zuerkennen. 
				Wir werden sie hernach nach der Reihe nennen. Zuvor aber wollen 
				wir erst einige 
				Beweise anbringen, unsern Satz zu unterstützen. |  | 
|  | Woraus schliessen wir, daß die edelsten Wissenschafften ewig 
				bleiben werden? Aus folgenden 
				Gründen: |  | 
|  | 
	
		| 1) | Aus dem 
	Wesen der
				Seele. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Die Seelen behalten ihren				
				Verstand 
		und dessen erlangte Fertigkeiten ewig. Ihr Verstand wird nichts von 
		vorhergehenden Umständen, wie die Heyden glaubten, vergessen. Wir sehen 
		keine 
				Gründe, warum nicht sowohl die abgeschiedenen Seelen, ihren 
		reinen, als auch die mit dem
				Cörper 
		wieder vereinigten, ihren sinnlichen, aber erhöheten Verstand behalten 
		solten?
				
				GOtt will ja nichts unvernünfftiges im Himmel haben. Die 
		Seligen sollen ja vollkommener werden, folglich können sie ja keine 
		Vollkommenheiten 
		verlieren. Sie bleiben also sich ihrer selbst bewust. 
		Man nehme einem Gaste das				
				Vermögen 
				zu dencken; so nimmt man ihm auch seyn 
				Leben.
				
				Herr Meier 
		in Halle, will in einem Glückwunsche an den Herrn D. Baumgarten, 
		nach des Denckens Vollkommenheit gar das Alter der 
				Geister bestimmen. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Die 
				Seelen werden also bey ihrem 				
				Verstande nicht 
		unwissend, und nicht müßig seyn; sie werden ihre unendliche Zeit nicht 
		mit Trägheit und einerley Beschäftigung zu bringen; sondern sie werden 
		sich mit den edelsten 
				Dingen beschäfftigen, und ihren Verstand noch 
		immer vollkommener machen. Folglich werden sie sich der vorigen Dinge, 
		die zu ihrer Vollkommenheit etwas beytragen, mit Vergnügen wieder 
		erinnern, in viele nun erst eine rechte Einsicht bekommen: Sie werden 
		ihre guten Fertigkeiten vollkommener machen, werden auch dorten vieles 
		zur Vermehrung ihrer
				Erkenntniß 
		vorfinden. |  
		|  | Das 
	Wesen eines
				Geistes 
		bestehet im Dencken und 
		Wollen. Folglich behalten die Seligen ihren 
		freyen Willen. Dieser kan so wenig müßig seyn, als der 				
				Verstand. Er 
		liebt 
				
				GOtt und andere, und wer |  |  | 
|  | {Sp. 1507|S. 767} |  | 
|  | 
	
		|  | will das leugnen? Dieses aber kan ohne 
				Erkenntniß 
		und Verstand 
		nicht geschehen. Je mehr der
		Mensch 
		leben wird, destomehr muß er erkennen, und seinen Verstand gebrauchen. 
		Wir 
			reden hier vornehmlich von dem reinen Verstande und von dem 
		deutlichen Erkenntniß, welches die
				Seele 
		selbst, ohne die Vorstellung der 
				Sinne hat. Unsere Träume lehren uns 
		offte, daß dieselbe nicht gering ist. Doch werden die verkläreten
				Cörper 
		erhöhete Sinne und reinere 
			Affecten bekommen, und also wird der 
		sinnreiche Verstand nicht nur bleiben, sondern auch edler werden, und 
		den
				
				Willen ohne Sünde und Irrthum bestimmen. Das alles wird die 
		Freude, die Verherrlichung der Weißheit und Güte 
				
				GOttes, wie auch sein Lob vermehren. |  
		|  | Zu dem
				
				Willen gehören die 
					Begierden. Es werden so wohl 
		die reinen, als auch die sinnlichen Begierden bleiben, was aber daraus 
		fliesset, wird in folgenden dargethan werden. |  |  | 
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|  | 
	
		| 2) | aus dem 
			Begriffe, den wir von der 
		Seligkeit haben. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Das 
	Wesen der Seligkeit bestehet in dem 
		beständigen Genusse eines solchen vollkommensten und immer steigenden 
		Seelen-Vergnügens, welches vernünfftigen
				Geistern 
		eigenthümlich zugehöret. Die Seligkeit dieser und jener 				
				Welt ist 
		keinesweges dem Wesen sondern den Graden nach unterschieden. Der 
		Mensch 
		ist zum Vergnügen erschaffen; Die 
					Begierden sind aber der 
				Grund alles 
		Vergnügens und Schmertzens. Die Seligkeit muß demnach in der 
		allervollkommensten Erfüllung und Sättigung aller ihrer wesentlichen 
		Seelen-Begierden bestehen. Die hat 
				
				GOtt der 
				Seelen nicht umsonst 
		anerschaffen, sondern, da er sie sättigen, und dadurch den Menschen 
		vergnügt und glückselig machen will. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Und kan man nicht mehr Haupt-Gattungen der 
		
					Begierden, woraus ein sehr mannigfaltiges Vergnügen durch die Sättigung 
		entspringet, als diese fünffe ersinnen: |  |  | 
|  | 
	
		|  | 
	
		| (1) | Der Grund-Trieb nach Glückseligkeit oder 
		uneingeschräncktem Vergnügen. Dieser schliesset in sich ein Verlangen 
		nach Unsterblichkeit; ein Verlangen, wieder Übel gesichert zu seyn, ein 
		Verlangen, unaufhörlich in Beschäfftigung zu leben. |  
		| (2) | Die 
					Begierde nach
	Recht 
		und Gerechtigkeit. |  
		| (3) | Die Begierde nach Freundschafft und 
		Liebe. |  
		| (4) | Die Begierde nach Vollkommenheit der
				Seelen-Kräffte, 
		des				
				Verstandes 
		und 
				
				Willens sowohl in sich, als den andern 
				Geistern. |  
		| (5) | Die Begierde nach 
		
		Wahrheit, 
				Ordnung und Einsicht, 
		in den 
		Zusammenhang der Dinge. |  |  |  | 
|  | 
	
		|  | Die beyden letzten gehen nun auf die 
		Wissenschafften, und den Wachsthum darinn. Eine jede 
					Begierde hat ihren 
		Gegenstand, den
				
				GOtt bestimmet: darnach strecket sie sich immer mehr und 
		mehr, je grösser die Fähigkeiten der 
				Seelen werden. Es ist aber kein 
				Grund vorhanden, warum die Seele einmahl aufhören solte, ihre 
		wesentliche 
				Zwecke zu begehren. Ein Wachsthum in der
				Erkenntniß 
		der 
		Wahrheit ist ins unendliche möglich, und ein jeder Zuwachs macht zu 
		mehrern fähig. Denn eine jede 
		Krafft, die sich durch sich selbst |  |  | 
|  | {Sp. 1508} |  | 
|  | 
	
		|  | verstärcket, wächst unendlich fort, wenn sie in 
		
	Bewegung ist. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Sollen nun diese 
					Begierden, davon wir hier 
		handeln, gesättigt werden, so muß es mit unendlichen 
				
				Wahrheiten und 
		Vollkommenheiten des 				
				Verstandes geschehen. Da nun die zukünfftige 
		Seligkeit das allervollkommenste Vergnügen ist; so gehören auch die 
		alleredelsten und vortreflichsten Wahrheiten zum 
			Stande der Seligkeit, 
		die die Wißbegierde der 
				Seelen stillen. Also muß sie hier, haben und 
		behalten eine lebendige und sich immerdar vermehrende 
				Erkenntniß der 
		alleredelsten 
				
				Wahrheiten, deren sie nur nach ihrer Art und erhaltenen 
		Vollkommenheit fähig ist. |  | Man kan hiervon mehr lesen bey
				
				Herr 
		Restel, im Anhange zu dem 8 Capitel des I Theils von
		B. Lamy Demonstration von der Wahrheit und Heiligkeit 
		der Christlichen Sitten-Lehre. | 
|  |  |  | 
|  | 
	
		| 3) | die Gegenstände, womit die Seligen zu 
		thun haben werden, recht vor; so 
				beweisen sie eben das. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Der vornehmste Gegenstand ist der unergründlichen
				
				GOtt, dann kommen seine Rathschlüsse, 
				Wercke, Wunder und 
		Geheimnisse. Das alles werden sie ja näher, und der Unbegreiflichkeit 
		und unerforschlichen Tiefe wegen, nach und nach besser kennen lernen. 
		Das ist ja eine lernende Beschäfftigung. Das vermehret die
				Erkenntniß 
		und
				
				Wissenschafft. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Dorten sind ferner viele tausend Engel und 
		Seeligen. Die wird man von Angesicht und auch ihren Begebenheiten nach 
		erkennen lernen. Eine neuere Vermehrung unserer Erkenntniß! Da werden in 
		den seligen Wohnungen der vollendeten Gerechten manche schöne und 
		herrliche 
				Dinge von GOtt geschaffen seyn. Da wird er einen Rathschluß 
		nach dem andern entwickeln. Da werden ohne Zweiffel die andern 
		ungezehlte 
	Welten und ihre Seltenheiten bekannter werden. O wie vielfach 
		sind die Quellen, daraus der 				
				Verstand der Seligen seine vermehrte 
		Vollkommenheiten schöpfen kan! O wie mannigfaltig sind die Seligen, die 
		vergnügenden Dinge und 
				
				Wahrheiten, welche die Verherrlichten nach und 
		nach 
				erkennen lernen! Wie unermeßlich sind ihre Grentzen in der Länge, 
		Breite, Tiefe und Höhe! |  |  | 
|  | 
	
		|  | daß es aber Stufen in der Seligkeit giebt, haben
		Wat im 
			Tod und Himmel, Müller in den 
		Stuffen des ewigen Lebens, Restel in den Anmerckungen 
		zu B. Lamy Christlicher Sitten-Lehre, u.a.m. schon 
		hinlänglich 
				bewiesen. Man weiß ja, daß die Vollkommenheit unendliche 
		Grade hat, daß 
				
				GOtt immer Stuffenweise gehet, daß er unerforschlich und 
		unbegreiflich, daß das 
				Reich der 
		
		Wahrheit unermeßlich ist, daß der
		Mensch 
		dorten auch eingeschränckt bleiben und nicht alles mit einmahl 
		durchschauen wird. Allzuviel Licht blendet, und es muß immer etwas 
		zurückbleiben, das den Seligen neue Verwunderung und Freude verursachet. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Die 
		
		Natur der Wissenschafften 
		selbst bestätiget |  |  | 
|  | 
	
		| 4) | unsern Satz. Sie bestehen aus 
				
				Wahrheiten; Diese, 
		und vornehmlich die edleren unter ihnen stammen mit vollkommenen 
		Zusammenhange von
				
				GOtt selbst her. Er wird und kan sie nicht auf- |  |  | 
|  | {Sp. 1509|S. 768} |  | 
|  | 
	
		|  | heben. Sie sind so beschaffen, daß sie dem				
				Verstande 
		ein inniges, ein erlaubtes, ein reines Vergnügen geben. Giebt es 
		himmlische Wahrheiten, womit der Verstand der Seeligen sich 
		beschäfftiget: So werden sie doch mit den 
			irrdischen in Verbindung 
		stehen, sich darauf beziehen, und sie wieder ins Gedächtnis bringen. 
		Denn alle Wahrheiten hangen zusammen. Die Wissenschafften sind 
		Vollkommenheiten, und befördern unsere Vollkommenheit. Die Seligkeit 
		schliest aber eine beständige Vermehrung und Erlangung einer grössern 
		Vollkommenheit, und eines grössern Vergnügens in sich. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Die Wissenschafften haben einen guten Zweck. Sie 
		zielen auf den 
				Nutzen des Nächsten, auf unsere Glückseeligkeit, auf die 
		Verherrlichung 
				
				GOttes. Warum solten sie aufhören? Warum sollen sie denn 
		nicht ewig währen? Und warum solten die Seligen darinn nicht ewig 
		zunehmen, weil sie darinn hier unvollkommen geblieben sind, weil die 
		Wissenschafften einen unendlichen Wachsthum zulassen, und weil die 
		Seligen bey allem ihren Zunehmen niemahls an die unumschränckte 
		Vollkommenheiten GOttes steigen können. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Es scheinet, als wenn viele 
				Dinge auch von den 
		Gegenwärtigen ausdrücklich für die Ewigkeit geschaffen worden, und mit 
		Fleiß dafür gesparet werden. Wie vieles ist gegenwärtig um und neben 
		uns, das wir nicht wissen? Wie schlecht sehen wir die kunstreichen 
		Geschöpffe GOttes ein? Und was ist unsern Augen nicht gäntzlich 
		verborgen? Soll das von uns niemahls besser 
				erkannt und eingesehen 
		werden? Hat GOtt seine 
		Kunst umsonst verschwendet? Das ist nicht 
		glaublich. Es muß also eine Zeit kommen, da wir mehr 
				erkennen. Das ist 
		die seelige Ewigkeit: Folglich steiget unsere
				
				Wissenschafft, folglich steigen auch die Wissenschafften.¶ |  |  | 
|  | 
	
		|  | Doch wir wollen die
				Erkenntniß 
		und Wissenschafften selbst erwegen, welche wir der Ewigkeit zusprechen; 
		dadurch viele noch mehr überzeuget werden können. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Die Erkenntniß ist dreyfach: Die 
		Historische, Philosophische und Mathematische. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Die Historische Erkenntniß wird 
		sich sehr erweitern. Was werden wir für Begebenheiten von Engeln und 
		Menschen, 
		was für Begebenheiten aus dieser				
	Welt 
		von ihrer Gründung an, was für Begebenheiten aus andern Welt-Cörpern, 
		was für Begebenheiten der Ewigkeiten hören und 
		
				erfahren? Und wenn auch 
		alle Weissagungen erfüllet sind; So können mehrere Weissagungen abermahl 
		unsere 
				Erkenntniß 
		vermehren. Denn es ist wohl zu glauben, daß
				
				GOtt noch mehrere Geheimniße und Wunder habe, die er in 
		jener Welt noch uns entdecken und entwickeln wird. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Nach der 
				
				Philosophischen Erkenntniß,
		da man einsiehet, wie und warum ein 
				Ding möglich ist, werden 
		wir ungemein zunehmen. Wir werden das 
	Wesen, die Möglichkeit und				
				Ursache 
		so vieler Dinge deutlicher einsehen, bessere Merckmahle angeben können, 
		und richtiger schliessen. Denn alles werden wir nicht, wie 
				
				GOtt, 
		intuitive, ein- und durchschauend 
		
				erkennen. Es werden also die vielen Irrthümer und Streitigkeiten, die 
		vielen 
		
				Meynungen und Muthmaßungen wegfallen. Viele 
		Wahrscheinlichkeiten werden gewiß werden. Wir werden den 
		Zusammenhang 
		mehrerer Wahr- |  |  | 
|  | {Sp. 1510} |  | 
|  | 
	
		|  | heiten vollkommen einsehen. Wir werden die 
		Aussprüche GOttes vollständiger 
			verstehen. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Nach der Mathematischen 
				Erkenntniß, da man auch die 
		Verhältnisse der 
				Dinge angeben, und alles 
		genau bestimmen kan, werden die Seeligen vollkommener werden. Denn 
		werden sie erst vollkommen einsehen, wie der Schöpffer alles nach Zahl, 
		Maaß und Gewicht erschaffen habe. Denn werden sie die Höhe und Tiefe, 
		die Länge und Breite der Rathschlüsse und der 
		Liebe Christi zum 
		wenigsten vollkommener einschauen, wenn sie gleich noch nicht alles zu 
		begreiffen fähig sind. Denn 
				
				GOtt ist an sich wohl, als in seinem Rath 
		und 
				Wercken ewig unergründlich, unermeslich, unbegreifflich. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Lasset uns auch die Wissenschafften 
		selbst erwegen, welche, unserer Einsicht nach, im ewigen 
		Leben statt 
		finden können.¶ |  |  | 
|  | 
	
		|  | Von den 
				
		Sprachen. welche 
		eigentlich nicht zu den Wissenschafften gehören, wollen wir nicht mehr, 
		als dieses setzen; daß sie bleiben können. Die Seeligen werden nicht 
		stumm seyn, sondern ihre Zunge in einer Sprache gewiß zum Lobe
				
				GOttes gebrauchen. Was das für eine Sprache sey, wollen und 
		können wir nicht entscheiden. Gesetzt es ist die 
		Hebräische: So wird sie 
		doch mit so vielen 				
				Wörtern und Benennungen der unsichtbaren 
				Sachen, mit 
		bestimmten Wörtern und 
				Arten zu 
			reden bereichert seyn, daß sie sich 
		nicht mehr ähnlich ist. Die werden alle 
		Einwohner der Seeligkeit 
		
			verstehen, und dadurch wird ihre Wissenschafft sehr vermehret werden. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Was aber die andern hier üblichen 
				
	Sprachen 
		betrifft: So gedencken wir dis davon. Bleibt die Seeligkeit sich ihrer 
		bewust, wird sie nicht unvollkommener werden, haben wir mit allerley				
				Völckern 
		von allerley Sprachen Gemeinschafft: So werden nicht nur allerley 
		Sprachen bekannt seyn, sondern auch, aber mit leichter Mühe, verstanden 
		werden. 
				
				GOtt hat zwar die Vielheit der Sprachen den 
		Menschen 
		zur
				Straffe 
		eingeführet; sie aber doch hernach öffters zu seiner
		Ehre 
		und Werckzeuge gebrauchet, und es ist zu vermuthen, er werde die 
		mancherley Sprachen auch in jenem 
				Leben, da sie nun einmahl sind und 
		nutzen können, zu seiner Verherrlichung und zum Vergnügen der Seeligen 
		anzuwenden wissen. Doch, das ist eine Muthmassung, darüber wir nicht 
		streiten wollen.¶ |  |  | 
|  | 
	
		|  | Von den 
				
	Sprachen kommen wir auf die 
		Wissenschafften selbst, und zwar erstlich zu den so genannten 
		schönen Wissenschafften. Werden die Seeligen das Lob GOttes 
		verkündigen; so wird ihnen die Redekunst nicht 
		unbekannt seyn. Sollen sie 
				
				GOtt Lob-Lieder singen und spielen; so werden 
		sie an der vollkommensten Dicht- und Tonkunst ihr Vergnügen finden, und 
		desto vollkommener darinnen seyn, je erhabener und reiner die
				
				Gemüths-Kräffte, der 				
				Verstand, die 
		Einbildungs und 
		Beurtheilungs-Krafft sind. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Die 
		Sitten unter den vollendeten 
		Gerechten werden erst recht vollkommen heilig und liebenswürdig seyn. 
		Und die Geschichte mit ihren 
			Töchtern, der 
		Zeitrechnung, den Alterthümern, der 
		Erdbeschreibung, die Geschlecht-Register der 
		Seeligen, so ferne sie in jene				
	Welt 
		gehören, und darinn dienen, werden alsdenn eine anmuthige Beschäfftigung 
		seyn, erst recht zur Gewisheit |  |  | 
|  | {Sp.1511|S.769} |  | 
|  | 
	
		|  | und Vollkommenheit gebracht, und erst recht zur 
		Ehre und Danksagung GOttes gebraucht werden.¶ |  |  | 
|  | 
	
		|  | Was die 
				
		Weltweisheit oder
		Weisheit anbetrifft: So ist
				
				GOtt der Allerweiseste warum sollen die Seeligen ihm nicht 
		noch ähnlicher werden? Ihre				
				
				Vernunfft werden sie denn erst recht gebrauchen. Die 
		
			Begriffe werden klärer, deutlicher, vollkommener und vollständiger seyn: 
		Folglich werden sie auch mehrere und gewissere Aussprüche thun, und 
		richtiger schliessen können. An der 
		
		Wahrheit werden sie ein grosses und 
		erlaubtes Vergnügen finden. Sie werden sie unpartheyischer 
		lieben, 
		besser und reichlicher 
				erkennen, und nicht gezwungen werden, sie zur 
		Rechten und zur Lincken, wider Irrthümer, Vorurtheile und falsche 
		Scheingründe mühsam zu vertheydigen. Folglich werden sie ihren				
				Verstand 
		genug und recht gebrauchen. Sie werden sich die heilsamsten 
				Endzwecke 
		vorsetzen, und die besten Mittel erwählen, und niemahls abweichen oder 
		irren, noch gehindert werden. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Ohn allen Zweiffel werden die Seeligen die
		Grund-Lehre, oder die rechten 
				Gründe aller 
				Dinge, die 
		Lehre von dem Weltbau, die Naturlehre, 
		die Sternkunst, die Meskunst mit ihren 
		Theilen, die Geisterlehre, die natürliche 
		Theologie, die 
		Sittenlehre, das
		
		Recht der Natur vollkommener einsehen, und sich 
		damit auf eine den verklärten 
				Geistern anständige Weise gern zum 
		Vergnügen, und zum Preiß ihres Schöpffers beschäfftigen. Insonderheit 
		wird ihnen die Lehre von den Geistern 
		erst recht bekannt werden. Die unzähligen Welt-Cörper, ihre natürliche 
		Beschaffenheit, ihre 
		Einwohner, ihre 
		Verknüpffung unter einander, und 
		die 
		Natur der Dinge, die auf unserem Balle befindlich, und die uns 
		grossen Theils noch unbekannt sind, werden ihnen bekannter und jederzeit 
		als 
				Wercke der Allmächtigen Weisheit eine 
		angenehme Beschäfftigung seyn.¶ |  |  | 
|  | 
	
		|  | Was die höhern Wissenschafften 
		betrifft, so werden zwar keine 
	Ärtzte nöthig seyn, weil dorten keine 
		Kranckheiten statt finden. Jedennoch werden diejenigen, welche hier 
		Ärtzte gewesen, kein geringes Vergnügen 
				empfinden, wenn sie in die 
		Natur 
		eine tieffere Einsicht bekommen. Man wird keine Rechtslehrer 
		gebrauchen, die Gerichts-Tage halten, und streitige Partheyen 
		entscheiden, weil Zänckereyen und Proceße hier wegfallen. Dennoch werden 
		sie eine tieffere Einsicht in die vollkommenste
	Rechte 
				
				GOttes und in ihrem Zusammenhang erlangen, und sich darüber 
		vergnügen. |  
		|  | Und die Gottesgelahrheit, die Schriftauslegung, 
		die Christliche 
		Sittenlehre, die 
				Gründe und 
				Erkenntniß 
		dessen, was in der Theologie wahr oder falsch ist, werden hier erst zur 
		Vollkommenheit gebracht werden, und ein 
		angenehmer Gegenstand der 
		Betrachtung ewig bleiben. Es wird auch nicht an einer 
				Art der 
				Lehrer und 
		Vorgänger in dem
		Dienste 
		und Lobe GOttes fehlen, doch so, wie es der 
				Zustand der vollendeten 
		Gerechten zulässet. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Sind das nicht Beschäftigungen genung, die zu den 
		Wissenschafften gehören? Können wir denn also nicht den Satz, daß die 
		Wissen- |  |  | 
|  | {Sp. 1512} |  | 
|  | 
	
		|  | schafften ewig sind, ja daß sie noch immer 
		vollkommener werden und ewig steigen, behaupten und vertheidigen?
		Paulus bestätiget unsere
				Gedancken, 
		und giebt ihnen ein rechtes Gewichte, wenn er 
		1 Cor. XIII, 8. 
		also nach seiner 
				
	Sprache 
			schreibet: |  |  | 
|  | 
	
		|  | „Die Liebe hört nimmer 
		auf, wenn auch die Weissagungen aufhören werden, oder die Sprachen 
		aufhören werden, oder das Erkenntniß aufhören wird, (wenn man nemlich 
		zur grösseren Vollkommenheit gelanget,) denn unser jetziges Wissen ist 
		Stückwerck, und unser Weissagen ist jetzo nur Stückwerck. Wenn aber das 
		Vollkommene kommen wird; so wird das Stückwerck aufhören. Da ich ein 
		Kind war, da redete ich wie ein Kind, und war klug wie ein Kind, und 
		machte kindische Schlüsse; da ich aber ein Mann ward, that ich ab, was 
		kindisch war. |  |  | 
|  | 
	
		|  | (So wird es alsdenn auch gehen. |  |  | 
|  | 
	
		|  | „Wir sehen jetzo durch 
		eine dunckele Fenster-Scheibe in einem Gleichniß: Denn aber von 
		Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ichs Stückweise von vielen: Denn 
		aber werde ichs erkennen, nachdem ich ein grösseres Vermögen zu erkennen 
		erlanget haben werde.„ |  |  | 
|  | 
	
		|  | Die 
				Worte recht einzusehen, so müssen wir noch 
		folgende Anmerckungen dazu machen: |  |  | 
|  | 
	
		|  | 
	
		| 1) | Paulus behauptet, die 
		Liebe höre 
		in Ewigkeit nicht auf, wenn auch das edelste in der				
	Welt, 
		Weissagungen, 
				
	Sprachen und
				Erkenntniß 
		aufhören würden. Hiermit behauptet er noch nicht, daß sie aufhören 
		werden; sondern er setzet nur den Fall. |  |  |  | 
|  | 
	
		|  | 
	
		| 2) | Weil er aber diesen Fall gesetzet hatte; so nimmt 
		er Gelegenheit, im folgenden zu zeigen, in welchem				
				
				Verstande sie aufhören, und wie sie nicht aufhören würden. 
		So wenig also die 
				Erkenntniß an sich aufhören wird; so wenig werden auch 
		die Weissagungen und 
				
	Sprachen aufhören. Unsere Erkenntniß ist nur 
		Stückwerck, das ist, nach dem Syrischen Übersetzer, wir 
				erkennen jetzt 
		nur wenig von vielen, und weissagen auch nur wenig von vielen. Wenn aber 
		das Vollkommene kommen wird, denn wird das Wenige und das Stückwerck 
		aufhören, dagegen wird das viele da seyn. Folglich werden wir vieles 
		erkennen, und vieles weissagen. |  |  |  | 
|  | 
	
		|  | 
	
		| 3) | Weissagen kan entweder die Auslegung der
				Schrifft 
		und der Wege
				
				GOttes bedeuten; denn diese Gabe wird vollkommen da seyn; 
		oder die Gabe zukünfftige 
				Dinge zu wissen. Diese zukünfftige Dinge 
		können hier schon in der Schrifft dunckel angezeiget worden seyn, oder 
		dorten erst offenbaret werden. Wir können doch behaupten, daß die Gabe 
		der Weissagung vollkommener seyn werde. In der Ewigkeit werden noch 
		viele Geheimnisse, Wunder und Heimlichkeiten erfüllet werden, die zum 
		Theil schon hier in der Schrifft angedeutet worden, oder noch zuvor 
		eröffnet werden dürfften. Den GOtt hat immer die Weise gehabt, daß er in 
		dem gegenwärtigen Zeitlauffe, die Begebenheiten des nächstfolgenden 
		vorher angezeiget hat, davon er in dem nächst vorhergehenden entweder 
		gar geschwiegen, oder nur dunckele Anzeigungen gegeben hatte. In der 
		Ewigkeit werden wir also, was die Schrifft offenbahret, völlig 
				erkennen 
		und auch von den zukünfftigen Zeitläufften mehrere Offenbahrung 
		erlangen. Mithin kan Paulus 
			sagen, daß wir alsdenn mehreres weissagen 
		werden. |  |  |  | 
|  |  |  | 
|  | {Sp. 1513|S. 770} |  | 
|  | 
	
		|  | 
	
		|  | Sache mit einem Gleichniße. So wie sich die
				Erkenntniß 
		eines 
			Kindes gegen die Erkenntniß eines 
				Mannes verhält; so würde sich 
		die gegenwärtige Erkenntniß gegen die zukünfftige verhalten; Und so wie 
		bey den männlichen Jahren nicht das aufhörete, was man in der Jugend 
		gelernet hätte, sondern nur die Fehler und Unvollkommenheit; so würde 
		gleichfalls dorten nur das letzte ein Ende haben, und nicht das, was wir 
		hier gründliches und nützliches vor uns gebracht haben. Paulus 
		lässet also hier die Anwendung aus, gleichwie er im 10 Vers nicht 
		
			gesaget hatte, was denn an statt des Stückwercks da seyn würde: weil es 
		sich von selbsten 
			verstehen läst. |  |  |  | 
|  | 
	
		|  | 
	
		| 5) | Im 12 Vers nimmt er das Gleichniß her von den 
		dunckeln Fensterscheiben derer Alten, die von dünnen Stein waren, und 
		also nur ein dunckeles Licht gaben. Hier hätten wir nur ein dunckeles 
		Licht, nur Gleichnisse und gewisse Merckmahle, daraus wir schliessen; 
		dorten aber würde unserer 
				Erkenntniß mehr beschaulich und intuitiva 
		seyn. Vieles werden wir denn mit Augen vor uns sehen, das wir uns hier 
		nicht recht vorstellen können: indessen wird noch manches aus gewissen 
		Merckmahlen erkannt werden müssen. |  |  |  | 
|  | 
	
		|  | 
	
		| 6) | Die letzten 
				Worte werden am besten so übersetzet: 
		Daß wir alsdenn mehr 
				erkennen werden nach dem Grade, darinn unsere 
		erhöheten
		Kräffte 
		alsdenn stehen werden. Ein jeder wird also seinen besondern Grad haben, 
		der von dem vorigen 
				Leben abhänget, und nach dem wird er auch erkennen 
		und immer zunehmen. Petrus 
			schreibet im 
		1 Brief, I, 
		12. daß es den Engeln gelüste, das Erlösungs-Werck einzuschauen. Also 
		können die Engel in der 
				Erkenntniß wachsen, und haben ein Verlangen 
		darnach: Warum nicht auch die menschlichen
				Geister? 
		Werden also unsere Wahrscheinlichkeiten durch Pauli und 
		Petri Zeugnisse 
		nicht Gewißheiten?¶ |  |  |  | 
|  | 
	
		|  | Von menschlichen Zeugnissen wollen wir nur den 
		unvergleichlichen Engelländer J. Wart anführen, der 
		statt aller seyn kan. Er handelt in seinem Tod und Himmel so 
		weitläufftig davon, daß wie hier nur die vornehmsten Sätze kurtz 
		beybringen können. Er beschreibet p. 59. die Vollkommenheit der 
				Geister der Gerechten im Himmel mit
	Recht 
		als einen sehr vortrefflichen Grad derselben geistlichen und himmlischen 
				Eigenschafften und Seligkeiten, welche sie bereits hier auf
				Erden 
		in einem geringern Maaße genossen haben, ohne alle Mängel und 
		Unordnungen. Dahin gehöret also vor allen 
				Dingen eine grosse Vermehrung 
		der
				Erkenntniß 
		ohne Irthum, und in dem 
				Sinne ist sie Vergleichungsweise vollkommen. Ein 
		Theil der Seligkeit bestehet in der Beschaulichkeit. Da wird man das 
		herrlichste Wesen,
				
				GOtt selbst, sehen und seine 
				Wercke tiefer einschauen. Es 
		wird nicht mehr bloß eine				
				vernünfftige 
		durch 
				Schlüsse oder Erzehlungen erlangte Erkenntniß, sondern eine solche 
		gewisse seyn, als wir von einem 
		Menschen haben, wenn wir sein Angesicht 
		sehen. So sehr das Licht der Offenbahrung das natürliche Licht 
		übertrifft, so sehr wird jene Erkenntniß diese übertreffen; |  |  | 
|  | 
	
		|  | Und p. 82 u.ff. Dorten ist eine solche Vollkommenheit, die eine 
		grosse Mannigfaltigkeit, der Geschäffte und Ergötzlichkeiten zulässet, 
		nach der mannigfaltigen 
				Art und Beschaffenheit jedes 
				
		Geistes. Es giebt 
		wesentliche Unterschiede der 
		Gemüths-Arten |  |  | 
|  | {Sp. 1514} |  | 
|  | 
	
		|  | unter den
				Geistern 
		selbst in ihrer eigenen
		Natur. 
		Denn in der sichtbaren 				
	Welt ist eine solche Mannigfaltigkeit. Sollte 
		aber diese Mannigfaltigkeit allein in der unbeselten und unvernünfftigen 
		und thierischen Welt ausgeschüttet, und nur allein die Geister-Welt 
		davon ausgeleeret seyn? In der Geister-Welt sind verschiedene 
				Ordnungen 
		der Engel, die an Gaben, Neigung und 
		Ämtern unterschieden sind. So ist 
		es auch mit den 
				Seelen. 
				
				GOtt hat ihren Durchgang durch die Welt zu einem 
		Mittel bestimmet, um sie zu mancherley Stellen und 
		Bedienungen in der 
		unbekannten Geister-Welt tüchtig zu machen. Also bringen die 
		Abgeschiedenen verschiedene Neigungen zu mancherley Ergötzungen und 
		Geschäfften mit sich. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Moses und David werden vielleicht
		Leiter einer gewissen Versammlung, und David überdem 
		Meister in der himmlischen Music seyn. Die geheiligten 
				Weltweisen werden 
		weit 
			geschickter seyn, als andere, die Weißheit GOttes an den 
				Wercken 
		seiner Hände zu betrachten und zu lehren. Die, welche sich mit 
		Betrachtung
				
				GOttes und der 
				Geister beschäfftiget, werden noch immer an 
		solchen Übungen ein Vergnügen finden; und es weiter, als andere darinn 
		bringen. Die, welche die Lehre von der
		Person, 
		dem Amte und der Gnade Christi hier mit Fleiß getrieben, die haben 
		dadurch eine besondere 
		Geschicklichkeit erlanget, die himmlische 
		Erleuchtung von diesem Geheimnisse mehr, als andere zu empfahen. So auch 
		mit andern. Wir müssen uns aber im Himmel eine solche Vollkommenheit 
		vorstellen, wobey gar wohl verschiedene Stuffen in einerley Seligkeit 
		nach den unterschiedenen Fähigkeiten der Geister, und in ihren 
		verschiedenen Stuffen der Zubereitung, statt haben kan: Eine solche, die 
		mit steten 
				Veränderungen der Geschäffte und Ergötzlichkeiten auch in 
		einerley Geiste oder Person bestehen kan. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Die Seligen werden nicht immer gantz stille sitzen. Sie werden der 
		Beschaulichkeit ergeben seyn: aber dabey doch manche Geschäffte haben. 
		Sie werden 
				
				GOtt auf verschiedene Weise dienen, es werden auch 
		verschiedene Zeiten dazu seyn. Sie werden allerley nützliche und 
		erbauliche Unterredungen halten, allerley selige Betrachtungen und 
		Untersuchung anstellen. Ihre
				Gedancken 
		werden auf die 
				Bücher der
		Natur 
		und Offenbahrung, auf GOttes
				
				Regiment und ihre 
				Pflichten gerichtet seyn. Sie werden 
		zuweilen in andere planetische Welt-Cörper 
		
						reisen und von ihrem 
				Zustande 
		sprechen. Es wird verschiedene
		
		Ehren-Stellen,				
				Würden 
		und Ämter 
		geben. Die Geschickteren werden Unvollkommeneren vorgesetzet werden. Es 
		wird sich immerdar was Neues und 
		Angenehmes hervor thun: Und ihre 
		Vollkommenheit wird immer eine stätige Vermehrung zulassen. Sie werden 
		wachsen in der
				Erkenntniß, 
		Heiligkeit und Freude. Das wird |  |  | 
|  | 
	
		|  | 
	
		| 1) | erwiesen aus der 
		Natur unsers				
				Verstandes. 
		Diesen werden wir nie verlieren. Dieser aber schliesset immer mehr aus 
		bekannten Sätzen, und wird nie alles mit einmahl übersehen lernen. Damit 
		wird eine 
				empfindliche Lust 
		verknüpffet seyn, weil kein Irthum mehr 
		statt findet. |  |  |  | 
|  | 
	
		|  | 
	
		| 2) | Aus der Einschränckung unserer Verstandes-Kräffte auch in dem besten 
		
				Zustande, unmöglich alles mit einander durchschauen, fassen, geniessen 
		und behalten können. |  |  |  | 
|  | {Sp. 1515|S. 771} |  | 
|  | 
	
		|  | 
	
		| 3) | Aus der Mannigfaltigkeit der 
				Dinge, die ihnen dargestellet werden.
				
				GOtt sowohl, als seine 
				Wercke, sind unendlich in der 
		bekannten und unbekannten				
	Welt. 
		Mit einmahl können sie selbe nicht fassen; Solten sie darinn nicht 
		zunehmen; so haben wir hier mehr 
		Vortheile als sie. |  |  |  | 
|  | 
	
		|  | 
	
		| 4) | Es werden sich noch viele 
				Dinge im Himmel und auf
				Erden 
		zutragen, daran die Seligen einen grossen Antheil haben. Vorher können 
		sie selbe nicht alle wissen. Folglich müssen sie in der 
				Erkenntniß 
		zunehmen, wie sonderlich die Offenbahrung Johannis darthut. |  |  |  | 
|  | 
	
		|  | 
	
		| 5) | Am Auferstehungs- und Gerichts-Tage werden ja die Seligen viel 
		Vollkommener werden und mehr 
		
				erfahren. Und hierdurch wird die Liebe zu 
				
				GOtt, die Ähnlichkeit mit ihm, die Heiligkeit und Freude vermehret 
		werden. |  |  |  | 
|  | Alles dieses ist von unserem Verfasser starck 
				bewiesen worden. So bleiben denn 
die edelsten Wissenschafften, die edelsten 
				
				Wahrheiten, die Liebe darzu, die 
				Erkenntniß derselben, und der Wachsthum darinnen ewig. Die Seligen werden also 
ewig dencken, nachsinnen, schliessen, lernen, lehren und mit einem 
				Worte, 
				studieren.¶ |  | 
|  | Aber wie wird das geschehen? Dieses soll in folgenden erkläret 
werden. Es wird nemlich ihr 
				studieren von den unsrigen in vielen Stücken 
unterschieden seyn. Sie werden |  | 
|  | 
	
		| 1) | nicht studiren aus eigentlichen 
				Büchern. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Das 
				Buch der
		Natur, 
		das Buch der Offenbahrung, das Buch der
				Regierung
				
				GOttes, wird ihnen zwar manche schöne Lection geben. Allein 
		das sind nur uneigentliche 
				Bücher. Die eigentlichen Bücher werden mit 
		dieser				
	Welt 
		verbrennen; und stehet dahin, ob GOtt die
				H. Schrifft 
		in Buchstaben verfasset aufbehalten werde? Wurde das Gesetz-Buch im 
		Allerheiligsten beygelegt; War die Hütte ein Bild des Himmlischen: so 
		läst sich daraus schliessen, daß dieses Buch auch in der Ewigkeit zu 
		finden seyn werde. Die andern Bücher werden aber, ohne 
		Nachtheil der 
		Wissenschafften, als das Stückwerck mangeln können. Solte man alle 
		
				
				Wahrheiten aus allen Büchern ausgezogen haben; so würden sie eben kein 
		gar so grosses 
				Werck ausmachen. Um die ist es uns nur zu thun. Die 
		werden so viele vollendete und ewig lebende 
				Geister ohne Mühe behalten, 
		erhalten und anwenden können. Folglich kan man die nützlichen Bücher 
		eben sowohl als die unnütze und zur Welt gehörigen entbehren. Wird man 
		also im Himmel nicht aus Büchern 
				studieren: so wird man durch
				Erfahrung, 
		durch Beschauung, durch Nachsinnen und Schlüssen studieren. Das sind 
		vier reiche und unerschöpffliche Quellen des Wachsthums der 
				Erkenntniß. |  |  | 
|  | 
	
		| 2) | Man wird studieren ohne 
		Mühe und
		Verdruß. Niemals 
		werden die Seligen träge und schläfrig seyn, niemahls werden sie durchs 
		Fleisch und sündliche 
				Dinge gestöret und abgehalten werden. Es wird 
		immer Lust und Liebe ohne Ermüdung da seyn. Sie werden alles gleich 
		fassen, behalten und sich besinnen können, und nie vergessen, was sie 
		gelernet haben. Sie werden 
				studiren, und, daß wir recht 
			sagen, arbeiten, 
		wie Adam im Paradiese, mit Lust, mit Vergnügen, ohne Sünde, ohne 
		Beschwerde. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Denn ihre Fähigkeiten werden sehr erhöhet, die 
		Gelegenheiten vortheilhaffter, die Schwachheiten und Unvoll- |  |  | 
|  | {Sp. 1516} |  | 
|  | 
	
		|  | kommenheiten aber abgestellet seyn. Doch wird ein 
		jeder seiner Neigung und 
			Gewohnheit nach sich mehr auf seine besonders 
		beliebte Wissenschafften legen, und es darinn höher bringen, als in 
		andern, welches J. Wat noch mit mehrern erweiset. |  |  | 
|  | 
	
		| 3) | Die Seligen werden ohne Irthümer und 
		Vergessenheit 
				studiren, welches das vortreflichste ist. |  |  | 
|  | 
	
		|  | Denn das Unvollkommene ist verschwunden. Sie sind 
		auch in solchen Umständen, daß sie bald zur völligen Gewißheit gelangen 
		können. Sie werden mit Widerlegen und Erweisen nicht beschäfftiget seyn 
		dürffen, ihre 
				
				Wahrheiten weit leichter, geschwinder und sicherer ohne 
		Furcht, Haß, Scheu und Widerspruch ausbreiten können, und nicht 
		befürchten dürffen, daß sie von andern angegriffen, beurtheilet, 
		gehasset oder widerleget werden. Ist das nicht ein seliges, ein 
		vortrefliches, ein erwünschtes Studieren? Solte uns nicht danach 
		verlangen? Kan man also nicht von einem verstorbenen Gelehrten 
			sagen: er 
		sey auf die höchste 
			
			Universität gezogen; die aber herrlicher ist, als 
		sich die Juden selbige vorstellen.¶ |  |  | 
|  | Es fragt sich noch, wie es mit den Wissenschafften in der unseligen 
Ewigkeit, unter denen Verdammten stehen werde? Aus obigen 
				Gründen kan 
man nicht annehmen, das verdammte 
Gelehrte alle ihre Wissenschafften vergessen 
werden. Sie werden ebenfals noch
				Erkenntniß 
und Wissenschafften besitzen, zu dieser und jener Wissenschafft vor andern 
geneigt seyn, sie werden 
				erkennen, dencken, schliessen. Ihre historische, 
				philosophische und mathematische Erkenntniß wird sich auf mancherley Weise 
erweitern, und sie werden darinn zunehmen. |  | 
|  | Denn sie leben in einer grossen
Gesellschafft, darinn sie vieles hören und erleben. Sie können die
Natur 
der Engel besser kennen lernen. Sie lernen die Wege und gerechten
				Gerichte
				
				GOttes. Sie werden auch nicht in einer einfachen Ewigkeit 
seyn. Es werden wohl 
				Veränderungen vorgehen, da durch die 
				Erkenntniß 
erweitert 
wird, und daraus sie mehr schliessen werden. Allein das wird mit vieler Pein, 
Verdruß und 
				Irthum 
verknüpffet seyn, und nicht zum Vergnügen und Verherrlichung 
GOttes gereichen. Über diesen Ausdruck hat der 
				
				Herr Legations-Rath 
Matheson folgende
				Gedancken 
gehabt: |  | 
|  | „Die Erweiterung der Wissenschafften bey denen 
Unseligen hat gantz gewiß ihren Grund, und gereichet ohne alle Ausnahme auch 
wider ihren Willen, zur göttlichen Verherrlichung, aber so wenig zum Vergnügen 
derer Verdammten, daß dadurch vielmehr ihre unaufhörliche Quaal, nach dem Maaße 
und Zunehmen des Erkannten, man rede nun davon in abstracto oder concreto, nur 
immer je länger je mehr vergrössert wird. Ihr gantzer jämmerlicher Zustand 
beruhet eigentlich auf dem Bewust seyn, und ohne sich disseits mit einer tiefern 
Einsicht in dergleichen weitgehende Dinge zu schmeicheln, liesse sichs noch 
endliche wohl sagen: daß, wenn eine unendliche Seligkeit unendliche Stufen 
himmlisch erfreuender Wissenschafften und erweiternder Erkenntnisse mit sich 
führet, nothwendig auch nach denen Regeln eines ausdrücklichen Gegensatzes, in 
der ewigwährenden Verdammniß ebenfals ewig höher steigende |  | 
|  | {Sp. 1517|S. 772} |  | 
|  | Grade höllisch kränckender Erfahrungen und stets anwachsender verhängter 
Begriffe zu finden seyn müssen. |  | 
|  | Die allergröste Marter selbst bestehet wohl vornehmlich in dieser 
immerfortschreitenden Vermehrung des Wissens. Je mehr Wissens u. Gewissens, ie 
mehr Hertzeleid, Angst des Geistes, Reue und Pein. Ein bloses Mißvergnügen 
reicht hier nicht zu. Sind unter andern jene nachdrückliche Reden im Buch der 
Weisheit V. glaubwürdig daß nemlich die Gottlosen grausamen erschrecken werden 
vor solcher Seeligkeit derer Gerechten, der sie sich nicht versehen hätten; so 
folget allerdings daraus eine ungemeine Erweiterung ihrer Wissenschafften und 
Erkenntniß, welche sich, der grossen Klufft ungeachtet, dennoch sichtbahrer 
Weise, nach dem Beyspiel des reichen Mannes, auf die grosse Freudigkeit der 
Seeligen selbst erstrecket, folglich auch eben so, wie diese, stets 
erschrecklich zunehmen muß. Denn sie lassen sich ja deutlich und sehr besonders 
heraus, daß sie von der glückseligen Zahl der Kinder GOttes und von dem Erbe 
unter den Heiligen genauer, als ihnen lieb ist, unterrichtet sind. Das will 
schon viel sagen.„ | Bareuthische Gelehrte Zeitung 1745, p. 
164. | 
|  | Ja es wird vielmehr ihre Unruhe, ihre Marter und Pein vermehren. Und wenn sie in 
Sünden fortfahren dürfften; so würden die sündlichen, die unnützen 
Wissenschafften auch bey ihnen Beyfall finden und ihre Pein vermehren müssen. 
Denen, die was gutes 
				erkennen, wird es desto mehr Schmertz, Vorwurf und 
Verantwortung verursachen. Und die, welche 
böse und unnütze 
				Dinge geliebt, 
werden auch durch die Folgen dafür 
gestraffet werden. Mehr läst sich davon nicht 
bestimmen;
				
				GOtt bewahre auch alle, daß niemand nichts davon an sich 
selbst 
				
				erfahre. |  | 
|  | Man lese hierbey den 
				Artickel: Teuffel, im XLII 
				Bande, p. 1543 u.ff. | Vorstehendes aber ist genommen aus George Venzky kleinen
					Schrifft 
die er betittelt: Die Wissenschafften sind ewig: folglich sind weise Gelehrte 
vor andern glücklich, Prentzlau 1745 in 4. Sie stehet auch in den 
Actis 
Scholasticis, VI Band, p. 195 u.f. | 
|  |  |  |