|
Text |
Quellenangaben |
|
Naturell der Völcker, Natura populorum. |
|
|
Man pflegt den
Unterscheid der
Naturelle so
wohl auf Seiten des
Verstandes, als des
Willens,
auch nach dem Unterscheid der Nationen und
Völcker zu bemercken. Es ist dieses eine
Sache,
die schon die
Alten wahrgenommen haben. Die
Rhodiser werden bey dem Livius … hiervon also
redend eingeführet: |
|
|
„so wohl Städte, als eintzele Personen haben
ihre besondere Sitten. Auch gantze Völcker sind
bald zum Jach-Zorn, bald zur Kühnheit, bald zur
Zaghafftigkeit geneigt: einige sind dem Truncke und
der Geilheit ergeben. Das Volck zu Athen soll, wie
der allgemeine Ruff gehet, in seinen
Unternehmungen geschwind seyn, und mehr
wagen, als seine Kräffte zureichen auszuführen. Die
Spartaner hingegen sollen zaudern und sich kaum
in das Wasser wagen, dessen Grund sie doch
sehen. Ich mag nicht in Abrede seyn, daß das
gantze Land Asien meistens pralhaffte Köpfe voller
Wind hervor bringe, und daß unsere Lands-Leute
ihre Redens-Art etwas furchtsamer einrichten,
worinnen wir unter den benachbarten Staaten
einigen Vorzug zu haben scheinen.„ |
|
|
Paulus führet Tit. Cap. I. v. 12. aus einem
Heydnischen Poeten von den Cretensern an, „daß
sie immer Lügner, böse Thiere, und faule Bäuche
wären.„ |
Dergleichen Zeugnisse
Buddeus
in institut. Theol. moral. … in der Note
zusammen gelesen. |
|
Was die Sache selbst betrifft, so wollen wir
dabey zwey Stücke durchgehen, daß wir erstlich
den Unterscheid der Völcker an ihren
Ingeniis und
Sitten zeigen, und hierauf die
Ursach, woher
solches komme,
untersuchen. |
|
|
Erstlich
müssen wir den Unterscheid des
Naturells
gantzer Völcker selbst zeigen. Man pflegt
überhaupt die
Welt nach einem dreyfachen Climate
in drey
Theile
abzutheilen, und also auch die
Völcker ihrem Naturell nach unter drey
Classen zu
bringen, indem etliche in den kalten; andere in den
heissen, und etliche in den temperirten
Örtern
wohnen. |
|
|
Von den kalten Nord-Ländern will man
behaupten, daß selbige keinen so aufgeweckten
und hurtigen Verstand haben, auch zu dem
Studiren
nicht so
geschickt sind, als andere Völcker in den
temperirten Ländern. Es
soll ihnen einiger massen
an der Munterkeit und Scharfsinnigkeit fehlen;
wobey von ihnen versichert werden
will, daß, wenn
sie sich ja auf die
Studien legeten: so erlangeten sie
zwar durch Mühe in
Gedächtniß-Sachen eine
Erkänntniß; zu Sachen aber, die ein Ingenium oder
Judicium erfordern, wären sie nicht besonders
aufgeleget; wiewohl dieses bey vielen eine nicht
geringe Ausnahme leiden mögte.
Zum Exempel
werden die
Königreiche Schweden und
Dännemarck angeführet, wo unter andern die
wahre
Philosophie, als eine
Wissenschafft, welche eine
starcke
Beurtheilungs-Krafft erfodert, etwas |
|
|
{Sp. 1247|S. 641} |
|
|
rares ist, und in keinem so blühenden
Stande
angetroffen wird, als in andern Ländern. Jedoch ist
hiebey noch dieses zu mercken, daß hieran auch
die vielen Unruhen, so in besagten Ländern von
einer
Zeit zur andern geherrschet, grossen Theils
Schuld gewesen; hingegen bey ruhigen Zeiten es
keinem von beyden Königreichen an
gelehrten und
geschickten
Männern gefehlet habe; ihnen auch
vieles aus Haß und Neid, insonderheit von dem
Molesworth Etat present de Danemarc
nachgesaget werde. |
|
|
Indessen scheinet die herrschende
Neigung
des grösten Theils derer Nordischen Völcker nicht
so wohl der Ehr-Geitz oder die
Wollust, als vielmehr
die
Begierde nach
Reichthum zu seyn; und
deswegen giebt es unter ihnen viele sclavische und
furchtsame
Gemüther, Leute, die zur
Noth, Hunger
und Durst auch grosse
Arbeit ausstehen können,
und wenn sie ja lieben, bezeigen sie sich hierinnen
kaltsinnig. Sonst aber sind sie redliche, fromme und
gewissenhaffte Leute, die ihren
König und das
Vaterland lieben; so daß sie ihr
Leben für selbiges
willig aufopfern. Ja man kan von ihnen
sagen, daß
sie über die
Religion,
Recht und
Gerechtigkeit mit
allem Ernst halten, auch dabey die
Künste und
Wissenschafften lieben und werth halten. |
|
|
Diejenigen, die sich um die heissen
Mittags-Länder aufhalten, haben entweder dumme, oder
phantastische Ingenia, welches die alten Egyptier
mit ihrem
Exempel bestätigen können. Denn obwohl
einige, die das Alterthum mit Vergrösserungs-Gläsern anzusehen
gewohnt sind, aus ihrer
Gelehrsamkeit und
Philosophie groß
Wesen
machen, so kam doch ihre symbolische,
hieroglyphische und magische
Weisheit nur auf
Einfälle der Phantasie an. Dem Gemüth nach hält
man sie vor hochmüthig und Geldgeitzig, wiewohl
sie auch zur Unzucht und
Geilheit sehr geneigt seyn
sollen. |
|
|
Die in temperirten Ländern sind zu allerhand
Künsten und Studien geschickter, jedoch so, daß
eine Nation vor der andern was besonders hat,
daher wir die
vornehmsten
Europäischen Völcker
durchgehen wollen. |
|
|
Den Anfang machen wir von unsern
Deutschen. Der Frantzösische Jesuit Bouhours,
ingleichen Bodinus und Naude haben sich damit
bekannt gemacht, daß sie von den
Ingeniis der
Deutschen sehr verächtlich
gesprochen, welchen
aber Cramer in seinen vindiciis germanici nominis
geantwortet. Wie wohl auch seine
eigene
Landsleute nicht durchgehends mit ihm deswegen
zufrieden gewesen. |
|
|
Wie aber dieser zu wenig
gethan; also thun
hingegen andere der Sache zu viel, wenn sie die
Deutschen dermassen erheben, als wenn alle
Wissenschafften bey ihnen jung worden, und sie vor
allen andern Völckern einen
Vorzug hätten. Man
kan nicht sagen, daß sie von
Natur die besten,
hurtigsten und scharffsinnigsten
Köpfe hätten, wenn
man ihnen aber auch allzu langsame, einfältige und
dumme Ingenia beylegen wolte, so würde man auch
wider die
Wahrheit
reden. |
|
|
Doch was ihnen von Natur abgehet, ersetzen
sie durch ihren unermüdeten
Fleiß, dazu die
meisten aus
Noth gezwungen werden, damit sie nur
ihr Brod finden mögen. So kan man auch nicht
sagen, daß sie in einem
Theil der
Gelehrsamkeit |
|
|
{Sp. 1248} |
|
|
eben was besonders thäten. Es wird nicht leicht
eine
Wissenschafft seyn, darinnen nicht
Deutschland die geschicktesten Männer aufweisen
könnte, es mag nun dazu ein
Gedächtniß oder
Ingenium oder
Judicium erfordert werden. |
|
|
Von ihrem Gedächtniß zeuget ihre Lectur, die
sie in ihren
Schrifften anbringen. Sie sind sehr
gedultig, wenn sie was
schreiben, machen
weitläufftige Collectanea, führen gern vielerley
Meynung an, daher auch
Bayle in den lettres
choisies … schreibet: |
|
|
„Die Deutschen tragen reichlich zusammen,
und lassen ihre Belesenheit sehen. Ich weiß es
ihnen Danck. Denn sie ersparen mir die Mühe,
Collectanea zu machen; und also bin ich einer von
denen, welche die Schrifften der Deutschen
überaus loben und hochachten.„ |
|
|
Die Poesie haben sie in ihrer
Sprache so hoch
gebracht, daß sie den Frantzosen und Italiänern
wohl den
Rang streitig machen dürffen, welches
Proben von ihren Ingenio, und daß es an Leuten
nicht fehlet, welche scharffsinnig sind und
nachdencken können, bezeugen die Exempel
grosser
Philosophen und Mathematick
verständiger. |
|
|
Auf Seiten des
Willens sind sie weder im
höchsten Grad hochmüthig, noch
Geld-Geitzig, noch
wollüstig: doch haben sie von allen dreyen eine
ziemliche Dosin, und halten sonderlich viel auf
Essen und Trincken, daß, wenn sich ein Deutscher
ein Vergnügen machen
will, so dencket er, es
könnte ohnmöglich ohne Essen und Trincken
geschehen. Tacitus de moribus Germanorum …
hat schon zu seiner Zeit von denen Deutschen
geschrieben: Diem noctemque continuare potando,
nulli probrum. Daher auch jener gar artig von ihnen
sagte: „sie haben ein kurtzes Gedächtniß, und
indem sie sobald vergessen, daß sie getruncken, so
trincken sie so oft.„ |
|
|
Man will auch an ihnen die unmäßige
Begierde,
den Frantzosen nachzuahmen, als einen Fehler,
aussetzen, daß sie schon öfters vor
Arten der
Frantzosen gescholten, und auf sie die
Worte
Horatii, o imitatores servum pectus: gezogen
worden. Sonsten aber sind die meisten Deutschen,
in so fern sie nicht ihre
Sitten in der Fremde
verderben, ehrliche und
Gerechtigkeit
liebende
Leute, die es selten anders
meynen, als sie
sagen. |
|
|
Von den Deutschen kommen wir auf die
Spanier, denen Barclajus in icon. animor. …
langsame
Köpfe beyleget, daher auch die
Studien in
Spanien in schlechtem Flor stehen. Es ist, wie von
ihnen fast bey allen
Scribenten berichtet wird, eine
solche hochmüthige und aufgeblasene Nation, daß
man ihres gleichen wohl wenig finden wird, welcher
Stoltz auch mit schuld ist, daß sie sich wenig um die
Künste, Studien,
Handlung etc. bekümmern, weil
diese
Dinge vor die Spanische Gravität allzu gering
scheinen. Von ihrer Sprache haben sie einen so
hohen
Concept, daß sie fürgeben, als
GOTT mit
Mose auf dem Berg Sinai gesprochen, so sey
dieses in Spanischer Sprache geschehen, indem
sonst keine andere
geschickt sey, darinnen etwas
mit Auctorität zu
befehlen. |
|
|
Die Engelländer sind zu tieffsinnigen Sachen
von Natur geschickt, und daher zur Philosophie und
andern Wissenschafften, darinnen ein Nachdencken
nöthig ist, |
|
|
{Sp. 1249|S. 642} |
|
|
aufgelegt, denen man auch in der
Ausbesserung der Philosophie, sonderlich der
Physic vieles
schuldig ist. Solches
erkennen
andere, die unpartheyisch sind,
billig, und geben ihnen
ihr gehöriges
Lob. Wenn sie sich aber selbst
erheben, und andere neben sich verachten wollen,
wie sie dieses vielmahls
thun, so ist solches eine
unanständige Sache, daher sich auch viele
Gelehrte
über solche eigene Lobes-Erhebungen beschweret
haben. Ihre Complexion neigt sich auch sehr zur
Melancholie, und daher giebts unter ihnen viel
Phantasten und Schwärmer, die aus
übel
gegründeten
Principiis sich sonderbare
Meynungen
erdichten, und so feste darüber halten, daß man sie
nicht davon abbringen kan. |
|
|
In keinem Lande der
Christenheit findet man
mehr Religions-Secten, als in Engelland. Daher
auch schon Scaliger zu seiner Zeit gesaget hat:
Angli sunt Fanatici. Sie sind zu grossen
Veränderungen und einiger massen zur
Grausamkeit geneigt, daß man auch in der
Historie
kein Volck finden wird, welches seinen König in die
Hände des Scharfrichters geliefert hätte, wie die
Engelländer gethan. Und eben diese ihre Neigung
zur Grausamkeit machet, daß sie zu
Wasser und zu
Lande
gute Soldaten abgeben, und wenn sie
einmahl aufgebracht worden, nicht gerne nach
Hause gehen. So können sie sich auch ein
besonderes Vergnügen daraus machen einer
Tragödie oder andern blutigen Vorstellungen
zuzuschauen. |
|
|
Sonst aber machet sie ihre Melancholische
Complexion auch ziemlich zur Desperation geneigt,
wenn sie nicht eine bequeme
Lebens-Art führen
können, die sie sehr lieben. Dieses bedarff keines
ferneren
Beweises, da die fast
täglich sich
ereignenden Exempel des Selbst-Mordes, welchen
auch grosse Gelehrte oftmals an sich begehen,
davon deutlich zeugen. Im übrigen aber wollen
einige den Engelländern schuld gegeben, als ob sie
zwar ehrlich und großmüthig seyn, aber meistens in
ihrem Lande hoffärtig und aufgeblasen wären, und
die Fremden bißweilen gar wenig achteten. |
Besiehe Küchelbeckers nach
Engelland reisender curieuser Passagier
... |
|
Die
Holländer kommen in vielen Stücken mit
den Deutschen überein. Benthem schreibet in
seinem Holländischen Kirchen- und Schul-Staat …,
„daß die Niederländer überhaupt mehr einfältig als
scharffsinnig gebohren werden, wiewohl sie durch
unermüdeten Fleiß alles zu begreiffen, vor vielen
andern geschickt wären.„ |
|
|
Die wenigsten haben wohl von Natur so hurtige
Köpfe; doch finden sich auch unter ihnen so
treffliche Ingenia, und diejenigen, welchen was an
natürlichen Gaben abgehet,
wissen durch ihren
unermüdeten Fleiß vieles zu ersetzen. In ihrem
Thun lieben sie eine
Freyheit, und sind in
Conversationen um die Beobachtung der
Wohlanständigkeit so sehr nicht bekümmert;
scheinen aber viel Ehrlichkeit an sich zu haben. Ihre
meiste Sorge geht auf die
Öconomie,
Handel und
Wandel, welchen sie sehr in die Höhe gebracht, und
darinnen gantz besondere Geschicklichkeit
erwiesen, daß man also sagen kan, die Holländer
wären mehr zum Geldgeitz, als zum Hochmuth und
der Wollust geneigt. |
|
|
Die Frantzosen haben hurtige, muntere und
aufgeweckte Köpfe, und sind daher zu inge- |
|
|
{Sp. 1250} |
|
|
nieusen Wissenschafften, als zur Poesie, und
dem, was dazu gehöret, dergleichen die Opern,
Comödien, Sinnbilder, Satyren u.s.w. sind,
gebohren; zu judicieusen Sachen aber haben sie
weder die Gedult, noch das nöthige Talent einer
Scharffsinnigkeit. Denn ob man wohl einige
geschickte Philosophen in Franckreich gehabt: so
sind doch deren wenig, nach denen man das
Naturell einer gantzen Nation nicht
beurtheilen darff.
So scheinen sie auch ihr Vergnügen in Gedächtniß-Wissenschafften nicht zu finden, und lassen
wenigstens in ihren Schrifften mehrentheils keine
sonderliche Belesenheit sehen. |
|
|
Ihr Gemüths-Character ist die
Wollust, daher
sind sie leichtsinnig, lieben ein freyes Wesen, gehen
in ihrer Kleidung was nachläßig, affectiren nicht,
jedoch so, daß allezeit was artiges bey ihnen
anzutreffen, daher auch die Frantzösische Moden
fast alle Europäische Völcker bezaubert haben. In
ihrem Umgang sind sie höflich, machen viele
Versprechungen, ob sie gleich selbigen nicht
allezeit so heilig nachkommen, und wissen eine
Gesellschafft wohl zu unterhalten. |
|
|
Von den Italiänern
urtheilet Barclajus in icon.
animor. … daß sie sich in der Beredsamkeit,
Poesie,
Historie,
Theologie,
Politic sehen liessen,
gedencket aber von der
Philosophie nichts. Aus
diesem folgt noch nicht, daß sie dazu nicht
geschickt wären. Am
Judicio fehlts ihnen nicht, wie
sie denn in den vorigen Zeiten Leute unter sich
gehabt, welche vor sich meditiret, und sich von dem
Aristotelischen Joch, sonderlich in der Physic frey
gemacht; daß aber deren so wenig gewesen, auch
die Philosophische Reformation in Italien keinen so
glücklichen Fortgang gehabt, daran ist nicht so wohl
der
Mangel des Philosophischen Naturells, als
vielmehr andere Ursachen schuld gewesen. Sie
sind auch in Erfindung ingenieuser Gedancken und
Vorstellungen, wie man sie zur Poesie brauchet,
glücklich. |
|
|
Die Gemüths-Art ist melancholisch und
sanguinisch, welches ein Temperament ist, das
abenteuerliche Dinge herfür bringt, indem
Wollust
und
Geldgeitz zwey
Neigungen sind, die einander
gantz entgegen. Es sind daher die Italiäner sehr
rachgierig, und wenn sie auf einen andern einen
Haß geworffen, gehen sie gleich auf
Leib und
Leben, und pflantzen selbigen auf etliche Familien
fort. Bey ihrer Wollust sind sie im höchsten Grad
venerisch, und begehen darbey die
allerschrecklichsten
Sünden. |
|
|
Solchen Unterscheid der Nationen an ihrem
Naturell pflegt man aus natürlichen so wohl als
moralischen
Ursachen herzuleiten. |
|
|
Die natürliche Ursache sey die
Luft, von der die
Beschaffenheit und
Bewegung des Geblüts; von
dieser aber die Disposition der
Seelen in ihren
Würckungen
dependire, welche Ursach in so weit
ihrer Richtigkeit hat, daß so bald ein
Kind gebohren,
durch die Beschaffenheit der Luft an demjenigen
Ort, wo sichs eine Zeitlang befindet, dessen Leib zu
einer solchen Constitution kommen kan, daß sie
bey ihm natürlich wird, die denn wieder Anlaß giebt,
daß sich die natürlichen
Kräffte der Seelen bald auf
diese, bald auf jene Art äussern. Auf solche Weise
sey eine allzu kalte und allzu warme Lufft den
Ingeniis
schädlich, daß wie jene langsame und
dumme Köpfe verursache; |
|
|
{Sp. 1251|S. 643} |
|
|
also würden hingegen von dieser die Ingenia
gar zu feurig und geriethen auf
Phantasien. |
|
|
Doch ist dieses allein nicht hinlänglich. Denn es
ist bekannt, wie die
Juden in alle Länder zerstreuet,
an gantz unterschiedenen Orten gebohren,
auferzogen worden, und ihre Lebens-Zeit
zubringen, gleichwohl aber dieses Volck sonderlich
an Sitten was
eigenes an sich hat, dadurch sichs
von andern mercklich
unterscheidet, weswegen
wohl hier die Art der Auferziehung, die aber eine
moralische Ursach ist, viel beyträgt. Befinden sich
welche, die in Deutschland gebohren und
auferzogen worden, eine ziemliche Zeit in
Franckreich, so können sie sich wenigstens an die
Frantzösischen Sitten dergestalt
gewöhnen, daß ein
Unbekannter von ihnen wohl schweren solte, sie
wären gebohrne Frantzosen. |
|
|
Ubrigens ist diese Betrachtung von dem
unterschiedenen Naturell der Völcker nicht ohne
Nutzen. Denn kennen wir ihre Ingenia, so giebt uns
dieses ein grosses
Licht in der gelehrten Historie,
wenn wir von ihrer Gelehrsamkeit und Schrifften
urtheilen sollen; Die Wissenschafft aber ihrer Sitten
und Gemüths-Arten hat ins besondere einen
zweyfachen Nutzen. |
|
|
Der eine ist Usus
politicus, daß wenn wir
wissen, was die Völcker vor Sitten an sich haben,
so können wir uns desto
klüger und behutsamer
aufführen, wenn wir mit ihnen
umgehen und etwas
vornehmen sollen; der andere ist Usus ethicus. daß
man bey der Erkänntniß der Fehler, welche dieser
oder jener Nation anhängen, dahin bemühet ist,
selbigen zu wiederstehen, und sich also z.E. vor der
Deutschen Trunckenheit, Frantzösischen
Leichtsinnigkeit, Spanischen Stoltz, Italiänischen
Rachgierigkeit und Geilheit zu hüten. |
|
|
Eben dieses bestätiget Paulus, wenn er dem
Titus einen
Unterricht geben will, wie er sich gegen
die Cretenser zu verhalten habe, so beschreibet er
Cap. I, 12 ihre Sitten, und führt aus einem ihrer
Poeten an, daß sie immer Lügner, böse Thiere und
faule Bäuche wären. |
Ausser dem schon angeführten Barclajus lese
man noch nach
- Scipio Claramontius, de conject. cujusque
moribus …
- Johann Bodinus in methodo historiar. …
- Hanens Commentarius de ingeniis gentium
Borealium philosophicis in dessen Tentamin.
philosophiae eclecticae,
- Walchs Gedancken vom
Philosophischen Naturell,
- Besoldus
in discursu de
natura populorum,
- Heumann in actis philosophor. …
welcher die Ingenia der Völcker, sonderlich in
Ansehung der Philosophie, beurtheilet.
|
|
|
|