Stichworte |
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Quellenangaben |
Erfordernisse der Klugheit |
Dieses mag nun gnung von demjenigen seyn, was die
Gerechtigkeit bey dem
Ehestande gebietet, nunmehro
wollen wir auch dasjenige, was die
Klugheit bey dem
Ehestande erfordert, ausführlicher
erwegen. |
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Vorzug gegenüber dem ledigen Stand? |
Die erste
Frage die hierbey vorfällt, ist überhaupt diese: ob der Ehestand
dem ledigen Stande vorzuziehen sey? In abstracto kan man hiervon nichts
gewisses bestimmen; In concreto
muß man hingegen die besondern
Umstände
betrachten. Daß der Ehestand ebenso viel Unbequemlichkeiten als
Bequemlichkeiten bey sich führe, lernen wir aus einem
Tractat, welcher
anno
1683. zu Paris unter nachfolgenden
Titel:
Du bonheur et du mal-heur du Mariage par Sr. de Mainuile heraus
gekommen. |
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General-Regeln bei Heirat |
Hat man sich aber vorgesetzt zu
heyrathen, so sind diese General-Regeln
dabey zu beobachten. |
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Alter und Leibeskräfte |
Man muß bey dem Ehestande den Haupt-Zweck, nemlich die Erzeugung der
Kinder
und die mit derselben
verknüpffte Anrichtung eines
Haus-Wesens vor Augen haben.
In dieser Betrachtung muß man sein
Alter und seine
Leibes-Kräffte
in genaue
Erwegung ziehen. Nach diesem muß man dasjenige Subjectum
wählen, welches man heyrathen
will. Bey hohen Alter und schwacher Leibes-Constitution
eine frische und muntere
Weibs-Person
zu seiner Ehegattin |
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{Sp. 370} |
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zu
erwählen, ist theils unserem Cörper,
theils unserer Ehre
gefährlich. Die Lehre von der Leistung der ehelichen Pflicht wird gemeiniglich
allzuhoch gespannt, und die verkehrte
Welt
ist in diesem Falle allzudienstfertig, die Stelle eines andern zu vertreten. |
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Ein solcher Ehe-Mann findet sich meistentheils genöthiget aus zweyen grossen
Ubeln das eine zu erwählen, er muß entweder zu frühzeitig ins Grab, oder zu
Erhaltung seines
Lebens
eine Crone aufsetzen. Doch sind diese
Umstände nur gefährlich und nicht
nothwendig, indem die
Tugend einer Ehegattin allen diesen zu vor kommen kan. Da
aber die
Welt
meistentheils verkehrt ist, so ist es besser, sich bey Zeiten vorzusehen, als
herrnachmals durch ein allzugrosses Vertrauen auf des andern seine Tugenden sich
in
Noth zu stürtzen. |
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Auswahl der Frau |
Hierbey kan die
Frage erörtert werden: Ob es besser sey, eine schöne oder
eine heßliche
Frau
zu heyrathen? Ferner: Ob man sich lieber eine
Jungfer oder eine
Witbe zu seiner
Frau
erwehlen
müsse? |
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Schönheit |
Was das erste anbelanget, ist es gewiß, daß die Schönheit vielen
hinterlistigen Nachstellungen unterworffen ist. Nächst diesem ist sie
vergänglich, und ist es allbereit zum Sprichworte worden, daß in einer
Nacht aus
einer Rahel könnte eine Lea werden. Je mehrere Schönheit also unsre
Braut
besitzet, je behutsamer müssen wir seyn. Doch da die Schönheit gleichfalls unter
die
Güter
dieses
Lebens
gehöret, so ist sie so gäntzlich nicht zu verwerffen, sondern es sind die
gehörigen Einschrenckungen dabey zu beobachten. |
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Wer eine schöne
Frau
haben
will,
der muß sich bemühen, eine solche zu finden, deren
tugendhaftes
Gemüthe dem wohlgebauten
Leibe
ähnlich ist. Nächst diesem muß er gleichfalls suchen sich in die
Gunst einer
solchen Person
zu setzen. Wie schwach die Tugend derer
Menschen
überhaupt und insonderheit derer
Weiber
ist,
weiß jedermann, bey einer schönen Frau wird die Tugend immer bestritten. Da
nun die menschlichen
Neigungen,
wenn sie auf einen
guten
Endzweck
geneigt werden, nichts
böses, sondern vielmehr was gutes sind: so ist es wohl
gethan, wenn man eine solche Neigung zu Bevestigung der Tugend zu erregen sucht.
Ein solcher Affect ist vermögend allen listigen Nachstellungen zu widerstehen.
Wir besitzen gewiß eine schöne Frau alleine, wenn wir ihr Hertz besitzen. |
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Und endlich so
muß man durch eine thörichte und ungegründete Eifersucht
selber nicht
Gelegenheit geben, daß man betrogen werde. Eine muntere und schöne
Frau läst sich offtermahls nur zum Schertz mit einem andern ein, damit sie sich
an der Thorheit ihres
Mannes
ergetzen möge. Aus einem solchen Schertze wird offtermahls Ernst, und
diejenigen, welche man
unbilliger Weise vor Betrüger hält, bilden sich ein, ein Recht
zu haben, dasjenige zu werden, wovor sie eben sind gehalten worden. |
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Bey Beobachtung dieser
Regeln
ist es noch wohl
möglich, eine schöne
Person
ohne Verletzung seiner Stirne zu heyrathen. Am allergewissesten aber ist es,
eine solche Person zu heyrathen, welche uns gefället, ob sie gleich mehr
erträglich als schöne zu
nennen sey. Uberhaupt kan man wohl zwar Regeln von der
Schönheit geben: gleichwohl aber findet man bey Betrachtung derer besondern
Fälle, daß die Einbildung einen grossen Antheil bey derselben hat. Einem ieden
ist das schöne, was ihm gefällt; Und zu dem Gefallen gehöret eine besondere
Beschaffenheit derer Personen, welche man überhaupt zu bestimmen nicht vermögend
ist. |
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{Sp. 371|S. 201} |
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Also kan uns eine mittelmäßige, aber dabey gefällige Person, eben ein so
grosses Vergnügen geben, als wie diejenigen, welche sonst einen allgemeinen
Beyfall erhält. Solche Personen müssen wir uns erwählen, und sie andern, welche,
weil sie uns nicht gefallen, uns heßlich und zuwider werden, vorziehen. Was es
aber vor eine Last sey, mit einer heßlichen Person seine Lebens-Zeit
zuzubringen, bedarf keines grossen
Beweises. |
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Witwe oder Jungfer? |
Was die andere
Frage anbelanget: Ob die
Witben denen
Jungfern oder diese
jenen vorzuziehen sind? muß mit einem
Unterschiede beantwortet werden. Denen
Jungfern zugefallen hat Heinreich Kornmann seyn
Buch
de Virginitate
geschrieben. In denen Gedichten des
Vincentii Fabricii, gewesenen
Bürgermeisters zu
Dantzig, stehen zwey Carmina, in dem einen, welches er selbst Johann
Friedrich Gronoven zugeschrieben, wird behauptet, daß eine
Jungfer besser als
eine Witbe zu
heyrathen sey, das andere aber, welches
Zacharias Lundius verfertiget, und dem Cornelio Grotio
zugeeignet, zeiget, daß die Witben denen Jungfern vorzuziehen wären. Von dem
letzten findet man in denen auserlesenen Anmerckungen eine
Poetische Übersetzung. |
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Überhaupt kan man nichts
gewisses
sagen, denn in dem einen Falle kan eine
Witbe, in dem andern eine
Jungfer nach Betrachtung derer besondern
Vortheile,
die man bey denen
Personen
findet, vorzuziehen seyn. Sind aber die
Umstände bey einer Witbe und Jungfer
gleich, und man
soll sich nunmehro eine von beyden zu erwählen entschlüssen: so
gebühret hierbey der Jungfer das Vorrecht. Wir wollen keinesweges die
Einbildung
derer
Wollüstigen, als einen
Grund
der Entscheidung, anführen. Woraus sich einer das gröste Vergnügen auf der
Welt
macht, daß wird den andern zur Last, und überhaupt darff eine eitle Wollust bey
einer
klugen
Wahl keinen
Bewegungs-Grund abgegeben. |
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Unsere
Gründe
sind vielmehr diese: wer die Heimlichkeiten des Ehestandes nur in etwas kennt,
der wird uns gar leichte zugeben, wie viel der
Satz: Ignoti nulla cupido,
zu der
Zufriedenheit der Ehe-Leute beytrage. Dieses ist auch der eintzige
und wahrhaffte Grund, warum man von einer
Braut die Unschuld mit
Rechte
fordern könne, nur schade, daß sich die
Manns-Personen
nicht eben dasjenige vor ihre
Pflicht
ansehen, welche sie doch mit so vieler Strenge von andern erfordern. Da nun die
Unschuld einen so grossen Werth in dem Ehestande hat, die selber aber entweder wahrhafftig oder doch
vermuthlich anzutreffen ist, von denen
Witben aber
gantz
gewiß das Gegentheil
muß gesagt werden; so erhellet hieraus, warum wir denen
Jungfern den
Vorzug
zuschreiben. |
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Nächst diesem so haben sich die Jungfern noch an keine
Sitten in dem
Ehestande
gewöhnet. Es stehet also noch bey uns, was wir denenselben vor
Regeln
vorschreiben
wollen. Weil es nun leichter und besser ist einem etwas
anzugewöhnen, als abzugewöhnen, die
Witben aber sich allbereit an eine
gewisse
Art gewöhnet haben: so erhellet abermahl hieraus der
Vorzug,
welchen wir denen Jungfern zueignen. |
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Haus-Wesen |
Da das
Haus-Wesen mit dem Ehestande nach der Einrichtung unsers
gemeinen Wesens
verknüpfft ist: so hat man gleichfalls hierauf bey Erwählung einer Ehegattin zu
sehen. Der Ehestand kan unter die
Mittel ein
Vermögen zu erwerben
gezählet werden. Dieses kan auf
viererley Art und Weise geschehen: Eine Frau bringet uns entwe- |
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{Sp. 372} |
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der ein schon erworbenes Vermögen ein, oder hat viel Anverwandte, welche uns
etwas zu erwerben
Gelegenheit geben können, oder ist selber
geschickt in unserer
Handthierung etwas beyzutragen, oder sie ist endlich eine
gute Wirthin. |
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Keines unter allen ist so wichtig als das letztere: Denn das ist die gröste
Hülffe, welche eine
Frau
einem Manne
erweisen kan, wenn sie dem Haus-Wesen wohl vorstehet. Die Männer sind wegen
ihrer Stärcke zu denen öffentlichen Geschäfften und weit hinausgehenden
Dingen
geschickter als die
Weiber.
Der letztern ihre gröste
Tugend ist die Eingezogenheit, und von denen
Alten
können wir lernen, daß dieses eine Tugend derer Weiber gewesen ist. |
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Es ist also die gröste
Pflicht
einer
Frauen
in demjenigen, wozu sie
gebohren, und woran der
Mann durch
andere
Geschäffte verhindert wird, ihre
Geschicklichkeit zu bezeigen. Ein gutes
Vermögen, welches eine Frau mitbringt, ist zwar etwas,
wodurch sich die meisten betrügen lassen. Weiß aber die Frau nicht die
Kunst,
ihr Vermögen zu erhalten, so ist solches auf allen Seiten mit
Unglück
verknüpfft. Entweder die Frau und Mann sind von einerley
Gemüths-Art, oder sie
sind von einander
unterschieden. Ist das erste, so verflüsset ihr grosses
Vermögen in kurtzer
Zeit, und beyde
Theile bestreben sich, mit Freuden
arm zu
werden. Ist aber das letztere, so wird man eine stete Uneinigkeit unter dem Mann
und Weibe spühren. Ist es also besser bey solchen
Umständen gar kein
Vermögen zu haben, als nur selbiges mit seinem
Schaden oder mit
dem allergrösten Verdruß zu genüssen. |
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Weil aber die
Wirthschafft unter die
Arten
der
Klugheit
gehöret, und die Wirthschafft gleichwohl ein so
nöthiges Stück an einem
Weibe
ist, so erfordern wir von einer Ehegattin so wohl eine gute
Erfahrung
in
Haushaltungs-Sachen, als eine
vernünfftige Einsicht alle
Dinge klug
einzurichten. |
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Soll ein Haus-Wesen wohl bestehen, so
müssen die Häupter derselben einig und
die besten Freunde seyn. Der Ehestand ist also eine derer allergenauesten
Freundschafften, welche in der
Welt
angetroffen werden. Da nun bekannt, daß nur eine
wahren
Vernunfft gute Freundschafft stifftet, und daß nicht alle
Gemüther wegen ihrer
verschiedenen
und
gantz
widerwärtigen
Neigungen
geschickt seyn, gerne und willig eine feste und vertraute
Freundschafft unter einander zu stifften: so hat man gleichfalls auf dieses bey
einer Ehegattin Achtung zu geben. |
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Man muß
Vernunfft suchen: worunter wir aber keinesweges
Gelehrsamkeit
und hohe
Wissenschafften
verstehen.
Ein
verbesserter
Verstand
verdienet noch nicht den
Nahmen
eines gelehrten Verstandes, in wie ferne wir das
Wort
der Gelehrsamkeit vor eine grosse und weitläufftige
Wissenschafft nehmen. Die gelehrten Weiber gehen aus ihrem
Circel heraus, und mischen sich in diejenigen
Dinge,
welche vor die
Männer
gehören, deßwegen sind sie mehr vor Männer zu achten, und also nicht fähig zu
denenjenigen Dingen, wozu man sonst kluge
Weiber
im Ehestande zu
gebrauchen pflegt. |
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Gemüts-Neigungen |
Die
Gemüths-Neigungen unsrer
Frauen
muß der unsrigen nicht zuwider sey. Wir müssen die gröste Vertraulichkeit mit
derselben eingehen, und deswegen müssen beyde
Theile willig und ohne Zwang
suchen einander gefällig zu werden. |
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Dieses sind die
Regeln,
welche man bey Erwählung einer
Braut zu gebrauchen hat. |
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In dem Ehestande sel- |
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{Sp. 373|S. 202} |
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Regeln in der Ehe |
ber darff man nur die
Pflichten
einer genauen Freundschafft, welche die
Gerechtigkeit erfordert, und die dabey
gehörige
Klugheit
beobachten. Ob man sich zu einer andern
Heyrath, wenn man allbereit von der
ersten Ehe
Kinder hat, entschlüssen
soll, ist keinesweges durch General-Regeln
zu bestimmen. |
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Was man von dem gemeinen Hasse derer Stieff-Eltern und Stieff-Kindern
vorgiebet, ist noch nicht so gantz und gar gemein, daß sich nicht Zufälle finden
solten, wo dasselbe nicht zutrifft. |
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Hernachmahls so muß einer wohl überlegen, inwieweit sein Hauß-Wesen durch
eine
Frau
verbessert werde, da denn öffters ein kleineres
Ubel zu Vermeidung eines
grössern muß ertragen werden. |
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Ungeachtet diese
Regeln,
welche wir gegeben haben, uns einen
glücklichen Ausgang in der Ehe versprechen
können, weil es aber
wahr ist, quandoque facere desperationem maritos,
so leiden dieselben freylich in
gewissen Fällen ihren Abfall. Allein ein solcher Mensch
hat, wenn es gut gehet, solches bloß alleine dem Glücke zu dancken. So lange wir
noch können nach
eigener Vorsicht
leben, so müssen wir selbiges nicht aus den
Augen setzen, da ohne dem unsrer
Klugheit
enge
Schrancken gesetzet sind, und wir das meiste dem Glück überlassen müssen. |
- Thomasius im Entwurffe der
politischen Klugheit …
- Heumann im politischen Philosopho 4.
- Rohr in der Einleitung der Klugheit zu leben 14.
- Müller in der Politic …
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Literatur |
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Alles bishero gesagte ist sehr gut in folgender
Schrifft
abgehandelt: Der rechte Gebrauch und Mißbrauch des Ehe-Bettes, worinnen
der heilige Ursprung des Ehestandes und die wahrhaffte Anweisung dessen
End-Zwecks, der grosse Mißbrauch der ehelichen Keuschheit, von dem üblen
Känntniß, so die Welt davon hat, der teuflische Gebrauch, die Erzeugung derer
Kinder durch Physicalische Mittel zu verhindern, und die fernern Folgerungen
heimlicher oder gezwungener und ungleicher Heyrathen von Alter und Stand, und
endlich, wie verheyrathete Personen sich in dem Ehestande mit ihren eigenen
Weibern versündigen können. Welche Schrifft aus dem Englischen
übersetzt zu
Leipzig 1734.
in 8. herausgekommen. |
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