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Zedler: Volck [2] HIS-Data
5028-50-362-1-02
Titel: Volck [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 50 Sp. 368
Jahr: 1746
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 50 S. 197
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Folgender Artikel: Volck, wird von den Rebhünern
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Übersicht
Meinungen
Sitten
  Klima und Ort
 
  Juden
  Klima
Antipathien
Gesichtsbild
böse Sitten
Rechte
Römer
Siehe auch

Stichworte Text Quellenangaben
  Wir gehen nun in der allgemeinen Betrachtung der Völcker weiter, und wollen vorjetzo die Völcker überhaupt in Ansehung ihrer Meynungen und Neigungen, in wie fern sie darinnen von einander abweichen oder mit einander übereinkommen betrachten.  
Meinungen Es sind alle Völcker darinnen übereinstimmend, dass ein GOTT sey; keine Nation ist so frech; kein Volck so wild; kein Land so gar sehr barbarisch, dessen Einwohner nicht von der Erkänntniß des Daseyn GOttes eingenommen wären. Dennoch hat dieses Bayle, der einen grossen Ruhm darinnen suchte, neue und mit dem Begriff der meisten Leute streitende Meynungen vorzutragen geleugnet. Er hat in seinem Dictionaire historique ... und sonsten behauptet, daß man verschiedene Atheistische Völcker aufweisen könne, welche keinen Begriff und Empfindung von einem höchsten Wesen, folglich auch nicht von einer Religion gehabt, oder noch jetzo hätten, um damit die Unzulänglichkeit desjenigen Beweiß Grundes vor die Existentz GOttes, welchen man von der allgemeinen Übereinstimmung aller Völcker hernimmt, zuzeigen, und solchen zu entkräfften. Denn solte selbiger in seine ordentliche Form gebracht und dargestelt werden, so würde der andere Satz, daß alle Völcker darinnen übereinkämen, es sey ein höchstes Wesen, nicht bestehen können, wenn Atheistische Völcker vorhanden wären.  
  Doch ist Bayle weder der erste noch der letzte, welcher dergleichen Gedancken gehabt. Bey dem Cicerone Libr. I. de nat. deorum cap. 23 sagt Cotta: Equidem arbitror, multas esse gentes sic immanitate efferatas, ut apud eas nulla suspicio deorum sit, wiewohl er kein solches Volck mit Namen nennet, und ihm Cicero selbst Lib. I de natura deor. ... entgegen ist, und bekennen muß, es sey die Empfindung von einer Gottheit den menschlichen Hertzen so tief eingepräget, daß viele lieber einem falschen; als gar keinem GOtt dienen wollen.  
  Unter den neuern haben  
 
  • Locke de intellectu humano ...
  • Levinus Nicol. Moltkenius in adnotat. ...
  • und Rüdiger in sensu veri ...
 
  eben dergleichen behaupten wollen.  
  Gesetzt nun, es wäre dieses Vorgeben gegründet; man könnte Völcker nennen, welche von GOtt nichts wüsten, und also auch gar keine Religion hätten, so liesse sich noch fragen: Ob sie mit Recht unter die Atheisten zu zehlen wären? Denn, eigentlich zu reden, geht die Atheisterey auf eine Verläugnung: hinaus, da man den Satz: Es ist ein GOTT, nicht annehmen will: Ihn verneinet, und also der Wahrheit widerspricht; solten hingegen solche Völcker seyn, welche nichts von GOtt wüsten, so würde das mehr eine Unwissenheit, als eine Verneinung seyn.  
  Nun ist bekannt, daß unter beyden ein gar mercklicher Unterscheid statt habe. Doch man hat nicht nöthig, diesen Umstand zu bemercken, weil die Sache selbst, daß gantze Völcker gar keine Empfindung von  
  {Sp. 369|S. 198}  
  einem göttlichen Wesen, mithin gar keine Religion haben solten, keinen hinlänglichen Grund hat, und daher wegfällt. Was bey den Alten von gewissen Atheistischen Völckern gelesen wird, das ist nicht in dem Verstande anzunehmen, als hätten sie kein höchstes Wesen erkannt und verehret; sondern es geht vielmehr auf die gottlosen Sitten dieser Völcker, daß weil sie sehr übel gelebet, den Heydnischen Gottesdienst in diesem und jenem Stücke nicht recht beobachtet; so hat man sie Atheisten genennet, und dies Wort in weitern Verstand gebraucht, wie solches Herr Fabricius in delectu argumentorum ... gezeiget.
  Dasjenige, was einige neuere Scribenten von der Atheisterey gewisser Völcker vorgeben, beruhet auf einem ungewissen Grunde. Denn woher weiß man, daß sie von der Religion dieser und jener Nation hinlängliche Nachricht gehabt? daß sie sich der Sache sattsam und genau erkundiget, und wenn sie auch dieses haben thun wollen, daß sie Gelegenheit gehabt und im Stande gewesen, die dazu nöthige Umstände gehöriger massen einzusehen und zu erkennen? Man weiß gar wohl, daß man denen Reise-Beschreibungen so schlechterdings nicht trauen darf. Es kommen manche Erzehlungen darinnen vor, die falsch und ungegründet sind, welches eben in Ansehung der vermeinten Atheistischen Völcker von verschiedenen dargethan worden.  
  Hat man unter andern den Brasilianern, den Caffren, oder Hottentotten und andern Völckern den Atheismum beygeleget, so haben andere klärlich gezeiget, daß ihnen damit Unrecht geschehe. Und gewis, wenn auch ein Volck noch so wilde und gottlose Sitten an sich hat, daß es scheint, es lebe solches ohne alle Religion; so kan man doch daraus den Schluß noch nicht machen, daß bey demselbigen gar keine Empfindung und Verehrung eines höchsten Wesens sey.  
  Solches ist von verschiedenen weitläufftig ausgeführet, und die Beschuldigung der Atheisterey von diesen Völckern abgelehnet worden, als  
 
  • von Joh. Ludwig Fabricio, einem ehemahls Heidelbergischen Theologo, in apologetico pro genere humano contra atheismi calumniam, welches zuerst 1682. in 4. herausgekommen, und nachgehends dessen 1698. in 4. zusammen edirten operib. p. 119 u.ff. einverleibet worden:
  • ferner von
    • dem Herrn la Croze in entret. sur divers. suiets d'histoire ...
    • Grapio in theol. ...
    • Fabricio in Biblioth. ...
    • Löscher in praenotionib. ...
 
  Man thue hinzu  
 
  • Martin Fortherby in dem Wercke, atheomastix genannt, Lib. I.
  • Bernard in nouvell. ...
  • Buddeum in thesibus ...
  • Stillingfleet in nov. ...
  • und Feuerlein in Dissert. ..., Altd. 1717.
Walchs Religions-Streit. ausser der Evangel. Luther. Kirche V Th. ...
  Von andern Meynungen, die allen Völckern gleichsam eingepflantzet sind, ist bereits in dem Artickel: Völcker-Recht, gehandelt worden, daß wir  
  {Sp. 370}  
Sitten also von solchen uns zu der Betrachtung der Sitten der Völcker nunmehro wenden können. Man muß sich nicht einbilden, daß ein Volck allezeit einerley Sitten, die vorher bey ihm im Schwange gewesen, behalten habe. Tempus mutat mores. Ein jedes Jahrhundert hat seine gute und böse Sitten.  
  Das Volck der Sachsen war vor diesem eben ein so rauhes und unwissendes Volck, als es anjetzo gesellschafftlich und an Gelehrsamkeit reich ist. So war vor diesem in Griechenland ein Zusammenfluß der grösten Köpffe, und scharffsinnigsten Männer, da hingegen jetzo die Unwissenheit daselbst auf den Thron gesetzet worden. Bey denen Römern traf man vor diesen tapffere Soldaten an, aber die Wollust hat so sehr jetzt überhand genommen, daß man das Kriegs-Wesen nichts achtet, und fremde Soldaten in Sold nimmt. Man findet Rußland in einem gantz andern Zustand, als vor diesem. Die Gelehrsamkeit, das Kriegs-Wesen, Handel und Wandel floriren ungemein, worzu der grosse Peter den Grund gelegt hat.  
  Hippocrates sagt: Respicere debemus et regionem et tempus. Und anderweit: Concedendum aliquid et tempori et regioni. Aber in was vor Verstande? Die Zeit, vor sich betrachtet, kan es nicht würcken, sondern die Dinge, die in der Zeit sind. Einige haben in den Gedancken gestanden, es sey ein gewisser Geist, der zu einer Zeit sein Werck habe, und in den Verstand und Willen würcke, daß einmahl Gelehrsamkeit, einmahl Unwissenheit, daß einmahl diese Art der Wissenschafften, das anderemahl eine andere Gattung im Schwange gienge; Daß bald diese, bald jene Sitten einreissen. Dieses aber ist ein Aberglaube, und schmecket nach dieser Thorheit die bekannte Redens-Art der Gelehrten: Genius seculi.  
  Wir wollen andere Ursache suchen. Anfänglich mercken wir an, daß die Züge derer herumwandernden vielen Völcker eine große Veränderung der Sitten gebracht, wie denn solche Wanderung ein grosses Geheimniß in der Historie ist. Auch haben die Kriege viel verändert. Denn haben die Vorfahren in einem Lande die Wissenschafften geliebet, auf schöne Bibliothecken gehalten, so sind andere Völcker kommen, die sich da niedergelassen, die Bücher und Schrifften denen Pferden untergestreut oder verbrannt, und die Gelehrsamkeit an andere Örter getrieben.  
  Die Aufführung derer Regenten trägt vieles bey guten und bösen Sitten. Wenn ein König vieles verschwendet, schwelget; so nehmen die Bedienten solche Lebens-Art auch an und von diesen wird sie auf das gantze Land fortgepflantzet. Hingegen wenn ein Landes-Herr das Gegentheil thut, lauter Bedienten sucht, die Gottesfurcht, Gerechtigkeit, Keuschheit und Mässigkeit lieben; so wird dieses ein gewaltiges Gewichte haben bey dem gantzen Lande.  
  Nechst diesem bringt der Umgang mit andern Völckern vieles, als der Umgang mit den Italiänern, und die Reise dahin bringt Italiänische Moden; der Umgang mit Franckreich ein Frantzösisches Gemüth. So gehet jetzo Pohlen viel mit Sachsen, und Sachsen viel mit Pohlen um, so bekommen die Sachsen und Pohlen einen gemischten Sinn. Was der Umgang derer Russen mit denen Sachsen ausgerichtet, liegt klar am Tage. So hat Sachsen wegen einer hohen Heyrath einen Umgang mit Österreich,,  
  {Sp. 371|S. 199}  
  nimmt auch viel gutes von diesem hohen Hause an.  
  Wenn eine vornehme Fürstin also an einen Hof kommt, viele mit Wohlthaten überschüttet, so verähnlichen sich ein grosser Theil in Sitten mit selbiger, und dieses gehet weiter fort durch ein gantzes Land.  
Klima und Ort Überdiß bring auch das Clima und der Ort, da man wohnet, besondere Sitten.  
Juden Wir nehmen die Juden aus, als ein durch die gantze Welt zerstreuetes Volck, die bey ihren Sitten durchgängig ziemlich unverändert bleiben. Sie haben ein Melancholisches Temperament, dahero sie dem Geitz ergeben sind, als einen Haupt-Character dieses Temperaments, bleiben auch sonst auf einen Sinn, wie wir denn auch das übrige, was diesem Temperament sonst noch anhängt, auf sie ziehen können.  
  Die Erziehung thut hier viel, indem sie alle auf einerley Art erzogen werden, und noch mehr ihre Geburt, da sie nicht aus ihrem Geschlechte heyrathen. Waren sie im alten Testamente sehr behertzt, zu Rebellionen geneigt, so sind sie nunmehro sehr sclavisch und ist die Sclaverey ihr Element worden, daß auch selten ein Jude grosse Ehren-Stellen bekleidet; im Gegentheil vielmehr ein Schauspiel der Welt worden sind, und büssen vor die Schmach, die sie Christo angethan.  
  Sie haben wenig Hertz, welches von der göttlichen Vorsicht und den Zorn-Gerichten, die so gar häufig GOtt über sie hat ergehen lassen, herzuleiten. Sonst scheinen sie vermögend zu seyn, eine mächtige Monarchie anzufangen, indem sie durch die gantze Welt zerstreuet leben, mit einander Briefe wechseln, und entsetzliche Mengen Volcks zusammen bringen könnten.  
Klima Wenn man aber sagt, daß das Clima die Sitten einrichte, so versteht man darunter  
 
1) die Lufft. Curtius sagt: Ingenia hominum locorum situs formet. Es sind also die Kräffte des Verstandes und Willens unterschieden nach der Landes Art. Die Atmosphära hat ihr Licht, Lufft und andere Theilgen, diese kommen in das Geblüt und verursachen einen Unterscheid darinnen; die Lebens-Geister, die aus dem Geblüte entstehen, werden gleichfals verschieden, weil die Ursache ihrer Erzeugung geändert ist. Und daher kommt es endlich, daß Bewegung, Nerven, Musculn, Temperament und Sitten der meisten Leute eines Volcks gantz unterschieden sind von denenjenigen, die sich bey den meisten Leuten eines andern Volcks befinden.
 
 
  Doch werden die Sitten eines Landes wegen der Thäler und Gebürge etwas verändert. Wie uns ein Exempel davon Schottland und Engelland giebt. In Italien hat man eine dünne Lufft und entspringen daher auch eines Theils die unterschiedenen Sitten der Italiäner. Wenn man aber nach Schweitz, Tyrol und Pirmont zukömmt; so befindet man es wegen der Gebürge anders, da eine kältere Lufft, auch geringe Nahrung genossen wird; dahero sie starck vom Leibe sind und gute Soldaten abgeben.
 
 
2) Speiß und Tranck, die in solchen Ländern genossen wird, thut auch viel, und ob sie gleich ein Clima haben, so können Wasser, Moräste, sandichte Gegenden eine Veränderung machen, weil auch da die Kost sehr unterschieden ist. Wo geräuchertes, getrocknetes, eingesaltzenes Fleisch oder Fische, Bohnen, Erbsen, grob Brod gegessen wird; so wird auch ein grobes Geblüte, starcke Knochen, starcke Fäsergen, aber der Verstand schwach und die Sitten rauhe. Also ist in
 
  {Sp. 372}  
 
  Deutschland ein Unterscheid. Die Pommerer, Mecklenburger, Westphäler, Braunschweiger, Brandenburger haben eine harte Kost, daher sie gute Soldaten sind, können viel ausstehen, sie schwelgen auch nicht so wie andere, und sind mäßig. Hingegen die Meißner, Schwaben, Österreicher, Schlesier etc. leben zärtlicher in Essen und Trincken, lieben den Müßiggang und Ruhe, wodurch das Gemüth etwas zärtlicher wird, sind aber von schärffern und subtilern Verstand und haben eine Zärtlichkeit in Sitten. So trägt auch bey denen Frantzosen Essen und Trincken viel zu ihrer Gemüths-Beschaffenheit bey, weil sie immer Fische und Fleisch essen; auch Fleisch-Brühen geniessen; daher sie viel Blut bekommen, und öffters zur Ader lassen können. Es kommt auch daher ihr fertiger Verstand, ihre Munterkeit, Sorglosigkeit, Unbeständigkeit und Leichtsinnigkeit her.
 
 
  So haben die Spanier, Portugiesen etc. gute Speise und Tranck, welches auch etwas mit beyträgt zur Erwärmung des Geblüts. So haben die Italiäner gute Gewürtze, delicate Weine, und sonst eine gute Kost, dahero ihre Scharffsinnigkeit, Geilheit etc. mit entspringet. Die Engelländer und Schottländer geniessen eben nicht der besten Lufft, weil aber die erstern viel Fleisch essen, gute Weine trincken, so sind sie unterschieden von andern Mitternächtischen Ländern an Gemüths Gaben, und ist schon vor diesem ihr Temperamentum sanguineo Melancholicum genennet worden, weil die zärtliche Kost das harte Wesen mäßiget. Die Schottländer hingegen, weil sie solcher zärtliche Kost nicht gewohnt, sind Melancholici und tapffere Soldaten, doch haben Sie dabey einen guten Verstand u. fruchtbaren Witz, wovon Buchananus zeuget.
 
 
  Die Asiatischen und Africanischen Völcker haben Reiß, woraus sie Brod machen, braten ihr Fleisch wenig, Essen allerley süsse Früchte, trincken wegen der grossen Hitze nicht viel starcke und Geist-volle Geträncke: dahero haben Sie gantz andere Sitten, sind zärtlich, faul, betrüglich, zum Krieg und Studieren ungeschickt, welches aber bey rechtmäßigen Gebrauch des Weins anders ist.
 
 
  Zwischen den 40. und 50. Grad der Pels-Höhe wächst in Europa als Spanien, Franckreich, Italien, einen Theil von Deutschland, Ungarn, Griechenland, Natolien, Sicilien, Coprus und Archipelago etc. der beste Wein; die andern Länder aber haben theils wegen der grossen Hitze, theils grossen Kälte dergleichen nicht. Jene haben alle einen scharffen Verstand, die Wissenschafften blühen, weil der Wein das schleimichte Wesen auflöset, frölich macht, und der Wein, sonderlich der Poeten, ihr Pferd heist. So hat der Branntewein bey denen Pohlen u. Russen auch eine grosse Würckung.
 
 
3) Die Geburt und das Geblüte thut auch was bey denen Sitten, wie wir an den Juden ein augenscheinlich Exempel haben. Die meisten Völcker haben ihren besondern Ursprung, ob also gleich durch Heyrathen und Pflantz-Städte einige Veränderung vorgehet; so ist solche doch nicht total, und bleibt immer das Original. Bey einer totalen und sehr starcken Veränderung ändern sich auch die Sitten;
 
 
4) ist nechst diesem die Auferziehung in Betrachtung zu ziehen; denn wenn die Deutschen Frantzösch auferzogen werden, bekommen sie einen Frantzösischen Sinn.
 
 
5) Ist auch nicht zu übergehen der Umgang mit andern, weil
 
  {Sp. 373|S. 200}  
 
  man gerne nachahmet.
 
  Dasjenige also, was von denen Sitten der Völcker überhaupt zumercken ist, wird folgendes seyn: Je mehr die Völcker gegen Mittag wohnen, je hitziger, ausgetrockneter, und dürrer sind sie, das sind alle diejenigen, die von dem 35. Grad bis zu dem Äquatore wohnen, als die Africaner, Egyptier, Perser, etc. Sie haben die gröste Hitze und allerdünneste Lufft, dahero ein scharffes, schweffliches und verbrenntes Geblüte, da Feuchtigkeit, und das geistige Wesen sich verzehret, dahero sie nicht fleischicht, sondern dürre sind, kleine Beine haben, schwach und zum Kriege ungeschickt. Sie sind furchtsamm, unfruchtbar, aber wegen der Schärfe der lymphae sehr geil, geitzig, grausam, einsam, zärtlich, untreu, boßhafftig, und haben einen schwachen Verstand.  
  Je mehr die Völcker nach Mitternacht wohnen je frischer und feuchter ist ihr Blut, denn sie haben eine rauhe und kalte Lufft; man leitet eben daher die Rauhigkeit der Sitten, die gemeiniglich da herrschet. Vitruvius sagt, es wären da gentes immanes corporibus, desgleichen sie hätten mentes stupentes, dahin gehören Schweden, Norwegen, Dännemarck, Litthauen, Lieffland, Moscau, Engelland, Schottland etc. Sie sind starck, dicke, weil die Ausdünstung wegen der kalten Lufft nicht groß, dahero sind sie auch tapfer, fruchtbar, sintemahl sie viele Colonien nach dem Mittag geschickt; sie haben auch ein besser Gemüth als die Leute gegen Mittag.  
  Diejenigen die sub zona temperata leben, sonderlich von dem 53sten Grad bis zu dem 42sten in Deutschland, Franckreich, Ungarn, Italien, Türckey etc. sind von einer feinen Gemüths-Art, lieben die Studia, denn Hitze und Kälte ist gemäßiget, dahero ist der Leib und das Gemüth besser. In Italien giebt es Mahler, Baumeister, Musick-Verständige; in Spanien tiefsinnige Sittenlehrer und Weltweisen; in Franckreich sinnreiche Poeten und Redner.  
  Diejenigen die gegen Morgen wohnen sind trockener Gemüths-Beschaffenheit von der trockenen Lufft und Winden.  
  Die gegen Abend wohnen sind feuchter und härterer Art, und schicken sich wohl zur Schiffarth. Der Himmel ist feuchter, bringet eine Liebe zum Wasser und Schiffarth hervor, darinnen Sie fürtreflich sind, wie Holland, Engelland, Dännemarck etc. zeigen. Sie sind starck. Wie denn auch die Ochsen, Kühe groß, starck und feist sind. Aber die vielen Feuchtigkeiten drücken die Kräffte des Gemüths, daß sie hierinnen andern den Vorzug lassen. Hilligens Anatomie der Seelen p. 306. u.ff.
  siehe auch Naturel der Völcker im XXIII Bande, p. 1246.  
Antipathien Sonst will man auch vorgeben, daß unter verschiedenen Völckern eine besondere Antipathie statt finde. Also soll eine eingepflantzte Feindschafft zwischen den Persern, und Türcken; zwischen den Chinesern und Japanern; unter den Armeniern, und Nestorianern; Arabern und Abyßiniern; Frantzosen und Spaniern; Italiänern und Griechen; Teutschen und Pohlen; Dähnen und Schweden; Moscowitern und Tartarn; Engländern und Schotten, u.s.w. sich befinden. Hessens Ost-Indianische Reise-Beschreibung p. 149.
  Ferner wollen diejenigen, die die Welt durchreisset, und mit andern Völckern starcken  
  {Sp. 374}  
Gesichtsbild Umgang gepflogen, angemerckt haben, daß man an ihnen gewisse Merckmahle auch in der Gesichts-Bildung anträfe, woraus sie zuerkennen sind. Also soll ein Deutscher von einem Niederländer, ein Schwede von einem Dänen, ein Pohle von einem Russen, ein Türcke von einem Persianer, ein Frantzose von einem Italiäner, ein Spanier von einem Portugiesen, ein Africaner von einem Americaner, ein Sineser von einem Japonier an Gesichte, Gestalt und Geberden gar mercklich unterschieden seyn, weil die Natur jeder Nation gleichsam was eigenes gegeben. Fritschens Theologische, Juristische etc. Geschichte III Th. p. 187.
böse Sitten Zuletzt wollen wir noch anmercken, daß Joseph Hall, ein Englischer Bischof, in einem Buche Mundus alter et idem, die bösen Sitten verschiedener Völcker, die Völlerey des einen und die Unkeuschheit des andern u.s.w. auf eine sinnreiche und beissende Art durchgezogen. Es ist zu Utrecht im Jahr 1643. in 12 nebst der Sonnenstadt des Campanella und des neuen Atlantis des Cantzlers Bacon herausgekommen. Das Werck selbst ist in vier Bücher eingetheilet, und mit Land-Charten versehen, es enthält 213. Seiten. Wir wollen alhier das Urtheil des Naude von diesem Buche beyfügen. Er sagt nachdem er die Utopia des Thomas Morus und der Sonnenstadt erwehnet hat: "Ultimum vero ... [folgen 10 Zeilen lateinischer Text]".
  • Naudäus Bibliogr. Politic. p. 517. des Crenius Ausgabe von 1692.
  • Baylens Critisches Wörter-Buch II Th. p. 733.
  • Birckens Sächsischer Helden-Saal von Anfange.
Rechte Es hat aber sowohl ein jedes Volck unter sich, als auch ein gantzes Volck gegen das andere, gewisse Rechte. So folget z.E. aus der zu Anfange des Artickels gegebenen Erklärung des Volcks, unstreitig; daß alle diejenigen Dinge und Güter, welcher einem gewissen Volcke überhaupt zugehören, in Ansehung derer dieses Volck ausmachenden Glieder männiglich freyen und öffentlichen Gebrauchs sind, dafern es ihnen nicht selbst beliebet hat, unter sich eine gewisse Verordnung zu machen, in wie fern einem jeden von ihnen insbesondere vergönnet und erlaubt seyn solle, dieser einem gesammten Volcke gehörigen Dinge und Güter zu seinem Nutzen zu gebrauchen. Dergleichen sind z.E. die stets währenden Flüsse, oder die Wasserströme und Anfahrten, die öffentlichen Land-Strassen, u.s.w.  
  Indessen ob zwar der Gebrauch dieser Güter vornehmlich denen, welche zu diesem Volcke gehören, zustehet; so mag man doch andern Völckern den Gebrauch, so weit solcher unschädlich ist, nicht verwehren. Dahero kan jedermann eines Stromes im Schiffen, Anländen, und Wasserleitungen, wie auch derer Land-Strassen sich bedienen.
  • Lyncker in Comm.
  {Sp. 375|S. 201}  
   
  ad tit. de divis. rer.
  Jedoch verstehet sich dieses alles nur von freyen Völckern, die weder einem andern Volcke, noch einem gewissen und einzigen Ober-Haupte unterworffen sind. Denn wenn dieses ist; so gebühret vielmehr den letztern, deshalben die nöthigen und beliebigen Verordnungen zu machen, nach welchen sich so denn jene, als ihre Unterthanen, nothwendig zu achten haben.  
  Wie denn auch absonderlich heut zu Tage insgemein alle diejenigen Dinge und Rechte, welche sonst einem gesammten Volcke zugehöret, zu denen Regalien, oder der Lands-Hoheit gezehlet werden, wovon bereits am gehörigen Orte mit mehreren gehandelt worden.  
  Ob und in wie fern aber einem oder dem andern Volcke gezieme, sich auch insbesondere über das freye offene Meer, oder über einen gewissen Theil desselben sich einer Herrschafft oder des Eigenthums-Recht anzumassen, mithin auch dessen Gebrauch und Nutzung nach eigenem Gefallen zu bestimmen und einzuschräncken, davon kan unter dem Artickel: Meer im XX Bande, p. 152. u.ff. ein mehrers nachgelesen werden.  
Römer Und was vor einen Unterscheid absonderlich die Römer zwischen dem Worte: Populus, und Plebs gemacht, davon siehe in denen Artickeln:  
 
  • Plebs, im XXVIII Bande, p. 790 u.ff.
  • und Römisches Volck, im XXXII Bande, p. 443. u.ff.
 
Siehe auch Siehe überhaupt auch noch den Artickel: Völcker-Recht.  
     

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Stand: 23. August 2016 © Hans-Walter Pries