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Zedler: Verstorbene [2] HIS-Data
5028-47-2123-1-02
Titel: Verstorbene [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 47 Sp. 2133
Jahr: 1746
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 47 S. 1080
Vorheriger Artikel: Verstorbene [1]
Folgender Artikel: Verstorbene [3]
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

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Übersicht
Moralische Abhandlung von Verstorbenen
Theologische Abhandlung [1]

  Text Quellenangaben
  Moralische Abhandlung von Verstorbenen.  
     
  In der natürlichen Rechtsgelehrsamkeit handelt man auch von den Pflichten gegen die Verstorbenen: Ob man sie begraben; oder unbegraben liegen lassen soll? Grotius handelt de Jure belli et pacis … von dieser Sache weitläufftig, und meynet, daß man die Toden begrabe, käme von dem willkührlichen Völcker-Recht her, welches die Völcker unter sich eingeführet hätten. Die Ursache aber, warum man diesen Gebrauch angenommen, wäre gewesen, weil man gesehen, daß der Mensch vor dem unvernünfftigen Vieh einen Vorzug habe, und sich daher nicht schicken würde, wenn man ihn wie das Viehe wegschmeissen wolte.  
  Diesen stimmt Kulpis in dem Collegio Grotiano … bey. Andere, welche erkennen, daß man kein besonderes und von dem natürlichen Rechte unterschiedenes Völcker-Recht habe, können diesen Grund nicht annehmen, und suchen also die Sache aus einem andern herzuleiten.  
  Sie sagen, man könnte diese Pflicht zu den allgemeinen Pflichten der Gefälligkeit gegen andere rechnen, welche darauf beruhe, daß weil ein Mensch bey seinen Lebzeiten einen Abscheu empfinde, wenn er daran gedächte, man werde ihn wie ein Vieh nach dem Tode hinschmeissen, und also gerne sähe und  
  {Sp. 2135|S. 1081}  
  wünschte, daß man dieses nicht thun, und den Leib vielmehr begraben möchte, so könte man ihm nach dem Tode leicht solche Gefälligkeit erweisen.  
  Doch ist man auch hier wegen der Gefälligkeit unterschiedener Meynung. Thomasius in Jurisprudentia divina … widerleget die Meynung derer, welche das Begräbniß der Toden aus einem natürlichen Gebot herleiten wollen, und hält dafür, daß das unter den Christen gebräuchliche Begräbniß dem Rechte der Natur nicht zuwider sey und gantz sicher von ihnen könte behalten werden, weil sie in der Biblischen Historie sehen, daß die Menschen von den ersten Zeiten nach Erschaffung der Welt begraben worden sind; das aber auch andere Völcker, welche ihre Leiche auf andere Art zur Erde bestatten, nicht wider die Göttlichen allgemeinen Gesetze handelten.  
  Bey dieser Controvers, müssen wir zwey Stücke voraus setzen, davon das eine ist: Ob man den Toden Pflichten erweisen könne? Welches von vielen geleugnet wird, weil sie selbige anzunehmen nicht im Stande wären. Es erinnert aber Buddeus in element. philos. pract. … nicht ohne Ursache, es wäre eben nicht nöthig, daß derjenige, welchem ein Recht zukommen solte, solches auch empfinden und verstehen müste, wie man dieses an kleinen Kindern und rasenden Personen sehen könte.  
  Vors andere ist vorher zu untersuchen: Was man durch das Begraben verstehet. Denn man kan solches in weiterm Verstande nehmen, daß man den Leichnam an einen besondern Ort verwahre, man mag ihn selber in die Erde scharren; oder ihn vorher verbrennen, wenn er nur nicht den Thieren hingeworffen würde; oder man verstehet durch das Begräbniß insbesondere die Einscharrung in die Erde.  
  Geht es nun an, daß man den Toden Pflichten erweisen könne, und nimmt das Begraben in weitern Verstande, so ferne man sie nicht vor das Vieh hinwerffe, so wäre die Frage also einzurichten: Ob man schuldig sey, die Toden aus dem Wege zu schaffen, daß sie von den unvernünfftigen Thieren nicht mögen gefressen werden?  
  Es geschicht dieses bey allen Völckern, daß sie ihre Toden bestatten; nur ist die Frage: Ob sie dieses aus einer natürlichen Schuldigkeit; oder aus einer blossen Gewohnheit thun? So viel ist gewiß, daß es einem Menschen in seinem Leben zuwider, wenn man ihm sagen solte, es würde nach dem Tode sein Leichnam den Thieren hingeworffen werden, und er lieber siehet, wenn man dieses nicht thäte. Hiermit hat man einen Grund, daß man ihm durch das Begräbniß einen Gefallen erweist; wie man nun nach dem natürlichen Rechte dem andern Gefälligkeiten zu erweisen verbunden ist, wenn gleich dieses eine unvollkommene Verbindlichkeit ist; also soll man ihm billig auch diesen Gefallen erweisen, daß man seinen Leichnam nicht den Thieren zu fressen gäbe.  
  Es kan nicht eingewendet werden, daß der Tode davon nichts fühle. Denn wir haben oben schon angemercket, daß der Mangel des Verstandes und der Empfindung das Recht noch nicht aufhebe. Meynt man, daß Verlangen begraben zu seyn, käme aus einer blossen Einbildung, indem jedoch der Leib unter der Erden von den Würmern gefressen würde, so verhindert auch dieses die Pflicht nicht,  
  {Sp. 2136}  
  indem wir nicht nur zu solchen Gefälligkeiten, die ihren wahren und natürlichen Grund, sondern auch zu denen, die in der Einbildung bestehen, wenn sie nur nichts ungerechtes in sich halten, verbunden sind. Man lese von dieser Materie weiter nach Willenberg in sicilimentis jur. gentium prudentiae … welcher auch die dabey vorkommende Fragen untersuchet; und Hochstetters disput. de officio erga defunctos secundum legem naturae,Tübingen 1701.  
  Wir müssen auch nunmehro zur  
     
Theologischen Abhandlung  
     
  fortgehen, wobey wir zuerst die besondern Meynungen verschiedener Gottesgelehrten von den Toden, oder Verstorbenen anführen, und alsdenn dieselben nach der Dogmatischen Theologie betrachten werden, wobey wir jedes mahl so viel, nach der geistlichen Hermenevtic, erklären wollen als zu unserm Vorhaben nöthig seyn wird.  
  Die Meynungen einiger Gottesgelehrten in Absicht auf die Toden, sind sonderbar, und dürffen nicht mit Stillschweigen übergangen werden. Der ungenannte Verfasser der Betrachtung von dem mittlern Zustande der Seele nach ihrem Abschiede, welche Gottfried Arnolden zum Urheber haben soll, behauptet fast durchgängig solche Dinge, welche der reinen Evangelischen Lehre entweder gantz zu wieder sind, oder doch anstößig seyn können.  
  Sein Vortrag ist dieser: Die gemeine Lehre, daß die Verstorbenen entweder in den Himmel oder in die Hölle kämen, sey gantz falsch. Denn eigentlich komme keiner alsbald nach dem Tode, in den Himmel oder in die Hölle, sondern alle und jede Seelen müsten erst in die Reinigungs-Örter, die Frommen zwar in etwas gelindere, die von dem peinlichem Feuer befreyet wären; die Bösen aber in ängstliche und mit Feuer erfüllete.  
  Dieses alles getrauet sich der Verfasser nicht eigentlich aus der Heiligen Schrifft zu beweisen, sondern er gründet alles auf etliche Zeugnisse der Kirchen-Lehrer und Mysticker, mit welchem das gantze Buch erfüllet ist. Überhaupt scheinet der Endzweck des Verfassers gewesen zu seyn, allerhand Fabeln wieder einzuführen.  
  Dergleichen trifft man … häuffig an, da er behauptet: Das grosse Reich der Toden sey in unterschiedliche lufftige und feurige eingetheilet, und die Seelen der Verstorbenen hätten einen Stern-Leib; alle Menschen müsten in die Reinigungs-Örter, wo sie noch nach dem Tode vom Teuffel versucht würden, und müsten alle Grade des Christenthums durchgehen, biß sie vollkommen würden. Die Seelen der Verstorbenen, so wohl böser als guter, erschienen in der Gestalt ihres vorigen Leibes, sie hätten noch Lust an ihren vorigen Dingen, und sehnten sich darnach.  
  Die Verstorbenen Heiligen, schreibt er …, flössen auf eine besondere Art in unsere Seele ein, und man könte durch seine Einbildungs-Krafft machen, daß sie erscheinen müsten, sie wüsten von allen unserm Thun, legten vor uns Vorbitten ein, und man thäte sehr wohl, wenn man sich mit ihnen bekannt machte, und sie darum anspräche, ja man sey auch sonst schuldig vor die Verstorbenen zu beten.  
  Mit dergleichen Meynungen  
  {Sp. 2137|S. 1082}  
  macht sich der Verfasser breit, u. das meiste, was in dieser Schrift einen Schein hat, ist aus den Kirchen-Väter angenommen, oder vielmehr alles, was sie anstößiges haben, mit gröstem Fleisse zusammengesucht worden.  
  Zu Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts ist auch die Frage aufgeworffen worden: Ob die Verstorbenen Heiligen im Himmel vor ihre Hinterlassene auf Erden insgemein und insonderheit beten?  
  Einige haben dieses behaupten wollen, andere aber haben demselbigen wiedersprochen, und davor gehalten, man hätte zu dieser Meynung gar keinen Grund, worüber etliche Streitschrifften zum Vorschein gekommen. Es kan auch nicht geläugnet werden, daß verschiedene rechtschaffene Theologen unserer Kirche nicht abgeneigt von der Meynung gewesen, daß die Seligen im Himmel vor ihre Hinterlassenen auf Erden beteten. Doch wurde nachgehends insbesondere von etlichen darüber disputiret.  
  Es gab nehmlich 1707 Hildebrant besondere Gedancken über die Frage: Ob die verstorbenen Heiligen vor die Menschen auf Erden beteten? heraus, darinne er solches Gebet behauptete. Diesem setzte 1710 M. David Herrmann entgegen: Bessere Gedancken, ob die verstorbenen Heiligen vor die Menschen auf Erden beten?  
  Jener antwortete 1713 in der Fortsetzung der besondern Gedancken, untersuchte seines Gegners Gründe, und brachte Zeugnisse verschiedener Theologen an, so eben dieser Meynung gewesen; worauf 1714 Hermann noch weiter herausgab: Deutliche Erörterung der Frage: Ob die Heiligen im Himmel vor ihre Hinterlassenen auf Erden insgemein, und insonderheit beten? Auf Begehren entworffen von einem Diener des göttlichen Worts.  
  Dieses ist der Streit, welchen zwey Gottesgelehrte unserer Kirche hierüber geführt haben, wovon wir bald eine nähere Untersuchung der Frage selbst anstellen wollen. Jetzo wollen wir erst noch anmercken, daß unter die Gebräuche und Meynungen der Griechischen Kirche, die nach dem Pabstthume schmecken, auch das Gebet vor die Verstorbenen, zu rechnen.  
  Die Griechen beten vor dieselben so wohl gleich nach deren Abschied; als bey der Messe. Denn sobald jemand verschieden ist, wird der Priester geholet, und wenn derselbe ankommt, nimmt er das Rauchfaß mit dem Rauchwerck, und beräuchert den Cörper, da denn unterdessen die Anwesenden einige Seuftzer und das Vater Unser beten. Hierauf werden einige kurtze Lieder gesungen, welche dahin gehen, daß GOtt der Seele des Verstorbenen gnädig seyn, und derselben an dem Orte der Seeligkeit ihre Ruhe verleihen wolle, und wenn dieses geschehen, spricht der Priester die Collecte und Gebet.  
  Indem man aber in der Griechischen Kirche, einen mittlern Zustand der Seele statuiret, und dafür hält, daß einige Seelen der Frommen nach ihrem Abschiede vom Leibe, wegen ihrer nicht völlig gebüsseten Sünden eine Zeitlang in einem betrübtem Zustande seyn, und eine Züchtigung ausstehen müsten, so ist man auf eine Vorbitte vor solche Seelen gefallen, und bildet sich ein, es habe selbige eine solche Kraft, daß sie entweder eine völlige Befreyung aus dem endlichen Zustande; oder doch einige Linderung in demselben zu wege brächte.  
  {Sp. 2138}  
  In der orthod. confessione … heißt es:  
  "Das ist bekannt, daß nicht wenig Sünder, aus den Banden der Sünden erlöset werden; jedoch nicht durch ihre eigene Busse; oder Bekänntniß; sondern durch die Christliche Vorbitte, und absonderlich durch das unblutige Opffer, welches die Kirche insgemein vor Lebendige und Tode täglich bringt, gleichwie auch Christus vor diese eben so wie vor jene gestorben ist,„ wie denn auch Metrophanes Critopulus, in Confess. … ausführlich davon handelt.
  Die Gebets-Formuln, deren sie sich zu bedienen pflegten, lauten also:  
  Laß doch die Seele deines Knechts ruhen mit den gerechten Geistern und bewahre sie zum ewigen Leben, welches bey dir ist,  
  ingleichen:  
  Gieb doch dieser Seele eine Ruhe an einem hellem Orte, an einem lustigem Orte, an dem Orte der Erquickung wo keine Trübsal und Angst ist, wovon das eucholog. graec. … nachzusehen ist.
  Wir dürfen uns hierbey nicht aufhalten, weil wir diese Meynung und Gebrauch vom Gebete der Lebendigen vor die Todten beyläufig angeführt haben, wir müssen vielmehr auf die obige Frage wieder zurück gehen: Ob die Verstorbenen vor die Lebendigen beten? Es sind von dieser Frage ausser der oben angeführten Gottesgelehrten aus unserer Kirche, noch andere Meynungen zum Vorschein gekommen, welche wir kürtzlich berühren wollen.  
  Es haben einige geglaubt, daß die Apologie der Augspurgischen Confeßion Art. III. der Vorbitte vor die Todten favorisire, welches man aus der Theologen zu Helmstädt gründlichen Wiederlegung des Crypto-Papismi novae Theologiae Helmstad so M. Stat. Buscherus zu Hamburg drucken lassen zur Rettung der Unschuld und Wahrheit auf Fürstl Befehl gestellet und publiciret sehen kan.  
  Der Jesuit Gottfried Hannenberg hat in seiner Theologia Controversa. Posen 1723 … vertheidigen wollen: es sey keine Nation in der Welt, die nicht vor die Verstorbenen bete, anderer zu geschweigen.  
  Von dieser Materie, nehmlich der Vorbitte der Lebendigen vor die Verstorbenen, soll unten weitläufiger gehandelt werden.  
  Es hat aber auch nicht an Männern gefehlt, welche behauptet haben: Die Verstorbenen beteten vor die Hinterlassenen, und verträten sie bey GOtt. Selbst aus unserer Kirche haben diese Meynung etliche behauptet, und wir glauben nicht, daß man deswegen Ursache habe sie in die Ketzer-Rolle zu tragen. Was die Sache selbst betrifft, so ist dieselbe in den Observationibus Miscellaneis Lips. … vorgenommen und untersucht worden.
  Im Jahr 1727 ist allhier zu Leipzig eine Schrift unter dem Titel zum Vorschein gekommen: Erörterung der Frage: Ob die Heiligen im Himmel für ihre Hinterlassene auf Erden insgemein und insonderheit beten? Die Historie der Wiedergebohrnen in Sachsen hatte zu diesen Fragen und derselben Erörterung Anlaß gegeben, allwo viele kindische und leichtgläubige Erzählungen vorkommen.  
  Beyde Fragen wurden von dem Verfasser obiger Schrift mit Nein beantwortet. Bey der ersten erinnerte der Verfasser, daß zwar sol-  
  {Sp. 2139|S. 1083}  
  che Meynung in unsern Symbolischen Büchern den Papisten nachgegeben worden, es sey aber nun ein Argument kai anthrōpon, und nicht pro voce Ecclesiae sondern doctorum, und folglich pro intersperso zu halten.  
  Die Meynung von Mitgebung eines Grusses an die Seelig-Verstorbenen ward gleichfalls von ihm beyläufig gemißbilliget, und angemercket: Daß die Papisten aus den bisherigen Neuerungen unter uns schon manchen Vortheil erhalten hätten.  
  Man ist aber nicht durchgängig mit seiner angebrachten Distinction zu frieden gewesen, und einige unter unsern Gottesgelehrten haben geglaubt, der obgedachte Verfasser gienge zu weit, wenn er die Frage schlechterdings verneinete. Denn da die Liebe nimmermehr aufhöret, so wäre wohl nicht zu zweiffeln, daß die Seeligen im Himmel vor die Glieder der Kirche auf Erden insgemein beten sollten? Was aber in Ansehung der Vorbitte der Seelig-Verstorbenen vor ihre Hinterlassenen ins besondere von besagten Verfasser vorgebracht worden ist, darinnen sind die meisten mit ihm einig, und haben ihm nicht wiedersprochen.  
  Man findet auch an M. Georg Gottfried Richters Catalogo testium veritatis, Leipz. 1727 einen Anhang: Schriftmäßige Gedancken von der ungegründeten Special-Vorbitte der abgeschiedenen Seelen im Himmel für ihre auf Erden hinterlassene nahe Anverwandte, in welcher Abhandlung gezeiget wird, daß diese Meynung weder durch ein Exempel, noch durch eine Schrifftstelle erwiesen werden könnte.  
  Wir wollen alles dieses, wovon wir nur jetzo gehandelt haben, genauer ansehen, und diese Meynungen überhaupt untersuchen. Die Sache ist so beschaffen, daß wenn man sich davon eine deutliche und distincte Vorstellung machen; so dann auch von dem darüber entstandenen Streit ein wohl gegründetes Urtheil fällen will; drey Stücke aus einander zusetzen, und in Erwegung zu ziehen sind.  
  Das eine ist die Wichtigkeit der Frage, und da betrift sie an sich selbst keinen Glaubens-Artickel. Es kan die Sache so eingerichtet, vorgetragen, und behauptet werden, ohne daß man damit der Päbstischen Anruffung der Verstorbenen Heiligen etwas einräumet. Man muß sie eigentlich unter die Theologischen Problemata rechnen, wenn nur die Frage an sich selbst recht eingerichtet ist.  
  Diese Einrichtung der Frage ist nun der andere Umstand darauf man hier zu sehen hat. Es können hier verschiedene Dinge zusammen kommen, die man recht aus einander, und nicht in eins werffen muß, woraus sonst eine Verwirrung entstehet, und die Sache selbst nicht gründlich kan entschieden werden.  
  Ein anders ist es, ob die Verstorbenen, im Himmel überhaupt vor die Menschen beten? Ein anders: Ob dieses insonderheit vor die Seinigen, und dieses entweder überhaupt oder in Ansehung einer gewissen Noth geschehe, und was dergleichen Umstände mehr sind, nach deren Unterscheid auch die Frage distinct einzurichten, und zu beantworten ist.  
  Kommt es zur Entscheidung und zur Beantwortung, so muß man drittens sehen, woher die Gründe darzu sollen genommen werden. Sie beruhen entweder auf einen ausdrücklichen Ausspruch der Heiligen  
  {Sp. 2140}  
  Schrift, oder auf gewisse Principien, welche uns die Schrift, und die Beschaffenheit der Sache an die Hand geben; daraus aber der Beweiß durch Folgerungen muß angestellt werden.  
  Bey der Beschaffenheit der Sache kommen unter andern folgende Umstände vor: Ob es der Zustand der Verstorbenen Heiligen im Himmel zulasse, daß sie sich um das, was auf Erden vorgeht, bekümmern? Woher sie eine Nachricht von den Dingen auf Erden haben könnten? Wie die Erkenntniß der vergangenen Dinge, ehe die Seele vom Leibe getrennet, von der Erkenntniß dessen, was nach der Trennung geschiehet, unterschieden? Ob von der Erinnerungs-Krafft, so sich bey den von den Cörpern abgeschiedenen Seelen befindet, auf die Wissenschafft dessen, was nach dem Tode auf Erden vorgehet, zu schliessen sey? Ob ferner ein solches Gebet der Verstorbenen im Himmel nöthig sey? Und was andere solche Umstände mehr sind. Von den oben angeführten Schriften, die bey dieser Streitigkeit zum Vorschein gekommen sind, wird man zulängliche Auszüge in den Unschuldigen Nachrichten 1713 … desgleichen 1714 … antreffen.
  Der bekannte Salmurische Professor, Ludovicus Capellus, hat in seinem Tractate; Nekrōn Bios sive de statu hominum post mortem usque ad judicii diem, erweisen wollen: daß weder die Seelig-Verstorbenen nach ihrem Tode in den rechten Ort und Stand der ewigen Freude noch die gottlosen Seelen in den rechten Ort und Stand ihrer Verdammniß kämen, sondern daß jene in freudiger Hoffnung des ewigen Lebens, diese in ängstlicher Furcht der Höllenstrafe sich in unbekannten Orten, jene gleichsam in der Vorstadt des Himmels, diese in der Vorstadt der Hölle, biß auf den jüngsten Tag aufhielten.  
  Er handelt also erstlich von den Verstorbenen Frommen hernach von den Gottlosen, jedoch also daß er immer wieder etwas von den Frommen mit einmischet, und die Gründe der Rechtgläubigen zu beantworten sich bemühet.  
  Unter andern er hegt er auch die besondere Meynung, daß Röm VIII, 23 das Seuftzen der Creaturen, diesen Zustand der Formen nach dem Tode bedeute, und daß die murrenden Arbeiter im Weinberge, Matth. XX.
  die Seelig-Verstorbenen wären, die auf die andern warten müsten, da sie doch alle biß auf die letzte Stunde gearbeitet hätten, und von keinem gesagt werde, daß er zuletzt geruhet habe, da die andern noch arbeiteten.  
  Unter den Theologen ist auch mehr als einmahl die Frage vorgekommen, ob die Verstorbenen wieder erscheinen konnen. Viele haben dieses geläugnet und Simon Heinrich Richter hat in seinem Buche: Mächtiges doch unbeschräncktes Reich des Teufels, 1715 diese Meynung gründlich wiederlegt, welches auch der Verfasser: Des neu eröfneten Schauplatzes und Aberglaubens der Menschen, gethan; andere haben sie fest zu behaupten gesucht, sonderlich die sogenannten Engels-Brüder.  
  Der ungenannte Verfasser, welcher Meditationes, Theses, Dubia Philosophico- Theologica 1719 heraus gegeben, hat … sehr wunderliche und abgeschmackte Einfälle von den Verstorbenen, wie sie in die Planeten ver-  
  {Sp. 2141|S. 1084}  
  setzt werden, und hernach weiter wandern würden.  
  Johann Otto Glüsing, der 1720. zu Hamburg: den ersten Tempel in Christo, heraus gegeben, und Arnolds Fußtapffen nachzufolgen bemühet gewesen, hat … geglaubt, daß die ersten gesalbten Gläubigen ihren Verstorbenen mit Gebet und Allmosen zu Hülffe gekommen, und sie in den Tod Christi eingeführet hätten.  
  Samuel Urlsperger hat in einem Buche: Der Krancken Gesundheit, und Sterbenden Leben 1723. Die Lehre von der Verbindung, darinne die Verstorbenen mit den Lebenden stünden, und sonderlich die Wissenschafft der Verstorbenen, wie es mit und stehe, … etwas zu weit getrieben. Überhaupt verursachte dieses Buch einiges Aufsehen, und man wolte anstößige Meynungen darinne gefunden haben, worunter die Fragen gerechnet worden: Ob die Seelig-Verstorbene in der Ewigkeit von dem, was auf Erden vorgehet, benachrichtiget würden? Und ob die Seelig-Verstorbenen den Menschen näher wären, als man glaubte? Man kan hiervon Georg. Lebr. Peträus Schrifftmäßigen Beweiß, daß in Herrn Samuel Urlspergers Krancken-Buche sich anstößige Redens-Arten und Lehren finden, nachschlagen.
  Wider diese Schrifft gab 1725 . H.G.A.J.welches Grammlich bedeuten soll, einen Unterricht von dem Zustande der Seelig- Verstorbenen heraus, in welchem er Urlspergers Krancken-Buch vertheidigen wolte. Er stritte also weitläuftig vor die Meynungen: Daß die Seelig-Verstorbenen die menschlichen Händel, so jetzo geschähen, erführen, daß wir uns näher wären, als wir dächten, u.s.f.  
  Es hat ferner Georg August Pachom, unter welchem Nahmen sich der berühmte Altorfische Professor der Theologie, D. Gust George Zellner, verborgen hat, in seiner Synopsi Logomachiarum Pietisticarum, Franckf. 1726. … zu vertheidigen gesucht: Daß man gewisser massen alle Verstorbene seelig nennen könte, und Wilhelm Burius bemerckt in Notitia Romanorum Pontificum et Onomastico, Patav. 1724. … aus dem Ludolph de Saxonia, daß niemand ein Jesuit genennet werden solte als die Seelig-Verstorbenen.  
  Es hat auch M. Joh. Gabriel Güttner in den Hindernissen des wahren Christenthums Dn. Oculi gezeigt, wie schädlich es sey, alle Verstorbenen seelig zu preisen, und wie dadurch die Leute,  
 
1) in Sicherheit,
2) in geistliche Trägheit und Faulheit,
3) in Atheistischen Unglauben,
4) in eine schmählige Verachtung des Predigt-Amtes
 
  verfielen.  
  Es ist von dieser Materie vieles geschrieben worden, und diejenigen, die etliche Jahre hindurch gestritten, sind zu weit gegangen. Wir müssen hier etwas stehen bleiben, und die Sache selbst kürtzlich ansehen.  
  Unser Bekänntniß ist dieses: Wenn ein Mensch nicht in seinen Sünden plötzlich dahin gefahren, und ohne alle Busse und Zeichen einiger Reue verstorben ist, sondern sich vielmehr an seinem Ende zu GOtt gewendet, und dem äusserlichen Ansehen nach wahre Busse gethan hat, so kan ihn der Prediger dennoch seelig nennen, ob er schon vorher in schweren Sünden gelebt hat. Die Kirche ist eine Mutter, welche von ihren Kindern alles Gute hoffet. Die Liebe hoffet alles, 1. Corinth. XIII, 7.
  Wenn die  
  {Sp. 2142}  
  Verstorbenen seelig genennet werden, ist es locutio ecclesiastica, nicht aber acroamatica. Es hängt von dem Urtheile der Hoffnung ab. Sonst müste man sich auch ein Gewissen machen, auf der Cantzel zu sagen: Allerseits Geliebte und Auserwehlte in dem Herrn! Man sehe des seel. D. Fechts Dissertation: de beatitudine in Domino defunctorum, und D.V.E. Löschers Vorrede zu Haasens Unterricht von der Seeligkeit der Sterbenden.
  Doch kan die Behutsamkeit nicht schädlich seyn, wenn man bey sich ereignenden Umständen darzu setzet: Wie wir in der Liebe hoffen.  
  Sehr weit gieng ein Prediger Hieronymus Müller, welcher dem treflichen Rechtsgelehrten, Christian Boye, eine Leichen-Predigt hielt, und auf der Cantzel mit einem Eyde bekräfftigte: er habe ihn sehen gen Himmel fahren. von Seelen Select. Literar. …
  Dieses mag  hievon genug seyn, und wir wollen noch einige besondere Meynungen zu den obigen fügen, die man von den Verstorbenen gehabt, und öffentlich vorgetragen hat.  
  Hieher gehöret unter andern ein Juris Practicus zu Dantzig, Salomo Bach, welcher in einer verkehrten Schrifft, die den Titel führte: Zur vernünftigen Prüfung übergebene Ursachen welche sich im Rechte der Natur, der gesunden Vernunfft, und in GOttes Wort gründen, warum man nicht zur Beichte gehen, auch nicht Beichte hören könne, noch müsse etc. … die wunderliche Meynung vortrug: Die Abkündigungen der Verstorbenen in der Lutherischen Kirche wären nichts anders als der Papisten Seel-Messe. Allein er hat gar bald seine Abfertigung erhalten, welches in des Evangelisch- Lutherischen Ministerii in Dantzig abgefasseten und angefertigten Widerlegung einer ungedruckten Fanatischen Schrifft geschehen ist.  
  Der gelehrte Herr Prof. Cantz hat in Usu Philosophiae Leibnitianae et Wolfianae in Theologia … den Umgang der verstorbenen Frommen mit den Lebendigen, als ein Problema zugegeben, man ist aber doch nicht mit ihm zufrieden gewesen.  
  Der Verfasser der Unterredungen vom Reiche der Geister macht sich sonderlich mit den Verstorbenen viel zu schaffen, und thut, so viel wissend, als ob er geheime Nachrichten aus diesem Reiche erhalten hätte. Er meynt … daß der Verstorbenen Astral-Seelen lange Zeit auf der Erden herum schweiffen, und daß ein Reinigungs Ort der Seele nach dem Tode sey.  
  Dieses nennet er seine Grundsätze, und in der dritten Unterredung bringet er allerhand Todten-Erscheinungen, und Geister-Historien vor, die sich sonderlich hier in Leipzig und in dieser Gegend, desgleichen in den Kayserlichen Erb-Landen zugetragen haben sollen. Ja er verspricht solche Lehren, daß nehmlich die Verstorbenen an einem Mittel-Orte müsten gereiniget werden, gegen die Widersacher ferner zu vertheidigen, und bittet, daß man ihm allerley Geister-Historien mittheilen möchte, damit er dieses Werck auf diesen Grundsatz weiter fortführen können. Im II Th. … behauptet er: Daß die Todten-Dienste recht wären, und bringt überhaupt sehr abgeschmackte Meynungen von den Verstorbenen vor.  
  Also hat auch D. Gottlieb Slevogt in der gründlichen Untersu-  
  {Sp. 2143|S. 1085}  
  chung von den Rechten der Altäre, Taufsteine, Beicht-Stühle, Predigt-Stühle Kirchstände etc. Jena 1732 in der vierten Abtheilung, … bey der Dancksagung für einen Verstorbenen gewöhnliche Formel: GOtt verleihe dem Cörper in der Erden eine sanffte Ruhe, für eine Reliquie des Aberglaubens einiger Canonisten ohne Grund gehalten.  
  Man kan wider dieses Vorgeben gewisser massen eine Schrifft lesen: Vertheidigung der Kirchen-Gebete vor die Verstorbene, Dreßden 1735, welche ein Rechtsgelehrter aus der Ober-Laußnitz aufgesetzt haben soll. In derselben widerspricht er denen, welche die Leichen-Predigten, und alle öffentliche Cantzel-Wünsche vor die Verstorbenen verwerffen, mit guten und tüchtigen Gründen. Das Wort Kirchen Gebet aber gehet hier zu weit: man kan auch solche Wünsche eigentlich nicht Vorbitten nennen, und daher dasjenige, was der Verfasser … schreibt, mit solchem Bescheide zu verstehen seyn wird.  
  Hier wollen wir stehen bleiben und die Nachrichten von den verschiedenen Meynungen, welche man von den Verstorbenen, besonders im gegenwärtigen Jahrhundert zu behaupten gesucht hat, beschliessen.  
  Wir wollen uns vielmehr zur Abhandlung der Verstorbenen selbst wenden, und die wahre Lehre unserer Kirche, was die vornehmsten Umstände derselben betrifft, vortragen.  
  Hier wird vornehmlich zuerst die merckwürdige Begebenheit von den Todten, die zur Zeit der Auferstehung Christi auferwecket worden, zu erklären seyn. Der Heilige Geschichtschreiber Matthäus giebt uns im XXVII Cap. 52 u.f. Nachricht hiervon:  
  Und die Gräber thäten sich auf, und stunden auf viele Leiber der Heiligen, und giengen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung, und kamen in die Heilige Stadt und erschienen vielen.  
  Der Evangelist Matthäus erzehlet diese Historie allein, und sagt zuerst: Daß sich die Gräber aufgethan hatten, welches geschehen ist da das Erdbeben gewesen, und die Felsen bey dem Sterben JEsu zerrissen sind. Die Eröffnung der Gräber rührte nicht blos von dem Erdbeben, indem sich nicht alle Gräber, sondern nur diejenigen eröfnet haben, aus welchen hernach die Heiligen gegangen. Dieses geschahe aus besonderer Vorsorge GOttes.  
  Einige Ausleger rechnen das Aufthun der Gräber zur Auferstehung Christi; weil man sonst nicht sähe, warum die Gräber eröfnet worden, da keine Auferstehung der Todten vorgegangen. Maldonatus Commentar. ad h.l. schreibt: Malo credere, neque monumenta ante Christi resurrectionem aperta fuisse, neque resurrexisse mortuos etc.  
  Es wird aber die Frage hier aufgeworffen, wenn die Todten auferstanden aus den Gräbern gegangen, und in die heilige Stadt gekommen? Etliche sagen, es sey alles oder doch das meiste, da Christus verschieden geschehen. Diese Meynung hat Chrysostomus Homil. … und Hilarius in Matth. Can. XXXIII. scheinet gleiches Sinnes zu seyn; ingleichen Theophylactus ad Matth. XXVII.
  Glycas gedenckt in Annal. … einer Lesart autōn vor autou, welche Cod. Colb. 4. hat. Die Arabischen und Ethiopischen Übersetzungen  
  {Sp. 2144}  
  kommen hiermit überein, so nach Millii Anführung in N.T. an statt meta tēn egersin autou lesen oder übersetzen autōn, daß also die Todten nicht nach Christi Auferstehung, sondern nach Christi Auferweckung aus den Gräbern hervor gegangen. Allein die Codices sind wider diese Lesart, und diese Bestimmung der Zeit scheinet überflüßig und unnöthig zu seyn.  
  Die Meynung, daß das meiste im 53. V. zu dem Todte Christi zu ziehen, scheinet auch nicht sattsam gegründet zu seyn, wenn man gleich annähme, was Seb. Schmid Dispp. disp. XX. p. 1151. anmercket, und Joh. Rein. Ries. Harm. … gut heisset. Sie meynen, das Wort egersis werde am bequemsten sensu transitivo verstanden, daß es Christi Handlung, da er die Todten auferwecket, anzeige. Es ist schwer zu glauben, daß der Evangelist, dem sterbenden Heylande, nur die Auferstehung, und nicht die übrigen Wunder zugleich zuschreibe. Wenn Matthäus dieses hätte sagen wollen so hätte er ohne Zweiffel meta tē egersin autōn geschrieben.  
  Die Meynung derjenigen, welche sagen, die Todten wären zur Zeit des sterbenden Christi erst heraus gegangen und in die heilige Stadt gekommen, scheinet keinen Beyfall zu verdienen. Unter den Reformirten hat Quil. Momma Oecon. temp. … diese Meynung angenommen. Solten aber diese Heiligen so lange lebendig in dem schmutzigen Gräbern seyn behalten worden? Das Wort egerthē zeigt ein anders an.  
  Christus könnte auch nicht wohl [3 Wörter Griechisch] 1 Cor. XV, 20. 23
  und prōtotokos ek tōn nekrōn genennet werden.  
  Uns gefället auch nicht die Meynung, daß die Cörper zur Zeit des Abschiedes Christi erwecket worden, aus den Gräbern lebendig hervorgegangen, und nach der Auferstehung Christi sich in der heiligen Stadt sehen lassen. Diese Erklärung gründet sich auf die Syrische Dollmetschung, und sind nach seiner Auferstehung in die heilige Stadt gegangen.  
  Diese Meynung hat Lud. de Dieu not. ad h.l. so gefallen, daß er dem Dollmetscher öffentlich will Danck gesagt wissen. Daniel Heinsius Exercitat. sacrar. ad h.l. nimmt sie auch an, und Anton Bynäus de morte Christi … billiget dieselbe. Daher hat man das Comma nach dem Worte [1 Wort Griechisch] gesetzet, und nach autou weggestrichen.  
  Dieser Meynung nach wären die Heiligen, die Zeit über, da Christus im Grabe gewesen, ausser der Stadt gleichsam herumgeschweift, und nach der Auferstehung Christi erst in die Stadt gekommen. Sie sind aber darum auferwecket worden, daß sie erscheinen solten. Nichts als die Eröffnung der Gräber hat von den übrigen Umständen können abgesondert werden; denn diese wird mit dem Erdbeben, und mit dem Zerspringen der Felsen zunächst verknüpfft.  
  Christus hat durch seinen Tod dem Tode die Macht genommen. Ebr. II, 12.
  Es konte also der Sieg zur Zeit des Sterbens Christi durch ein Wunderwerck angezeigt werden; die völlige Bekräfftigung aber des Sieges über den Tod erfolgete nach der Auferstehung Christi. Die Auferweckung unserer Leiber gehöret sonst zu dem Stande der Erhöhung Christi, Röm. XIV, 9.
  die Auferstehung Christi, und die Erweckung unserer Leiber  
  {Sp. 2145|S. 1086}  
  werden mit einander verknüpfft, 1. Corinth. XV, 13. u.ff.
  Die Eröffnung der Gräber bezeuget schon, daß die Bande des Todes durch den Tod Christi aufgelöset wären. Diese Erklärung ist nicht neu. Tertullian de anima … zielet hierauf, wenn er die Patriarchen und Propheten appendices dominicae resurrectionis nennet. Hieronymus ad Matth. XXVII. schreibt: [5 Zeilen lateinischer Text]. Hiermit stimmen Epiphanius Haeres. … und Prudentz Cathem. hymno 9. überein.  
  Dieser Meynung folgen  
 
  • unter den Papisten Cornelius a Lapide
  • unter den Reformirten Lampe,
  • unter den Arminianern Grotius und Clericus,
  • unter der Unsrigen
    • Gerhard in Harm. ad h.l.
    • Sagittarius in Harm. Pass. Chr.
    • und Lange im Evangelischen Licht und Recht.
 
  Es wird ferner gefragt: wer die Heiligen sind, deren Leiber auferwecket worden? Matthäus sagt: [Ein Satz Griechisch]. Durch [ein Wort Griechisch] werden die Todten, die in den Gräbern schlafen, verstanden, 1. Corinth. VII, 39. XV, 6.
  Der Evangelist nennet die Leiber der Heiligen, also ist hier an die Gottlosen nicht zu gedencken. Sind es aber wohl Heilige des Alten Testaments, oder Heilige, die nicht lange vor Christoph verstorben? Tertullian verstehet l.c. ohne Zweiffel Abraham, Isaac, Jacob und andere. Daß Hiob auch unter denselben gewesen sey, könte aus Hiob XLII, 17. bey den LXX Dollmetschern bewiesen werden.
  • Spanhem Historia Jobi
  • Carpzovs Introduct. ad Lib. Bibl.
  Man hat keinen Grund zu leugnen, warum nicht einige Heilige der alten Zeiten wären erweckt worden. Sie konnten göttliche Zeichen haben, ob sie schon dem Gesicht nach nicht bekannt waren, und also können es Zacharias, Johannes der Täuffer, Simeon, Hanna und andere gewesen seyn, wie Clericus, Lampe, und Joh. Reinh. Rus Harm. … davor halten.
  Die Heiligen kamen [4 Wörter Griechisch], also ist nicht das himmlische Jerusalem zu verstehen, welches Augustin ad Evod. … schon erinnert hat; sondern es wird das irrdische Jerusalem verstanden, Nehem. XI, 8;
  nicht als wenn die Einwohner wahrhafftig heilig gewesen, sondern weil der Tempel des wahren GOttes, und der äusserliche Gottesdienst darinne war,
  • Matth. IV, 5.
  • Luc. IV, 9.
  Sie erschienen vielen, nicht zwar den Ungläubigen Jüden, wohin zu rechnen Luc. XVI, 29,
  sondern den Gläubigen, welchen auch Christus nach seiner Auferstehung erschienen, Apost. Gesch, X, 41.
  Daß die Heiligen unter einer sichtbaren menschlichen Gestalt erschienen; solches erhellet aus dem Worte [ein Wort Griechisch], welches auch von Christo Marc. XVI, 9. und Apost. Gesch. X, 40. gesaget wird. Theophilactus Commentar in Matth. schreibt recht:  
  „Welche auferstanden waren, erschienen vielen, damit es nicht schiene, als wenn es nur imaginarisch wäre, was geschehen war.„  
  Die  
  {Sp. 2146}  
  Worte [griechischer Text] deuten an, daß die Leiber, welche im Tode verfallen, wieder hergestellet, und mit ihren Seelen vereiniget wären, daß sie als lebendige Menschen aus den Gräbern hervor gehen können. Also sind es nicht blosse phantasmata gewesen; sonst könnte es auch nicht [4 Wörter Griechisch] heissen, Es scheinet, daß diese Leiber zwar nicht von einer so groben Art, dergleichen wir in diesem Leben tragen, gewesen; weil sie sonst von jederman hätten können gesehen werden. Dahero schliesset Calov in Bibl. illustrat. ad h.l. recht, daß ihre Leiber geistisch und auf gewisse Weise dem Leibe JEsu Christi, welchen er nach seiner Auferstehung gehabt, ähnlich gewesen.  
  Ferner folgt, daß die Augen derer, die dieselben gesehen haben, durch Göttliche Krafft erhöhet worden. Gerhards Harm. …
  Daraus, daß sie erschienen, kan nicht geschlossen werden, daß sie noch nicht im Stande der seligen Anschauung GOttes gewesen; noch daß sie zur selbigen Zeit dieselbe nicht genossen haben. Es ist gewiß, daß die Engel dia pantos das Angesicht des himmlischen Vaters sehen, Matth. XVIII, 10;
  nichts desto weniger sind sie erschienen, welches von Gabriel und den Engeln, die Christi Auferstehung offenbar gemacht, bekannt ist.  
  Wir übergehen hier die Meynung derjenigen, welche sagen, die Seelen der Väter des Alten Testaments, die hier erschienen, wären aus dem Limbo bey der Auferstehung Christi befreyet, hernach mit den Leibern vereiniget worden, und erschienen. Was haben aber diese Heiligen nach ihrer Erscheinung vor einen Zustand gehabt?  
  Einige sagen, die Seelen derselben wären hernach wieder von ihren Leibern getrennet worden, und wieder in den Stand der Toden gekommen. Diese Meynung vertheidigen  
 
  • Augustinus Epist. …
  • Chrysostomus Homil. …
  • Theophylact. in Matth. XXVII.
  • Bernhard Serm. I. de resurrect.
  • Thomas P. I. …
  • Aug. Calmet dissert. in Script. S. libros
  Andere behaupten, diese Heiligen wären also lebendig gemacht worden, daß sie nicht mehr hätten sterben dürffen. Diese Meynung ist wahrscheinlicher. Sie haben geistliche Leiber gehabt; daher ist ihre Beschaffenheit anders, als der Tochter Jairi, des Nainitischen Jünglings, und Lazari, welche ihren Lebens-Lauf zu vollenden auferwecket worden, gewesen.  
  Der Verfasser der Quaestionum ad Orthodoxos, welcher insgemein vor den Justinus Martyr gehalten wird, schreibt ...: [3 Zeilen griechischer Text]. Hilarius in Ps. II. sagt: Hic ergo (Christus) rex constitutus Hierusalem, quae in coelis etc. cujus, ut existimo, hodieque incolae sunt passione domini resurgentes. Hiermit stimmet auch Hieronymus epist. 3. ad Heliod. überein.  
  Zu was Ende aber sind diese Heiligen ausserordentlich auferwecket worden? Zur Bestärckung, daß der gecreutzigte und auferweckte JEsus von  
  {Sp. 2147|S. 1087}  
  Nazareth der wahre Meßias sey, durch welchen die Toden erwecket werden sollen.  
  Es war unter den Jüden die Tradition, wie Menasseh Ben Israel von der Auferstehung … und Abenesta ad Dan. XII versichern,
  daß in den Tagen des Meßiä einige Gerechten auferstehen würden.  
  Christus hat zu der Zeit, da er aufstand, Tode erwecket, zu zeigen, daß er alle Gewalt des Todes und des Satans Ebr. II, 4.
  durch seinen Tod und Auferstehung zerstöret.  
  Er wolte, daß einige seiner Auferstehung theilhafftig würden, zur gewissen Versicherung, daß alle die durch Christus geheiligt worden, einmahl eine glorreiche Auferstehung haben solten. Es haben übrigens viele, gantze Tractate und Disputationen von dieser Materie geschrieben.
  M. Job. Jac. Stübel, Rector zu Meissen, stellete 1713. am Oster-Feste eine Dissertation ans Licht: de Sanctis illis vi mortis et resurrectionis Christi e sepulchris excitatis et a multis conspectis, darinne er anfangs die Gewißheit solcher Geschichte erwiesen, und hiernächst die unter den Gelehrten aufgeworffene Frage: ob solche Heiligen gleich bey dem Tode Christi, oder erst bey desselben Auferstehung lebendig geworden und herfür gegangen, untersuchte, und der letzten Meynung beypflichtete.  
  Hierauf zeigte er weiter, daß nach der Theologen Meynung, Adam, Abel, Seth, Noah, Abraham, Isaac, Jacob, Eva, Sara, Rebecca, Hiob, Simeon, Johannes der Täuffer, und nach Luthers Meynung Joseph unter solchen Heiligen gewesen, welche auferstanden, nach Jerusalem gekommen, und sich daselbst nicht nur sehen, sondern auch hören lassen. Darauf wären sie nicht, wie einige meyneten, von neuen gestorben, oder in ein von dem pou der Seeligen unterschiedenes Paradies, sondern vielmehr in den Himmel der Seeligen und Auserwählten mit JESU aufgenommen worden. Es stehet auch eine Abhandlung hiervon in der Bibliotheca Historico- Philolog. Theologica … Bremen 1720, allwo J.G. Michaelis Exercitatio von den Toden mit Christo auferstanden, befindlich ist.
  In der Heiligen Schrifft wird Christus Offenbahr. … und Coloss. I, 18. Der Erstgebohrne von den Toden genennet, welcher Ehren-Titel von der ewigen Geburt aus dem Wesen des himmlischen Vaters und von der Gottheit JEsu gezeuget. Die Socinianer mißbrauchen diesen Ehren-Nahmen JESU dergestalt, zur Verkleinerung seiner Ehre, daß sie daraus erzwingen wollen, als ob er keineswegen als GOtt, sondern als eine blosse, jedoch herrliche, erste und vornehmste Creatur anzusehen wäre.  
  Wir hätten hier Gelegenheit viele Betrachtungen über die angezogenen Schrifftstellen, und diesen besondern Ausdruck zu machen, wenn nicht schon unter dem Artickel: Erstgebohrner von den Toden, im VIII Bande, p. 1774. u.ff. etwas davon gesagt worden wäre. Man findet auch im XIX Stücke des Heßischen Heb-Opffers, … eine gute Abhandlung hiervon.
     

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Stand: 9. April 2014 © Hans-Walter Pries