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Text |
Quellenangaben |
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Wissenschafften, ob dieselben ewig sind?
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Endlich beschliessen wir diesen
Artickel mit der
Frage: Ob die
Wissenschafften ewig sind? Das
Wort ewig nehmen wir hier in
seiner
völligen Weite. Es
bedeutet eine Zeit ohne Ende. Es wird demnach hier
behauptet, daß die Wissenschafften nicht nur in Ansehung ihres
Nutzens, sondern
auch an sich selbst durch alle unendliche Zeitläuffe der Ewigkeit fort dauren,
und gewissermassen steigen werden. Wir setzen also voraus, daß es eine Ewigkeit
giebt, daß die
Menschen
ewig
leben, daß die Seligen sowohl in der
Erkenntniß,
als auch in der Seligkeit und dem Vergnügen wachsen werden. |
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Andere haben diese Sätze schon erwiesen, und uns wäre es zu weitläufftig,
die
Beweise hier zu wiederhohlen. Doch werden wir Gelegenheit haben, den letzten
Satz hier noch klärer und gewisser zu machen. |
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Wissenschafft, so ferne wir sie in dem
Menschen betrachten, ist ein gründliches
Erkenntniß eines
Dinges, oder die
Fertigkeit des
Verstandes,
alles, was man behauptet, aus unwiedersprechlichen
Gründen darzuthun. Leben die
Menschen ewig; so behalten sie auch ihren Verstand. Dieser muß mit seinen
Fertigkeiten gewiß nicht ab, sondern vielmehr zunehmen. Besitzen viele Menschen
schon hier ein gründliches Erkenntniß vieler Dinge; so muß diese Erkenntniß in
der Ewigkeit noch gründlicher werden, und sich auf mehrere Dinge erstrecken. Das
wird noch weiter erwiesen werden. |
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Wir
reden zwar von dieser Wissenschafft eigentlich in unserem
Satze nicht. Doch lieget die- |
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{Sp. 1506} |
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ser Satz: ein verewigter Mensch behält eine gründliche
Erkenntniß vieler
Dinge ewig, und kan darinn zunehmen; zum
Grunde, und wird
durch die zu erweisende
Wahrheit noch mehr
befestiget und aufgekläret. Wissenschafften aber, so ferne sie
Gegenstände des
menschlichen Verstandes
sind, damit er sich
beschäfftiget, sind die mancherley Wahrheiten und Lehren, welche
der
Mensch durch
Unterricht,
Erfahrung,
Versuche, Nachdencken und Fleiß einsehen lernet. Die
Lateiner
nennen sie Scientias, in eben der Absicht, wie sie die
Deutsche
Wissenschafften nennen, weil man die Wahrheiten weiß und
einsiehet. Und von diesen Wahrheiten behaupten wir nicht nur,
daß sie an sich ewig dauren; sondern auch, daß sie den Menschen
ewig bekannt bleiben, und sich ihnen immer mehr und mehr
entdecken werden. |
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Alle Wissenschafften, Lehren,
Wahrheiten und
Künste sind aber nicht so beschaffen, daß wir von ihnen
die Ewigkeit behaupten können. Einige sind sündlich und
unnütz, andere aber gehören nur für dieses
Leben. Beyde werden
die Seligen nicht treiben, sondern vielmehr vergessen, und aus
ihrem
Sinne verbannen. Es sind also nur einige, und zwar die
edelsten, denen wir das Vorrecht, ewig zu dauren, zuerkennen.
Wir werden sie hernach nach der Reihe nennen. Zuvor aber wollen
wir erst einige
Beweise anbringen, unsern Satz zu unterstützen. |
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Woraus schliessen wir, daß die edelsten Wissenschafften ewig
bleiben werden? Aus folgenden
Gründen: |
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1) |
Aus dem
Wesen der
Seele.
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Die Seelen behalten ihren
Verstand
und dessen erlangte Fertigkeiten ewig. Ihr Verstand wird nichts von
vorhergehenden Umständen, wie die Heyden glaubten, vergessen. Wir sehen
keine
Gründe, warum nicht sowohl die abgeschiedenen Seelen, ihren
reinen, als auch die mit dem
Cörper
wieder vereinigten, ihren sinnlichen, aber erhöheten Verstand behalten
solten?
GOtt will ja nichts unvernünfftiges im Himmel haben. Die
Seligen sollen ja vollkommener werden, folglich können sie ja keine
Vollkommenheiten
verlieren. Sie bleiben also sich ihrer selbst bewust.
Man nehme einem Gaste das
Vermögen
zu dencken; so nimmt man ihm auch seyn
Leben.
Herr Meier
in Halle, will in einem Glückwunsche an den Herrn D. Baumgarten,
nach des Denckens Vollkommenheit gar das Alter der
Geister bestimmen. |
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Die
Seelen werden also bey ihrem
Verstande nicht
unwissend, und nicht müßig seyn; sie werden ihre unendliche Zeit nicht
mit Trägheit und einerley Beschäftigung zu bringen; sondern sie werden
sich mit den edelsten
Dingen beschäfftigen, und ihren Verstand noch
immer vollkommener machen. Folglich werden sie sich der vorigen Dinge,
die zu ihrer Vollkommenheit etwas beytragen, mit Vergnügen wieder
erinnern, in viele nun erst eine rechte Einsicht bekommen: Sie werden
ihre guten Fertigkeiten vollkommener machen, werden auch dorten vieles
zur Vermehrung ihrer
Erkenntniß
vorfinden. |
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Das
Wesen eines
Geistes
bestehet im Dencken und
Wollen. Folglich behalten die Seligen ihren
freyen Willen. Dieser kan so wenig müßig seyn, als der
Verstand. Er
liebt
GOtt und andere, und wer |
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{Sp. 1507|S. 767} |
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will das leugnen? Dieses aber kan ohne
Erkenntniß
und Verstand
nicht geschehen. Je mehr der
Mensch
leben wird, destomehr muß er erkennen, und seinen Verstand gebrauchen.
Wir
reden hier vornehmlich von dem reinen Verstande und von dem
deutlichen Erkenntniß, welches die
Seele
selbst, ohne die Vorstellung der
Sinne hat. Unsere Träume lehren uns
offte, daß dieselbe nicht gering ist. Doch werden die verkläreten
Cörper
erhöhete Sinne und reinere
Affecten bekommen, und also wird der
sinnreiche Verstand nicht nur bleiben, sondern auch edler werden, und
den
Willen ohne Sünde und Irrthum bestimmen. Das alles wird die
Freude, die Verherrlichung der Weißheit und Güte
GOttes, wie auch sein Lob vermehren. |
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Zu dem
Willen gehören die
Begierden. Es werden so wohl
die reinen, als auch die sinnlichen Begierden bleiben, was aber daraus
fliesset, wird in folgenden dargethan werden. |
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2) |
aus dem
Begriffe, den wir von der
Seligkeit haben. |
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Das
Wesen der Seligkeit bestehet in dem
beständigen Genusse eines solchen vollkommensten und immer steigenden
Seelen-Vergnügens, welches vernünfftigen
Geistern
eigenthümlich zugehöret. Die Seligkeit dieser und jener
Welt ist
keinesweges dem Wesen sondern den Graden nach unterschieden. Der
Mensch
ist zum Vergnügen erschaffen; Die
Begierden sind aber der
Grund alles
Vergnügens und Schmertzens. Die Seligkeit muß demnach in der
allervollkommensten Erfüllung und Sättigung aller ihrer wesentlichen
Seelen-Begierden bestehen. Die hat
GOtt der
Seelen nicht umsonst
anerschaffen, sondern, da er sie sättigen, und dadurch den Menschen
vergnügt und glückselig machen will. |
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Und kan man nicht mehr Haupt-Gattungen der
Begierden, woraus ein sehr mannigfaltiges Vergnügen durch die Sättigung
entspringet, als diese fünffe ersinnen: |
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(1) |
Der Grund-Trieb nach Glückseligkeit oder
uneingeschräncktem Vergnügen. Dieser schliesset in sich ein Verlangen
nach Unsterblichkeit; ein Verlangen, wieder Übel gesichert zu seyn, ein
Verlangen, unaufhörlich in Beschäfftigung zu leben. |
(2) |
Die
Begierde nach
Recht
und Gerechtigkeit. |
(3) |
Die Begierde nach Freundschafft und
Liebe. |
(4) |
Die Begierde nach Vollkommenheit der
Seelen-Kräffte,
des
Verstandes
und
Willens sowohl in sich, als den andern
Geistern. |
(5) |
Die Begierde nach
Wahrheit,
Ordnung und Einsicht,
in den
Zusammenhang der Dinge. |
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Die beyden letzten gehen nun auf die
Wissenschafften, und den Wachsthum darinn. Eine jede
Begierde hat ihren
Gegenstand, den
GOtt bestimmet: darnach strecket sie sich immer mehr und
mehr, je grösser die Fähigkeiten der
Seelen werden. Es ist aber kein
Grund vorhanden, warum die Seele einmahl aufhören solte, ihre
wesentliche
Zwecke zu begehren. Ein Wachsthum in der
Erkenntniß
der
Wahrheit ist ins unendliche möglich, und ein jeder Zuwachs macht zu
mehrern fähig. Denn eine jede
Krafft, die sich durch sich selbst |
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{Sp. 1508} |
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verstärcket, wächst unendlich fort, wenn sie in
Bewegung ist. |
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Sollen nun diese
Begierden, davon wir hier
handeln, gesättigt werden, so muß es mit unendlichen
Wahrheiten und
Vollkommenheiten des
Verstandes geschehen. Da nun die zukünfftige
Seligkeit das allervollkommenste Vergnügen ist; so gehören auch die
alleredelsten und vortreflichsten Wahrheiten zum
Stande der Seligkeit,
die die Wißbegierde der
Seelen stillen. Also muß sie hier, haben und
behalten eine lebendige und sich immerdar vermehrende
Erkenntniß der
alleredelsten
Wahrheiten, deren sie nur nach ihrer Art und erhaltenen
Vollkommenheit fähig ist. |
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Man kan hiervon mehr lesen bey
Herr
Restel, im Anhange zu dem 8 Capitel des I Theils von
B. Lamy Demonstration von der Wahrheit und Heiligkeit
der Christlichen Sitten-Lehre. |
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3) |
die Gegenstände, womit die Seligen zu
thun haben werden, recht vor; so
beweisen sie eben das. |
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Der vornehmste Gegenstand ist der unergründlichen
GOtt, dann kommen seine Rathschlüsse,
Wercke, Wunder und
Geheimnisse. Das alles werden sie ja näher, und der Unbegreiflichkeit
und unerforschlichen Tiefe wegen, nach und nach besser kennen lernen.
Das ist ja eine lernende Beschäfftigung. Das vermehret die
Erkenntniß
und
Wissenschafft. |
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Dorten sind ferner viele tausend Engel und
Seeligen. Die wird man von Angesicht und auch ihren Begebenheiten nach
erkennen lernen. Eine neuere Vermehrung unserer Erkenntniß! Da werden in
den seligen Wohnungen der vollendeten Gerechten manche schöne und
herrliche
Dinge von GOtt geschaffen seyn. Da wird er einen Rathschluß
nach dem andern entwickeln. Da werden ohne Zweiffel die andern
ungezehlte
Welten und ihre Seltenheiten bekannter werden. O wie vielfach
sind die Quellen, daraus der
Verstand der Seligen seine vermehrte
Vollkommenheiten schöpfen kan! O wie mannigfaltig sind die Seligen, die
vergnügenden Dinge und
Wahrheiten, welche die Verherrlichten nach und
nach
erkennen lernen! Wie unermeßlich sind ihre Grentzen in der Länge,
Breite, Tiefe und Höhe! |
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daß es aber Stufen in der Seligkeit giebt, haben
Wat im
Tod und Himmel, Müller in den
Stuffen des ewigen Lebens, Restel in den Anmerckungen
zu B. Lamy Christlicher Sitten-Lehre, u.a.m. schon
hinlänglich
bewiesen. Man weiß ja, daß die Vollkommenheit unendliche
Grade hat, daß
GOtt immer Stuffenweise gehet, daß er unerforschlich und
unbegreiflich, daß das
Reich der
Wahrheit unermeßlich ist, daß der
Mensch
dorten auch eingeschränckt bleiben und nicht alles mit einmahl
durchschauen wird. Allzuviel Licht blendet, und es muß immer etwas
zurückbleiben, das den Seligen neue Verwunderung und Freude verursachet. |
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Die
Natur der Wissenschafften
selbst bestätiget |
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4) |
unsern Satz. Sie bestehen aus
Wahrheiten; Diese,
und vornehmlich die edleren unter ihnen stammen mit vollkommenen
Zusammenhange von
GOtt selbst her. Er wird und kan sie nicht auf- |
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{Sp. 1509|S. 768} |
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heben. Sie sind so beschaffen, daß sie dem
Verstande
ein inniges, ein erlaubtes, ein reines Vergnügen geben. Giebt es
himmlische Wahrheiten, womit der Verstand der Seeligen sich
beschäfftiget: So werden sie doch mit den
irrdischen in Verbindung
stehen, sich darauf beziehen, und sie wieder ins Gedächtnis bringen.
Denn alle Wahrheiten hangen zusammen. Die Wissenschafften sind
Vollkommenheiten, und befördern unsere Vollkommenheit. Die Seligkeit
schliest aber eine beständige Vermehrung und Erlangung einer grössern
Vollkommenheit, und eines grössern Vergnügens in sich. |
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Die Wissenschafften haben einen guten Zweck. Sie
zielen auf den
Nutzen des Nächsten, auf unsere Glückseeligkeit, auf die
Verherrlichung
GOttes. Warum solten sie aufhören? Warum sollen sie denn
nicht ewig währen? Und warum solten die Seligen darinn nicht ewig
zunehmen, weil sie darinn hier unvollkommen geblieben sind, weil die
Wissenschafften einen unendlichen Wachsthum zulassen, und weil die
Seligen bey allem ihren Zunehmen niemahls an die unumschränckte
Vollkommenheiten GOttes steigen können. |
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Es scheinet, als wenn viele
Dinge auch von den
Gegenwärtigen ausdrücklich für die Ewigkeit geschaffen worden, und mit
Fleiß dafür gesparet werden. Wie vieles ist gegenwärtig um und neben
uns, das wir nicht wissen? Wie schlecht sehen wir die kunstreichen
Geschöpffe GOttes ein? Und was ist unsern Augen nicht gäntzlich
verborgen? Soll das von uns niemahls besser
erkannt und eingesehen
werden? Hat GOtt seine
Kunst umsonst verschwendet? Das ist nicht
glaublich. Es muß also eine Zeit kommen, da wir mehr
erkennen. Das ist
die seelige Ewigkeit: Folglich steiget unsere
Wissenschafft, folglich steigen auch die Wissenschafften.¶ |
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Doch wir wollen die
Erkenntniß
und Wissenschafften selbst erwegen, welche wir der Ewigkeit zusprechen;
dadurch viele noch mehr überzeuget werden können. |
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Die Erkenntniß ist dreyfach: Die
Historische, Philosophische und Mathematische. |
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Die Historische Erkenntniß wird
sich sehr erweitern. Was werden wir für Begebenheiten von Engeln und
Menschen,
was für Begebenheiten aus dieser
Welt
von ihrer Gründung an, was für Begebenheiten aus andern Welt-Cörpern,
was für Begebenheiten der Ewigkeiten hören und
erfahren? Und wenn auch
alle Weissagungen erfüllet sind; So können mehrere Weissagungen abermahl
unsere
Erkenntniß
vermehren. Denn es ist wohl zu glauben, daß
GOtt noch mehrere Geheimniße und Wunder habe, die er in
jener Welt noch uns entdecken und entwickeln wird. |
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Nach der
Philosophischen Erkenntniß,
da man einsiehet, wie und warum ein
Ding möglich ist, werden
wir ungemein zunehmen. Wir werden das
Wesen, die Möglichkeit und
Ursache
so vieler Dinge deutlicher einsehen, bessere Merckmahle angeben können,
und richtiger schliessen. Denn alles werden wir nicht, wie
GOtt,
intuitive, ein- und durchschauend
erkennen. Es werden also die vielen Irrthümer und Streitigkeiten, die
vielen
Meynungen und Muthmaßungen wegfallen. Viele
Wahrscheinlichkeiten werden gewiß werden. Wir werden den
Zusammenhang
mehrerer Wahr- |
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{Sp. 1510} |
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heiten vollkommen einsehen. Wir werden die
Aussprüche GOttes vollständiger
verstehen. |
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Nach der Mathematischen
Erkenntniß, da man auch die
Verhältnisse der
Dinge angeben, und alles
genau bestimmen kan, werden die Seeligen vollkommener werden. Denn
werden sie erst vollkommen einsehen, wie der Schöpffer alles nach Zahl,
Maaß und Gewicht erschaffen habe. Denn werden sie die Höhe und Tiefe,
die Länge und Breite der Rathschlüsse und der
Liebe Christi zum
wenigsten vollkommener einschauen, wenn sie gleich noch nicht alles zu
begreiffen fähig sind. Denn
GOtt ist an sich wohl, als in seinem Rath
und
Wercken ewig unergründlich, unermeslich, unbegreifflich. |
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Lasset uns auch die Wissenschafften
selbst erwegen, welche, unserer Einsicht nach, im ewigen
Leben statt
finden können.¶ |
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Von den
Sprachen. welche
eigentlich nicht zu den Wissenschafften gehören, wollen wir nicht mehr,
als dieses setzen; daß sie bleiben können. Die Seeligen werden nicht
stumm seyn, sondern ihre Zunge in einer Sprache gewiß zum Lobe
GOttes gebrauchen. Was das für eine Sprache sey, wollen und
können wir nicht entscheiden. Gesetzt es ist die
Hebräische: So wird sie
doch mit so vielen
Wörtern und Benennungen der unsichtbaren
Sachen, mit
bestimmten Wörtern und
Arten zu
reden bereichert seyn, daß sie sich
nicht mehr ähnlich ist. Die werden alle
Einwohner der Seeligkeit
verstehen, und dadurch wird ihre Wissenschafft sehr vermehret werden. |
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Was aber die andern hier üblichen
Sprachen
betrifft: So gedencken wir dis davon. Bleibt die Seeligkeit sich ihrer
bewust, wird sie nicht unvollkommener werden, haben wir mit allerley
Völckern
von allerley Sprachen Gemeinschafft: So werden nicht nur allerley
Sprachen bekannt seyn, sondern auch, aber mit leichter Mühe, verstanden
werden.
GOtt hat zwar die Vielheit der Sprachen den
Menschen
zur
Straffe
eingeführet; sie aber doch hernach öffters zu seiner
Ehre
und Werckzeuge gebrauchet, und es ist zu vermuthen, er werde die
mancherley Sprachen auch in jenem
Leben, da sie nun einmahl sind und
nutzen können, zu seiner Verherrlichung und zum Vergnügen der Seeligen
anzuwenden wissen. Doch, das ist eine Muthmassung, darüber wir nicht
streiten wollen.¶ |
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Von den
Sprachen kommen wir auf die
Wissenschafften selbst, und zwar erstlich zu den so genannten
schönen Wissenschafften. Werden die Seeligen das Lob GOttes
verkündigen; so wird ihnen die Redekunst nicht
unbekannt seyn. Sollen sie
GOtt Lob-Lieder singen und spielen; so werden
sie an der vollkommensten Dicht- und Tonkunst ihr Vergnügen finden, und
desto vollkommener darinnen seyn, je erhabener und reiner die
Gemüths-Kräffte, der
Verstand, die
Einbildungs und
Beurtheilungs-Krafft sind. |
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Die
Sitten unter den vollendeten
Gerechten werden erst recht vollkommen heilig und liebenswürdig seyn.
Und die Geschichte mit ihren
Töchtern, der
Zeitrechnung, den Alterthümern, der
Erdbeschreibung, die Geschlecht-Register der
Seeligen, so ferne sie in jene
Welt
gehören, und darinn dienen, werden alsdenn eine anmuthige Beschäfftigung
seyn, erst recht zur Gewisheit |
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{Sp.1511|S.769} |
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und Vollkommenheit gebracht, und erst recht zur
Ehre und Danksagung GOttes gebraucht werden.¶ |
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Was die
Weltweisheit oder
Weisheit anbetrifft: So ist
GOtt der Allerweiseste warum sollen die Seeligen ihm nicht
noch ähnlicher werden? Ihre
Vernunfft werden sie denn erst recht gebrauchen. Die
Begriffe werden klärer, deutlicher, vollkommener und vollständiger seyn:
Folglich werden sie auch mehrere und gewissere Aussprüche thun, und
richtiger schliessen können. An der
Wahrheit werden sie ein grosses und
erlaubtes Vergnügen finden. Sie werden sie unpartheyischer
lieben,
besser und reichlicher
erkennen, und nicht gezwungen werden, sie zur
Rechten und zur Lincken, wider Irrthümer, Vorurtheile und falsche
Scheingründe mühsam zu vertheydigen. Folglich werden sie ihren
Verstand
genug und recht gebrauchen. Sie werden sich die heilsamsten
Endzwecke
vorsetzen, und die besten Mittel erwählen, und niemahls abweichen oder
irren, noch gehindert werden. |
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Ohn allen Zweiffel werden die Seeligen die
Grund-Lehre, oder die rechten
Gründe aller
Dinge, die
Lehre von dem Weltbau, die Naturlehre,
die Sternkunst, die Meskunst mit ihren
Theilen, die Geisterlehre, die natürliche
Theologie, die
Sittenlehre, das
Recht der Natur vollkommener einsehen, und sich
damit auf eine den verklärten
Geistern anständige Weise gern zum
Vergnügen, und zum Preiß ihres Schöpffers beschäfftigen. Insonderheit
wird ihnen die Lehre von den Geistern
erst recht bekannt werden. Die unzähligen Welt-Cörper, ihre natürliche
Beschaffenheit, ihre
Einwohner, ihre
Verknüpffung unter einander, und
die
Natur der Dinge, die auf unserem Balle befindlich, und die uns
grossen Theils noch unbekannt sind, werden ihnen bekannter und jederzeit
als
Wercke der Allmächtigen Weisheit eine
angenehme Beschäfftigung seyn.¶ |
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Was die höhern Wissenschafften
betrifft, so werden zwar keine
Ärtzte nöthig seyn, weil dorten keine
Kranckheiten statt finden. Jedennoch werden diejenigen, welche hier
Ärtzte gewesen, kein geringes Vergnügen
empfinden, wenn sie in die
Natur
eine tieffere Einsicht bekommen. Man wird keine Rechtslehrer
gebrauchen, die Gerichts-Tage halten, und streitige Partheyen
entscheiden, weil Zänckereyen und Proceße hier wegfallen. Dennoch werden
sie eine tieffere Einsicht in die vollkommenste
Rechte
GOttes und in ihrem Zusammenhang erlangen, und sich darüber
vergnügen. |
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Und die Gottesgelahrheit, die Schriftauslegung,
die Christliche
Sittenlehre, die
Gründe und
Erkenntniß
dessen, was in der Theologie wahr oder falsch ist, werden hier erst zur
Vollkommenheit gebracht werden, und ein
angenehmer Gegenstand der
Betrachtung ewig bleiben. Es wird auch nicht an einer
Art der
Lehrer und
Vorgänger in dem
Dienste
und Lobe GOttes fehlen, doch so, wie es der
Zustand der vollendeten
Gerechten zulässet. |
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Sind das nicht Beschäftigungen genung, die zu den
Wissenschafften gehören? Können wir denn also nicht den Satz, daß die
Wissen- |
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{Sp. 1512} |
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schafften ewig sind, ja daß sie noch immer
vollkommener werden und ewig steigen, behaupten und vertheidigen?
Paulus bestätiget unsere
Gedancken,
und giebt ihnen ein rechtes Gewichte, wenn er
1 Cor. XIII, 8.
also nach seiner
Sprache
schreibet: |
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„Die Liebe hört nimmer
auf, wenn auch die Weissagungen aufhören werden, oder die Sprachen
aufhören werden, oder das Erkenntniß aufhören wird, (wenn man nemlich
zur grösseren Vollkommenheit gelanget,) denn unser jetziges Wissen ist
Stückwerck, und unser Weissagen ist jetzo nur Stückwerck. Wenn aber das
Vollkommene kommen wird; so wird das Stückwerck aufhören. Da ich ein
Kind war, da redete ich wie ein Kind, und war klug wie ein Kind, und
machte kindische Schlüsse; da ich aber ein Mann ward, that ich ab, was
kindisch war. |
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(So wird es alsdenn auch gehen. |
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„Wir sehen jetzo durch
eine dunckele Fenster-Scheibe in einem Gleichniß: Denn aber von
Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ichs Stückweise von vielen: Denn
aber werde ichs erkennen, nachdem ich ein grösseres Vermögen zu erkennen
erlanget haben werde.„ |
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Die
Worte recht einzusehen, so müssen wir noch
folgende Anmerckungen dazu machen: |
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1) |
Paulus behauptet, die
Liebe höre
in Ewigkeit nicht auf, wenn auch das edelste in der
Welt,
Weissagungen,
Sprachen und
Erkenntniß
aufhören würden. Hiermit behauptet er noch nicht, daß sie aufhören
werden; sondern er setzet nur den Fall. |
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2) |
Weil er aber diesen Fall gesetzet hatte; so nimmt
er Gelegenheit, im folgenden zu zeigen, in welchem
Verstande sie aufhören, und wie sie nicht aufhören würden.
So wenig also die
Erkenntniß an sich aufhören wird; so wenig werden auch
die Weissagungen und
Sprachen aufhören. Unsere Erkenntniß ist nur
Stückwerck, das ist, nach dem Syrischen Übersetzer, wir
erkennen jetzt
nur wenig von vielen, und weissagen auch nur wenig von vielen. Wenn aber
das Vollkommene kommen wird, denn wird das Wenige und das Stückwerck
aufhören, dagegen wird das viele da seyn. Folglich werden wir vieles
erkennen, und vieles weissagen. |
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3) |
Weissagen kan entweder die Auslegung der
Schrifft
und der Wege
GOttes bedeuten; denn diese Gabe wird vollkommen da seyn;
oder die Gabe zukünfftige
Dinge zu wissen. Diese zukünfftige Dinge
können hier schon in der Schrifft dunckel angezeiget worden seyn, oder
dorten erst offenbaret werden. Wir können doch behaupten, daß die Gabe
der Weissagung vollkommener seyn werde. In der Ewigkeit werden noch
viele Geheimnisse, Wunder und Heimlichkeiten erfüllet werden, die zum
Theil schon hier in der Schrifft angedeutet worden, oder noch zuvor
eröffnet werden dürfften. Den GOtt hat immer die Weise gehabt, daß er in
dem gegenwärtigen Zeitlauffe, die Begebenheiten des nächstfolgenden
vorher angezeiget hat, davon er in dem nächst vorhergehenden entweder
gar geschwiegen, oder nur dunckele Anzeigungen gegeben hatte. In der
Ewigkeit werden wir also, was die Schrifft offenbahret, völlig
erkennen
und auch von den zukünfftigen Zeitläufften mehrere Offenbahrung
erlangen. Mithin kan Paulus
sagen, daß wir alsdenn mehreres weissagen
werden. |
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{Sp. 1513|S. 770} |
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Sache mit einem Gleichniße. So wie sich die
Erkenntniß
eines
Kindes gegen die Erkenntniß eines
Mannes verhält; so würde sich
die gegenwärtige Erkenntniß gegen die zukünfftige verhalten; Und so wie
bey den männlichen Jahren nicht das aufhörete, was man in der Jugend
gelernet hätte, sondern nur die Fehler und Unvollkommenheit; so würde
gleichfalls dorten nur das letzte ein Ende haben, und nicht das, was wir
hier gründliches und nützliches vor uns gebracht haben. Paulus
lässet also hier die Anwendung aus, gleichwie er im 10 Vers nicht
gesaget hatte, was denn an statt des Stückwercks da seyn würde: weil es
sich von selbsten
verstehen läst. |
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5) |
Im 12 Vers nimmt er das Gleichniß her von den
dunckeln Fensterscheiben derer Alten, die von dünnen Stein waren, und
also nur ein dunckeles Licht gaben. Hier hätten wir nur ein dunckeles
Licht, nur Gleichnisse und gewisse Merckmahle, daraus wir schliessen;
dorten aber würde unserer
Erkenntniß mehr beschaulich und intuitiva
seyn. Vieles werden wir denn mit Augen vor uns sehen, das wir uns hier
nicht recht vorstellen können: indessen wird noch manches aus gewissen
Merckmahlen erkannt werden müssen. |
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6) |
Die letzten
Worte werden am besten so übersetzet:
Daß wir alsdenn mehr
erkennen werden nach dem Grade, darinn unsere
erhöheten
Kräffte
alsdenn stehen werden. Ein jeder wird also seinen besondern Grad haben,
der von dem vorigen
Leben abhänget, und nach dem wird er auch erkennen
und immer zunehmen. Petrus
schreibet im
1 Brief, I,
12. daß es den Engeln gelüste, das Erlösungs-Werck einzuschauen. Also
können die Engel in der
Erkenntniß wachsen, und haben ein Verlangen
darnach: Warum nicht auch die menschlichen
Geister?
Werden also unsere Wahrscheinlichkeiten durch Pauli und
Petri Zeugnisse
nicht Gewißheiten?¶ |
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Von menschlichen Zeugnissen wollen wir nur den
unvergleichlichen Engelländer J. Wart anführen, der
statt aller seyn kan. Er handelt in seinem Tod und Himmel so
weitläufftig davon, daß wie hier nur die vornehmsten Sätze kurtz
beybringen können. Er beschreibet p. 59. die Vollkommenheit der
Geister der Gerechten im Himmel mit
Recht
als einen sehr vortrefflichen Grad derselben geistlichen und himmlischen
Eigenschafften und Seligkeiten, welche sie bereits hier auf
Erden
in einem geringern Maaße genossen haben, ohne alle Mängel und
Unordnungen. Dahin gehöret also vor allen
Dingen eine grosse Vermehrung
der
Erkenntniß
ohne Irthum, und in dem
Sinne ist sie Vergleichungsweise vollkommen. Ein
Theil der Seligkeit bestehet in der Beschaulichkeit. Da wird man das
herrlichste Wesen,
GOtt selbst, sehen und seine
Wercke tiefer einschauen. Es
wird nicht mehr bloß eine
vernünfftige
durch
Schlüsse oder Erzehlungen erlangte Erkenntniß, sondern eine solche
gewisse seyn, als wir von einem
Menschen haben, wenn wir sein Angesicht
sehen. So sehr das Licht der Offenbahrung das natürliche Licht
übertrifft, so sehr wird jene Erkenntniß diese übertreffen;
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Und p. 82 u.ff. Dorten ist eine solche Vollkommenheit, die eine
grosse Mannigfaltigkeit, der Geschäffte und Ergötzlichkeiten zulässet,
nach der mannigfaltigen
Art und Beschaffenheit jedes
Geistes. Es giebt
wesentliche Unterschiede der
Gemüths-Arten |
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{Sp. 1514} |
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unter den
Geistern
selbst in ihrer eigenen
Natur.
Denn in der sichtbaren
Welt ist eine solche Mannigfaltigkeit. Sollte
aber diese Mannigfaltigkeit allein in der unbeselten und unvernünfftigen
und thierischen Welt ausgeschüttet, und nur allein die Geister-Welt
davon ausgeleeret seyn? In der Geister-Welt sind verschiedene
Ordnungen
der Engel, die an Gaben, Neigung und
Ämtern unterschieden sind. So ist
es auch mit den
Seelen.
GOtt hat ihren Durchgang durch die Welt zu einem
Mittel bestimmet, um sie zu mancherley Stellen und
Bedienungen in der
unbekannten Geister-Welt tüchtig zu machen. Also bringen die
Abgeschiedenen verschiedene Neigungen zu mancherley Ergötzungen und
Geschäfften mit sich. |
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Moses und David werden vielleicht
Leiter einer gewissen Versammlung, und David überdem
Meister in der himmlischen Music seyn. Die geheiligten
Weltweisen werden
weit
geschickter seyn, als andere, die Weißheit GOttes an den
Wercken
seiner Hände zu betrachten und zu lehren. Die, welche sich mit
Betrachtung
GOttes und der
Geister beschäfftiget, werden noch immer an
solchen Übungen ein Vergnügen finden; und es weiter, als andere darinn
bringen. Die, welche die Lehre von der
Person,
dem Amte und der Gnade Christi hier mit Fleiß getrieben, die haben
dadurch eine besondere
Geschicklichkeit erlanget, die himmlische
Erleuchtung von diesem Geheimnisse mehr, als andere zu empfahen. So auch
mit andern. Wir müssen uns aber im Himmel eine solche Vollkommenheit
vorstellen, wobey gar wohl verschiedene Stuffen in einerley Seligkeit
nach den unterschiedenen Fähigkeiten der Geister, und in ihren
verschiedenen Stuffen der Zubereitung, statt haben kan: Eine solche, die
mit steten
Veränderungen der Geschäffte und Ergötzlichkeiten auch in
einerley Geiste oder Person bestehen kan. |
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Die Seligen werden nicht immer gantz stille sitzen. Sie werden der
Beschaulichkeit ergeben seyn: aber dabey doch manche Geschäffte haben.
Sie werden
GOtt auf verschiedene Weise dienen, es werden auch
verschiedene Zeiten dazu seyn. Sie werden allerley nützliche und
erbauliche Unterredungen halten, allerley selige Betrachtungen und
Untersuchung anstellen. Ihre
Gedancken
werden auf die
Bücher der
Natur
und Offenbahrung, auf GOttes
Regiment und ihre
Pflichten gerichtet seyn. Sie werden
zuweilen in andere planetische Welt-Cörper
reisen und von ihrem
Zustande
sprechen. Es wird verschiedene
Ehren-Stellen,
Würden
und Ämter
geben. Die Geschickteren werden Unvollkommeneren vorgesetzet werden. Es
wird sich immerdar was Neues und
Angenehmes hervor thun: Und ihre
Vollkommenheit wird immer eine stätige Vermehrung zulassen. Sie werden
wachsen in der
Erkenntniß,
Heiligkeit und Freude. Das wird |
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1) |
erwiesen aus der
Natur unsers
Verstandes.
Diesen werden wir nie verlieren. Dieser aber schliesset immer mehr aus
bekannten Sätzen, und wird nie alles mit einmahl übersehen lernen. Damit
wird eine
empfindliche Lust
verknüpffet seyn, weil kein Irthum mehr
statt findet. |
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2) |
Aus der Einschränckung unserer Verstandes-Kräffte auch in dem besten
Zustande, unmöglich alles mit einander durchschauen, fassen, geniessen
und behalten können. |
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{Sp. 1515|S. 771} |
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3) |
Aus der Mannigfaltigkeit der
Dinge, die ihnen dargestellet werden.
GOtt sowohl, als seine
Wercke, sind unendlich in der
bekannten und unbekannten
Welt.
Mit einmahl können sie selbe nicht fassen; Solten sie darinn nicht
zunehmen; so haben wir hier mehr
Vortheile als sie. |
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4) |
Es werden sich noch viele
Dinge im Himmel und auf
Erden
zutragen, daran die Seligen einen grossen Antheil haben. Vorher können
sie selbe nicht alle wissen. Folglich müssen sie in der
Erkenntniß
zunehmen, wie sonderlich die Offenbahrung Johannis darthut. |
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5) |
Am Auferstehungs- und Gerichts-Tage werden ja die Seligen viel
Vollkommener werden und mehr
erfahren. Und hierdurch wird die Liebe zu
GOtt, die Ähnlichkeit mit ihm, die Heiligkeit und Freude vermehret
werden. |
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Alles dieses ist von unserem Verfasser starck
bewiesen worden. So bleiben denn
die edelsten Wissenschafften, die edelsten
Wahrheiten, die Liebe darzu, die
Erkenntniß derselben, und der Wachsthum darinnen ewig. Die Seligen werden also
ewig dencken, nachsinnen, schliessen, lernen, lehren und mit einem
Worte,
studieren.¶ |
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Aber wie wird das geschehen? Dieses soll in folgenden erkläret
werden. Es wird nemlich ihr
studieren von den unsrigen in vielen Stücken
unterschieden seyn. Sie werden |
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1) |
nicht studiren aus eigentlichen
Büchern.
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Das
Buch der
Natur,
das Buch der Offenbahrung, das Buch der
Regierung
GOttes, wird ihnen zwar manche schöne Lection geben. Allein
das sind nur uneigentliche
Bücher. Die eigentlichen Bücher werden mit
dieser
Welt
verbrennen; und stehet dahin, ob GOtt die
H. Schrifft
in Buchstaben verfasset aufbehalten werde? Wurde das Gesetz-Buch im
Allerheiligsten beygelegt; War die Hütte ein Bild des Himmlischen: so
läst sich daraus schliessen, daß dieses Buch auch in der Ewigkeit zu
finden seyn werde. Die andern Bücher werden aber, ohne
Nachtheil der
Wissenschafften, als das Stückwerck mangeln können. Solte man alle
Wahrheiten aus allen Büchern ausgezogen haben; so würden sie eben kein
gar so grosses
Werck ausmachen. Um die ist es uns nur zu thun. Die
werden so viele vollendete und ewig lebende
Geister ohne Mühe behalten,
erhalten und anwenden können. Folglich kan man die nützlichen Bücher
eben sowohl als die unnütze und zur Welt gehörigen entbehren. Wird man
also im Himmel nicht aus Büchern
studieren: so wird man durch
Erfahrung,
durch Beschauung, durch Nachsinnen und Schlüssen studieren. Das sind
vier reiche und unerschöpffliche Quellen des Wachsthums der
Erkenntniß. |
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2) |
Man wird studieren ohne
Mühe und
Verdruß. Niemals
werden die Seligen träge und schläfrig seyn, niemahls werden sie durchs
Fleisch und sündliche
Dinge gestöret und abgehalten werden. Es wird
immer Lust und Liebe ohne Ermüdung da seyn. Sie werden alles gleich
fassen, behalten und sich besinnen können, und nie vergessen, was sie
gelernet haben. Sie werden
studiren, und, daß wir recht
sagen, arbeiten,
wie Adam im Paradiese, mit Lust, mit Vergnügen, ohne Sünde, ohne
Beschwerde. |
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Denn ihre Fähigkeiten werden sehr erhöhet, die
Gelegenheiten vortheilhaffter, die Schwachheiten und Unvoll- |
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{Sp. 1516} |
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kommenheiten aber abgestellet seyn. Doch wird ein
jeder seiner Neigung und
Gewohnheit nach sich mehr auf seine besonders
beliebte Wissenschafften legen, und es darinn höher bringen, als in
andern, welches J. Wat noch mit mehrern erweiset. |
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3) |
Die Seligen werden ohne Irthümer und
Vergessenheit
studiren, welches das vortreflichste ist. |
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Denn das Unvollkommene ist verschwunden. Sie sind
auch in solchen Umständen, daß sie bald zur völligen Gewißheit gelangen
können. Sie werden mit Widerlegen und Erweisen nicht beschäfftiget seyn
dürffen, ihre
Wahrheiten weit leichter, geschwinder und sicherer ohne
Furcht, Haß, Scheu und Widerspruch ausbreiten können, und nicht
befürchten dürffen, daß sie von andern angegriffen, beurtheilet,
gehasset oder widerleget werden. Ist das nicht ein seliges, ein
vortrefliches, ein erwünschtes Studieren? Solte uns nicht danach
verlangen? Kan man also nicht von einem verstorbenen Gelehrten
sagen: er
sey auf die höchste
Universität gezogen; die aber herrlicher ist, als
sich die Juden selbige vorstellen.¶ |
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Es fragt sich noch, wie es mit den Wissenschafften in der unseligen
Ewigkeit, unter denen Verdammten stehen werde? Aus obigen
Gründen kan
man nicht annehmen, das verdammte
Gelehrte alle ihre Wissenschafften vergessen
werden. Sie werden ebenfals noch
Erkenntniß
und Wissenschafften besitzen, zu dieser und jener Wissenschafft vor andern
geneigt seyn, sie werden
erkennen, dencken, schliessen. Ihre historische,
philosophische und mathematische Erkenntniß wird sich auf mancherley Weise
erweitern, und sie werden darinn zunehmen. |
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Denn sie leben in einer grossen
Gesellschafft, darinn sie vieles hören und erleben. Sie können die
Natur
der Engel besser kennen lernen. Sie lernen die Wege und gerechten
Gerichte
GOttes. Sie werden auch nicht in einer einfachen Ewigkeit
seyn. Es werden wohl
Veränderungen vorgehen, da durch die
Erkenntniß
erweitert
wird, und daraus sie mehr schliessen werden. Allein das wird mit vieler Pein,
Verdruß und
Irthum
verknüpffet seyn, und nicht zum Vergnügen und Verherrlichung
GOttes gereichen. Über diesen Ausdruck hat der
Herr Legations-Rath
Matheson folgende
Gedancken
gehabt: |
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„Die Erweiterung der Wissenschafften bey denen
Unseligen hat gantz gewiß ihren Grund, und gereichet ohne alle Ausnahme auch
wider ihren Willen, zur göttlichen Verherrlichung, aber so wenig zum Vergnügen
derer Verdammten, daß dadurch vielmehr ihre unaufhörliche Quaal, nach dem Maaße
und Zunehmen des Erkannten, man rede nun davon in abstracto oder concreto, nur
immer je länger je mehr vergrössert wird. Ihr gantzer jämmerlicher Zustand
beruhet eigentlich auf dem Bewust seyn, und ohne sich disseits mit einer tiefern
Einsicht in dergleichen weitgehende Dinge zu schmeicheln, liesse sichs noch
endliche wohl sagen: daß, wenn eine unendliche Seligkeit unendliche Stufen
himmlisch erfreuender Wissenschafften und erweiternder Erkenntnisse mit sich
führet, nothwendig auch nach denen Regeln eines ausdrücklichen Gegensatzes, in
der ewigwährenden Verdammniß ebenfals ewig höher steigende |
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{Sp. 1517|S. 772} |
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Grade höllisch kränckender Erfahrungen und stets anwachsender verhängter
Begriffe zu finden seyn müssen. |
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Die allergröste Marter selbst bestehet wohl vornehmlich in dieser
immerfortschreitenden Vermehrung des Wissens. Je mehr Wissens u. Gewissens, ie
mehr Hertzeleid, Angst des Geistes, Reue und Pein. Ein bloses Mißvergnügen
reicht hier nicht zu. Sind unter andern jene nachdrückliche Reden im Buch der
Weisheit V. glaubwürdig daß nemlich die Gottlosen grausamen erschrecken werden
vor solcher Seeligkeit derer Gerechten, der sie sich nicht versehen hätten; so
folget allerdings daraus eine ungemeine Erweiterung ihrer Wissenschafften und
Erkenntniß, welche sich, der grossen Klufft ungeachtet, dennoch sichtbahrer
Weise, nach dem Beyspiel des reichen Mannes, auf die grosse Freudigkeit der
Seeligen selbst erstrecket, folglich auch eben so, wie diese, stets
erschrecklich zunehmen muß. Denn sie lassen sich ja deutlich und sehr besonders
heraus, daß sie von der glückseligen Zahl der Kinder GOttes und von dem Erbe
unter den Heiligen genauer, als ihnen lieb ist, unterrichtet sind. Das will
schon viel sagen.„ |
Bareuthische Gelehrte Zeitung 1745, p.
164. |
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Ja es wird vielmehr ihre Unruhe, ihre Marter und Pein vermehren. Und wenn sie in
Sünden fortfahren dürfften; so würden die sündlichen, die unnützen
Wissenschafften auch bey ihnen Beyfall finden und ihre Pein vermehren müssen.
Denen, die was gutes
erkennen, wird es desto mehr Schmertz, Vorwurf und
Verantwortung verursachen. Und die, welche
böse und unnütze
Dinge geliebt,
werden auch durch die Folgen dafür
gestraffet werden. Mehr läst sich davon nicht
bestimmen;
GOtt bewahre auch alle, daß niemand nichts davon an sich
selbst
erfahre. |
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Man lese hierbey den
Artickel: Teuffel, im XLII
Bande, p. 1543 u.ff. |
Vorstehendes aber ist genommen aus George Venzky kleinen
Schrifft
die er betittelt: Die Wissenschafften sind ewig: folglich sind weise Gelehrte
vor andern glücklich, Prentzlau 1745 in 4. Sie stehet auch in den
Actis
Scholasticis, VI Band, p. 195 u.f. |
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