HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Theologie [3] HIS-Data
5028-43-857-27-03
Titel: Theologie [3]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 43 Sp. 879
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 43 S. 453
Vorheriger Artikel: Theologie [2]
Folgender Artikel: Theologie, (Acroamatische)
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

vorhergehender Text  Teil 2 Artikelübersicht  

Übersicht
  Mittel (Forts.)
 
  natürliche (Forts.)
 
  Meditation
  Übung
  Literatur

Stichworte Text Quellenangaben und Anmerkungen
  Das dritte unter den natürlichen Mitteln, deren man sich zur gründlichen Erkänntniß der Theologischen Wissenschafften zu bedienen hat, ist die Meditation. Nimmt man dieses Wort im weitläufftigen Verstande, so kan man dadurch diejenige Würckung des menschlichen Verstandes, sonderlich der Urtheilungs-Krafft (Judici) verstehen, da man ein gewisses Object sorgfältig betrachtet und überleget, um zu einer genauern und gründlichen Erkänntniß desselbigen zu gelangen. Nach solcher Beschaffenheit kan sie bey dem Studiren, wenn man von andern bey mündlicher Unterweisung was höret; oder in Büchern lieset, in einer dreyfachen Absicht angestellet, und daher in drey Arten, als in die Vorstellungs- Beurtheilungs- und Erfindungs-Meditation eingetheilet werden.  
  Durch die Vorstellungs-Meditation für diejenige Art verstanden, da man die Überlegung auf den wahren Sinn des Autors richtet, daß, wenn man das Gehörte, oder Gelesene nicht gleich begreiffen kan, so betrachtet man die darzu gehörigen Umstände genau, und denckt nach, was der andere eigentlich habe anzeigen wollen, damit man einen richtigen Begriff von der wahren Meynung des Autors bekommen, und sich davon eine gegründete Vorstellung im Verstande machen möge. Damit siehet man leicht, warum man dieses die Vorstellungs-Meditation nenne; die man jedoch auch mit andern Nahmen belegen kan, das Werck selbst kommt auf diejenigen Regeln an, deren man sich bey der Auslegungs-Kunst bedienet.  
  Ist das geschehen; oder man hat dergleichen nicht nöthig, indem die Meynung eines Verfassers vor sich deutlich, und man hat sie wohl gefasset, so hat man die Beurtheilungs-Meditation anzustellen, um bey derselben durch ein Nachdencken zu untersuchen, ob dasjenige, was der andere, es sey mündlich oder schrifftlich, behauptet, auch wahr sey, und damit man desfals eine hinlängliche Erkänntniß erlange, die Gründe, die man anführt, zu prüfen, wie weit sie mit dem behaupteten Satz zusammen hängen.  
  Und weil es in der geoffenbarten Theologie auf das Zeugniß der Heiligen Schrifft ankommt, so hat man selbige, als die eintzige Norm zu achten, nach welcher solche Prüfung geschehen muß; dabey aber den Unterschied der Beweisthümer, welche daher genommen werden, vor Augen zu haben. Denn einige bestehen aus den ausdrücklichen Worten der Schrifft und beweisen unmittelbar; andere hingegen sind Schlüsse, welche aus denen in der  
  {Sp. 880}  
  Schrifft enthaltenen Grundsätzen gefolgert werden, und daher ihre Beweisungs-Krafft mittelbar zeigen, mithin, wenn man in der Meditation solche Beweis-Gründe untersuchen will, muß man im Stande seyn, so wohl die Schrifft-Stellen nach ihren wahren Sinn; als auch die Schluß-Reden nach ihrer Richtigkeit zu prüfen.  
  Ist die Meynung des Autors beurtheilet, und man hat befunden, daß sie entweder gegründet; oder ungegründet; so thut man noch die Erfindungs-Meditation hinzu, und richtet seine Überlegung ferner dahin, daß man bey einem Satz, den man als richtig befunden, nachdencket, was vor Wahrheiten daraus zu folgern, und wie sich vermittelst desselbigen eine Wahrheit gegen die andere verhalte; oder wenn derselbige ungegründet zu seyn scheinet, so versuchet man, ob man andere und hinlängliche Gründe aussinnen und finden könne.  
  Solche Meditation ist schlechterdings nöthig, wenn man zu einer gründlichen Erkänntniß der Wahrheiten gelangen, und es nicht blos bey dem bewenden lassen will, was man von andern höret; oder in ihren Büchern lieset. Sie macht die Erkänntniß nicht nur gründlich, daß man selbst den Grund, warum dieses oder jenes vor wahr oder falsch anzusehen, einsiehet; sondern auch weitläufftig, sofern man durch sein eigenes Nachdencken auf manche Wahrheiten kommen kan, von denen man vorher nichts gehöret, noch gelesen.  
  Nur muß derjenige, welcher mit Nutzen meditiren will,  
   
  von der Nothwendigkeit der Meditation aber sehe man nach, was  
 
  • Edmund Richerius in Obstetr. animor. ...
  • Gerhard Johann Voßius in Imitat. Poetic. ...
  • Johann Andreas Bosius in Dissert. Isagog. de comparanda Eloqu. civil. ...
  • und Joh. Frantz Buddeus in Select. Juris Nat. et Gent. ...
 
  erinnert haben.  
Zu der mündlichen Unterweisung, zu der Lesung der Bücher, zu der Meditation, muß auch die Übung, als das vierte Mittel kommen. Wie aber selbige mancherley seyn kan; also verstehet man hier diejenige Art, welche auf die Geschicklichkeit, etwas vorzutragen, gerichtet wird. Denn bey dem Studiren hat man nicht bloß auf sich selbst; sondern auch auf seinen Nächsten zu sehen, und ist verbunden, ihm mit derjenigen Erkänntniß, die man erlanget hat, zu dienen; soll aber das geschehen, so muß man im Stande seyn, ihm dasjenige, was man weiß, und ihm dienlich ist, zu eröffnen. Darzu gehöret eine besondere Geschicklichkeit, welche durch eine fleißige und geschickte Übung gar sehr befördert wird, wenn sonst eine gute natürliche Fähigkeit und eine ordentliche Erkänntniß dessen, was man vortragen will, zum Grunde lieget.  
  Die Übung selbst, welche darzu dienlich ist, lässet sich sonderlich auf zweyerley Art anstellen. Die eine ist, daß  
  {Sp. 881|S. 454}  
  man mit ein und dem andern von denjenigen Theologischen Materien, die man in Collegien gehöret, oder in Büchern gelesen, discuriret: Sie in der Ordnung, wie sie vorgetragen worden, erzehlet, und sich damit nach und nach an eine ordentliche und deutliche Vorstellung gewöhnet. Mancher denckt, er habe eine Sache wohl und richtig gefasset; soll er sich aber darüber erklären, so ist er, dergleichen zu thun, nicht vermögend.  
  Damit kan man die andere Art verknüpffen, daß man nehmlich in Zeiten anfängt, täglich etwas Theologisches auszuarbeiten, es geschehe solches auf diese oder jene Art  
 
  • man entwerffe über einen gewissen Spruch eine Erklärung;
  • oder führe einen gewissen Theologischen Satz aus:
 
  Man mache solches kurtz, oder lang, wie es die Umstände mit sich bringen.  
  Und dieses sind also die Mittel, welche zur Erlangung einer Theologischen Gelahrheit nöthig sind.  
  Doch wird hierbey voraus gesetzet, daß man in denjenigen Wissenschafften, die bey der Theologie zum Grunde liegen, und damit verknüpffet werden müssen, eine hinlängliche und dem sich vorgesetzten Zweck gemäße Erkänntniß habe, und sich zugleich darum bekümmere, als in denen Sprachen, der Historie und Philosophie.  
  Denn in Ansehung der Sprachen muß ein jeder Gelehrter, und also auch ein Theologe, der Lateinischen so mächtig seyn, daß er solche fertig reden und schreiben kan, und wenn dieses auf eine reine und deutliche Art geschiehet, so hat einer solches allerdings als eine Zierde seiner Gelehrsamkeit anzusehen. Insbesondere kommt ihm zu, daß er sich um die Griechische, Hebräische und andere Orientalische Sprachen bekümmert, und in denselbigen wenigstens eine solche Fertigkeit erlangt, daß er im Stande ist, die Heilige Schrifft in ihrem Grund-Texte zu lesen, und mit Anwendung derer darzu dienlichen Hülffs-Mitteln zu verstehen.  
  Von denen Historischen Disciplinen ist die Erkänntniß der Kirchen-Geschichte schlechterdings nöthig, und erstrecket sich der Nutzen derselbigen durch alle Theile der Theologie. Wie aber die Historie der Gelahrheit einem jeden Gelehrten wohl zustatten kommt; also ist sie auch einem Theologen sehr nützlich.  
  Und das muß man nicht weniger von der Philosophie[1] sagen, wenn man sie nehmlich in der That philosophisch und vernünftig; nicht aber unphilosophisch, das ist, sclavisch, sectirisch, und pädantisch treibet: Dabey in gehörigen Schrancken bleibet, und sie bey der Theologie weißlich und klüglich anzuwenden weiß.
[1] HIS-Data: korrigiert aus: Philophie
Literatur Was diejenigen Schrifften anbelanget, in denen man Anweisungen zur Theologischen Gelahrheit gegeben, sind deren eine grosse Menge vorhanden; wir wollen aber hier nur derer Vornehmsten gedencken:  
  Von denen Evangelisch Lutherischen haben dergleichen herausgegeben:  
  Johann Gerhard in Methodo studii theologic. 1622, 1654 in 8. Johann Hülstmann in Methodo studii theologici, welcher zu verschiedenen mahlen und mit einem Anhang einiger andern gleichförmigen Schrifften als  
 
  • Leonhard Hutters Consil. de studio theologico recte inchoando
 
  {Sp. 882}  
 
  feliciterque continuando;
 
 
  • Johann Försters Consil. Theol. de studio Theolog. rite instituendo et absoluendo:
  • Balthasar Meißners Instruct. de lectione biblica et locis communib. unter andern 1671 in 8 zum sechsten mahl heraus gekommen;
  • ferner
    • Abraham Calov in Paedia Theolog. de Methodo studi theolog. pie, dextre, feliciter tractandi 1652 in 8
    • Christ. Kortholt in Prodrom. ingenui Theol. cultor acad. 1704 in 8
    • August Hermann Francke in Methodo studii theolog. 1723 in 8.
    • Joachim Lange in Institutionib. Stud. Theol. litterar. 1723 in 8.
    • Johann Frantz Buddeus in Isagog. ad Theol. univers. 1727 und 1730 in 4 mit welcher letztern Edition zugleich ein adpendix von allerhand Zusätzen heraus kommen.
 
  Diesen kan man des Lucas Osianders Admonit. de studiis verbi divini ministrorum privatis recte instituend. so mit vielen Anmerckungen 1733 in 4 wieder gedruckt worden: Ingleichen des George Calixtus adparatum theologicum, 1656 1661 in 4 beyfügen.  
  Indem aber diese Schrifften ihrer Einrichtung nach von mancherley Art sind, und die Gelehrsamkeit zu den neuern Zeiten in manchen Stücken eine gantz andere Gestalt gewonnen, als sie vorher gehabt, so ist immer eine mit mehrern Nutzen zu gebrauchen als die andere, und man hat beym Gebrauch derselbigen eine gute Ordnung in Acht zu nehmen.  
  Anfänglich thut einer wohl, wenn er sich Franckens Methodum studii theologici wohl bekannt macht, und die daselbst gegebenen heilsamen Erinnerungen durch die Gnade GOttes in eine lebendige Krafft gehen lässet, indem derselbige sehr practisch abgefasset; worauf man denn D. Langens Institutiones studii Theol. litterar. durchlesen kan, und zugleich die vornehmsten Bücher, welche zu denen Theologischen Wissenschafften gehören, kennen zu lernen, und wenn darinnen einiger massen ein Grund geleget ist, sodann nehme man des D. Buddeus Isagogen ad theologiam universam vor die Hand: Gehe sie durch: Mache sich die Ordnung und Einrichtung derselben bekannt, und schlage sie bey vorfallender Gelegenheit auf, weil es ein weitläufftiges Werck ist.  
  Inzwischen hat man darbey die ältern Schrifften nicht gäntzlich aus den Augen zu setzen. Denn wenn sie gleich nicht in allen Stücken nach den heutigen Umständen der Gelahrheit eingerichtet sind; so findet man doch darinnen viele nützliche und herrliche Erinnerungen, eben weil sie von Gerharden, Hülsemannen, Caloven, als grossen Theologen, die das Werck wohl verstanden, gegeben worden. Hat man Zeit und Gelegenheit, ihre hieher gehörige Schrifften durchzugehen, so thut man dieses billig.  
  Von den Reformirten können bemercket werden:  
 
  • Andreas Hyperius in Lib. IV. de Theol. seu de ration. stud. Theol. 1572. in 8.
  • Lud. Crocius in Instruction. de ratione studii theologici, so sich in des
  • G.J. Voßius Fasciculo de studiis instituend. Utrecht 1658 befindet:
  • Ferner
    • Joh. Heinr. Alstedius in Praecogn. Theologic.
    • Joh. Heinrich Heidegger de Ratione studii theologic.
    • Steph. Gaussenius in Dissertat. Theol. welche mit seiner D. Rambachs Vorrede 1726 in 8 wieder gedruckt worden, und verschiedene hieher gehörige Materien

      {Sp. 883|S. 455}

      abhandeln, als de Studii Theolog. ratione: de natura theol. de utilitate philosophiae in theologia.
 
  Von denen Römischen-Catholischen, und zwar von den neuesten, wollen wir nur zwey der berühmtesten anführen, davon der eine Johann Mabillon, dessen Tractat de studiis monasticis anfänglich Frantzösisch heraus gekommen: Nachgehends in die Italiänische und Lateinische Sprache übersetzet worden, und eine hefftige Controvers veranlasset: der andere ist Lud. Elias du Pin, von welchem Methodus Studii Theolog. in Frantzösischer Sprache zu Paris 1717 ans Licht getreten, worauf eine Lateinische Übersetzung mit Johann Frickens Vorrede 1722 erfolget ist.  
  Von solchen Scribenten, welche Methoden, die Theologie zu treiben, geschrieben haben, geben mehrere Nachricht  
 
  • Christ. Matth. Pfaff in Introduct. in Histor. Theol. Litterar. ...
  • Johann Frantz Buddeus in Isagog. ad Theolog. Univers. ...
  • Joach. Lange in Institut. Stud. Theol. litter. ...
  • und Joh. Christ. Dorn in Biblioth. Theol. Crit. ...
Siehe Walchs Vorbereitungs-Gründe der Dogmatischen Theologie ...
     

vorhergehender Text  Teil 2 Artikelübersicht  

HIS-Data 5028-43-857-27-02: Zedler: Theologie [3] HIS-Data Home
Stand: 7. April 2013 © Hans-Walter Pries