|
Text |
Quellenangaben und Anmerkungen |
|
Bey denen Practischen Vorbereitungs-Gründen in Ansehung der Theologie hat man auf
drey Stücke zu sehen, als auf den
Endzweck, auf
das
Subject und auf die
Mittel. Was den¶ |
|
|
Endzweck, den man bey der Theologie und
deren Erlernung haben muß,¶ |
|
|
anlanget, so theilet man ihn in den
nächsten und in den letzten. Jener, oder der
nächste wird von dem Apostel Paulo gar
deutlich in diesen
Worten angezeiget: Daß ein
Mensch GOttes sey vollkommen, und zu allem
guten Werck geschickt, |
2 Tim. III, 17. |
|
Gleich vorhero hatte er den Timotheo, mithin auch
allen, welche der Gottesgelahrheit obliegen, die
Lesung der
Heil. Schrifft angepriesen, und ihm
vorgestellet, daß selbige von
GOtt eingegeben,
und nütz wäre zur Lehre, zur
Straffe, zur
Besserung, zur Züchtigung in der
Gerechtigkeit,
worauf er denn gleich die
Ursache, warum dieses
geschehen
müsse, in den angezogenen Worten
beygefüget. |
|
|
Denjenigen, der sich solchen
Zweck
vorzusetzen, und darnach zu streben,
nennet er
tou theou anthrōpon,
einen GOttes-Menschen, und zeiget an, er müsse
aus GOtt
gebohren seyn; von GOtt zu seinem
Beruff erhalten, und in
Verwaltung des
Amts auf
GOtt sehen, daß er ihm so wohl mit der Lehre; als
mit einem heiligen und unsträfflichen Wandel redlich
und treu diene. |
|
|
Von diesem GOttes-Menschen verlanget der
Apostel, er soll seyn artios, vollkommen, und zwar
[ein Wort Griechisch],
geschickt, da denn jenes anzeiget, er müsse mit
allen
nöthigen Gaben versehen seyn; dieses aber,
daß wenn er damit ausgerüstet, er auch darinnen
wachse, und eine Geschicklichkeit habe, solche
zur Erlangung des Endzwecks wohl
anzuwenden. Solchen Endzweck nennet er das gute
Werck, und
verstehet dadurch alles, was zur
Erbauung der Kirche nöthig ist, |
Ephes. IV, 12, |
|
indem aber solche mit sich bringet, daß die
Ungläubigen bekehret; die Gläubigen gestärcket
und getröstet werden, und
GOtt hierzu
gewisse
Gnaden-Mittel
verordnet, so muß man durch die
Gnade GOttes eine Geschicklichkeit erlangen, mit
denselbigen gehöriger massen umzugehen, und
ein Beflissener der Gottesgelahrheit hat nöthig,
sich desfalls um vier Stücke zu bekümmern.¶ |
|
|
Das erste ist eine hinlängliche
Erkänntniß
der Theologischen
Wissenschafften; oder eine
Theologische Gelahrheit, daß man im
Stande
sey, |
|
|
|
|
|
Das erfordert nach den mancherley
Umständen, darinnen sich die
Menschen
befinden, das Amt, so
Lehrer und Prediger
verwalten
sollen. Sie
müssen daher die
Göttlichen Wahrheiten, sie
mögen den
Glauben,
oder das
Leben angehen, auf eine
gründliche Art
erkennen, daß sie andern wieder damit
dienen
können. |
|
|
Doch ist dieses allein nicht hinlänglich. |
|
|
{Sp. 869|S. 448} |
|
|
Denn bey manchem findet sich eine grosse
Gelehrsamkeit; gleichwohl ist er nicht
geschickt,
als ein Theologe das
Werck des Herrn zu
treiben, und zum
Bau des
Reichs Jesu Christi das
seinige beyzutragen. Darum muß noch mehrers,
und zwar vors andere die Himmlische Weißheit darzu kommen, welche
gantz was anders, als die
Gelahrheit ist. Denn mancher ist Gelehrt; dabey
aber nicht weise; sondern in dem er gottlos
lebet,
und sich durch seine
Sünden ins
Unglück stürtzet,
so ist er nach dem vielfältigen Ausspruch des
Heil.
Geistes in der
Schrifft ein Thor und ein Narr. |
|
|
Ein Weiser weiß nicht nur das
Gute und
Böse
von einander zu
unterscheiden; sondern er
erwehlet auch das Gute, und fliehet das Böse,
welches denn ohne Gelahrheit geschehen kan;
bey einem
Lehrer
aber
muß
billig beydes
beysammen seyn. Denn nach der
Weisheit hat
er die mancherley
Arten seiner Zuhörer zu
unterscheiden, und zu
beurtheilen, was einem
jeden heilsam und ersprießlich seit: Ob er soll
Gesetz; oder Evangelium predigen: Er selbst
suchet nichts anders, als die
Ehre seines
GOttes
und das ewige Heyl der
Menschen, damit er als
ein treuer Haushalter erfunden werde, und sich
als einen weisen Baumeister erweisen
möge, |
1 Corinth. III, 10. |
|
Darzu gelangt er nicht durch natürliche
Kräffte, menschlichen
Fleiß und
Übung; sondern
er hat sich an die
Gnade GOttes zu halten, in der
Schrifft zu forschen, von welcher Paulus
sagt,
daß sie uns kan
unterweisen zur Seeligkeit, |
2. Timoth. III, 15. |
|
oder, wie es nach dem
Griechischen
heißt, die uns kan weise machen, daß wir
die Seeligkeit erlangen; damit aber das Gebet zu
verknüpffen, und demjenigen nachzukommen ist,
was Jacobus sagt: So jemand unter euch
Weisheit mangelt, der bitte von GOtt, |
Cap. I, 5. |
|
Ist eine hinlängliche Gelahrheit nebst der
Weisheit vorhanden, so ist auch das noch nicht
genug, wenn man zur Erhaltung des vorhin
angezeigten Endzwecks geschickt seyn
will, indem, da man andern mit seiner Erkänntniß
dienen muß, drittens eine Gabe, etwas
vorzutragen erfordert wird, als woran viel gelegen
ist. Denn mit dem blossen
Wissen kommt man
nicht aus; sondern, weil man andern die
Göttlichen Wahrheiten bekannt machen, sie
ermuntern, erwecken, bestraffen soll, so muß man
im
Stande seyn, einen
ordentlichen, deutlichen,
gründlichen und
einfältigen Vortrag zu
thun. |
|
|
Beyde die Gründlichkeit und die Einfalt,
können und müssen beysammen stehen. Das
Wort GOttes wird gründlich gelehret, wenn man
alles auf den eintzigen
Grund unserer Seeligkeit,
welcher ist JEsus CHristus, |
- 1 Corinth. III, 11.
- Ephes. II, 20.
- 1 Petri II, 4.
|
|
bauet und alles aus der Heiligen Schrifft auf eine
überzeugende Art leitet: |
|
|
Man verkündiget es
einfältig, so ferne man nicht mit hohen
Worten,
noch mit
menschlicher
Weisheit kommt;
sondern selbst in der
wahren Einfalt und Demuth
stehet, und sich nach dem
Zustande der Einfältigen
richtet. |
|
|
Nebst diesem allen ist noch vierdtens, die
Heiligkeit des Lebens
nöthig.
Lehrer
müssen
vor andern |
|
|
- ihr Licht leuchten lassen vor den
Menschen,
|
Matth. V, 16. |
|
- ein Vorbild der Heerde werden,
|
1 Petr. V, 3. |
|
- zu ihren Zuhörern
sagen
können: Seyd unsere
Nachfolger, gleichwie wir Christi,
|
1 Cor. IV, 6. |
|
{Sp. 870} |
|
|
|
XI, 1. |
|
und bedencken, daß dieses
vornehmlich
die Absicht ihres Amts, oder die Erbauung mit
sich bringt. Und dieses alles darum, weil sonst
dasjenige was durch die Lehre
gebauet worden,
mit dem
Leben und
Exempel wieder
niedergerissen wird. |
|
|
Wird aber recht bedacht, was die Theologie
vor einen wichtigen, hohen und heiligen
Endzweck
habe, und mit der reinen Lehre ein heiliges Leben
verbunden, so wird zugleich der letzte Endzweck, den man bey der Theologischen Erkänntniß
haben soll, befördert, welcher ist die Lehre
GOttes. |
|
|
Nach dem Endzwecke ist das¶ |
|
|
Subject¶ |
|
|
zu erwegen, wie nehmlich derjenige
müsse
beschaffen seyn, welcher der GOttes-Gelahrheit
obliegen
will, wovon der
Artickel
Theologus, nachzusehen ist. |
|
|
Wir gehen also weiter und kommen zu
den¶ |
|
|
Mitteln¶ |
|
|
die man zu
gebrauchen und anzuwenden hat,
wenn man den
Zweck erreichen will. |
|
|
Der selige Lutherus hatte drey Mittel vorgeschlagen,
dadurch man ein rechtschaffener Theologe werden könne, nehmlich das Gebet,
die Meditation, und die Anfechtung, in dem er in
der
Vorrede des ersten
Theils der Teutschen
Schrifften, so zu Jena zusammen
heraus gekommen,
sagt: |
|
|
„Ich will dir anzeigen eine rechte Weise, in der
Theologia zu studiren, in der ich mich geübt
habe: wo du selbige hältest, solt du also gelehrt
werden, daß du selbst könnest (wo es Noth wäre)
ja so gute Bücher machen, als die Väter und
Concilia, wie ich mich (in GOtt) auch vermessen,
und ohne Hochmuth und Lügen rühmen darf, daß
ich etlichen der Väter wolte nicht viel zuvor geben
wenn es solt Büchermachens gelten, des Lebens
kan ich mich weit nicht gleich rühmen. Und das ist
die Weise, die der Heilige König David (ohne
Zweiffel auch alle Patriarchen und Propheten
gehalten) lehret im CXIX Psalm, da wirst du drey Regeln
innen finden, durch den gantzen Psalm reichlich
fürgestellet, und heissen also: Oratio, meditatio, tentatio," |
|
|
und darauf ein jedes dieser Mittel
erkläret,
welches auch von andern geschehen ist. Denn da
sie ihre Anweisungen zur Erlernung der Theologie
nach denselbigen eingerichtet, so haben sie
solche erläutert, und ihre Beschaffenheit sowohl,
als
Nothwendigkeit gezeiget, wie man aus den
Schrifften |
|
|
- Gerhards in Methodo Stuii Theol.
- Abraham Calovs in Paedia theologica me methodo
Studii Theolog. ...
- Aug. Hermann Franckens in Methodo Studii Theolog.
...
- Joh. Frantz
Buddei
in Isagog. ad Theolog. Univers. ...
|
|
|
sehen kan. Ausser diesen handelt von diesen
dreyen Mitteln Peter Piscator in Orat. de studiis theolog. recte
conformandis et instituend. die er 1610 zu Jena
gehalten. |
|
|
Man kan gar wohl alle diejenigen Mittel, die
man hier
nöthig
hat, nach diesem Ausspruch Lutheri erklären, daß man
müsse beten,
meditiren, und eine
Erfahrung, sonderlich in
Ansehung der Anfechtung erlangen; es läst
sich aber auch die
Sache so
vortragen, daß man
sagt, die Mittel, die einem Beflissenen der
Theologie zur Erhaltung seines Zwecks
nöthig, |
|
|
{Sp. 871|S. 449} |
|
|
sind entweder übernatürliche, oder
natürliche. |
|
|
Zu jenen, oder zu denen übernatürlichen,
gehöret
vornehmlich das
Gebet, welches das
allernöthigste und
nützlichste
Mittel ist, so, daß man
ohne demselbigen zu demjenigen
Zweck, welcher
vorher angezeiget worden,
ohnmögliche
kommen kan. Denn weil hierzu
Geistliche Gaben
erfordert werden, nehmlich
|
|
|
- wahre Erleuchtung des
Verstandes:
- wahre Reinigung des Hertzens:
- Himmlische Weisheit,
|
|
|
so müssen selbige von
GOtt
erbeten werden, und das Gebet selbst ist dahin zu richten, daß er einen gebe |
|
|
- erleuchtete Augen des Verstandes, zu
erkennen das
Geheimniß des
Reichs JEsu Christi:
- ein
gehorsames und williges Hertz, um die Göttlichen
Wahrheiten anzunehmen, und in ihre
Krafft gehen
zu lassen;
- nebst diesem aber auch Himmlische
Weisheit, damit man allezeit sehe, und
erwähle, was
gut; erkenne und fliehe, was
böse
ist.
|
|
|
Geschicht dieses, und betet ein Studiosus
der Theologie
fleißig, so fänget er seine
Sachen
gewiß
weise an. Da kan er ein rechter Kern Theologe werden, denn da begiebt er sich in die
Schule des
Heiligen
Geistes, als des besten
Meisters, und wird also von oben herab
gelehret. |
|
|
Nur muß man
wissen, wer derjenige sey, der
recht beten könne; und wie das Gebet selbst
müsse beschaffen seyn. Denn so lange man in
beharrlichen und vorsetzlichen
Sünden
lebet, kan
man nicht beten, und wenn man solches auch
thut, so ist dieses Gebet dem Herrn ein Greuel.
Das Gebet selbst muß |
|
|
- aus dem Hertzen kommen;
- in wahrem
Glauben
abgefasset,
- in einem kindlichem Vertrauen zu GOtt gerichtet,
- und in Demuth abgeleget werden.
|
|
|
Lutherus hat gar recht gesagt: Qui diligenter orat,
orando dimidium studiorum absolvit. |
|
|
Die natürlichen Mittel sind |
|
|
- die mündliche Unterweisung,
- die Lesung gewisser Bücher,
- die Meditation,
- nebst der damit
verknüpfften Übung,
|
|
|
welche wir nacheinander erklären wollen. |
|
|
Die mündliche
Unterweisung geschiehet auf
Universitäten in den sogenannten
Collegiis, die
nicht versäumet, oder bey Seite gesetzet werden
dürffen, wenn einer
Gelegenheit hat, sich eines
geschickten und treuen
Lehrers zu bedienen, der
nicht nur dasjenige, was er andere lehren
will,
gründlich
verstehet; sondern auch die
Geschicklichkeit, einen deutlichen und
ordentlichen
Vortrag zu
thun, besitzet, und dabey
ein redliches und treues Hertz hat, daß er auf den
Nutzen seiner Zuhörer siehet. Denn daß ein
mündlicher Vortrag das
Gemüth in besserer
Aufmercksamkeit erhalte, weil er eine grössere Eindrückung in dasselbige zu geben pflegt, davon
kan man des Herrn
D.
Walchs Vorbereitungs-Gründe der
Dogmatischen Theologie ... nachsehen. |
|
|
Es muß aber derjenige, welcher die Theologie
mit Nutzen hören will, folgendes beobachten: |
|
|
1) |
Er muß ein
wohl zubereitetes
Gemüthe haben, das geschickt
sey, die Lectionen darüber zu hören. überhaupt
muß das Gemüth von Vorurtheilen[1] frey seyn, und
gleich einer leeren Tafel, darauf der Abdruck der
Heilsamen Lehre
geschrieben werden könne.
Er muß mitbringen ein aufrichtiges Verlangen, nicht nur die Theologischen
Dogmata wohl und
gründlich zu fassen, sondern auch der erkannten
Wahrheit
gehorsam zu werden und eine rechte
Experimental-Erkenntniß |
|
[1] |
HIS-Data: korrigiert aus: Verurtheilen |
|
|
{Sp. 872} |
|
|
|
derselben zu erlangen. Er
muß[2] also mit einem Worte sich der Frömmigkeit
befleißigen, und insonderheit sich das Gebet bey
der Präparation zu jeder Lection empfohlen seyn
lassen. |
|
[2] |
HIS-Data: korrigiert aus: maß |
|
|
2) |
Er
muß wenigstens aus
der cursoria lectione der
Schrifft eine Erkenntniß der
Sachen, so in der Heiligen Schrifft enthalten sind,
mitbringen. Er muß also die Heilige Schrifft mehr
als einmahl von Anfang bis zu Ende
durchgelesen haben; oder wo solches
schändlich
versäumet worden, solchen
Mangel noch
ersetzen. |
|
|
|
3) |
Er muß bereits aus dem Catechismo einen
Begriff von der
Christlichen
Lehre und einen General-Begriff von dem
Grunde
und der
Ordnung des Heils gefasset haben. Aber
er muß deswegen bey dem Systematischen oder
Dogmatischen Studio dem Catechismum nicht bey
Seite legen, weil man auch
wissen muß, eine
Sache populär vorzutragen. Sonderlich ist
nöthig,
daß er die dicta classica auswendig lerne. |
|
|
|
4) |
Er muß
billig von der
Griechischen und
Hebräischen
Sprache so viel
gefasset haben, daß er die dicta probantia, die in der Theologie
vorkommen, im Grund-Texte lesen, und mit
Beyhülffe einer guten Version
verstehen
könne. |
|
|
|
5) |
Das Compendium,
darüber Lectionen gehalten werden, muß man
sich wohl bekannt machen, und nicht nur von der
Einrichtung und Ordnung desselben, eine rechte
Idee in seinem Gemüthe haben, sondern auch
dasselbe ein und andermahl durchlesen, und die contenta desselben sich recht bekannt machen. Von
der Lesung vieler andern
Bücher muß man zu
solcher
Zeit, wenn man
thesin höret, abstehen, damit
man das Gemüth nicht distrahire, um muß sich da an sein
Compendium halten, und dasjenige, was zu
dessen Erläuterung gesagt wird, sich recht imprimiren; wo
aber von dieser und jener Materie andere
Autoren angeführet werden, sich solches zum
künfftigen Gebrauch notiren. |
|
Siehe Melanchthons Rath,
welchem man in Franckens Method. stud. Theol. ... findet. |
|
6) |
Hat man sich schon
vorher auf der
Schule oder auf einer andern
Universität an ein ander Compendium
gewöhnet,
so muß man dasselbe nicht gäntzlich bey Seite
legen, sondern mit dem
gegenwärtigen
Compendium immer
conferiren und eines mit dem
andern suppliren. |
|
|
|
7) |
Man
thut wohl, wenn man
nebst dem
Lateinischen
Compendio auch ein
Teutsches zur Hand hat, damit man sehe, wie
die Sache in Teutscher Sprache deutlich und
verständlich ausgedruckt werde, die von denen
Theologen mit Kunstwörtern
vorgetragen wird.
|
|
Dazu kan dienen des Nicolaus Hunnius
Epitome credendorum, Freylinghausens Grundlegung der
Theologie, und
M.
Adolph Friedr. Meyers Glaubens-Grund und Lebens-Weg,
Speners Glaubens-Lehre etc. |
|
8) |
Wenn man vier bis fünf
Jahre
auf Universitäten bleiben kan, so muß man sich nicht mit einem Collegio
thetico begnügen lassen, sondern
es zum zweytenmahl hören. Alsdenn wird man
erst einen rechten
Nutzen davon haben. Da kan
man auch ein kürtzeres Systema oder
Compendium dabey nachlesen. |
|
Dazu kan man
brauchen des Chemnitius Locos Theologicos oder
Breithaupts und des
Buddeus
Institutiones Theologiae dogmaticae. |
|
9) |
Man muß sich bey der
Anhörung eines Collegii thetici durchaus nicht damit
begnügen las- |
|
|
|
{Sp. 873|S. 450} |
|
|
|
sen, daß man nur die
dogmata sich
vortragen lasse, und das
nöthige
notire, sondern man
muß zu
Hause alles
fleißig
repetiren, und jede Lection durch eine sorgfältige
Meditation gehen lassen. |
|
|
|
Mit denen
Collegien und
der darinnen
angestellten mündlichen
Unterweisung ists
allein nicht ausgemacht, weil in demselbigen
vornehmlich nur darauf gesehen wird, daß ein
guter
Grund in dieser oder jener
Wissenschafft
möge geleget werden, worauf denn der
angefangene
Bau der Gelahrheit weiter muß
fortgeführet werden. Darzu ist die Lesung guter
Bücher, als das andere
Mittel, nöthig, wobey man
so wohl auf die Erkänntniß; als auf den
Gebrauch derselbigen zu sehen hat. |
|
|
Die
Erkänntniß wird
billig voraus gesetzet,
und ist entweder eine
Historische;
oder
judicieuse. Bey
jener siehet man auf die äusserlichen
Umstände
eines Buchs, was dessen
Verfasser, Aufschrifft,
Auflagen
etc. betrifft, welche zu erlangen
verschiedene
Mittel vorhanden, als wenn man sich fleißig in
Bibliothecken und Buchläden umsiehet, die
Journale, gelehrten Zeitungen und Catalogos u.d.g. lieset.
So haben verschiedene besondere Theologische
Bibliothecken verfertiget, und in denselbigen ein
Verzeichnis von denen zur Gottesgelahrheit
gehörigen
Schrifften
mitgetheilet, und zwar so
wohl von denen Römischen-Catholischen, als
Protestanten, als:¶ |
|
|
Anton Possevinus, ein Jesuit, dessen Bibliotheca
selecta sowohl;
als der adparatus sacer zu verschiedenen mahlen, und zwar der
letztere vermehrt zu Cölln 1608
in
Folio heraus gekommen, und nach
Alphabetischer
Ordnung eingerichtet ist.¶ |
|
|
Gisbert Voetius, welcher Exercitia et
bibliothecam studiosi theologiae
geschrieben, die anfänglich zu
Utrecht 1644 nachgehends etliche mahl
vermehrter, und unter andern zu
Franckfurt 1685
in 12 gedruckt worden; aber gar schlecht
gerathen ist.¶ |
|
|
Johann Heinrich Hottinger, dessen Bibliothecarius
quadripartitus zu
Zürch 1664
in 4 heraus gekommen, und in
einigen Stücken, was insonderheit die Nachricht
von denen Orientalischen
Scribenten anlangt,
wohl zu
gebrauchen ist.¶ |
|
|
Gerhard Meier, von dem Bibliotheca
Theologica contracta vorhanden ist, in welcher unter andern die
vornehmsten
Bücher
der Theologischen Wissenschafften erzehlt
werden. Sie ist zum drittenmahl 1692 in 12 herausgekommen.¶ |
|
|
Salomon van Til, nach dessen
Tod 1717
Methodus concionandi
nebst einer angefügten Bibliotheca Theologica zum
Vorschein gekommen, welche jedoch weder
hinlänglich, noch
ordentlich abgefasset ist.¶ |
|
|
Paul Boldanus, dessen Bibliotheca Theologica zu Jena
1614 und mit der Fortsetzung zu
Leipzig 1622 ans
Licht getreten ist.¶ |
|
|
Georg Draudius, welcher eine Bibliothecam
classicam
ediret, die
zu Franckfurt 1611 und |
|
|
{Sp. 874} |
|
|
nachgehends vermehrter 1625
in 4 zum
Vorschein gekommen.¶ |
|
|
Martin Lipenius, der eine Bibliothecam
realem theologicam in zwey
Theilen,
1685 in
Fol.
heraus gegeben, und darinnen nach
Alphabetischer
Ordnung unter
gewissen
Titeln die
Scribenten angezeiget, welche von dieser und
jener Theologischen
Materie
geschrieben
haben.¶ |
|
|
Johann Christ. Dorn, dessen Bibliotheca
theologica critica ... aus zwey
Theilen bestehet, und ist der erste 1721 der
andere 1723
in 8 ans Licht getreten.¶ |
|
|
Johann Fabricius, dessen Historia
bibliothecae, darinnen
er seine
eigene
Bibliotheck beschrieben, und von
den
Büchern, die er gehabt, eine genaue
Nachricht ertheilet, mit
Nutzen zu
gebrauchen ist.
Das
gantze
Werck bestehet, aus sechs Theilen in
4 die nach und nach heraus gekommen, als der
erste 1717, der andere 1718, der dritte 1719, der
vierdte 1721, der fünfte 1722, und der sechste
1724.¶ |
|
|
Christian Matthäus Pfaff, in dessen
Introductione in historiam theolog. litterariam die weitläufftigste Nachricht
von Theologischen Büchern anzutreffen ist. Sie
bestehet aus drey Theilen in 4 und ist der erste
1724, der andere 1725, und der dritte 1726
ediret
worden. ¶ |
|
|
Solche Bücher sind nicht alle von einerley
Art, und
müssen daher mit
Verstand
gebrauchet werden.¶ Manche haben ihre wichtige Fehler und
Mängel: Geben die Bücher
unordentlich,
unrichtig und unzulänglich an: Lassen bisweilen
die besten vorbey, und berühren wohl welche, die
niemahls heraus kommen. |
|
|
Wie aber solche Bibliothecken sich auf alle
Wissenschafften der Gottesgelahrheit erstrecken;
also hat man auch einige, die ins besondere auf
eine
gewisse Theologische
Disciplin gerichtet
sind, als die
Erklärung
Heil. Schrifft, auf die Moral;
deren jedoch hier nicht zu gedencken, und viel
mehr zu erwehnen ist, daß man sich zugleich der
Catalogorum Theologischer Bücher mit Nutzen
bedienen kan, zumahl, wenn sie nach einer
guten
Ordnung und mit gehörigem
Fleiß abgefasset
sind, dergleichen von den Bibliothecken |
|
|
- Abraham Hinckelmanns,
- Johann Wincklers,
- Christian Schraders,
- Thomas Ittigs,
- Johann Cyprians,
- Joh. Friedrich Mayers,
- Johann Wilhelm Baiers,
- Friedrich Adolph Lampens,
- Ernst Salomon Cyprians,
|
|
|
vieler andern zu geschweigen, heraus
sind. |
|
|
Damit kan man nicht weniger die Journal-Schrifften, und insonderheit diejenigen
verknüpffen, in welchen
vornehmlich
Theologische Bücher recensiret werden; an die
Urtheile aber, die zuweilen darüber gefället
werden, darff man sich nicht allezeit kehren. Denn
es laufft offtmahl viel
menschliches mit
unter. |
|
|
Die
judicieuse
Erkänntniß der
Bücher bringet mit sich,
daß man den Werth derselbigen einsiehet, und
weiß, was von diesem oder jenem zu halten sey.
Der Werth
dependiret so wohl von der
Materie, die
abgehandelt ist; |
|
|
{Sp. 875|S. 451} |
|
|
als auch von der Einrichtung selbst, die
Materie muß
nöthig,
nützlich und heilsam seyn,
und in Ansehung der Einrichtung, wird
Gründlichkeit, Deutlichkeit und gute Ordnung
erfordert, daß, wenn sich diese zwey Stücke an
einem Buch befinden, so hat man es
billig vor ein
gutes Buch zu halten; jedoch aber auch zugleich
auf die Absicht des
Verfassers, vor wem solches
eigentlich
dienen
soll, zu sehen. |
|
|
Die Güte eines Buchs
erkennet man
entweder selbst; oder man
muß es auf das
Urtheile
anderer ankommen lassen: jenes kan wieder auf
zweyerley
Art
geschehen, |
|
|
- entweder mit einer
Gewißheit,
wenn man das Buch selbst lieset: einen
guten Geschmack von Büchern hat, und im
Stande ist, davon zu
urtheilen;
- oder nach aller
Wahrscheinlichkeit, da man aus
gewissen
Umständen nur
vermuthet, es werde ein Buch gut
seyn, dergleichen sind,
- wenn ein
Autor lange
Zeit an demselbigen
gearbeitet:
- Wenn er schon
berühmt ist, und
dessen vorher ausgegangene
Schrifften wohl
aufgenommen worden:
- Wenn er in der
Materie,
die er abgehandelt, besondere
Geschicklichkeit
besitzet, und die darzu nöthige Hülffs-Mittel hat:
- Wenn ein Buch öffters
aufgeleget, und in andere
Sprachen übersetzet worden,
|
|
|
welche und andere Kennzeichen zuweilen
eine wohlgegründete Vermuthung
würcken;
jedoch aber auch offtmahls gar betrüglich
sind. |
|
|
Ist man selber nicht im
Stande, den Werth
und die Güte einer Schrifft zu beurtheilen, und zu
erkennen, in dem man entweder das
Vermögen,
oder die
Gelegenheit dazu nicht hat; so muß man
es auf das Urtheil anderer so lange ankommen
lassen, bis man vor sich selbst die
Sache
einsehen kan. Nur muß man sich auch die mancherley Arten derer Vorurtheile und
des verderblichen Geschmacks von dem Werth einer Schrifft, die sich bey vielen
befinden, bekannt machen, und nicht dencken, |
|
|
- das Alte sey besser,
als das Neue:
- oder das Neue seit dem Alten
schlechterdings vorzuziehen:
- was aus Holland,
Engelland, Franckreich und andern
Orten
gebracht werde, müsse dem, was in
Teutschland
gedruckt, vorgehen:
- wenn eine
Schrifft rar, so sey sie auch gut und nützlich:
- wenn
sie klein, dem äusserlichen nach unansehnlich,
und von einem bisher
gantz
unbekannt gewesenen Verfasser kommen, so habe man sie
nicht zu achten, da sie gleichwohl unsere
wahre
Glückseligkeit mehr befördern kan, als manches
prächtiges und kostbares
Werck.
|
|
|
So hat man auch bey den Theologischen
Büchern, wenn man ihren Werth erkennen und
beurtheilen
will, einen
Unterscheid zu machen, sofern sie
gelehrt, und so ferne sie geistreich und
erbaulich sind. Zur Einsicht der letztern ist ein
guter
geistlicher Geschmack
nöthig, den der
H.
Geist
muß
gewürcket haben, und daher kan
manchmahl ein gemeiner
Mann von dergleichen
Schrifften
gründlicher urtheilen; als ein
Gelehrter,
dem es an den darzu nöthigen Geschmack
fehlet. |
Von den Kennzeichen eines
guten Buchs kan man lesen
- Struven
in Introduct. in notit. rei litterar. ...
- Carl Fr.
Buddeum Schediasm. de criteriis boni libri;
- Stollen in der Anleitung zur Historie der Gelahrheit
...
und diesen noch beyfügen den Saldenus de libris varioque
eorum usu et abusu. Amsterd. 1688. |
|
|
Doch, die |
|
|
{Sp. 876} |
|
|
blosse
Erkänntniß der
Bücher, daß man von
denselbigen allerhand
Umstände erzehlen, und
überhaupt davon urtheilen kan, macht das Werck
allein nicht aus: sondern da sie nur
voraus zu setzen ist, so muß auch ihr
würcklicher
Gebrauch darzu kommen.¶ |
|
|
Solchen
ordentlich und hinlänglich zu
erkennen, hat man sich um drey Stücke zu
bekümmern: |
|
|
1) |
Was man vor Bücher zu
lesen; |
2) |
In was für einer
Ordnung
dieses geschehen
muß; |
3) |
Und wie die Lesung selbst
anzustellen sey. |
|
|
|
Ein jegliches
wollen wir kürtzlich
erläutern. |
|
|
Fragt man zuerst: Was man vor Bücher zulesen habe, wenn man eine Theologische
Gelahrheit erlangen wolle? so hat man zu
wissen,
daß das
vornehmste Buch die
Heilige Schrifft sey,
welche man beständig lesen, darinnen
forschen,
durch die
Würckung des
Heiligen
Geistes den
wahren
Sinn fassen, und alles zu einer lebendigen
Krafft im Hertzen kommen lassen muß, wenn man
ein rechtschaffener Gottesgelehrter werden und
seyn will. Denn das ist das Buch, darauf die
gantze geoffenbarte Theologie gegründet, |
2. Timoth. III, 15. 16. |
|
und je weiter man in dieser fortkommen will,
je mehr muß man sich jenes, als eines
unerschöpflichen Brunnens, bedienen, so, daß man
sich darinnen nicht blosß nach der Art der
Ungelehrten, in Absicht auf das
Christenthum;
sondern auch nach Anweisung der
Hermenevtischen Regeln, um den
Verstand
genauer zu erforschen, und
geschickt zu werden,
andern die Göttlichen Wahrheiten daraus wieder
vorzutragen, umsehen. |
|
|
Lieset man von dem Ezechiel III, 2. und von dem Johann Offenb.
X, 10, daß sie
Bücher verschlingen müssen; so hat man das als
eine Abbildung anzusehen, wie diejenigen, so sich
der Gottesgelahrheit gewidmet mit der Heiligen
Schrifft umzugehen, und wie sie das
Wort
dergestalt in ihre
Seele einzunehmen haben, daß
alles darinnen zu einer lebendigen Krafft kommen
möge. |
|
|
Auf solche Art wird einer
gewiß ein rechter
Lehrer: |
|
|
- man kan aus seinem
Schatz
Altes und Neues
hervor tragen,
|
Matth. XIII, 52. |
|
- man kan
mächtig seyn, zu ermahnen, durch
die heilsame Lehre, und zu straffen die
Widersacher,
|
Tit. I, 9. |
|
- wenn man nehmlich, wie Apollo, mächtig ist in
der Schrifft,
|
Apostel. XVIII, 24. |
|
|
Ist dieses an dem, so mögen alle Studiosi
der Theologie das vortreffliche
Exempel so wohl
des grossen Lehrers der Israelitischen Kirche, des Esra; als
auch des Timotheus, immer vor Augen haben, da es von
jenem heisset: Esra schickte sein Hertz, zu suchen
das Gesetz des HErrn, und zu thun, und zu
Lehren in Israel Gebot und Rechte, |
VII, 10; |
|
von diesem aber: |
|
|
- Er sey auf erzogen in den Worten des
Glaubens und der guten Lehre,
|
1 Timoth. IV, 6. |
|
|
2. Timoth. III, 15. |
|
Mit dieser
Göttlichen Schrifft ist die Lesung
der
menschlichen
Bücher zu verknüpffen, und weil
diese von mancherley
Art sind, so hat man die
guten von den unnützen: die
nützlichen von den
schädlichen und die
nöthigen von den
überflüßigen zu
unterscheiden, und dabey sowohl auf den
Endzweck; als auf seine
Umstände
zu sehen, damit man alles
klüglich einrichte. |
|
|
Sie lassen sich überhaupt und insonderheit
erwegen. Überhaupt, ohne Absicht |
|
|
{Sp. 877|S. 452} |
|
|
auf eine Theologische Wissenschafft, oder
Materie kan man sie in ältere und neuere
eintheilen. Die ältern sind die
Schrifften der sogenannten Kirchen-Väter, unter denen die
Vornehmsten diejenigen sind, welche von den sogenannten Apostolischen Männern annoch
vorhanden; ausser diesen aber hat man sich von den Griechischen die Schrifften |
|
|
- des Justin. Martyris,
- des Origenes,
- des Clemens Alexandrinus,
- des Eusebius,
- des Basilius,
- des Gregorius Nazianzenus,
- Gregorius Nyssenus,
- Chrysostomus,
- des Athanasius,
|
|
|
und von den Lateinischen die Schrifften
des |
|
|
- Tertullians,
- Cyprians,
- des Lactantius,
- Ambrosius,
- Augustins
- und des Hieronymus
|
|
|
bekannt zu machen, und den letztern
sonderlich den Gregorius M. und Bernhardus beyzufügen,
ob sie wohl zu der
Zeit
gelebet, da die Kirche
schon verderbt und die Christliche Lehre bereits
verdunckelt war. Doch hat sich hierinnen ein jeder
nach seinen Umständen zu richten, und
insonderheit aus seinen Endzweck, den er bey
seinem
Studiren hat, zu sehen. Die Lesung der
Kirchen-Väter ist nicht schlechterdings nöthig; sie
hat aber ihren grossen und vielfältigen Nutzen, wo
sie gehöriger massen angestellet und angewendet
wird. |
|
|
In Ansehung der neuern Theologischen
Schrifften ist insonderheit viel daran gelegen, daß
man sich die besten auszulesen
wisse, weil
selbige in so grosser Menge vorhanden sind.
Vornehmlich hat man sich um diejenigen zu
bekümmern, welche von den Theologen der
Evangelisch-Lutherischen
Kirche aufgesetzet worden, unter denen die Schrifften Lutheri die
vornehmsten sind; daher
billig als eine
Schande
anzusehen, wenn manche
Lehrer
und Prediger, die sich von Luthern
nennen, entweder nicht,
oder doch sehr wenig von ihm gelesen
haben. |
|
|
Nach diesen sind zu recommendiren in die
Schrifften des |
|
|
- Johann Brentius,
- Philipp Melanchthons,
- des Johann Matthesius,
- Martin Chemnitius,
- Johann Arnds,
- Joh. Gerhards,
- des Joh. Georg Dorscheus,
- Joh. Conr. Dannhauers,
- Abraham Calovs,
- Sebast. Schmidts,
- Martin Geiers,
- Joh. Hülsemanns,
- Joh. Adam Schertzers,
- des Johann Musäus,
- Friedem. Bechmanns,
- Philipp Jacob Speners,
- und vieler andern.
|
|
|
Weiß man gleich, welches die besten und vornehmsten
Bücher
sind, die man vor andern zu lesen hat; so sind selbige gleichwohl von
unterschiedener
Art, und man hat daher vors
andere zu
erwegen:
In was vor einer
Ordnung
solche Lesung anzustellen sey? Denn die
Erfahrung lehret, daß manche, ob sie gleich sehr
fleißig sind, und viele Bücher lesen, gleichwohl
nichts rechtes vor sich bringen, welches unter
andern mit daher kommt, weil sie unordentlich
studiren. Überhaupt hat man hier die Ordnung
nach den
Regeln der
Klugheit einzurichten, nach
welchen man vom Leichtern zum Schwerern; vom
Geringern zum Grössern; von dem, was
nöthig
ist zu dem blos
nützlichen und zierlichen
schreitet. In solcher Absicht hat man die
mancherley Bücher nach einer dreyfachen Art
anzusehen. |
|
|
Einige sind Compendia, und fassen
vornehmlich die Grund-Sätze einer
Wissenschafft in sich, die man vor andern zu
lesen, zum |
|
|
{Sp. 878} |
|
|
Grunde zu legen, und sich bekannt zu
machen hat. Denn derjenige Studiosus würde
gewiß nicht
glücklich handeln, welcher den
Anfang in der Theologie machen, und zuerst
Gerhards Locos Theologicos; oder Calovs
Systema locorum theologicorum lesen
wolte; da er vielmehr ein kurtzes,
leichtes und deutliches Compendium vor die Hand
nehmen
muß. |
|
|
Andere sind grössere
Wercke, und als
Auslegungen derer Compendien anzusehen, in
denen dasjenige, was in jenen kurtz
zusammen gefasset, und
vorgetragen worden,
weiter ausgeführet ist, welche man desto
nützlicher brauchen kan, wenn man vorher aus einem Compendio die Grund-Sätze einer
Disciplin richtig gefasset hat. |
|
|
Noch andere sind gleichsam Miscellan-Bücher: fassen
eintzelne und besondere
Materien in sich, und
sind ebenfalls, wie wohl gleichsam nur zuletzt,
zum
Gebrauch anzuwenden, so, daß man sich
vorhero deren Innhalt bekannt machet, und
nachgehends bey vorfallender
Gelegenheit
darinnen nachschläget. |
|
|
Doch bey dem allen kommt drittens das Hauptwerck
darauf an: Wie man die Bücher zu lesen habe?
Man hat hier sowohl auf die Maasse; als auf die Art
und Weise selbst zu sehen. |
|
|
In Ansehung der Maasse muß man auf der
Mittel-Straße bleiben, und die beyden Abwege
vermeiden. Der eine ist, wenn man der
Sache zu
viel
thut, und nichts anders vornimmt, als daß man
immer in Büchern lieset, ohne sich selbst in
gewisse Betrachtungen und Überlegungen dieser
und jener Sache zu begeben, woraus zwar eine
weitläufftige Gelahrheit und der
Ruhm einer
grossen Belesenheit entstehen kan: Vielmahls aber
fehlet es dabey an
guter
Ordnung und
Gründlichkeit, darzu man durch das blosse Lesen
nicht gelanget. |
|
|
Bey dem andern Abwege geschicht der
Sache zu wenig, indem man gar keine Bücher
lieset, und vermeynet, durch das blosse
Nachdencken und Meditiren ein
gelehrter
Mann
zu werden, welches sich gleichwohl so
schlechterdings nicht thun lässet, und wenn es
auch in ein und den andern Materien angehet,
daß man vor sich zu einer gründlichen
Erkänntniß darinnen gelanget, so hat man zu
bedencken, daß man sich vielleicht das
Werck
erleichtert hätte, wenn man vor und bey der
Meditation ein und das andere Buch gelesen. |
|
|
Die Art und Weise selbst, wie die Lesung
anzustellen, beruhet vornehmlich darauf, daß
solches mit
Verstand und guter Überlegung
geschehen muß, und zwar so, wie es die in denen
Büchern vorgetragene Materien mit sich bringen. In
einigen, die nehmlich die Philologie und
Historie
angehen, kommen solche
Dinge vor, bey denen
man zwar hauptsächlich das
Gedächtniß
braucht; dennoch aber muß man es auf
dasselbige nicht allein ankommen lassen; sondern
das Nachdencken darzu nehmen, um die
Meynung des
Autors recht zu fassen: Die
Gründe
dessen, was er vorträgt, einzusehen, und
zumahl in Historischen Materien allerhand
practische Reflexionen anzustellen. |
|
|
In andern sind
judicieuse Sachen
vorgetragen, welche
insbesondere
müssen gelesen werden, damit
man nicht nur die
wahre Meynung des
Verfassers
erkenne; sondern auch sehe, ob, und wie weit
selbige gegründet sey, mithin hat man eine
Meditation anzustellen, |
|
|
{Sp. 879|S. 453} |
|
|
von welcher wir gleich ein und das andere bemercken
wollen, vor jetzo aber noch dieses gedencken, daß man von
dem Frantz Sacchinus, einem Jesuiten, eine kleine Schrifft:
De ratione libros cum profectu legendi hat, so zu Rom 1650 in 12
herausgekommen, nach der Zeit aber sich rar gemachet, und dahero von dem Herrn
Groschupf seiner novor. libr. rarior. collection. ...
einverleibet worden; wiewohl nicht viel besonderes daran ist. Des Thomas
Bartholinus
Dissertationes de libris legendis kamen zu Coppenhagen
1676
in 8
heraus, worauf sie der Herr Meuschen nebst einer Vorrede im
Haag 1711 in 8 wieder auflegen lassen. |
|
|
|
|