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Zedler: Theologie [1] HIS-Data
5028-43-857-27-01
Titel: Theologie [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 43 Sp. 857
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 43 S. 442
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Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

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Übersicht
  Ursprung des Wortes
  Verschiedene Bedeutungen des Wortes
  Beschaffenheit
  Übereinstimmung der natürlichen und geoffenbarten Theologie
  Unterscheid zwischen beyden Theologien
  Definition der geoffenbahrten Theologie
  Principium
  Absicht
  Biblische Erklärungen der Theologie
  Theile und Disciplinen

  Text Quellenangaben
  Theologie, Gottesgelahrheit, Theologia.  
  Es wird hier vor allen Dingen der Nahme oder das Wort zu betrachten seyn, und zwar bekümmern wir uns anfänglich um den  
  Ursprung des Wortes  
  Theologie, welcher aus Griechenland herzuleiten, denn es ist ein Griechisches Wort, und aus theos und logos zusammen gesetzet, und bedeutet also, der Etymologie nach, logon peri tou theou, eine Rede oder Lehre von GOtt und Göttlichen Dingen, gleichwie z.E. Astrologia bedeutet eine Lehre von  
  {Sp. 858}  
  den Gestirnen; Psychologia, die Lehre von der Seele; Cosmologia, die Lehre von der Welt.  
  Es ist aber dieses Wort Theologia selbst, in der Heil. Schrifft nicht befindlich, obwohl das Wort Theologus in der Überschrifft der Offenbarung Johannis, allwo derselbe also genennet wird. (Siehe Theologus) stehet; sondern es haben die Gottesgelehrten eben nach der Anleitung, so ihnen das Wort Theologus an die Hand gegeben, dasselbe in dieser Bedeutung gemacht.  
  Hiernächst so haben wir auch auf die  
Verschiedene Bedeutungen des Wortes  
  Theologie zu sehen, oder in was vor Bedeutung es sonst genommen werde. Hiervon wird eben nicht sonderlich viel zu sagen seyn, ausser daß die alten Griechischen Väter die Betrachtung der Göttlichen Natur Christi theologian, Theologiam, kat' exochēn, gleichwie die Betrachtung der Menschlichen Natur oikonomian, oeconomiam, genennet haben.
  • Svicer Thesaur. Ecclesiast. ...
  • Johann Oweni Theologumena ...
  Wird das Wort Theologie aber in der gewöhnlichen Bedeutung vor die Lehre von GOtt und Göttlichen Dingen betrachtet; so wird es theils Objective theils Subjective genommen.  
  Es wird genommen erstlich OBJECTIVE, und da ist die Theologie eine Lehre von GOtt und Göttlichen Dingen.  
  Es wird genommen anders SUBJECTIVE, und alsdann wir durch sie verstanden eine practische Erkänntniß derjenigen Göttlichen Dinge, die einem Sünder zur Erlangung der ewigen Seeligkeit zu wissen nöthig sind.  
  Nach dem verschiedenen Subjecte nun, in welchem sich eine solche Erkänntniß befindet, wird die Theologie theils GOtt, theils den Creaturen zugeschrieben. In GOtt selbst ist eine Theologie, weil er die vollkommenste Erkeänntniß von seinem Wesen, Eigenschafften, Willen und Wercken besitzet, und das heißt THEOLOGIA ARCHETYPOS, ARCHETYPA oder EXEMPLARIS, welcher auch der Menschlichen Natur Christi wegen der persönlichen Vereinigung mit der Göttlichen, zukommt, und daher von denen Theologen THEOLOGIA UNIONIS genennet wird.  
  Die Theologie hingegen, so in den Creaturen befindlich, heißt ECTYPOS oder ECTYPA. Und von dieser Eintheilung der Theologie in archetypam und ectypam handelt sonderlich Johann Musäus in Introduct. in Theol. ... wo er auch wieder Reiner. Vogelsang und Johann Owen diese Abtheilung vertheidiget.
  Was besonders die Theologiam  ectypam anbetrifft, so ist selbige gleichsam nur ein unvollkommenes Bild oder Copey der vollkommensten Erkänntniß GOttes von sich selbst, die er aus freyer Liebe den vernünfftigen Creaturen mittheilet. Diese befindet sich theils in den auserwehlten Engeln, theils in den Menschen.  
  Was nun wiederum die Theologie in den Menschen anlangt, so war sie anders beschaffen vor dem Fall, anders ist sie beschaffen nach dem Fall; anders wird sie dort in jenem Leben beschaffen seyn.  
  Jene wird genennet THEOLOGIA VIAE oder VIATORUM, weil der Mensch dadurch auf dem Wege zur Ewigkeit und zum himmlischen Vaterlande geführet wird, daher sie auch HODOSOPHIA genennet wird. Und hat diesen Nahmen der berühmte D. Johann Con-  
  {Sp. 859|S. 443}  
  rad Pannhauer der Theologie beygeleget, als welcher eine Theologie unter dem Titel: hodosophia christiana etc. geschrieben hat. Siehe auch von dieser Benennung D. Paul Antons Evangelisches Haus-Gespräch von der Erlösung ...  
  Die Theologie aber, die dort im ewigen Leben in denen Menschen seyn wird, heisset THEOLOGIA PATRIAE oder COMPREHENSORUM, die nach wohl vollendetem Lauf und Kampf ihr Kleinod im himmlischen Vaterlande erreichet haben.  
  Gegenwärtig haben wir nur mit der Theologie in Absicht auf den Menschen, in sofern er noch auf dieser Welt, zu thun, von welcher wir hier überhaupt reden wollen.  
  Soll diese General-Abhandlung richtig und ordentlich vorgetragen und erkannt werden, so ist nöthig, daß man vorher einen wahren und hinlänglichen Begriff so wohl von der Theologie an sich selbst, als auch von der rechten Art, selbige zu treiben und zu erlernen, überhaupt habe. Denn was von der Beschaffenheit und Erlernung dererjenigen Wissenschafften, daraus die gesammte Theologie bestehet, insbesondere zu sagen ist, setzet jenes voraus, und man muß billig erst erklären und wissen, was die Theologie an sich sey, und worauf die rechte Methode, solche zu studiren, ankomme, ehe man sich um die besondern Disciplinen derselbigen bekümmert.  
  Solche Vorbereitungs-Gründe sind theils theoretische, theils practische. Bey denen theoretischen Vorbereitungs-Gründen der Theologie überhaupt, hat man theils auf ihre Beschaffenheit; theils auf die mancherley Theile und Disciplinen, daraus sie bestehet zu sehen. Erweget man ihre  
  Beschaffenheit,  
  So kan man überhaupt sagen, es sey die Theologie eine Lehre, oder Wissenschafft dererjenigen Sachen, welche zur Religion gehören. Die Religion ist der Grund derselbigen, daß, wenn jene nicht wäre, so könnte auch diese nicht seyn. Das Licht, so uns den Weg zur Religion weiset, ist entweder das Licht der Natur; oder der Gnaden, woraus eine zweyfache Religion, folglich eine zweyfache Theologie, eine natürliche (THEOLOGIA NATURALIS) und eine geoffenbarte (THEOLOGIA REVELATA) entstehet.  
  Jene ist eine Lehre oder Wissenschafft derjenigen Dinge, die zu der natürlichen Religion gehören, damit man dadurch zu dem natürlichen Gottesdienst angewiesen und zu der geoffenbarten Religion geleitet werde; diese hingegen ist eine Wissenschafft Göttlicher Dinge, die dem Menschen nach dem Fall zur Erlangung der Seeligkeit zu wissen nöthig sind, und aus der Schrifft müssen erkannt werden, soferne solche Wissenschafft mit der Geschicklichkeit, die Wahrheiten andern zu lehren, zu beweisen und zu vertheidigen verknüpffet ist.  
Übereinstimmung der natürlichen und geoffenbarten Theologie:  
  Halten wir die geoffenbarte Theologie gegen die natürliche, so sind sie einander nicht entgegen, und setzt jene diese vielmehr voraus, wie wir bereits angemercket haben in dem Artickel: Natürliche Theologie, im XXIII Bande, p. 1025 u.ff.  
Unterscheid zwischen beyden Theologien:  
  {Sp. 860}  
  Doch ist zwischen beyden Theologien, der natürlichen und geoffenbarten, in Ansehung der Vollkommenheit ein grosser Unterscheid, den wir in drey Stücken überhaupt wahrnehmen.  
  Denn erstlich sind zwar beyde Wissenschafften; bey der natürlichen Theologie aber ist es nur eine natürliche, die ein Mensch durch seine natürliche Kräffte erlangt, und ob sie wohl wahr und gewiß, so kan sie doch nicht lebendig und kräfftig werden; bey der geoffenbarten hingegen, wenn man ein wahrer Theologus seyn will, muß es eine übernatürliche Wissenschafft seyn, die der Heil. Geist gewürcket, mithin befindet sie sich eigentlich nur bey den Wiedergebohrnen. Denn wenn gleich ein Unwiedergebohrner durch natürliche Kräffte aus der Schrifft Wahrheiten erkennen, andern vortragen und predigen kan; so ist seine Erkänntnis doch nur materialiter, aber nicht formaliter eine wahre Erkänntniß.  
  Wir wollen so viel sagen, die Dinge, die er weiß, sind an sich wahr; die Art hingegen, wie er sie weiß, ist nicht rechtschaffen und hinlänglich, indem weder eine Überzeugung, noch Leben und Krafft dabey ist. Keine Überzeugung kan er haben, weil ein natürlicher Mensch nicht überzeuget seyn kan, daß die Heil. Schrifft GOttes Wort, so durch das innerliche Zeugniß des Heil. Geistes muß gewürcket werden, und gleichwohl dependiret die Wahrheit und Gewisheit der Erkänntnis von dem Ansehen der Heil. Schrifft, von welchem man überführet seyn muß. So bleibet auch die Wissenschafft eines natürlichen Menschen tod und unkräfftig, indem er aus eigenn Kräfften nichts Gutes herfür bringen kan.  
  Vors andere zeiget sich der Unterscheid in dem Object. Denn die natürliche Theologie hält nur solche Wahrheiten in sich, die aus der Natur durch die Vernunfft erkannt werden; die geoffenbarte hingegen schliesset zwar diese natürliche Wahrheiten nicht aus, sondern setzet sie vielmehr voraus, und macht sie durch das Ansehen der Schrifft noch gewisser; gleichwohl begreiffet sie noch viele andere sichere Wahrheiten, die nicht wider, sondern über die Vernunfft sind, und Glaubens-Artickel genennet werden. Dorten folgt man der Vernunfft; hier aber der Heiligen Schrifft.  
  Drittens unterscheiden sie sich in dem Endzweck. In der natürlichen Theologie erkennet man keinen Weg zur Seeligkeit, welches in der geoffenbarten geschiehet, die uns den gecreutzigten und auferstandenen Jesus weiset, daß wenn wir an ihn glauben, so werden wir gewis selig.  
  Jedoch genug von dem Unterscheide der natürlichen und geoffenbarten Theologie, und werden wir jene, davon bereits in dem besondern Artickel: Natürliche Theologie, im XXIII Bande, p. 1025 u.ff. gehandelt worden, vorjetzo gantz fahren lassen, und uns nur um die letztere, nehmlich um die geoffenbarte Theologie, zu bekümmern haben.  
  Wollen wir nun ein accurate  
  Definition der geoffenbahrten Theologie  
  geben, so müssen wir sagen, sie sey diejenige Lehre, welche die Göttlichen Wahrheiten vorträget, die GOtt zu unserer Seeligkeit in der Heil. Schrifft geoffenbhret, und die man wissen muß, wenn man derselben theilhafftig werden will, damit man die Ehre GOttes und der Menschen ewige Wohlfahrt befördere.  
  Diese Definition ist so beschaf-  
  {Sp. 861|S. 444}  
  fen und eingerichtet, daß darinnen das eigentliche Wesen der Theologie ausgedrücket worden.  
  GENUS:  
  Sie heisset eine Lehre, welches der Concept ist, der dasjenige Wesen vorstellet, so sie mit den andern Wissenschafften der menschlichen Gelehrsamkeit gemein hat, und in den Schulen das Genus pfleget genennet zu werden. Man kan sie aber auch, so ferne sie erlernet und erkannt worden, als eine Geschicklichkeit und Wissenschafft ansehen, und zwar, als eine solche, die der Heil. Geist gewürcket. Denn soll sie eine Geschicklichkeit, oder Wissenschafft seyn, so muß man von denen zur Erlangung der ewigen Seeligkeit nöthigen Wahrheiten nicht nur eine solche Erkänntniß haben, welche wahr, gewiß, lebendig und kräfftig ist; sondern sich auch im Stande befinden, die Göttlichen Lehren andern wieder vorzutragen, ihnen nach denselbigen den Weg zur Seeligkeit zu zeigen, und sie wider die Einwürffe der Gegner zu vertheidigen, welches denn allerdings ein Werck der Gnaden ist, wie aus dem folgenden mit mehrern zu ersehen seyn wird.  
  Das  
  Object  
  der Theologie, welches ihr eigentliches Wesen bestimmet sind die Göttlichen Wahrheiten, die man wissen muß, wenn man die Seeligkeit erlangen will, und von zweyerley Art sind.  
  Einige fassen Glaubens-Lehren in sich, damit dadurch der Glaube an JEsum CHristum kan gezeuget und erhalten werden: andere betreffen Lebens-Regeln, denen man zu folgen, und sein Thun und Lassen darnach einzurichten hat, um dadurch seinen thätigen und lebendigen Glauben zu erweisen.  
  Denn darauf kommt eben die von GOtt gemachte Heils-Ordnung an, daß wir an JEsum glauben, unsern Glauben durch die liebe und gute Wercke in der That zeigen, und darinnen bis ans Ende beharren sollen, mithin verlanget GOtt von uns, wenn er uns die Seeligkeit schencken soll, einen Glauben, einen thätigen und lebendigen Glauben, einen beharrlichen Glauben.  
  Solche Wahrheiten hat uns GOtt in der Schrifft geoffenbaret, und sie müssen daraus erkannt und gelehret werden, mithin ist selbige das  
Principium  
  der Theologie in Ansehung der Erkänntniß, und die Göttlichen Lehren, die daraus vorgetragen werden, haben den Grund ihrer Wahrheit in dem Göttlichen Ansehen der Schrifft, und ihre Gewißheit in dem deutlichen Zeugniß, so darinnen enthalten, sofern solches nach dem Sinn des Heiligen Geistes verstanden wird. Damit erlangt die geoffenbarte Theologie ihre völlige Gewißheit: sie wird eine eigentlich sogenannte Wissenschafft: sie hat ihre Grund-Sätze, und giebet uns durch selbige gewisse und unumstößliche Schlüsse und Folgen an die Hand.  
  Sind solche Grund-Sätze gleich nicht von der Art, wie die natürlichen, daß man ihre Wahrheit aus der Beschaffenheit der Sache selbst durch die Vernunfft überzeugend erkennen kan; so sind sie doch als Grund-Wahrheiten des Glaubens auf das Göttliche Zeugniß anzunehmen, und je grösser gewisser dieses Zeugniß, so uns GOtt vermittelst seiner Propheten, seines eigenen Sohnes und dessen Aposteln selbst  
  {Sp. 862}  
  mitgetheilet; je grösser wird dadurch die Gewißheit der GOttesgelahrheit, und erlangt damit einen besondern Vorzug vor derjenigen, welche in andern Wissenschafften statt hat.  
  Die  
  Absicht  
  der Theologie, welche in der gegebenen Definition gleichfalls angezeiget worden ist, damit man geschickt seyn möge, die Ehre GOttes zu befördern: andern den Rath GOttes von ihrem ewigen Heyl zu verkündigen, und an ihren Seelen, nachdem es deren Umstände mit sich bringen, dergestalt zu arbeiten, daß sie den Glauben erlangen; in dem erlangten Glauben der Seeligkeit theilhafftig werden.  
  Denn wie dieses die Absicht der Heil. Schrifft ist, und nach dem Zeugniß Joh. XX, 31. die Geschichte und die Zeichen JEsu zu dem Ende aufgeschrieben sind, daß wir gläuben, Jesus sey der CHrist, der Sohn GOttes, und daß wir durch den Glauben das Leben haben in seinem Nahmen, also muß die Gottesgelahrheit eben diesen Zweck haben.  
  Dieses war also der Begriff von der Theologie überhaupt. Ehe wir nun zu den Theilen der Gottesgelahrheit gehen, wollen wir zuförderst einige  
Biblische Erklärungen der Theologie  
  mittheilen. Also wird die Theologie genennet.  
 
1) Sophia tōn teleiōn en mystēriō, Eine verborgene Weisheit derer Vollkommenen
1. Cor. II, 6. 7.
 
  Es stehet zwar daselbst nicht eigentlich also zusammen, sondern es ist aus den zwey Versen zusammengezogen, im 6 V. stehet: Sophia en tois teleiois, im 7 V. Sophia Theou en mystēriō. Es ist also die Theologie einer Weisheit, weil sie den Verstand und Willen perficiret, den Menschen von seiner natürlichen Blindheit und Thorheit befreyet, und ihm einen habitum, GOTT zu erkennen, und ihm vernünfftig zu dienen, (Röm. XII, 19)[1] mittheilet, wie sie auch Sebastian Schmid definiret hat.
[1] HIS-Data: fehlende schließende Klammer eingefügt
 
  Es sind zwar einige, welche dafür gehalten, daß die Theologie nach der Philosophischen Strenge nicht könne zum genere bekommen Sapientiam,
wie D. Frantz Albr. Aepinus in Metaph. ad Theol. adplicatae comp. ...
 
  Allein, als haben nicht nur einige Reformirte, die Theologie also definirt,
gegen welche handelt D. Calov in der Isag. in Theol. ...
 
  sondern auch aus den Evangelisch-Lutherischen, ausser dem D. S. b. Schmid, David Hollaz in Examinis Theol. ... u. Dannhauer, weil er sie Hodosophiam, eine Wege-Weisheit genennet hat, und haben sie nicht nur diesen Ort 1 Cor. II, 6. 7. sondern auch das vor sich, daß im A.T. die Theologie [ein Wort Hebräisch], die Weisheit genennet wird.
 
 
  Es heißt eine Weisheit en mystēriō, d.i. eine verborgene Weisheit, weil sie niemanden vom Natur bekannt ist, noch durch das Licht der Vernunfft entdecket werden kan, sondern weil sie aus der Offenbarung und Erleuchtung des Heil. Geistes entstehet, und zwar nach dem 6 Vers. en teleiois, in denen Vollkommenen, das ist, in denen, die sich das rechte telos, den rechten Endzweck vorsetzen, nehmlich die selige Gemeinschafft mit GOttt
 
  {Sp. 863|S. 445}  
 
durch CHristum, und darnach aus allen Kräfften streben. Denn das Geheimniß des Herrn ist nur bey denen, die ihn fürchten.
Psalm XXV, 14.
 
2. Ploutos tēs plērophorias tēs syneseōs eis epignōsin tou mystēriou tou Theou, kai patros, kai tou Christou, d.i. der Reichthum des gewissen Verstandes, zu erkennen das Geheimniß GOttes und des Vaters und CHristi,
Coloss. II, 2.
 
Das Object der Theologie heißt hier das Geheimniß des Vaters und des Sohnes, das ist dasjenige was aus dem Licht der Offenbarung von dem Vater und Sohn, und ihren auf die Seligmachung der Sünder abzielenden Geschäfften zur Seeligkeit zu wissen nöthig ist. Die Theologie selbst ist nun epignōsis, eine Erkänntniß dieses Geheimnisses, welche den Glauben mit einschließt, durch welchen, als durch ein Göttlich Licht man die gantze Öconomie des Heils, in welcher der Vater und Sohn mit dem Heiligen Geist beschäfftiget sind, recht heilsam erkennet und beurtheilet.
 
 
Zu dieser Erkänntniß erfordert Paulus nicht nur synesin, einen richtigen Verstand und Begriff, da man erkennet, wie alle Wahrheiten wie die Glieder einer Kette zusammen hangen, nicht nur plērophorian syneseōs, das ist, einen solchen Begriff, der voller Gewißheit, Versicherung und Überzeugung ist, sondern plouton, einen Reichthum, das ist, ein recht ausnehmendes Maaß solcher Gewißheit. Wünschet nun Paulus dieses gemeinen Christen an, und erbittet es ihnen, so muß es ja vielmehr bey Theologen seyn, die auch andere in der Erkänntniß des Glaubens unterrichten sollen.
 
 
3. Mystērion tēs pisteōs en kathara syneidēsei, ein Geheimniß des Glaubens in reinem Gewissen,
1. Timoth. III, 9.
 
mystērion pisteōs ist die der Vernunfft verborgene, aber von GOtt geoffenbarte Geheimniß volle Lehre von Christo, dadurch die der Glaube in der Seele angezündet wird. Das receptaculum dieser Glaubens-Lehre soll seyn ein reines Gewissen, daß in der Bekehrung durch das Blut JEsu CHristi abgewaschen ist, und gereiniget von todten Wercken, zu dienen dem lebendigen GOtt,
Hebr. IX, 14.
 
Hier findet man eine Beschreibung nicht nur der Theologie, da sie eine Erkänntniß von dem Geheimniß des Glaubens, oder der Geheimnißvollen Glaubens-Lehre ist; sondern auch eines Theologen, der eine wahre Erkänntniß der Glaubens-Lehre in einem guten Gewissen bewahret, und also die Glaubens-Lehre nicht nur im Kopff, sondern auch die Glaubens-Krafft im Hertzen hat, und sein Gewissen dadurch reinigen und regieren lässet.
 
 
Es kan Niemand ein wahrer Christ seyn, der nicht die theure Beylage des Glaubens in einem guten Gewissen hat; viel weniger kan Jemand ein wahrer Theologe seyn, der solche nicht besitzet. Denn das ist einmahl vor allemahl zu mercken, daß ein wahrer Theologe eben das haben muß, was ein wahrer Christ hat, aber daß er
 
  {Sp. 864}  
 
über dieses eine grössere Fertigkeit der Erkänntniß und des Glaubens haben müsse, der mit der Fertigkeit zu lehren verknüpffet ist.
 
 
4. Logoi hygiainontes tou kyriou hēmon Iēsou Christou, kai hē kat' eusebeian didaskalia, heilsame Worte unsers Herrn JEsu CHristi, und die Lehre von der Gottseligkeit,
1 Tim. VI, 3.
 
Da wird das Object der Theologie genennet die heilsame oder gesund machende Worte JEsu Christi, welches nicht nur sind die Worte, die JEsus CHristus selbst in den Tagen seines Fleisches ausgesprochen, aus welchen D. Majus alle locos theologicos deduciret hat in einem besondern Tractat: Synopsis Theologiae Christianae, ex solis verbis Christi eruta atque monstrata; sondern auch die Worte, die der Geist Christi durch die Propheten, Evangelisten und Apostel schrifftlich verzeichnen lassen. Diese Worte heissen hygiainontes, nicht nur, weil sie rein und incorrupt sind, sondern auch, weil sie die Kranckheiten des Verstandes und Willens heilen, und den Menschen im Glauben und in der Liebe gesund machen können.
 
 
Das ist das Object der Theologie. Die Theologie selbst aber heißt in diesen Worten hē kat' eusebeian didaskalia, das ist die Lehre von der Gottseligkeit, die zum Zweck hat die wahre Gottseligkeit zu befördern und zu gründen und die also auch so eingerichtet ist, daß dieser Zweck dadurch erreichet werden kan, oder, daß sie einen künftigen Einfluß zum Glauben, Liebe und Hoffnung giebet.
 
 
5. Hypotypōsis hygiainontōn logōn, tōn en pistei kai agapē tē en Christou Iesou, das Vorbild der Heilsamen Worte vom Glauben und von der Liebe in Christo Jesu,
2 Tim. I, 13.
 
Das Object der Theologie wird hier wieder genennet logoi hygiainontes, Worte oder Lehren, die nicht nur an sich richtig und gesund sind, sondern die auch aus der Würckung des Geistes die Krafft haben, die Menschen aus dem geistlichen Tode zu erwecken, und der Seele nach gesund zu machen.
 
 
Die Haupt-Summa dieser Worte bestehet im Glauben und in der Liebe, als der thätigen Beweisung des Glaubens, oder in credendis und agendis. Davon ist nun die Theologie eine hypotyposis, das ist, eine Abbildung, oder ein solcher Begriff der Christl. Lehre, in welcher alle Hauptstücke derselben nach ihrer Verbindung, die sie unter einander haben, verfasset sind, so, daß daraus alles, was zum Grunde und Ordnung des Heils gehöret, leichtlich erkannt und beurtheilet werden kan.
 
 
Mit dieser Beschreibung kommet überein Röm. VI, 17. Da die Theologie genennet wird typos didachēs, ein Vorbild der Lehre. typos  heißt eigentlich eine Form, darinn etwas gegossen und dann nachgebildet wird, typos didachēs heißt eine solche Verfassung der Glaubens-Lehren, die mit dem Rath GOttes von unserer Seeligkeit übereinstimmet. In diese Form muß das Gemüth eines wahren Theologen gleichsam gegossen, oder davon abgedruckt werden, so, daß, wie auf einem weissen Bogen Papier die Formen der Buchstaben unter der Buchdrucker-Presse
 
  {Sp. 865|S. 446}  
 
also abgedruckt werden, daß man das, was die Formen in sich halten, auf dem Papier im Abdruck lesen kan, man also auch an dem guten Exempel seines Glaubens und Lebens gleichsam wie in lebendigen Buchstaben die Form der Lehre lesen könne.
conf. D. Joach. Langens Diss. de Typo sanioris doctrinae ex. Rom. VI, 17. delineato; Rambachs Erkl. der Epist. an die Röm. ...
 
6. Epignōsis tēs alētheias tēs kat' eusebeian ep' elpidi zōēs aiōniou, eine Erkänntniß der Wahrheit zur Gottseligkeit auf Hoffnung des ewigen Lebens,
Tit. I, 1. 2.
 
Das ist eine solche Erkänntniß, die nicht allein die Gottseligkeit zum Zweck hat, sondern auch von der Art ist, daß sie, wo sie recht lebendig erkannt und besessen wird, das Gemüth mit einer wahren Gottseligkeit erfüllet. Der grosse D. Johann Gerhard nennet diese Worte Pauli: Pulcherrimam plenissimamque Theologiae descriptionem.
 
 
7. Exis tōn teleiōn, aisthēteria gegymnasmena echontōn pros diakrisin kalou te kakou, einen Habitus oder Fertigkeit derer Vollkommenen, welche geübte Sinne haben zum Unterscheid des Guten und Bösen,
Hebr. V, 14.
 
Dieser Ort ist deswegen zu mercken, weil da die wahre Theologie als eine Fertigkeit beschrieben wird, und zwar als eine Fertigkeit, Gutes und Böses, Wahres und Falschens zu unterscheiden. Das Subject aber, darinne diese Fertigkeit gefunden wird, heißt teleios, ein Vollkommener, nehmlich in Vergleichung und im Gegensatz gegen die Anfänger und Schwachen, die nur noch eine schwache und Catechetische Erkänntniß der ersten und nothwendigsten Grund-Wahrheiten haben.
 
 
8. Gnōsis sōtērias, eine Erkänntniß des Heils,
Luc. I, 77.
 
nach der gantzen Öconomie, oder Ordnung, darinn diß Heil dispensirt wird.
 
 
9. Gnōsis tēs doxēs tou Theou, eine Erkänntniß der Herrlichkeit GOttes,
2 Corinth. IV, 6.  
 
Durch die Herrlichkeit GOttes werden verstanden alle seine unendliche Vollkommenheiten, wie dieselben im Werck der Schöpffung, Erlösung und Heiligung, sonderlich aber im Grunde und der Ordnung des zu errichtenden Heils hervor leuchten, und sich offenbaren.
 
 
10. Epignōsis tou thelēmatos Theou en pasē sophia kai synesei pneumatikē, eine Erkänntniß des Willens GOttes in aller geistlichen Weißheit und Verstand.
In D. Rambachs richtigen und erbaulichen Erklärung der Ep. Pauli an die Coloss. findet man ... eine Erklärung dieser Worte.  
  Was nun die mancherley  
Theile und Disciplinen,  
  woraus die Theologie bestehet, anbetrifft, daraus man ihren Zusammenhang erkennet; so pfleget man sie auf mancherley Arten abzutheilen, als in die  
 
  • Dogmatische,
  • Polemische,
  • Moralische,
 
  {Sp. 866}  
 
  • Systematische,
 
  abzutheilen.  
  Damit man aber erkenne, ob, und wie weit solche Abtheilung richtig, und die angeführten Arten statt haben, so muß man den Grund davon untersuchen, und durch denselben eine Einsicht in den Zusammenhang erlangen.  
  Der Grund kan hier zweyerley seyn. Der eine beruhet auf dem Object, womit die Gottesgelahrheit beschäfftiget ist, welches entweder ein Theoretisches, so die Glaubens-Lehren in sich fasset; oder ein practisches, welches die Lebens-Regeln begreift, mithin theilet sich die Theologie in zwey Haupt-Theile, in den Theoretischen und Practischen.  
  Jener trägt die Glaubens-Lehren vor, und wird die Thetische (THEOLOGIA THETICA), oder Dogmatische (THEOLOGIA DOGMATICA), oder die Didactische Theologie (THEOLOGIA DIDACTICA) genennet; dieser hingegen dasjenige, was an sich zum Leben und Wandel der Christen gehöret, und ist die Moral-Theologie (THEOLOGIA MORALIS).  
  Das sind die Haupt-Theile, oder die vornehmsten Disciplinen der Gottesgelahrheit, daß wir die Glaubens-Lehren erkennen, damit unser Glaube bestehe: Daß wir die Lebens-Regeln wissen, und ausüben, damit wir die Thätigkeit unseres Glaubens erweisen, folglich hat diese Abtheilung ihren Grund in der Sache selbst; oder in dem Glauben, und dessen Erweisung durch die Liebe.  
  Solches zeiget Paulus deutlich, wenn er schreibet: Halt an dem Fürbilde der heilsamen Worte, die du von mir gehöret hast, und zwar, vom Glauben und von der Liebe in Christo JEsu, 2. Tim. I, 13.
  welches auch aus der Art des Apostolischen Vortrags, sonderlich, wie er von Paulo angestellet worden, sattsam erhellet. Denn dieser Apostel hat in seinen Episteln die Methode, daß er die Glaubens- und Lebens-Lehren immer verknüpffet; jene voraus setzet, und nebst der wahren Erkänntniß auf die Ausübung der Gottseligkeit dringet.  
  Doch, wenn gleich dieses die Haupt-Theile der Gottesgelahrheit sind; so können gleichwohl noch andere neben ihnen stehen; sie müssen aber ihrem Wesen nach aus einem andern Grunde hergeleitet, und mit einander verbunden werden, welcher die Beschaffenheit des Vortrags ist, worauf die Abtheilung der Theologie in die Polemische, Symbolische, Exegetische, Catechetische, Systematische beruhet, und zwar wieder auf zweyerley Art.  
  Man hat bey der Beschaffenheit des Vortrags so wohl auf die Art und Weise, wie er angestellet wird; als auch auf die Ordnung, die man dabey in Acht nimmt, zu sehen. Auf jene, oder auf die Art und Weise beziehet sich die Polemische und Symbolische Theologie, als welche von der Dogmatischen und Moral-Theologie nicht in Ansehung des Objects, oder derer Sachen, die vorkommen, unterschieden sind. Denn in beyden kommen Glaubens- und Lebens-Puncte vor, und werden aus der Dogmatick und Moral gleichsam vorausgesetzet.  
  Vielmehr liegt der Unterscheid in der Art des Vortrags. Man kan die zu unserer Seeligkeit geoffenbarte Wahrheiten entweder bloß vortragen, erklären, und beweisen; oder wider die  
  {Sp. 867|S. 447}  
  Einwürffe der Gegner retten, und die ihnen entgegen stehende Irrthümer widerlegen, welche zweyfache Art des Vortrags macht, daß man die Theologie in eine Dogmatische (DOGMATICAM) und Polemische (POLEMICAM) eingetheilet. Von beyden handeln besondere Artickel.  
  So sind auch die Symbolische (SYMBOLICA THEOLOGIA) und Patristische Theologie (THEOLOGIA PATRISTICA) eigentlich keine besondere Theile der Gottesgelahrheit; sondern sie beruhen nur darauf, daß man dasjenige, was in der Dogmatischen und Moral-Theologie vorkommt, aus denen Symbolischen Büchern und ausdehnen Schrifften der Kirchen-Väter bestätiget, erläutert und zeiget, was in beyden von diesem und jenem Glaubens-Puncte gelehret worden.  
  Bey der Beschaffenheit des Vortrags kommt auch die Ordnung vor, nach welcher man die Theologischen Lehren und besondern Wahrheiten nacheinander vorstellet, und weil selbige mancherley seyn kan, so ist dieses der Grund des Unterscheids, den man unter der Exegetischen, Catechetischen und Systematischen Theologie machet.  
  Denn die Exegetische Theologie (THEOLOGIA EXEGETICA), so fern sie als eine Theologie, und nicht als eine Lehre, welche weiset, wie die Heil. Schrifft zu erklären ist, angesehen wird, ist an sich die Dogmatische und Moral-Theologie; man nennet sie aber die Exegetische und betrachtet sie als eine Art der Theologie in Ansehung der Ordnung, die man dabey beobachtet, indem man gewisse Biblische Bücher oder Texte zum Grund leget, und die darinnen enthaltenen Lehren, wie es die Ordnung und die Umstände solcher Texte mit sich bringen, erkläret, und wenn das in einer ordentliche Rede oder Predigt geschiehet, so pfleget es die Homiletische Theologie (THEOLOGIA HOMILETICA) zu heissen.  
  In der Catechetischen (THEOLOGIA CATECHETICA) trägt man nicht weniger die Lehren des Glaubens und Lebens vor, so viel, als ein jeder zur Seeligkeit wissen muß; man braucht aber einen solchen Vortrag und eine solche Ordnung, welche zwar der Sache gemäß ist; jedoch zugleich nach dem Zustande der Einfältigen, vor welche sie eigentlich dienet, eingerichtet ist; da hingegen die systematische die Göttlichen Lehren und Wahrheiten nach ihrem natürlichen Zusammenhang genau verknüpffet, und nach einer solchen Methode abgefasset wird, daß sie vor diejenigen dienet, die eine tieffere Einsicht in Göttliche Sachen erlangen können und wollen.  
  Andere pflegen die Theologie in Absicht auf die Art des Vortrags auch in die Catechetische und Acroamatische (THEOLOGIAM ACROAMATICAM)) einzutheilen. Jene, die Catechetische, ist, wie gedacht, mit den ersten Anfangs-Gründen der Christlichen Religion beschäfftiget, welche sie den Unwissenden vorträget. Hingegen diese, die Acroamatische, träget die Wahrheiten der Religion weitläufftiger und accurater vor, und diejenigen, die schon die ersten Anfangs-Gründe durch die catechetische Abhandlung gefasset haben, in der Erkänntniß weiter zubringen, und darin gegen allerley Wiedersprüche zu befestigen.  
  Solche acroamatische Theologie ist nun wieder in Ansehung der Art der Abhandlung entweder thetisch oder moralisch oder po-  
  {Sp. 868}  
  lemisch oder exegetisch oder casuistisch (THEOLOGIA CASUISTICA) oder historisch (THEOLOGIA HISTORICA).  
     

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Stand: 24. August 2016 © Hans-Walter Pries