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Quellenangaben
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Disputir-Kunst, ist eine Analytische
Untersuchung, welche von 2
Personen, davon der
eine einen
Satz bejahet, der andere denselben
verneinet, angestellet wird, so daß derjenige,
welcher der Obponente heist, dem andern,
welcher der Respondens
genennet wird, seinen
Wiederspruch und dessen
Gründe zur
Beantwortung, und da es
nöthig, zu fernerer
beyderseitiger Erörterung, vorleget, hierdurch von
beyden Seiten
Gelegenheit zu geben einen
Irrthum oder
Zweiffel abzulegen. |
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Beschreibung |
Aus dieser Beschreibung erhellet zur Gnüge,
daß nicht alles dasjenige, was wir
disputiren
nennen, diesen
Namen
verdiene. Es ist der
gemeine
Gebrauch seine
Gedancken
aufzusetzen, dieselben andern
mitzutheilen, und
solche zu
vertheidigen. An Obponenten
mangelt
es hierbey nicht: die wenigsten aber haben
hierbey den Vorsatz die
Wahrheit zu
untersuchen;
indem die meisten,
Theils um denen
Disputirenden ihre Gewogenheit zu zeigen, Theils
ihre Stärcke und die Schwäche des
Respondenten sehen zu lassen, erscheinen. |
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Der Neben-Endzweck sich zu
üben, und
einen Versuch seiner
Gelehrsamkeit an den
Tag
zu legen, ist nunmehro zum Haupt-Zwecke
geworden, und man ist allbereit
gewohnet, sich
von denen wenigsten öffentlichen Streitigkeiten
eine ernsthaffte
Untersuchung der
Wahrheit zu
versprechen. Der Mißbrauch kan aber
keinesweges den rechten
Gebrauch des
Disputirens aufheben, und dieser hat auf dreyerley
Art Statt: Man pfleget entweder
öffentlich oder
unter guten Freunden zu disputiren, und die
öffentlichen Streitigkeiten geschehen entweder
mündlich oder schrifftlich. Die schrifftlichen sind
denen mündlichen vorzuziehen, indem erstlich in
Ansehung des
Verstandes das erste mit reiffern
und |
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{Sp. 1059|S. 555} |
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mehrern Nachsinnen geschehen kan. Eine
Rede, wobey viel unverhofftes und vorhero nicht
bedachtes vorkömmt, kan nicht so
ordentlich
eingerichtet werden, als wenn wir bey jeder Zeile
in dem Schreiben stille stehen, auch
hernachmahls ferner nachdencken, und uns bey
Gelegenheit ändern können. Viele sind auch nicht
geschickt, so geschwinde alles übersehen zu
können, als es bey dem mündlichen disputiren
nöthig ist; und mancher kan sonst von
guter
Einsicht seyn, ungeachtet er im disputiren den
kürtzern ziehen
muß. |
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Ferner werden wegen der
Zeit die
Leidenschafften des
Gemüthes bey dem
schrifftlichen
Vortrage eher, als bey dem
mündlichen gemäßiget werden. Eine aufgebrachte
Bewegung ist dem
Verstande hinderlich, und
jemehr man sich besinnen kan, je besser ist man
geschicket dieselbige zu mäßigen. |
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Denen
öffentlichen Streitigkeiten sind ausser
denen
öffentlichen wohlgerathenen Schreib-Schrifften,
denen man ihr gehöriges
Lob
billig
nicht entziehen kan, überhaupt die Privat-Untersuchungen vorzuziehen. Gute Freunde
kennen einander; deßwegen scheuen sie sich
nicht ihre Blösse sehen zu lassen; sie
lieben
einander, deßwegen fällt die Eifersucht hinweg,
grösser und
vernünfftiger als der andere zu seyn.
Die Zancksüchtigkeit und andere eitele
Begierden
finden also unter ihnen keinen Platz. Nächst
diesen stehet es auch bey ihnen, den Streit unter
sich auszusetzen, wenn ein Einwurff eine mehrere
Überlegung zu erfordern, oder ein Hülffs-Mittel der
Erkenntniß
ferner beyzubringen,
nöthig zu seyn
scheinet. |
Gracians Orac. Max. 135.
ibique
Müller in der Anmerckung … |
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Regeln |
Die eigentliche Art und Weise zu
disputiren ist
unter denen
Gelehrten
verschieden gewesen.
Einige haben per Dialogos, andere per
Syllogismum disputiret, und wieder andere die Art
per Enthymemata und so weiter die Gegen-Meynung
vorzutragen einführen
wollen. Wir wollen
dieses Stücke dieser Betrachtung, welches die
Historie desselben in sich hält, bey Seite setzen,
und erstlich die
Regeln überhaupt von dem
disputiren betrachten. |
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Im Disputiren müssen das
Amt und die
Schuldigkeiten des
Respondenten und
Obponenten nicht mit einander verwirret oder
verwechselt werden. Es ist gemeiniglich eine
Ausflucht derer in die Enge getriebenen
Respondenten, daß sie an Statt auf die Einwürffe
des Obponenten zu antworten, nur ihre Theses
ferner zu
beweisen suchen. Die Absicht eines
Obponenten bey seinem Einwurff ist gar nicht
diejenige, daß er fernere
Beweißthümer von
denen
Sätzen des Respondenten haben
wolle,
sondern er
will seine Einwürffe abgeholffen
wissen. Der Respondente
thut ihm also kein
Gnüge, er
mag so lange
beweisen als er immer
will. |
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Ferner muß ein grosser
Unterschied
zwischen dem Disputiren und Zancken seyn. Der
Zanck ist eine hefftige Collision derer
Adfecten;
wo kan aber bey zwey sich widerstreitenden
Gemüths-Bewegungen eine
vernünfftige
Untersuchung Platz haben? Man hat hierbey auf
dreyerley
Arten von Leuten zu sehen, welche an
Statt ein ernsthafftes Gespräch hervorzubringen,
nichts als unnützes und zur Verbitterung
dienendes Zeug zu
reden pflegen. Es sind
dieselben entweder Pedanten, oder Sophisten,
oder Phantasten. |
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Die erstern halten sich mit unnützen Grillen
auf. Ihre Helden-Thaten bestehen in
Wort-Gezäncken, worüber sie die
Sachen selbst
versäumen. Sie bleiben bey ihrer |
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{Sp. 1060} |
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einmahl angenommenen und durch einen auf
das Ansehen fast unzehliger und bey ihnen
angesehener
Männer sich
gründenden
Gebrauch
bestätigten
Meynung so feste, daß sie lieber alle
Wahrheit, als diese
verliehren
wollen. Mit diesen
ist es am besten gar nichts zu
thun zu haben,
sondern sich vielmehr, da sie sich nicht wollen
helffen lassen, in ihren verstockten
Sinn dahin zu
geben, ohne sich durch ihre Anrührung die Hände
zu besudeln. |
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Die andern sind die Sophisten, die suchen
durch allerhand Paralogismos unsere Meynung
über den Hauffen zu werffen. Gemeiniglich haben
sie eine falsche Absicht, sie suchen nicht die
Wahrheit derer
Sätze, sondern vielmehr durch ihre
Schein-Gründe den
Ruhm des Vertheitigers
derselben anzugreiffen. Hierbey muß man sich
wohl vorsehen, daß sie stets bey der Klinge
bleiben, und nicht abzuweichen
Gelegenheit
finden. Können wir ihre List nicht vermeiden, so
wende man alle Ernsthafftigkeit an, und beruffe
sich auf die Zuhörer. |
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Mit diesen stehen die letztern, nemlich die
Phantasten, fast in gleicher
Classe; Es sind Leute,
denen ihr lebhafftes
Ingenium Anlaß giebet, mit
vielen
Worten sehr wenig zu
reden. Mit diesen
darff man nur ernsthafft verfahren, und sich in ihre
listige und geschwinde Einfälle nicht mischen: ist
man aber
geschickt sie mit gleicher
Müntze zu
bezahlen, so ist es nach der
Klugheit erlaubt, ihre
Eitelkeit zu entdecken, und sie eher lächerlich
zumachen, als sie dazu gelangen können, uns in
einen solchen
Zustand zu setzen. |
Ridigers Phil. Pragm. … |
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Gleichfalls muß es unter denen
vernünfftigen
Gelehrten eben so
rühmlich seyn, überwunden zu
werden, als zu überwinden. Der Ruhm eines
wahrhafften Gelehrten bestehet in der
scharffsinnigen
Erkenntniß der
Wahrheit. Nun ist
derjenige ebenso scharffsinnig, der die von
andern hervorgebrachte Wahrheit leichte
einzusehen, und sich von derselben überzeugen
zu lassen
vermögend ist, als wie derjenige,
welcher die selber erfunden hat. Überwunden zu
werden, ist also keine Anzeige eines schwachen
Kopffes: derjenige viel mehr, welcher der Wahrheit
nicht
Raum geben will, ist entweder ein ungeübter
oder tummer Kopff, welcher ausser seinen
einmahl auswendig gelerneten Sätzen nichts zu
begreiffen fähig ist: oder er zeiget die Schwäche
seines
Willens, da er eine aus Hochmuth
entstehende Ehre der Erkenntniß der Wahrheit
vorziehet. |
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Diese sind die gemeinsten
Regeln von dem
Disputiren: |
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Der Obponente kan auf vielerley Art seinem
Gegner begegnen: er
thut solches entweder kat'
alētheian oder kat' anthrōpon. Das erste ist eine
Art zu
disputiren, da der Obponente sich seiner
eignen, und von ihm selbst vor
wahr gehaltenen
Principiorum zur Überführung seines Gegners
bedient. Bey dem andern nimmt der Obponente
die Principia des
Respondenten, ungeachtet er
dieselbe nicht vor wahr hält, vor wahr an, und
zeiget aus denen selben die
Unwahrheit derer
angeführten
Sätze. |
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Ferner kan der Obponente seinen Gegner
entweder a priori oder a posteriori überführen. A
priori geschicht solches: wenn der
Beweiß-Grund,
aus welchem er seinen
Satz wieder ihn behauptet,
ein Grund-Satz ist, aus welchem er denselben als
eine Folgerung herleitet. A posteriori geschicht es,
wenn der Beweiß-Grund, aus welchem er den
Satz seines Gegners wiederleget, eine aus
solchem Satz richtig entsprungene Folgerung,
aber auch |
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{Sp. 1061|S. 556} |
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zugleich eine offenbare
Unwahrheit ist, so
daß er aus der Unwahrheit der Folgerung auf die
Unwahrheit des Satzes selbst
schlüsset. Welches
letztere denn Deductio ad absurdum, ad
impossibile, ad incommodum
genennet wird. |
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Der fernere Proceß des
Respondenten und
Obponenten bey dem Disputiren ist
nachfolgender. |
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Obponiren ist nichts anders, als dem Satze
des Respondenten mit
Grunde wiedersprechen,
und solchen
Wiederspruch, und dessen Grund
ihm zur Beantwortung und Ablehnung vorlegen.
Alle Obposition ist also erstlich ein Wiederspruch.
Hierzu wird aber erfordert, daß 2 Sätze einander
wahrhafftig wiedersprechen, indem ihre termini auf
einerley Art und in einerley Betrachtung
verstanden werden. |
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Es hütet sich also ein verständiger
Obponente einen nur dem Schein nach
wiedersprechenden Satz oder Contradictionem
adparentem hervor zubringen; zu dem Ende
bemühet er sich den Satz seines Gegners, ehe er
noch wieder denselbigen obponiret, nach allen
Stücken zu
verstehen. Er ließt die
gantze
Abhandlung mit allem
Fleisse durch, und suchet in
denen Nominal-Definitionen des
Subjecti und
Praedicati mit dem Respondenten einig zu werden. Er trägt
seine
Meynung hiervon dem Gegner vor, erkundigt sich, ob er in diesem Fall
seinen
Sinn getroffen habe, hierdurch werden
die Wort-Streite vermieden, worauf die meisten
Streitigkeiten, nach vielfältigen
Gezäncke,
hinauszulauffen pflegen. Hat er die Meynung des Respondenten nach
desselben
Erklärung deutlich eingesehen, und er
ist mit derselben nicht einig, so kan er
bescheidentlich wiedersprechen. Diese
Beschäfftigung des Obponenten, die Haupt-Sache
der Streitigkeit recht zu bestimmen, wird die
Formirung des Status Controuersiae
genennet. |
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Zum andern ist es nicht genug, seinem
Gegner zu wiedersprechen, sondern es
muß
solches auch mit genugsamen
Grunde
geschehen, der Obponente muß also seine, dem
Satze des Respondenten
entgegen gesetzte Meynung
gründlich
beweisen; welches, wo man
formaliter disputiret, durch einen förmlichen
Syllogismum geschehen kan, und auch
meistentheils zu geschehen pfleget. Hierbey muß
der Obponente beobachten, daß er das
Object der
Disputation in Betrachtung ziehe, und wohl
erwege, ob eine demonstrative oder nur probable
Untersuchung Statt haben könne. Dieses muß
deßwegen geschehen, damit er bey
Wahrscheinlichkeiten einem
wahrscheinlichen
Beweiß nicht vor gantz
gewiß ausgebe, kein
apodictische Folgen zur Ungebühr von sich fodern
lasse, noch auch eine nach denen
Regeln der
Wahrscheinlichkeit ausgeführte Abhandlung des
Respondenten wegen ermangelnder apodictischer
Folge ungeschicklich verwerffen; welches letztere
gemeiniglich ein Fehler dererjenigen ist, die aus
einem unnützen Eifer allemahl auf die
Demonstration dringen. |
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Der Obponente hat sich ferner zu hüten, daß
er nicht in Beweisung seines
Satzes eine
metabasin eis allogenes begehe, das ist, daß er
seine Beweisse nicht aus einer andern Disciplin,
in welcher die Streit-Frage von dem
Respondenten nicht abgehandelt worden,
hernehme. Ingl. muß der Obponent in mündlichen
disputiren über apodictische Sätze nicht mehr auf
einmahl, als einen Beweiß in einem Syllogismo
vorbringen. Bey vielen angebrachten Beweissen
werden so wohl die
Gedancken beyder
Disputanten zerstreuet, als viele
Gelegenheit,
grosse Reden zu halten, gegeben. |
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{Sp. 1062} |
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Die schärffsten und besten Streitigkeiten sind,
wo man kurtz verfähret, und alle Gelegenheit zu
Ausschweifungen vermeidet. Ein Disputante muß
sich allemahl besinnen, daß er ein Disputante und
kein Redner sey. |
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Auf diesen
Vortrag des Obponenten muß der
Respondente, wenn er dessen ungeachtet bey
seiner
Meynung zu verharren gedencket,
gründlich antworten. Dieses geschiehet, wenn er
durch genaue Beurtheilung des Einwurffs zu
zeigen
weiß, wie dieser seinen Satz über den
Hauffen zu werffen nicht tüchtig sey. |
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Bey unsern
gewöhnlichen
öffentlichen
Disputationen ist es
gebräuchlich, daß noch eine
dritte Person, nemlich der
Praeses, hinzukömmt:
welche aber keine neue Person ist, sondern er ist
nur dem Respondenten zur Beyhülffe zugegeben,
und beyde sind in Behauptung des
Satzes vor
eine Person zu achten. Die
Pflichten des
Praesidis
sind also von denen Pflichten des Respondenten
nicht
unterschieden, sondern mit denenselben
einerley. |
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Den
Endzweck, neml. die Ablehnung des
Einwurffes zu erhalten, muß sich der Respondente nachfolgender
Mittel bedienen. |
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Was zur Wiederlegung des Einwurffes nicht
gehöret, ob es gleich im übrigen zum
Beweiß,
oder zur Erläuterung der Meynung des
Respondenten dienen kan,
muß als etwas hierher
nicht gehöriges weggelassen werden. Wer also
einen
Satz behaupten
will, muß nicht nur
denselben in das
Gedächtniß gefaßt haben,
sondern solchen als eine
Wahrheit scharffsinnig
begreiffen; er muß deßwegen zuförderst die
Definition und
Eintheilung so wohl des
Subjecti als
des
Praedicati wohl inne haben, denn diese sind
der eintzige
Grund, aus welchem so wohl die
Wahrheit, als die
Falschheit derer Sätze muß
beurtheilet werden. |
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Ist der Respondente durch dieses sattsam
vorbereitet, so kan derselbe, wenn durch förmliche
Syllogismos verfahren wird, den Statum
Controuersiae kürtzlich wiederholen, wenn etwas
dabey zu
erinnern ist, es erinnern, und hier auf
den Syllogismum adsumiren. Dieses muß
deßwegen geschehen, damit der Obponente
sehen kan, ob ihn der Gegner
verstehe oder nicht,
und dießfalls seine Erinnerung beyzubringen
vermögend sey. |
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Nach solchen kan nunmehro der
Respondente antworten. Diese Antwort kan nach
der Beschaffenheit des Einwurffes unterschiedlich
seyn. Der Respondente kan also nach genauerer
Beurtheilung befinden, daß der Einwurff nichts
wahrhafftig wiedersprechendes in sich enthält. Er
kan also auch dem andern seine
Meynung ohne
Eintrag seiner eigenen, zugeben, oder doch
antworten, daß er sich hierauf einzulassen nicht
Ursache hätte, denn zwey einander sich nicht
wiedersprechende Sätze können beyde
wahr und
falsch seyn: und liegt der Fehler darinne, daß kein
richtiger Status Controuersiae zum Voraus
gesetzet worden ist. |
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Findet der Respondente, daß der Einwurff
wahrhafftig wiedersprechend ist, so muß er eine
von denen beyden Praemissis des Syllogismi,
welche er nemlich vor unrichtig befindet, oder
auch wohl nach Beschaffenheit des Satzes alle
beyde verneinen. Keines weges muß aber
solches bey der Conclusion geschehen. Denn
wenn die Praemissae ihre Richtigkeit haben, so ist
es wieder die
Ordnung derer
Gedancken, die
daraus richtig flüssende Folgerung zu verneinen.
Die Verneinung hat er nicht Ursache zu
beweisen,
in dem es schon genug ist, einen Satz, der nicht
unmittelbahr ist, nicht zuzugeben, wenn er nicht
erwiesen ist. |
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Ist der Obponirte Syllogismus sogar in |
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{Sp. 1063|S. 557} |
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Forma nicht richtig, so darff der Respondente
nicht einmahl die Praemissas angreiffen, sondern
nur die Unwichtigkeit des
Schlusses zeigen.
Verstehet der Gegner die
Regeln von der Kunst zu
schlüssen nicht, dem darff er nur durch
gleichmäßige
Exempel weisen, daß man so, wie
er
schlüssen
wolle, nicht schlüssen könne. |
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Ist dasjenige, was der Respondente an denen
Praemissis läugnet, die Vniuersalität dererselben,
so kan solcher vermittelst einer Instantz
geschehen. Eine Instantz aber ist nichts anders
als ein Exempel, das ist eine wahrhaffte Species
oder Indiuiduum des Vniuersalen
Subjecti, in
welchem der verläugnete allgemeine Satz
offenbahrlich nicht zutrifft. Die gegebene Instantz
aber muß nicht ein krinoumenon, das ist,
dasjenige selbst seyn, worüber gestritten wird. Der
Respondente hat sich gleichfalls hierbey vor dem
Fehler der metabaseos eis allo genos zu hüten. Ist
auch eine Instantz zwar nicht eben das krimenon,
aber dennoch nicht sattsam deutlich, so ist es
besser, dieselbe gäntzlich zurücke zu halten; oder
wenn sie allbereit gegeben worden, zu
wiederrufen, als hierdurch dem Obponenten zu
einer weitläufftigen und
zweiffelhafften
Ausschweiffung, dadurch er der Last des
Beweisses überhoben wird,
Gelegenheit zu
geben. |
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Läugnet der Respondente nicht alleine die
Vniuersalität, sondern auch so gar die Qualität einer Praemissae, und setzet ihr also die
contrariam entgegen, so ist dieses mehr als eine
blosse Verläugnung und wird Inuersio genennet.
Der Respondente hat sich aber dabey in Acht zu
nehmen, daß er nicht aus allzugrosser Hitze
dasjenige inuertire, was er nur mit Grund hätte
verneinen können. Beyde Disputanten können
hierbey
Unrecht haben, und also zwar wohl beyde
einander gründlich wiederlegen, keiner von
beyden aber seine Meynung zur Gnüge
behaupten. |
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Bißweilen kan der Respondente diejenige
Praemissam, worüber gestritten wird, weder
gäntzlich
läugnen, noch gäntzlich zugeben; indem
einige Sätze eine Limitation oder Restrictionem
specificatiuam erfodern; wobey denn, nachdem
die Limitation hinzugethan, oder das Gegentheil
derselben gesetzet wird, der Satz und die daher
geleitete Folge entweder als nicht wiederstreitend
kan zugegeben, oder solcher Satz entweder
selbst oder die Subsumtion geläugnet werden. In
solchem Falle muß der Respondente durch
distinguiren oder limitiren antworten, er muß
nemlich den streitigen Terminum richtig
eintheilen,
das eine membrum diuidens als eine Limitation zu
demselben hinzuthun, und solchergestalt nach
Befinden entweder zugeben oder läugnen. |
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Hat der Respondente auf diese Weise den
Einwurff des Obponenten beantwortet, so kan ihm
der Obponente wieder solche Antwort, wenn ihm
noch keine Gnüge geschehen ist, repliciren.
Dieses geschicht, wenn er zeiget, wie die Antwort
noch nicht fähig gewesen sey, den Einwurff zu
heben. Hat der Respondente den Einwurff in
Ansehung, daß er seiner Meynung nicht
wiedersprechend sey, eingeräumet, so muß der
Obponente zeigen, daß die Conclusion seines
Syllogismi entweder
unmittelbar oder mittelbar
durch richtige Folge wiedersprechend sey; worauf
denn, wenn er solches sattsam erwiesen, der
Respondente den Einwurff beantworten muß. |
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Ist die Richtigkeit des
Schlusses in
Zweiffel
gezogen worden, so
muß sie der Obponente aus
denen
Regeln der Vernunfft-Lehre rechtfertigen.
Ist aber eine von denen Praemissis geläugnet
worden, so muß der Obponente dieselbige
beweisen. |
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{Sp. 1064} |
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Geschicht solcher Beweiß durch einen
abermahligen Syllogismum, so wird derselbige ein
Prosyllogismus genennet; doch fällt die
Schuldigkeit des Beweises hinweg, wenn die
geläugnete Proposition keine
unmittelbahre
Wahrheit oder axioma primum ist, bey welcher
man sich nur auf die Unmittelbahrkeit des Grund-Satzes beruffen, dieselbige durch einige deutliche
Exempel beweisen, und eine Instantz, welche sich
nicht unter dieselbe schicken sollte, fordern darff.
Weiß nun der Respondente keine Instantz
vorzubringen, verharret aber dabey auf der
Verläugnung, so heist es nach der bekannten
Regel: Contra negantem principia, scilicet prima,
non est disputandum. Man muß von dem Streite
ablassen, und die
Sache dem
Urtheile derer
verständigen Zuhörer anheimstellen; es sey denn,
daß man a posteriori per deductionem ad
absurdum den Gegner überführen könte. |
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Hat der Respondente eine Instantz
eingewendet, so muß der Obponente zeigen,
entweder, daß es
falsch sey, daß die streitige
Proposition bey diesen
Exempeln nicht zutreffe,
oder daß sie sich auf den
Satz, wieder welchen
sie gegeben worden, nicht schicke, indem sie
keine wahrhaffte Species oder Indiuiduum des
vniuersalen Subjecti solches Satzes sey. Zu dem
ersten Punct gehöret: Wenn der Obponente
zeigen kan, daß die angegebene Instantz dunckel
und zweifelhafft, oder das Krinomenon sey: Zu
dem andern hingegen gehöret, wenn er eine
durch die Instantz begangene metabasin eis allo
genos
beweiset. |
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Hat der Respondente durch die Inuersion
geantwortet, so hat er zweyerley dabey
gethan; er
hat nicht nur die Proposition des Obponenten
geläugnet, sondern sogar die contrariam
derselben behauptet. Der Obponente kan also
erstlich diese letztere, nehmlich die propositionem
inuersam, durch tüchtige
Gründe aus dem Weg
räumen, und hernachmahls seine eigene
Proposition, welche von dem Gegner geläugnet
worden, gründlich beweisen. |
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Kan der Obponente einen genugsam
überzeugenden Beweiß seiner eigenen
proposition führen, so kan er die Wiederlegung
der Propositionis inuersae oder contrariae gar
weglassen. Da aber dennoch so wohl der
Respondente in Ansehung der eingebildeten
Wahrheit der inuersae propositionis, als auch in
Ansehung der eingebildeten Falschheit derselben
der Obponente an der Einsicht der
Wahrheit kan
gehindert werden; so
thut der Obponente besser,
wenn er die inuersam oder contrariam
propositionem erst bey Seite schaffet. |
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Hieraus erhellet zugleich, in welchen Fällen
eigentlich der Respondente nicht bloß zu läugnen,
sondern zu inuertiren
Ursache habe, nemlich,
wenn erst die inuersa und aus dieser hernach die
Propositio des Obponenten leichter auszumachen
scheinet, als wenn man die letztere alleine und
ohne die erstere vornehmen
wollte. Der
Respondente kan auch dahero, wenn er siehet,
daß er mit der inuersa nicht auskommen
mögte,
dieselbe fahren lassen, und bloß bey der
Verläugnung des Satzes des Obponenten stille
stehen bleiben. Der Obponente kan gleichfalls,
wenn er mercket, daß die Wiederlegung der
inuersae des Respondenten zu grossen
Weitläufftigkeiten Anlaß giebet, dieselbe fahren
lassen, und nur seinen Satz zu beweisen
suchen. |
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Hat der Respondente mit distinguiren und
limitiren geantwortet, so kan der Obponente
entweder die Distinction selbst, oder ihre
Adplication wiederlegen. Bey dem erstern zeigt er
aus denen
Regeln von der
Diuision, daß die
Membra |
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{Sp. 1065|S. 558} |
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diuidentia dunckel, unzulänglich, einander
nicht entgegen gesetzet, oder dem toti diuiso zuwieder sind. Bey dem andern hingegen
beweiset er, daß der streitige Satz in Ansehung
beyder Membrorum diuidentium wahr und also die
Adplication der Distinction falsch oder vergeblich
sey. Hierauf kan nun weiter der Respondente
repliciren, und der Obponente dupliciren; weil aber
dieses allemahl einen neuen Einwurff und dessen
Beantwortung in sich enthält, so sind bey denen
folgenden Antworten und Gegen-Reden keine
neue Regeln zu geben, indem sie eben so, wie die
erstern, abgehandelt werden. |
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Dieses sind die
Pflichten eines jeden insbesondere gewesen; beyde aber haben
Achtung zu geben, daß keiner von dem Statu
Controuersiae abweiche. Dieser Fehler wird
Ignoratio oder Mutatio Elenchi genennet; es geschicht solches, |
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- wenn der Respondente den
Einwurff des Obponenten in adsumiren
verändert,
oder ihn in andern
Verstande annimmt, als ihn der
Obponente
verstehet:
- Wenn der Obponente etwas
anders
beweiset, als was ihm der Respondente
läugnet;
- ferner wenn der Obponente bey
Gelegenheit einem Instantz ausschweiffet und eine
gantz neue, zur
Sache
nicht gehörige Streitigkeit auf die Bahne bringet, u.s.w.
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ferner haben sie beyde sich zu hüten, daß keiner Petitionem Principii
begehe, noch diesen Fehler dem andern gestatte: Das ist, daß keiner in
Beweisen und Antworten dasjenige selbst zum
Principio annehme oder zum
Voraus setze, worüber
gegenwärtig gestritten wird. |
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Endlich sollen sie sich
schämen an Statt
tüchtiger Beweiß-Gründe und Antworten, nur
unnützes und zur Sache nicht dienliches
Gewäsche vorzubringen, und aus der
Untersuchung der Wahrheit ein erbittertes
Gezäncke zu machen. |
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