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Zedler: Ehestand [2] HIS-Data
5028-8-360-2-02
Titel: Ehestand [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 8 Sp. 367
Jahr: 1734
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 8 S.199
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Hinweise:

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Übersicht
Erfordernisse der Klugheit
  Vorzug gegenüber dem ledigen Stand?
  General-Regeln bei Heirat
 
  Alter und Leibeskräfte
  Auswahl der Frau
 
  Schönheit
  Witwe oder Jungfer?
  Haus-Wesen
  Gemüts-Neigungen
  Regeln in der Ehe
Literatur

Stichworte Text   Quellenangaben
Erfordernisse der Klugheit Dieses mag nun gnung von demjenigen seyn, was die Gerechtigkeit bey dem Ehestande gebietet, nunmehro wollen wir auch dasjenige, was die Klugheit bey dem Ehestande erfordert, ausführlicher erwegen.  
Vorzug gegenüber dem ledigen Stand? Die erste Frage die hierbey vorfällt, ist überhaupt diese: ob der Ehestand dem ledigen Stande vorzuziehen sey? In abstracto kan man hiervon nichts gewisses bestimmen; In concreto muß man hingegen die besondern Umstände betrachten. Daß der Ehestand ebenso viel Unbequemlichkeiten als Bequemlichkeiten bey sich führe, lernen wir aus einem Tractat, welcher anno 1683. zu Paris unter nachfolgenden Titel: Du bonheur et du mal-heur du Mariage par Sr. de Mainuile heraus gekommen.  
General-Regeln bei Heirat Hat man sich aber vorgesetzt zu heyrathen, so sind diese General-Regeln dabey zu beobachten.  
Alter und Leibeskräfte Man muß bey dem Ehestande den Haupt-Zweck, nemlich die Erzeugung der Kinder und die mit derselben verknüpffte Anrichtung eines Haus-Wesens vor Augen haben. In dieser Betrachtung muß man sein Alter und seine Leibes-Kräffte in genaue Erwegung ziehen. Nach diesem muß man dasjenige Subjectum wählen, welches man heyrathen will. Bey hohen Alter und schwacher Leibes-Constitution eine frische und muntere Weibs-Person zu seiner Ehegattin  
  {Sp. 370}  
  zu erwählen, ist theils unserem Cörper, theils unserer Ehre gefährlich. Die Lehre von der Leistung der ehelichen Pflicht wird gemeiniglich allzuhoch gespannt, und die verkehrte Welt ist in diesem Falle allzudienstfertig, die Stelle eines andern zu vertreten.  
  Ein solcher Ehe-Mann findet sich meistentheils genöthiget aus zweyen grossen Ubeln das eine zu erwählen, er muß entweder zu frühzeitig ins Grab, oder zu Erhaltung seines Lebens eine Crone aufsetzen. Doch sind diese Umstände nur gefährlich und nicht nothwendig, indem die Tugend einer Ehegattin allen diesen zu vor kommen kan. Da aber die Welt meistentheils verkehrt ist, so ist es besser, sich bey Zeiten vorzusehen, als herrnachmals durch ein allzugrosses Vertrauen auf des andern seine Tugenden sich in Noth zu stürtzen.  
Auswahl der Frau Hierbey kan die Frage erörtert werden: Ob es besser sey, eine schöne oder eine heßliche Frau zu heyrathen? Ferner: Ob man sich lieber eine Jungfer oder eine Witbe zu seiner Frau erwehlen müsse?  
Schönheit Was das erste anbelanget, ist es gewiß, daß die Schönheit vielen hinterlistigen Nachstellungen unterworffen ist. Nächst diesem ist sie vergänglich, und ist es allbereit zum Sprichworte worden, daß in einer Nacht aus einer Rahel könnte eine Lea werden. Je mehrere Schönheit also unsre Braut besitzet, je behutsamer müssen wir seyn. Doch da die Schönheit gleichfalls unter die Güter dieses Lebens gehöret, so ist sie so gäntzlich nicht zu verwerffen, sondern es sind die gehörigen Einschrenckungen dabey zu beobachten.  
  Wer eine schöne Frau haben will, der muß sich bemühen, eine solche zu finden, deren tugendhaftes Gemüthe dem wohlgebauten Leibe ähnlich ist. Nächst diesem muß er gleichfalls suchen sich in die Gunst einer solchen Person zu setzen. Wie schwach die Tugend derer Menschen überhaupt und insonderheit derer Weiber ist, weiß jedermann, bey einer schönen Frau wird die Tugend immer bestritten. Da nun die menschlichen Neigungen, wenn sie auf einen guten Endzweck geneigt werden, nichts böses, sondern vielmehr was gutes sind: so ist es wohl gethan, wenn man eine solche Neigung zu Bevestigung der Tugend zu erregen sucht. Ein solcher Affect ist vermögend allen listigen Nachstellungen zu widerstehen. Wir besitzen gewiß eine schöne Frau alleine, wenn wir ihr Hertz besitzen.  
  Und endlich so muß man durch eine thörichte und ungegründete Eifersucht selber nicht Gelegenheit geben, daß man betrogen werde. Eine muntere und schöne Frau läst sich offtermahls nur zum Schertz mit einem andern ein, damit sie sich an der Thorheit ihres Mannes ergetzen möge. Aus einem solchen Schertze wird offtermahls Ernst, und diejenigen, welche man unbilliger Weise vor Betrüger hält, bilden sich ein, ein Recht zu haben, dasjenige zu werden, wovor sie eben sind gehalten worden.  
  Bey Beobachtung dieser Regeln ist es noch wohl möglich, eine schöne Person ohne Verletzung seiner Stirne zu heyrathen. Am allergewissesten aber ist es, eine solche Person zu heyrathen, welche uns gefället, ob sie gleich mehr erträglich als schöne zu nennen sey. Uberhaupt kan man wohl zwar Regeln von der Schönheit geben: gleichwohl aber findet man bey Betrachtung derer besondern Fälle, daß die Einbildung einen grossen Antheil bey derselben hat. Einem ieden ist das schöne, was ihm gefällt; Und zu dem Gefallen gehöret eine besondere Beschaffenheit derer Personen, welche man überhaupt zu bestimmen nicht vermögend ist.  
  {Sp. 371|S. 201}  
  Also kan uns eine mittelmäßige, aber dabey gefällige Person, eben ein so grosses Vergnügen geben, als wie diejenigen, welche sonst einen allgemeinen Beyfall erhält. Solche Personen müssen wir uns erwählen, und sie andern, welche, weil sie uns nicht gefallen, uns heßlich und zuwider werden, vorziehen. Was es aber vor eine Last sey, mit einer heßlichen Person seine Lebens-Zeit zuzubringen, bedarf keines grossen Beweises.  
Witwe oder Jungfer? Was die andere Frage anbelanget: Ob die Witben denen Jungfern oder diese jenen vorzuziehen sind? muß mit einem Unterschiede beantwortet werden. Denen Jungfern zugefallen hat Heinreich Kornmann seyn Buch de Virginitate geschrieben. In denen Gedichten des Vincentii Fabricii, gewesenen Bürgermeisters zu Dantzig, stehen zwey Carmina, in dem einen, welches er selbst Johann Friedrich Gronoven zugeschrieben, wird behauptet, daß eine Jungfer besser als eine Witbe zu heyrathen sey, das andere aber, welches Zacharias Lundius verfertiget, und dem Cornelio Grotio zugeeignet, zeiget, daß die Witben denen Jungfern vorzuziehen wären. Von dem letzten findet man in denen auserlesenen Anmerckungen eine Poetische Übersetzung.  
  Überhaupt kan man nichts gewisses sagen, denn in dem einen Falle kan eine Witbe, in dem andern eine Jungfer nach Betrachtung derer besondern Vortheile, die man bey denen Personen findet, vorzuziehen seyn. Sind aber die Umstände bey einer Witbe und Jungfer gleich, und man soll sich nunmehro eine von beyden zu erwählen entschlüssen: so gebühret hierbey der Jungfer das Vorrecht. Wir wollen keinesweges die Einbildung derer Wollüstigen, als einen Grund der Entscheidung, anführen. Woraus sich einer das gröste Vergnügen auf der Welt macht, daß wird den andern zur Last, und überhaupt darff eine eitle Wollust bey einer klugen Wahl keinen Bewegungs-Grund abgegeben.  
  Unsere Gründe sind vielmehr diese: wer die Heimlichkeiten des Ehestandes nur in etwas kennt, der wird uns gar leichte zugeben, wie viel der Satz: Ignoti nulla cupido, zu der Zufriedenheit der Ehe-Leute beytrage. Dieses ist auch der eintzige und wahrhaffte Grund, warum man von einer Braut die Unschuld mit Rechte fordern könne, nur schade, daß sich die Manns-Personen nicht eben dasjenige vor ihre Pflicht ansehen, welche sie doch mit so vieler Strenge von andern erfordern. Da nun die Unschuld einen so grossen Werth in dem Ehestande hat, die selber aber entweder wahrhafftig oder doch vermuthlich anzutreffen ist, von denen Witben aber gantz gewiß das Gegentheil muß gesagt werden; so erhellet hieraus, warum wir denen Jungfern den Vorzug zuschreiben.  
  Nächst diesem so haben sich die Jungfern noch an keine Sitten in dem Ehestande gewöhnet. Es stehet also noch bey uns, was wir denenselben vor Regeln vorschreiben wollen. Weil es nun leichter und besser ist einem etwas anzugewöhnen, als abzugewöhnen, die Witben aber sich allbereit an eine gewisse Art gewöhnet haben: so erhellet abermahl hieraus der Vorzug, welchen wir denen Jungfern zueignen.  
Haus-Wesen Da das Haus-Wesen mit dem Ehestande nach der Einrichtung unsers gemeinen Wesens verknüpfft ist: so hat man gleichfalls hierauf bey Erwählung einer Ehegattin zu sehen. Der Ehestand kan unter die Mittel ein Vermögen zu erwerben gezählet werden. Dieses kan auf viererley Art und Weise geschehen: Eine Frau bringet uns entwe-  
  {Sp. 372}  
  der ein schon erworbenes Vermögen ein, oder hat viel Anverwandte, welche uns etwas zu erwerben Gelegenheit geben können, oder ist selber geschickt in unserer Handthierung etwas beyzutragen, oder sie ist endlich eine gute Wirthin.  
  Keines unter allen ist so wichtig als das letztere: Denn das ist die gröste Hülffe, welche eine Frau einem Manne erweisen kan, wenn sie dem Haus-Wesen wohl vorstehet. Die Männer sind wegen ihrer Stärcke zu denen öffentlichen Geschäfften und weit hinausgehenden Dingen geschickter als die Weiber. Der letztern ihre gröste Tugend ist die Eingezogenheit, und von denen Alten können wir lernen, daß dieses eine Tugend derer Weiber gewesen ist.  
  Es ist also die gröste Pflicht einer Frauen in demjenigen, wozu sie gebohren, und woran der Mann durch andere Geschäffte verhindert wird, ihre Geschicklichkeit zu bezeigen. Ein gutes Vermögen, welches eine Frau mitbringt, ist zwar etwas, wodurch sich die meisten betrügen lassen. Weiß aber die Frau nicht die Kunst, ihr Vermögen zu erhalten, so ist solches auf allen Seiten mit Unglück verknüpfft. Entweder die Frau und Mann sind von einerley Gemüths-Art, oder sie sind von einander unterschieden. Ist das erste, so verflüsset ihr grosses Vermögen in kurtzer Zeit, und beyde Theile bestreben sich, mit Freuden arm zu werden. Ist aber das letztere, so wird man eine stete Uneinigkeit unter dem Mann und Weibe spühren. Ist es also besser bey solchen Umständen gar kein Vermögen zu haben, als nur selbiges mit seinem Schaden oder mit dem allergrösten Verdruß zu genüssen.  
  Weil aber die Wirthschafft unter die Arten der Klugheit gehöret, und die Wirthschafft gleichwohl ein so nöthiges Stück an einem Weibe ist, so erfordern wir von einer Ehegattin so wohl eine gute Erfahrung in Haushaltungs-Sachen, als eine vernünfftige Einsicht alle Dinge klug einzurichten.  
  Soll ein Haus-Wesen wohl bestehen, so müssen die Häupter derselben einig und die besten Freunde seyn. Der Ehestand ist also eine derer allergenauesten Freundschafften, welche in der Welt angetroffen werden. Da nun bekannt, daß nur eine wahren Vernunfft gute Freundschafft stifftet, und daß nicht alle Gemüther wegen ihrer verschiedenen und gantz widerwärtigen Neigungen geschickt seyn, gerne und willig eine feste und vertraute Freundschafft unter einander zu stifften: so hat man gleichfalls auf dieses bey einer Ehegattin Achtung zu geben.  
  Man muß Vernunfft suchen: worunter wir aber keinesweges Gelehrsamkeit und hohe Wissenschafften verstehen. Ein verbesserter Verstand verdienet noch nicht den Nahmen eines gelehrten Verstandes, in wie ferne wir das Wort der Gelehrsamkeit vor eine grosse und weitläufftige Wissenschafft nehmen. Die gelehrten Weiber gehen aus ihrem Circel heraus, und mischen sich in diejenigen Dinge, welche vor die Männer gehören, deßwegen sind sie mehr vor Männer zu achten, und also nicht fähig zu denenjenigen Dingen, wozu man sonst kluge Weiber im Ehestande zu gebrauchen pflegt.  
Gemüts-Neigungen Die Gemüths-Neigungen unsrer Frauen muß der unsrigen nicht zuwider sey. Wir müssen die gröste Vertraulichkeit mit derselben eingehen, und deswegen müssen beyde Theile willig und ohne Zwang suchen einander gefällig zu werden.  
  Dieses sind die Regeln, welche man bey Erwählung einer Braut zu gebrauchen hat.  
  In dem Ehestande sel-  
  {Sp. 373|S. 202}  
Regeln in der Ehe ber darff man nur die Pflichten einer genauen Freundschafft, welche die Gerechtigkeit erfordert, und die dabey gehörige Klugheit beobachten. Ob man sich zu einer andern Heyrath, wenn man allbereit von der ersten Ehe Kinder hat, entschlüssen soll, ist keinesweges durch General-Regeln zu bestimmen.  
  Was man von dem gemeinen Hasse derer Stieff-Eltern und Stieff-Kindern vorgiebet, ist noch nicht so gantz und gar gemein, daß sich nicht Zufälle finden solten, wo dasselbe nicht zutrifft.  
  Hernachmahls so muß einer wohl überlegen, inwieweit sein Hauß-Wesen durch eine Frau verbessert werde, da denn öffters ein kleineres Ubel zu Vermeidung eines grössern muß ertragen werden.  
  Ungeachtet diese Regeln, welche wir gegeben haben, uns einen glücklichen Ausgang in der Ehe versprechen können, weil es aber wahr ist, quandoque facere desperationem maritos, so leiden dieselben freylich in gewissen Fällen ihren Abfall. Allein ein solcher Mensch hat, wenn es gut gehet, solches bloß alleine dem Glücke zu dancken. So lange wir noch können nach eigener Vorsicht leben, so müssen wir selbiges nicht aus den Augen setzen, da ohne dem unsrer Klugheit enge Schrancken gesetzet sind, und wir das meiste dem Glück überlassen müssen.
  • Thomasius im Entwurffe der politischen Klugheit …
  • Heumann im politischen Philosopho 4.
  • Rohr in der Einleitung der Klugheit zu leben 14.
  • Müller in der Politic …
Literatur   Alles bishero gesagte ist sehr gut in folgender Schrifft abgehandelt: Der rechte Gebrauch und Mißbrauch des Ehe-Bettes, worinnen der heilige Ursprung des Ehestandes und die wahrhaffte Anweisung dessen End-Zwecks, der grosse Mißbrauch der ehelichen Keuschheit, von dem üblen Känntniß, so die Welt davon hat, der teuflische Gebrauch, die Erzeugung derer Kinder durch Physicalische Mittel zu verhindern, und die fernern Folgerungen heimlicher oder gezwungener und ungleicher Heyrathen von Alter und Stand, und endlich, wie verheyrathete Personen sich in dem Ehestande mit ihren eigenen Weibern versündigen können. Welche Schrifft aus dem Englischen übersetzt zu Leipzig 1734. in 8. herausgekommen.
     

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Stand: 3. Januar 2023 © Hans-Walter Pries