|
Text |
Quellenangaben |
|
Es wird auch hier die
Frage zu beantworten
seyn: Ob man vor die Verstorbene beten |
|
|
{Sp. 2148} |
|
|
müsse? Wir haben zwar oben schon einige
Meynungen davon angeführt, hier
wollen wir aber
dieselben wiederlegen, und die
Irrthümer der
Papistischen Kirche aufdecken. |
|
|
Die
Historie dieses
Gebrauchs hat
M. Joh.
Frid. Mickelius in Memoria defunctorum …,
Darmstadt 1735, sehr
geschickt abgehandelt.
Nachdem er erzehlt, wie liebreich die
Heyden sich
gegen ihre Toden bezeiget hätten, gedenckt er der
heutigen
Jüden Wünsche und Gebet für dieselben,
ohngeachtet dergleichen Gebet vor Christi Geburt
nicht üblich gewesen, ingleichen meldet er wie auch
die Türcken für die Verstorbenen beteten. |
|
|
Zu Anfange des III
Jahrhunderts haben die
Christen
angefangen besonders für die Toden zu
beten. Sie haben
jährlich an dem
wiederkommenden Sterbe Gedächtniß-Tage den
Armen einige Gaben ausgetheilet, worauf das
öffentliche Beten für die Toden erfolget ist. Dieses
ist auch von ihnen für die Patriarchen, Propheten,
Apostel, Märtyrer, und die Jungfrau Maria
geschehen. Daß die Griechen noch heutiges
Tages
vor die Verstorbenen bitten, haben wir oben schon
angeführet. Doch haben die
Alten ihr Gebet vor die
Verstorbenen niemahls aus
Furcht für einem
Papistischen Reinigungs-Feuer
verrichtet. |
|
|
Es kan aus den
Scribenten des III Jahrhunderts
bewiesen werden, daß die alten Christen ihre
Verstorbene
GOTT anbefohlen und vor sie gebetet
haben. Tertullian ermahnet eine
Wittwe de
Monogam. …, daß sie vor die
Seele ihres
verstorbenen Mannes beten, und jährlich an seinem
Sterbe-Tage opffern
solte. |
Augustin de cura pro mortuis
… |
|
Daß das Fegefeuer daher keinen
Grund habe,
sehen wir daraus, weil der Priester in der Liturgie
des Chrysostomus … vor die Patriarchen,
Propheten, und Apostel, und insonderheit vor die
heilige Maria betet. |
|
|
Die alten Christen haben ohne
Zweiffel vor die
Verstorbenen darum gebetet, |
|
|
1) |
damit sie beweisen
möchten, sie
glaubten, daß die Seelen unsterblich,
und die Verstorbenen vor GOtt
lebeten. |
|
Epiphanius Haeres.
… |
|
2) |
damit sie bezeugten, daß
die seligen Seelen noch nicht die
völlige Seeligkeit
erlanget hätten, sondern erst nach der Auferstehung
der Toden überkommen würden; |
|
|
|
3) |
Sie haben ihre
Liebe gegen
die Gläubigen, wie im Leben also auch nach ihrem
Tode zu
erkennen gegeben. |
|
Urban Regius de formulis
caute loquendi. |
|
Die Evangelischen Bekenner
sagen in der
Apologie ...: Scimus, veteres loqui de oratione pro
mortuis, quam nos non prohibemus. |
|
|
Dorscheus sagt in
tractat. de Missa …: Die
Gläubigen hätten auch die genaue Gemeinschafft
mit der in Christo triumphirenden Kirche, und das
Verlangen nach dem heiligen und ruhigen Zustande
bezeugen wollen. |
|
|
Wenn auch die alten
Bischöffe vor die Selig-Verstorbenen beteten, so erklärten sie die
Gnade,
welche GOtt diesen Selig-Verstorbenen verheissen
hatte. |
Man besiehe hiervon den
Verfasser der Constitut. Apost. … ingl. Dionysius
Areopagita Eccles. Hierarch. |
|
{Sp. 2149|S. 1088} |
|
|
|
... |
|
Dem ohngeachtet aber bleibt ein unendlicher
Unterschied zwischen der Art und Weise, wie die
ersten Christen vor die Verstorbenen gebetet
haben, und zwischen derjenigen, wie es die
Papisten zu
thun pflegen. Es ist bekannt, daß die
Römische Kirche das Gebet vor die Verstorbenen
bis auf den heutigen Tag mit der grösten Hitze
vertheidiget habe. Sie legen diesem Gebete eine
besondere Krafft
bey, und lassen sich von ihrer Meynung nicht abbringen, weil darauf das
Fegefeuer, und folglich der
ansehnlichste
Theil ihrer
Einkünffte gegründet ist. |
|
|
Bellarmin, die Stütze und der eyfrigste
Verfechter der Römischen Kirche, hat sich alle
ersinnliche Mühe gegeben, diese Lehre … de
Purgatorio … fest zu setzen. Er berufft sich
deswegen auf eine Stelle aus 2. Maccab. XII. 43.
u.f. und glaubt, dieser
Beweiß sey kräfftig genug,
die Ungläubigen zu überzeugen. |
|
|
Allein er hat sich gleich dadurch auf der schwachen Seite gezeigt. Warum hat
der Cardinal nicht von Mose und den Propheten den
Anfang zu
Bestätigung seiner Lehre gemacht? warum muß er
zu einem Apocryphischen Buche, zu den
Maccabäern, seine Zuflucht nehmen? gleichwohl
hat er sich nicht anders zu helffen
gewußt, da in
allen Canonischen Büchern weder einer Vorbitte vor
die Toden, noch des Fegefeuers Erwähnung
geschiehet. |
|
|
Wenn wir aber auch diese Stelle wolten mehr
gelten lassen, als ihr
wircklich von Rechtswegen
zukommt, so wird man doch daraus nichts beweisen
können, was sie doch beweisen soll. Wir finden im
gantzen Zusammenhange kein Fegefeuer. Und was
ist dieses ausser dem vor ein
Schluß: Die Jüden
haben dazumahl vor die Erschlagenen gebeten;
daher müssen die Seelen der Verstorbenen im
Fegefeuer gewesen seyn. |
|
|
Diese Folge ist nicht richtig. Wie folgt denn
dieses: Judas hat vor die Verstorbenen nach ihrem
Tode gebeten; also ist ein Fegefeuer. Warum
schließt man nicht lieber also: Judas hat vor die
Verstorbenen gebeten, daher können die Gottlosen
aus der Hölle errettet werden. Denn es ist
ohnfehlbar gewiß daß die Gottlosen in die Hölle und
nicht ins Fegefeuer kommen. Die Papisten wollen
zwar diesen letztern Schluß nicht einräumen, sie
halten ihn vor
falsch, weil die Gottlosen nach
diesem Leben nicht konnten gereiniget
werden. |
Bellarmin l.c.
… |
|
Aber eben deswegen stehet es mißlich um die
Wircklichkeit ihres Fegefeuers. Denn solchergestalt
haben die Erschlagenen ja nicht in dasselbe
kommen können, weil ausdrücklich gemeldet wird,
daß sie wegen ihrer Gottlosigkeit und
Sünden
erschlagen worden wären. Am andern Tage
darnach kamen sie zu Juda, wie der
Zusammenhang 2 Maccab. XII, 39. zeigt, daß sie
ihre Toden holeten, und bey ihren
Vätern
begrüben. |
|
|
Da sie nun dieselben auszogen, funden sie bey
jedem Erschlagenem unter dem Hemde Kleinodien
von den Götzen aus Jamnia, welches den Jüden im
Gesetz hart verboten war. Da ward es für
jedermann offenbar, warum diese erschlagen
worden wären. Hier stehet es ja klar, daß diese
Erschlagenen, auch nach den Lehren der Papisten
nicht haben im Fegefeuer seyn können, weil sie in
gro- |
|
|
{Sp. 2150} |
|
|
ben würcklichen Sünden gestorben sind. |
|
|
Was will der Cardinal hierwieder einwenden?
schläget er sich nicht mit seinem
eigenem
Schwerdte? Über dieses schreibt auch der Papiste
Sanctius über dieses
Capitel, daß erwähnte
Jüden Todsünden begangen hätten und also als
Gottlose gestorben wären. Wie solten nun diese
Leute haben ins Fegefeuer kommen können,
welches nach ihrer eigenen Lehre ein Aufenthalt der
Frommen keinesweges aber der Gottlosen ist.
Bellarmin wendet zwar ein: Ihr Zustand wäre
ungewiß gewesen, dennoch aber hätte man vor sie
beten können, ob sie gleich alle verdammt worden
wären, |
Tom. II. … |
|
Ist es aber wohl nach der
Heiligen Schrifft
erhört; daß diejenigen so in Todsünden gestorben,
nach ihrem Tode in einem ungewissen Zustand
haben gerathen können? Und wie kömmt es, daß
der Cardinal die bekannten Lehrsätze seiner Kirche
auf einmahl vergißt, daß das Fegefeuer nur vor die
Formen gehöre? |
|
|
Ausser dem ist es auch falsch, daß die Jüden
dazumahl Opffer für die Toden gebracht haben, weil
im 1 B Maccab. V, 56. u.ff. wo gleichfals diese
Historie erzehlt wird, nicht das geringste davon im
Contexte anzutreffen ist. Dahero wird der Anfang
des 12 Cap. im 2 B. vom Opffer vor die Toden, für
falsch gehalten, zumahl da nichts im
Griechischen
Texte, auch nicht in eigener Handschrifft, |
wie der Papiste Pagninus
apud Scherzerum Disput. VII. de ecclesia in
Purgatorio laborante … bezeuget, |
|
|
zu finden ist. |
|
|
Man könnte noch vieles wieder diese Stelle und
die Beweise des Cardinals einwenden, es würde
aber an diesem Orte überflüßig seyn. Es ist genug,
wenn man aus diesem wenigen
erkennet, daß der
Cardinal, und mit ihm alle Anhänger seiner Kirche,
die Vorbitte vor die Verstorbenen und folglich aus
dieser das Fegefeuer überaus schlecht vertheidiget
habe. |
|
|
Dieses war nun einer ihr stärcksten Beweise.
Ausser diesem beruffen sie sich auf eine Stelle des
Augustinus im 110 Cap. des Enchiridii, darinne
gesagt zu werden scheint: Daß unser Gebet und
Opffer den Verstorbenen zu statten komme. Allein
man darf nur auf die Art und Weise Achtung
gegeben, wie die Alten vor die Verstorbenen nach
dem Tode gebetet haben. Dieses geschahe im
geringsten nicht wegen ihrer Unruhe im Fegefeuer,
sondern vielmehr ihrer Ruhe wegen, wofür sie GOtt
gepriesen, und wegen einer seligen Nachfahrt, wie
noch heutiges Tages in der Christl. Kirche
geschiehet, gebeten haben. Man
erinnere sich der
nur angeführten
Ursachen, warum die ersten
Christen vor die Verstorbenen ihr Gebet verrichtet
haben. |
|
|
Überhaupt hat man bey den Papisten, wenn sie
Stellen aus den Kirchen-Vätern vor ihre Meynung
anführen, Achtung zu geben, daß sie den Text nicht
verfälschen. In dieser
Kunst haben sie es durch
eine langwierige Übung sehr weit gebracht, und sie
haben sich eben dieses Kunstgriffs bedient, wenn
sie ihre Vorbitten vor die Verstorbenen aus den
Schrifften der Väter bestätigen wollen. |
|
|
Hierbey haben Bellarmin und Loßius in
Authentico … ihre
Geschicklichkeit sehen lassen.
Dieser hat dem erstern ein falsch angeführtes
Zeugniß aus dem Eusebi- |
|
|
{Sp. 2151|S. 1089} |
|
|
us Praepar. Evang. … welches in seiner
Verfälschung also lautet: |
|
|
"Dieses thun wir als wahre Streiter täglich, daß
wir GOttes Freunde ehren, zu ihren Gräbern gehen,
ihnen Gelübde thun, und freywillig bekennen, daß
uns durch ihre Vorbitte bey GOtt nicht wenig
geholffen werde.„ |
|
|
Wenn man sich die Mühe nehmen will, den
Griechischen Text genau anzusehen, so wird man
beyde Männer, bey dem Betruge ertappen. [6 Zeilen
griechischer Text]. D.i. |
|
|
"Es schickt sich gar wohl, nehmlich was
Plato, bey dem Absterben derjenigen, die GOtt lieb
gewesen sind, die wir mit Wahrheit, und nicht
unbillig Streiter der wahren Frömmigkeit nennen
mögen, angeführet. Daher pflegen wir auch zu ihren
Särgen oder Gräbern zu gehen, daselbst zu beten,
und die verstorbenen Seelen zu rühmen, welches
alles bescheidentlich und vernünfftig von uns
geschiehet.„ |
|
|
Wo findet man hier ein Wort, von dem falschen
Bellarminischen und Loßischen Zusatze? wo sagt
Eusebius in dieser Stelle, daß die ersten Christen
den Verstorbenen Gelübde gethan? oder heissen
die Griechischen Worte: [5 Wörter Griechisch] bey
den Gräbern Gelübde oder Gebet zu GOtt
verrichten, so viel: als den heiligen Männern
Gelübde thun? |
|
|
Wir wollen doch nicht hoffen, daß dieser grosse
Cardinal sich so vergangen, und gemeynt habe: [ein
Wort Griechisch] heisse ein Heiliger. Nach seiner
Übersetzung aber hat er in der That aus dem
Grabe, einen Heiligen gemacht. Dieses heißt sich
muthwillig und unverantwortlich bey Anführung der
alten Zeugnisse aufführen.¶ |
|
|
Die Gegner bringen noch verschiedene andere
Zeugnisse aus den Kirchen-Vätern vor, dadurch sie
beweisen wollen, daß diese Väter vor die
Verstorbenen, wie in ihre Kirche geschiehet,
gebeten hätten. Es ist ihnen in Ernste viel daran
gelegen, daß sie dieses erst zum Grunde legen,
damit sie nur ihr Fegefeuer behaupten können. Sie
schliessen also: Die Väter und andere haben vor die
Verstorbenen gebeten, also haben sie
nothwendig
ein Fegefeuer geglaubt. |
|
|
Hierher rechnet man
z.E. den Clemens Lib.
VIII. Constitut. … beym Bellarmin Tom. II. …: Allein
wir möchten wissen, wie man so schliessen könnte;
Die Väter haben vor die Verstorbenen ihr Gebet
verrichtet, daher haben sie vor die Seelen im
Fegefeuer gebeten. Alphonsius Salmeron hat
selbst das Lahme an diesem Schlusse eingesehen,
wenn er Tom. XIV. Oper. … schreibt: |
|
|
"Die Kirche schliesset nicht recht: Man verrichtet
vor diesem und jenem sein Gebet, daher muß er
nothwendig im Fegefeuer sitzen. Es kan auch vor
jemanden gebethen werden, der schon würcklich im
Himmel der Freude geniesset, oder man kan auch
im Gegentheil vor jemanden gebeten, der |
|
|
{Sp. 2152} |
|
|
schon in der Hölle sitzet, weil der Zustand und
Beschaffenheit der Seelen mißlich, zweiffelhafft,
und ungewiß ist.„¶ |
|
|
Es haben ja auch die Väter nach des
Augustinus Bericht beym Bellarmin vor Gute und
Böse gebeten, wie schicken sich also ihre Schlüsse
aufs Fegefeuer, worinne nur die Frommen, nicht
aber die Gottlosen, nach ihrer eigenen Lehre,
gestrafft werden sollen? |
|
|
Die Griechen bitten eifrig vor die Verstorbenen,
wie ihre eigene Symbola beweisen, davon wir oben
bereits Meldung gethan haben, deswegen aber
glauben sie kein Fegefeuer. Die Evangelischen
selbst bitten in ihren Kirchen so wohl für der
Verstorbenen Leiber als auch derselben Seelen,
theils daß jene eine sanffte Ruhe in der Erde, theils
daß diese, für ihre ausgestandene
Angst in der
Welt, Trost, Erquickung und
Freude bey GOtt
geniessen mögen. Folgt aber hieraus, daß unsere
Kirche deswegen ein Fegefeuer glauben
müsse? |
|
|
Bellarmin und seine Glaubens-Genossen
geben uns zu bedencken, daß Augustinus an
unterschiedlichen Orten, der Kirchen ihrer Vorbitte,
wegen der Verstorbenen, sonderlich vor ihre
Seelen, gedencke. |
Man sehe die angezogenen
Stellen des Augustins beym Bellarmin Tom. II. …
und Augustin. de Cura pro mort. |
|
Allein wir fragen: Wo stehet hier etwas vom
Fegefeuer? Augustinus sagt: es erhellet aus den
Büchern der Maccabäer, daß man für die
Verstorbenen Opffer gebracht. Und obgleich von
diesem Opfferbringen in allen Schrifften nichts zu
finden, so hat dennoch die gantze Kirche kein
geringes Ansehen zu ordnen, daß auch in dem
Gebet, welches die Priester vor dem Altar zu GOtt
ausschütten, der Verstorbenen gedacht werde. |
|
|
Und abermahl: Wenn das Hertz gedenckt, wo
der Leib eines angenehmen Freundes begraben
liegt, so seufzet es, daß solches dem Verstorbenen
zu statten komme. Und wiederum: Man soll
flehentlich das Gebet für die Verstorbenen
auszuschütten nicht unterlassen. |
|
|
In allen diesen Stellen wird nicht an das Fegefeuer gedacht. Diese
bestätigen zwar: daß man vor die Verstorbenen gebetet habe, daraus folgt aber
dasjenige gar nicht, warum diese Örter von unsern Gegnern angeführt werden. Und
überhaupt kommen die Vorbitten der ersten Christen vor die Verstorbene, mit der
Papisten ihren in Ansehung der Art und Weise und der Absichten gar nicht
überein. |
|
|
Wir wollen noch sehen, wie sich
Loßius bey seinem Fegefeuer verhalte. |
|
|
"Es ist ein Fegefeuer, schreibt er Authent. …,
und ist
nützlich, daß man vor die Verstorbenen bete,
Allmosen gebe, und das Heil. Buß Opffer nach der
Lehre Cyprians und anderer Väter verrichte.„ |
|
|
Cyprianus, der im
Jahr 240
gelebt,
schreibt also: Ein anders ist die Verzeihung erwarten, ein
anders zur Herrlichkeit gelangen, ein anders ist den
Gefangenen aus dem Kercker nicht lassen, biß er
den letzten Heller bezahle, ein anders den Lehn
seines Glaubens und seiner Wercke empfangen,
ein anders aber ist, vor die Sünde mit langen
Schmertzen gequält, gebessert, und lange Zeit
durchs Feuer gereiniget werden. |
|
|
Bey diesem Einwurffe wurde Loßius nicht
übel |
|
|
{Sp. 2153|S. 1090} |
|
|
gethan haben, wenn er zuvor die reine Lehre
Cyprians so wohl, als des heiligen Ambrosius
recht erwogen hätte; daß niemand in jener Welt
Vergebung der Sünde zu gewarten habe, der
dieselbe hier jederzeit verschertzet hat. Hätte
Loßius nachmahls die Stelle Cyprians mit der
Lehre Ambrosius zusammen gehalten, so würde
ihm die Wahrheit in die Augen geleuchtet haben,
daß Cyprian nicht von dem Papistischen, sondern
vom verblümten Feuer der Trübsal der Christen
rede. |
|
|
Überhaupt sind die Stellen aus dem Origenes,
Tertullianus, und Boetius
Philosophie nicht hieher
zu ziehen, weil diese und andere Männer in den
damahligen Zeiten, da sie den
Hebräischen und
Griechischen Text nicht
verstanden haben, diese
Fragen gar nicht genau haben untersuchen können.
Ihre Schrifften sind keine Glaubens-Regel sondern
blosse Zeugnisse der Wahrheit, und ihre Fehler,
deren sie gar viele begangen haben, müssen nach
der Christlichen Liebe übersehen werden. Man solte
stets die Worte des heiligen Augustinus Tom. II.
Epist. III. … vor Augen haben. |
|
|
„Wir sollen nicht jeder Meynungen, ob solche
gleich von berühmten und rechtgläubigen Männern
herkommen, vor Evangelia oder Canonische
Schrifften halten, gleich als ob es ohne Verletzung
ihrer Ehre nicht vergönnet wäre etwas in ihren
Schrifften, wofern sie anders gelehrt, als die
Wahrheit zulässet, zu tadeln oder zu verwerffen. So
mache ichs mit andern Schrifften, so mögen es
meine Leser auch mit meinen machen.„ |
|
|
Es wäre zu wünschen, daß diese gute Lehre
unter denjenigen bekannter wäre, und öffter
ausgeübt würde, die dieses Kirchen-Vaters und
anderer Schrifften lesen, und anführen, damit sie
ihren Irrthümern in Glaubens-Sachen einen Schein
geben können. |
|
|
Doch wir müssen hier abbrechen, und wollen
nur noch bemercken, daß Peter Cluny einen
andern Beweiß vor die Vorbitte für die Verstorbenen
in der Schrifft gefunden zu haben vermeynt hat. Er
schließt aus Johann XIV, 12. wieder die
Petrobrusianer; man müsse den Verstorbenen mit
einer Vorbitte zu statten kommen, weil die
Gläubigen Christi Wercke und auch noch grössere
thun solten. |
|
|
Wer hätte wohl gedacht, daß man eine Stelle
der Schrifft so mißhandeln könte, um seine
Meynung daraus zu vertheidigen. Diese
Verheissung Christi gieng sonderlich die erste
Kirche an, und bestund darinne, daß die Apostel
das Evangelium predigen und Wunder thun solten.
Wie will man aber die Vorbitte vor die Verstorbenen
hieher ziehen, da derselben in den Glaubens-
Büchern der Heiligen Schrifft niemahls gedacht
wird. Dieses ist es, was man wegen der Vorbitte vor
die Verstorbenen zu bemercken hat.¶ |
|
|
Es kommt hierbey eine andere Sache zu
betrachten vor, was nehmlich von der Benennung
der Verstorbenen als Seelige zu halten sey? Es
ist bey der Materie von der Seeligkeit gestritten
worden: ob die
Gewohnheit, da man diejenigen
Verstorbenen, von denen man nicht offenbar wüste,
daß sie im Unglauben verschieden, Seelige
nennen,
abzuschaffen sey, oder nicht? |
|
|
Man hat bey dieser Frage wieder die so ge-
|
|
|
{Sp. 2154} |
|
|
nannten Pietisten, insonderheit Spenern,
geschrieben, als welche verlangten, man solle sich
dieser Benennung enthalten. Wir
erinnern uns, daß
wir schon oben einiger
Gottesgelehrten Meynungen
hiervon angeführt haben, wir werden uns aber nicht
weiter um diese bekümmern, sondern die Sache
vielmehr selbst untersuchen, wenn wir zuvor
Speners Lehre von dieser Frage werden erkannt
haben |
|
|
In der Christ-Lutherischen Vorstellung … setzte
die
Wittenbergische
Facultät an Spenern als einen
Irrthum aus, daß er in der Seeligkeit der Kinder
GOttes, … geschrieben: man pflege die Toden
seelig zu nennen, obwohl leider! zu besorgen, daß
den meisten mit solchen
Nahmen
Unrecht möge
geschehen. Denn weil wir GOttes Wort zu glauben
hätten, daß der Verlohrnen mehr, als der Seeligen
wären, und man gleichwohl aus Gewohnheit alle
Toden seelig zu nennen pflege, so werde ja der
Nahme seelig manchem beygelegt, dessen Seele
wohl bereits in der Hölle wäre. Er wünschte dabey,
daß man dieser Gewohnheit abhelffen möge; wie es
aber anzufangen, dazu wüste er keinen
Rath zu
geben. |
|
|
Daraus wolte man nun einen Irrthum machen.
In der aufrichtigen Übereinstimmung …
antwortete er darauf: er könte die gemeine
Gewohnheit, die Verstorbenen insgemein seelig zu
preisen, nicht loben, weil sie zum wenigsten vielen
Anlaß zur Sicherheit gäbe; jedoch gäbe er zu, daß
so lange man nicht offenbar wüste; daß jemand im
Unglauben gestorben, so könte man sie wohl
dulten, wie er sie denn selbst mit brauche; aber
auch
Gelegenheit nähme, der daraus zu
besorgenden Sicherheit vorzubauen. Machte sich
jemand ein
Gewissen, diese Formel insgemein zu
brauchen, so solte man ihm selbige nicht
aufdringen. |
|
|
In so weit hatte sich Spener deutlich genug
erkläret. Dem ohngeachtet aber formirte Schellwig
in Synopsi … eine besondere Frage deswegen
wider ihn, |
wie man aus dem Supplement.
… siehet. |
|
D. Meyer in seinem kurtzen Bericht von
Pietisten … fragte: Was lehren die Pietisten von
den Verstorbenen? Und ertheilte die Antwort; sie
wollen, man solle keinen seelig nennen, und solle
nicht sagen: Der seelig Verstorbene, sondern der
Verstorbene. Er berufft sich aber weder auf
Spenern, noch auf einen Hällischen Theologen,
sondern nur auf Stryckens
Disputat. de jure
Sabbathi. |
|
|
Die Theologische Facultät zu
Halle
gab ihm in
ihrer Verantwortung … diesen Bescheid: Daß man
keinen seelig oder Seelig-Verstorbenen nennen
solle, werde niemand verlangen. Beydes hörete
man von ihnen öffentlich; indessen sey auch der
Misbrauch, der hierunter vorgehe, unläugbar sehr
groß, man müsse dieses der Treue und
Klugheit der
Seelsorger überlassen, wiefern sie hierunter nach
ihrem Gewissen handeln mögen. |
|
|
Was den Herrn Stryck anlanget, so hat er sich
in seiner Verantwortung … über D. Meyer sehr
beschweret, daß er seine Worte in der Disputation
verdrehet, indem er daselbst nur von den
gewöhnlichen Verkündigungen der Verstorbenen,
so des Sonntags auf der
Cantzel geschehe,
gehandelt, da man sich allezeit der Worte zu
bedienen |
|
|
{Sp. 2155|S. 1091} |
|
|
pflege: Es sey in dem HErrn seelig verstorben,
oder entschlaffen, wobey er gewiesen, was das vor
einen
Schaden
bey den Zuhörern verursache, daß
man alle ohne Unterscheid seelig nenne, da doch
offt die gantze Gemeinde wisse, wie gottloß der
Verstorbene biß an sein Ende gelebt habe. |
|
|
Zur genaueren Einsicht dieser Controvers
können folgende Anmerckungen dienen, |
|
|
1) |
betrifft sie keine Glaubens-Lehre, sondern nur eine gewisse Ceremonie. Daher
wenn auch jemand in der That anstossen solte, so
kan man daraus eigentlich keinen Irrthum
machen; |
|
|
|
2) |
muß man den wahren
Gebrauch und Mißbrauch bey dieser Formel wohl
unterscheiden, und wenn einige deswegen Klagen
führen; oder wünschen, daß hierinne eine Änderung
möchte getroffen werden, so muß man dieses nicht
gleich also annehmen, als ob sie wolten, daß man
gar keinen seelig, oder seeligverstorben nennen
solle; |
|
|
|
3) |
kommt es zum
wircklichen
Gebrauch und Application, so kan man darinne
nichts gewisses überhaupt vorschreiben; sondern
es ist eine Sache, die man dem Gewissen eines
Predigers überlassen muß |
|
|
|
|
Es ist ohne dem schwer
von des andern Seeligkeit zu
urtheilen. Gehet der
Schluß
Verneinungs-weise, daß jemand nicht seelig
verstorben, so kan man darinne eine
Gewißheit und
Wahrscheinlichkeit haben. Ist die Gewißheit
vorhanden, so wird ohne dies kein
Mensch
verlangen, daß man einen solchen Verstorbenen
seelig heisse, und wenn dieses gleichwohl
geschiehet, so gehöret es offenbahrlich zu einem
schändlichen Mißbrauche, und wer denselben
bestrafft, der kan ja nichts unrechtes daran thun. Ist
aber eine Wahrscheinlichkeit da, daß jemand nicht
seelig verstorben, und es macht sich ein Prediger,
der solche wahrscheinliche
Erkenntniß hat, ein
Gewissen ihn seelig zu nennen, so kan man ihn
dazu nicht zwingen. |
|
|
|
|
Urtheilet man Bejahungs-weise, daß jemand seelig verstorben, so hat dabey
nur eine Wahrscheinlichkeit statt; die aber dreyerley
Grade haben kan. |
|
|
|
|
Bißweilen ist die
Wahrscheinlichkeit sehr starck, und nicht viel von
der
völligen Gewißheit unterschieden, und da hat
man nicht Ursache sich ein Bedencken zu machen,
solche Leute seelig zu preisen. |
|
|
|
|
Zuweilen aber ist die
Wahrscheinlichkeit schwach, in welchem Falle man
diese Formel auch wohl brauchen kan; und endlich
ist sie auch wohl
zweiffelhafft, wenn nehmlich auf
beyden Seiten, daß jemand seelig gestorben, und
daß er nicht seelig verstorben, gleiche
Umstände
vorhanden, in welchem Falle an sich eine schwere
Sache ist, ein Urtheil davon zu geben, und ist es am
besten, daß die Sache ins besondere dem
Gewissen und der Treue eines Predigers
überlassen wird; |
|
|
|
4) |
Wollte man
meynen, wenn
man nach diesen
Principiis verfahren solte, so
werde daraus eine Weitläufftigkeiten und
Unordnung entstehen, daher es am besten wäre,
man nennete, ausser denen, von welchen offenbar
ist, daß sie im Unglauben dahin gefahren, alle
Verstorbenen seelig, und nehme dieses Wort in so
weitläufftigem Verstande, daß es so viel sey, als ein
Verstorbener, oder von dem man noch einige
Hoffnung der Seeligkeit haben wolte; so wäre
dieses gantz gut, wofern das Wort seelig von der
Gemeinde so ver- |
|
|
|
{Sp. 2156} |
|
|
|
standen werde, und nicht
bey einem und dem andern deßfalls einige
Gewissens-Scrupel entstünden. Macht man sich
daraus kein Gewissen, und indem man dieses Wort
in so weitläufftigem
Verstande braucht, zugleich bey
Gelegenheit seine Gemeinde davon unterrichtet, so
kan man solches bey dergleichen Umständen gar
wohl thun.¶ |
|
|
|
Es ist bey dieser Abhandlung noch übrig, daß
wir einige Stellen der
Heiligen Schrifft deutlicher
machen, die von den Toden oder Verstorbenen
handeln. |
|
|
Von den Toden fragen, welches im 5 B Mos.
XVIII, 9 u.ff. ingleichen Jes. VIII, 19. von
GOtt den
Israeliten ernstlich verboten ward, kan man den
Artickel: Toden fragen im XLIV Bande, p. 671 u.ff.
nachsehen. |
|
|
Wir wollen dahero gleich fort gehen, und die
Stelle aus dem Jesaias XXVI, 19 betrachten, in
welcher der Toden GOttes Erwehnung geschiehet:
Deine Todten werden leben, und mit dem
Leichnam auferstehen. |
|
|
Der Hohepriester Alten Testamente durffte
ehemahls mit den Toden nichts zu thun haben, |
3 B. Mos. XXI, 1. |
|
Denn weil er ein Vorbild des
Fürstens des
Lebens seyn solte, der dem Tode ein Gifft und der
Hölle eine Pestilentz war, |
Hos. XIII. |
|
so muste er auch keine Gemeinschafft mit dem
Tode haben. |
|
|
Dergleichen Gebot war auch den Nazaräern
und Verlobten GOttes gegeben, sich von allen
Toden zu enthalten, |
4 B. Mos. VI, 6. |
|
gleichwohl gehet hier GOtt mit den Toden
selbst um, und lässet sie seine Toden nennen. |
|
|
Hierinne liegt ein herrlicher Trost. Denn
gleichwie Abraham die verstorbene Sara seine
Todte nennete, |
1 B. Mos. XXIII, 4. |
|
weil er ein sonderbar
Recht zu ihr hatte, sie war
sein
Weib, und ein Fleisch mit ihm, |
1 B. Mos. II; |
|
so hat auch GOtt ein sonderbar Recht an den
Todten, sie gehören ihm zu, mit ihnen hat er sich
verlobet, und vertrauet, |
Hos. II, 19. |
|
sie sind in seinen
Armen, d.i. auf das
Verdienst
seines
Kindes JEsu gestorben. |
|
|
Es sind Todte in CHristo, |
1 Thessalon. IV, 16. |
|
Todte, die in dem HErrn gestorben, |
Offenbahr. XIV, 13. |
|
die für ihn nicht todt sind, sondern leben, sie
schlaffen nur, |
Matth. XXII, 32. |
|
Diese Toden sollen das
Leben bald wieder
bekommen, die, so jetzo vor menschlichen Augen
gantz unempfindlich da liegen, werden auferstehen,
und aus der
Erde herfür gehen. Nach dem
Hebräischen Texte heisset es eigentlich: Und mein
Leichnam wird auferstehen, welches alle gläubigen
Väter als eine untrügliche Wahrheit angenommen,
und mit Hiob XIX, 25 u.f. haben sagen können: Ich
weiß, daß mein Erlöser lebt.¶ |
|
|
Von den Toden, die in Christo zuerst werden
auferstehen, muß man den Artickel: Tode in
Christo im XLIV Bande, p. 658 nachsehen. |
|
|
Hier bedürffen nur noch die Worte aus
Offenbahr. XIV, 13 einer
Erklärung: Die Toden die
in dem HERRN sterben. Dieser Ausdruck ist um
desto
nöthiger zu erklären, da die Todten nicht
sterben, sondern schon gestorben sind. Denn
darum werden sie Todte genennet, weil sie den Tod
schon erlitten haben, es wird also zu untersuchen
seyn, |
|
|
{Sp. 2157|S. 1092} |
|
|
warum die Menschen, sonderlich die
Gläubigen, in der Schrifft Tode genennet werden?
Die gemeinste Meynung ist, es geschehe darum,
weil sie der Welt, und ihnen selbst längst
abgestorben, und GOtt in Christo zu leben
angefangen haben, weil sie auch mit vielen
Trübsalen, die in der Schrifft durch den Tod pflegen
benennet zu werden, belegt sind, und also der Welt,
und ihres natürlichen Lebens nicht froh werden. Sie
haben allezeit, wie die Sterbenden gelebt |
2 Corinth. VI, 9. |
|
sie haben das Sterben Jesu an ihrem Leibe
herum getragen, |
IV, 10, 11, |
|
und sind seinetwegen immerdar in den Tod
gegeben, darum sie auch nicht unrecht die Todten
genennet werden können.¶ |
|
|
|
|