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Zedler: Stadt [1] HIS-Data
5028-39-768-3-01
Titel: Stadt [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 39 Sp. 768
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 39 S. 397
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Stichworte Text Quellenangaben
Begriffsklärung Stadt, Lat. Civitas, Urbs, Oppidum, Frantz. Ville, wird so wohl in denen beschriebenen gemeinen Rechten, als auch nach der eingeführten Gewohnheit, in unterschiedlichem Verstande genommen.  
  Denn bisweilen bedeutet es nur eine Versammlung oder Menge Leute, die sich nach gewissen und unter sich selbst errichteten Gesetzen und Verträgen, ruhig und friedlich bey einander zu wohnen und zu leben, in eine Gemeinschafft zusammen gefunden, oder eine sonst so genannte Bürgerliche Gesellschafft.
  • c. si civitas de sent. excomm. in 6.
  • Zasius in l. 2. ff. de Orig. Jur.
  • Cicero in Somn. Scip.
  • Vaconius von Vacuna in Declarat. … und Declar. …
  Daher denn auch unter andern Julius Cäsar Lib. VI de Bell. Gall. das Wort Civitas, eine Stadt, von einer solchen Gesellschafft von Leuten gebraucht, die nicht allein zusammen in einem gewissen Gebiete, oder Striche Landes, sondern auch nach einerley Rechten und Gesetzen, leben. Bes. Conanus Lib. I. c. 7. n. 1. und Oldendorpius in l. 2. ff. de orig. iur.
  Bisweilen aber beziehet sich diese Benennung blos auf das Raths Collegium, die Bürgermeister, Regenten, Vorsteher, oder sonst die Vornehmsten, welche gemeiniglich eine gantze Stadt, oder solche Gesellschafft, vorstellen.
  • gloss. in rubr. C. quae sit longa consuet. und in I. aliud. §. resert. ff. de Reg. jur.
  • Franciscus Marcus Quaest. 78. n. 4. P. I.
  • Johann von Platris in rubr. C. de Consulib. Lib. XII.
  • Zasius in l. civitas n. 56. ff. si certum petatur.
  Endlich aber verstehet man auch dadurch einen gewissen Ort oder Platz, worauf nicht allein viele Häuser und Wohnungen befindlich sind, sondern der auch überdiß noch mit besondern Mauern und Thoren beschlossen ist. Gleichwie etwann sonst auch das Wort Kirche (Ecclesia) gar öffters von dem äusserlichen Gebäude gebrauchet wird; ohngeachtet doch, eigentlich zu reden, das Wort Stadt sich blos auf die Ubereinstimmung der Gemüther in ihrer äusserlichen Lebens-Art und Aufführung, wie hingegen das Wort Kirche  
  {Sp. 769|S. 398}  
  in Glaubens-Sachen, beziehet.
  • tit. C. de sacros. eccl. u. tit. …
  • Spiegel in Lex. voc. Civitas,
  • Zasius,
  • und Oldendorpius ll.cc.
  Doch ist hierbey noch zu gedencken, daß, so viel absonderlich die Lateinische Benennungen anbelanget, eigentlich das Wort Urbs nur die Mauern und Gebäude; das Wort Civitas aber die Leute und Einwohner einer Stadt, oder die Bürgerliche Gesellschafft, oder das Stadt- und Bürger-Recht, oder andere Gesetze und Ordnungen eines Volcks und der Bürger andeutet. Brissonius aus dem Cicero, und andern.
  Gantz insbesondere aber hieß bey denen Römern nur die Stadt Rom mit einen ausnehmenden Vorzuge Urbs, die andern ihrer Bothmäßigkeit unterworffenen Städte aber entweder Civitates, oder Oppida, und Municipia. Göddäus ad l. … und … Vultejus in Comment. …
  So viel demnach die Bedeutung des Wortes Stadt in dem letztern Verstande anbetrifft; so verstehet man dadurch, wie bereits gedacht, gemeiniglich einen Ort, wo viel Häuser und Wohnungen beysammen sind, und der mit einer Ringmauer umgeben ist, dessen Einwohner auch unter einer gewissen obrigkeitlichen Ordnung stehen, und gewisse Gerechtigkeiten haben, die sie von den Flecken und Dörffern unterscheiden.  
Allgemeines Die Städte sind vornehmlich dem Gewerbe, Handwercken, Künsten und dem Kauff-Handel gewidmet.  
  In Deutschland hat man spät angefangen, Städte zu bauen; und ist der Kayser Heinrich I sonst auch der Vogler genannt, im zehenden Jahrhunderte der erste gewesen, der von den Einfällen der Hunnen Anlaß genommen, Städte anzulegen. Wovon besser unten ein mehrers.  
  In Engelland und Italien werden Städte mit besonderm Nachdruck allein die genennet, wo ein Bischöfflicher Sitz und hohe Stiffts-Kirche ist, welches auch in einigen Fürstlichen Cantzleyen in Deutschland beobachtet, und z.E. an Straßburg, Speyer; geschrieben wird: denen Ehrsamen, Weisen U.L.G. Bürgermeistern und Rath der Stadt Straßburg, Speyer etc. an andere aber, wo kein Bischöfflicher Sitz ist, bloß: Bürgermeistern und Rath zu Ulm, Nordlingen etc.  
Bibel In der heiligen Schrifft wird das Wort Stadt theils eigentlich, theils uneigentlich genommen. Uneigentlich heissen alle unverschlossene Örter Städte, weil sie das Stadt-Recht hatten, ob sie gleich mit keiner Mauer befestiget waren. Dergleichen waren in dem gelobten Lande unzählich viel, als Nazareth, Bethlehem, Emaus. Eigentlich wird es von den verschlossenen Örtern verstanden. Die erste Stadt vor der Sündfluth hat Cain erbauet, und solche nach seinem ersten Sohne Hanoch genennet. 1 B. Mos. IV, 7.
  Er unternahm den Stadtbau sonder Zweiffel aus Furcht, weil er als ein Bruder-Mörder, der sonst unstet und flüchtig war, darinnen eine mehrere Sicherheit zu haben vermeynete.  
  Und bey demselben gieng es nach der Meynung des Hobbesius, welcher sagt, die Menschen hätten zuerst Gesellschafften unter sich aufgerichtet, nicht sowohl aus na-  
  {Sp. 770}  
  türlichen Triebe zur Liebe gegen einander, als vielmehr aus Furcht für und wider einander: Sonst aber muß man vielmehr sagen, daß die natürliche Liebe und Neigung zu seines gleichen davon der erste Ursprung sey; und solches, wie in kleinern Gesellschafften also vielmehr in grössern, dergleichen die Städte sind. Indessen können wir in soweit zugeben, daß die Städte anfangs aus Furcht gebauet worden, doch, daß wir uns dabey vorstellen, wie dieselbe sey ein Erfolg und Frucht der vorhergegangenen Sünde, da die Natur der Menschen allbereit verdorben war, und jedermann seine Sicherheit gesuchet, wie und wo er gekonnt.  
  Nach der Sündfluth sind die Urältesten Städte gewesen Babylon und Ninive, welche beyde groß und fürtreflich gerühmet werden: wie hernach eine Stadt nach der andern erbauet worden, wäre zu weitläuftig solches zu erklären.  
  Lightfoot Chor. in Matth. p. 160. machet dreyerley Classen der Städte:   
 
1) Die befestigten Städte, welche vor der Zeit Josuä feste gemachet worden.
2) Die grossen Städte, die gewisse Synagogen gehabt, und
3) diejenigen, welche geringe und mit kleinen Synagogen versehen gewesen.
 
  Cunäus libr. VII. p. 52. 53. nimmet wahr, daß, so offt sie in dem Lande Canaan eine Stadt anbauen wollen, das grosse Synedrium und der König das Urim und Thumim zu Rathe gezogen. So bald sie den göttlichen Ausspruch vernommen, haben die Rathsherren dieses grossen Synedrii zwey Gedichte verfertiget. In einem haben sie GOtt Danck gesaget, und hernach zwey gesäuerte Brode genommen. Als sie herausgegangen mit Music, haben sie bey allen Wendungen des Weges gewisse Steine aufgerichtet und gesaget: ich will dich erhöhen, mein Gott, denn du hast mich erhöhet. Nachdem sie endlich an den Ort gekommen, wo das Ende der Stadt seyn sollte, haben sie ein Brod gegessen, das andere in das Feuer geworffen.  
Leviten Was die Städte der Leviten betrifft, so werden derselben 48 gezählet. Es ist bekannt, daß die Leviten zu allen Zeiten dem Altar dienen musten, und in der Austheilung des gelobten Landes nicht, wie die andern Stämme, durchs Loß ein besonderes Theil empfingen, massen GOtt selbsten ihr Theil seyn wollte; so musten ihnen die Einkünffte der Erstlinge und Opfer durch alle Stämme Israel gebracht werden, und über dieses bekamen sie noch zu ihrer Wohnung und Bequemlichkeit aus jeglichen Stamme gewisse Städte, mit ihren gehörigen Vorstädten, dergleichen in allen gedachter massen 48 waren, darunter sich 13 Priester-Städte, und wiederum 6 Frey-Städte befanden.  
  Es sind solche in der Ordnung folgende:  
 
1) Im Stamme Ruben: Bezor, Jethson oder Cademoth Jasa und Mephaat.
2) Im Stamme Gd: Damoth in Gilead, eine Frey-Stadt.
3) Im halben Stamm Manasse über dem Jordan Golan eine Freystadt in Basan, und Astaroth. Im andern halben Stamme disseits des Jordans: Gethremon, Tanae oder Aner, Balaam.
4) Im Stamme Naphtali: Hamor oder Hamath Dor, Carthan oder Caviathim, Kedes und Naphtali in Galiläa.
5) Im Stamme Asser: Masal, Abdon, Alcath oder Helcath,
 
  {Sp. 771|S. 399}  
 
  Rechob, Hococ oder Hucoc.
6) Im Stamme Sebulon: Jecona, Cartha, Damna, Naolol oder Nalon, Rimmon, obgleich 1 Par. VI, 77. nur 2 Haupt-Städte, und dazu mit andern Nahmen genennet werden, nehmlich: Rimmono und Thabor.
7) Im Stamm Isaschar: Cesion, welche 1 Par. VII, 72. Kedes heiset, Dabrath, Ramoth oder Jeramoth, Enganim oder Anem,
8) Im Stamme Ephraim: Sichem, Gazer, Kiasaim oder Jackneam, Bethoron.
9) Im Stamme Benjamin: Almon, Anathot, Gabaon, Nobe.
10) Im Stamme Juda: Esthemo, Hebron, Holen, Ain, Jetham, Asan, Jether, Debir, Bethsemes, Lebna.
11) Im Stamme Simeon: Asan, Ain, und Debir.
12) Im Stamme Dan: Eltheco, Gabathon, Ajalon und Gethremon.
 
  Bey diesen Städten haben wir zu mercken: Daß 13 Priesterliche drunter gewesen, welche alle im Stamme Benjamin, Simeon und Juda gelegen, und beym Josua mit Nahmen genennet werden: doch weil 1 Par. VII, 58, 59, 60. nur 11 stehen, so müssen noch zwo andere aus dem Josua, nehmlich Ain und Gabaon dazu genommen werden. Die Nahmen derselben heisen: Hebron, Lebna, Jathir, Esthemoa, Ain, Jeta oder Asan, Bethsemes, Gabaon, Gaba, Anathot, Alimon oder Alemeth, Holon, Debir. Diese Anzahl ist hernach mit Nobe und andern vermehret worden.  
Deutschland Die Städte in Deutschland sind  
   
  Ausserdem werden den Städten noch andere Zunahmen nach der Beschaffenheit ihrer Umstände gegeben, und heisset  
 
  • eine Haupt-Stadt, die erste und vornehmste eines Landes, von welcher dasselbe gemeiniglich benennet wird;
  • eine Residentz-Stadt, wo ein Fürstlich Hof-Lager ist;
  • eine Hanse-Stadt, die in den Hansee-Bund gehöret, wovon an seinem Orte;
  • eine Lege-Stadt, wohin die gemeinen Reichs-und Creyß-Steuren zu legen und zu bezahlen, verordnet werden;
  • eine Handel-Stadt, wo starcke Handlung getrieben wird;
  • eine See-Stadt die an dem Meer gelegen, und Schiffahrt darauf treibet.
 
  Vor-Städte sind zwar nicht die Stadt selbst, doch aber ein Theil, Anhang und Zubehör derselben; und was in der Vorstadt geschehen, wird geachtet, als ob es in der Stadt geschehen wäre. Wenn auch die Stadt in den Bann gethan wird, so sind die Vorstädte demselben mit unterworffen.   
Stadt-Recht Das Stadt-Recht in Deutschland zu verleihen, kömmt allein dem Kayser zu, und wem es derselbe ausdrücklich oder durch Nachsicht erlauben will. Wovon unter dem Artickel Stadt-Recht ein mehrfaches.  
Wachstum Ob es rathsam, eine Stadt ohne Maas anwachsen zu lassen, wird unter den Staat-Leu-  
  {Sp. 772}  
  ten gefragt. Der englische König Jacob I hat es nicht davor gehalten, und bey seinem Parlament wieder den Anwalt der Stadt London hart geredet. Eine gleiche Bewandniß hat es mit Paris. Und wird zum Grunde angeführt, dass dergleichen unmässige grosse Städte das Vermögen des gantzen Landes an sich zu ziehen, schwer mit Lebens-Mitteln zu versorgen, ein Gehäge ist vieles unnützen und bösen Gesindes sind, zu vielen Unordnungen und gefährlichen Aufrühren Anlaß geben können.  
Gau Soviel indessen den ersten Ursprung und die eigentliche Beschaffenheit der Städte in Deutschland anbetrifft; so ertheilet uns disfalls unter andern Lehmann in seiner Speyerischen Chronicke Lib. II. c. 18 gar ausführliche Nachricht. Es haben nämlich die uralten fränckischen Könige anfangs ihr Königreich und Land in gewisse Gawen oder Gaven abgetheilet; daher noch heutiges Tags am Rheinstrohm der Unterschied der Lande und Städte nach dem Gawen in Brauch ist; und hat man damahls einen Gaw genennt ein Refier oder den Bezirck einer Landschaft, darin eine Hauptstadt, sammt anderen geringern Städten, Flecken und Dorffschafften gelegen, und von einem Grafen oder Land-Richter im Namen des Königs und Reichs regieret und verwaltet worden.  
Graf Solcher Grafe hat geheissen: Comes pagi, Comes pagensium, Comes provinciae. Capit. ...
  daraus erscheint, dass die deutschen fränckischen Könige der Römer Exempel in Verwaltung der Landschafft für Augen gehabt, und nachgefolget. Denn was die Römer Dioeceses und Praefecturas genennt, und durch ihre Praefectos militum Hauptleute, oder Comites, regiert, das haben die Deutschen nach ihrem Gebrauch einen Gaw, Lateinisch Pagum und die Regenten derselben Gawgrafen genennet.  
  Und gleich wie auch bereits die Römer am Rheinstrohm in den Städten Germaniae primae, oder Ober-Deutschlandes, als zu Mayntz, Worms, Speyer, Straßburg, ihre Praefectos und Obristen gehalten, welche die Städte und Dioeceses oder Grafschafften nicht allein vor Feindschafft geschützet und beschirmet, sondern auch als Richter und Obrigkeit verwaltet, der Unterthanen Klagen und Antworten gehöret, und durch Richterlichen Ausspruch entschieden, auch begangene Mißhandlungen nach derselben Schwere abgestrafft.  
  Also haben die Deutschen Könige, nachdem sie den Römern obgesiegt, und die Lande am Rheinstrohm in ihre Gewalt gebracht, diese Form zu regieren beybehalten, Grafen und Land-Richter, mit berührter Gewalt und Befehle, in obberührte Städte gesetzt. Und ist nicht zu finden, das zu den Zeiten der Merovinger oder Carolovinger hierinnen eine Änderung vorgenommen worden sey; sondern man vermerckt vielmehr, daß, da die Deutschen Könige zu studiren angefangen, und die Geistlichen an Geschicklichkeit und Erfahrung zugenommen, sie der Kirchen-Regierung gleichfalls nach der Römer weltlichen Verwaltung regulirt und angestellt: und in welchen Städten die Obristen oder Grafen Hof gehalten, in deren jeder ist auch ein Bischoff gesessen, und was dem selben zugehö-  
  {Sp. 773|S. 400}  
  rig, zu verwalten zugestanden worden.  
  und gleich wie der Römer Obristen zu Straßburg, Worms, Speyer, den Hertzogen zu Mayntz zum Oberherrn und Haupt gehabt, und die Stadt Mayntz der Römer Haupt-Stadt in Deutschland gewesen: also hat der Pabst Zacharias verordnet, daß Bonifacius, Bischoff zu Mayntz, und seine Nachfolger, der Bischof in vorbenannten Städten, und andern mehr über den Rhein, die mittlerer Zeit zur Erkänntniß GOttes Wort kommen, Oberherren und Regenten seyn solten, und die Stadt Mayntz in ihre alte Dignität, so sie bey der Deutschen Königen anfänglichen Regierung verlohren, wieder gesetzt worden.  
alte Definition Überhaupt aber hat man ehemahls in Deutschland Städte geheißen eine große Gemeine, in welcher, sammt dem gantzen Gaw, ein Bischoff und ein Grafe, im Nahmen und von wegen eines Deutschen Königs und des Reichs, geistliche und weltliche Obrigkeit verwaltet, und die zugleich mit Mauren und Wällen verwahret gewesen.  
  Diese Beschreibung der Stadt besteht aus folgenden Argumenten: Pabst Zacharias hat an den vorbemeldeten Bonifacius im Jahr 742 solchen Inhalts geschrieben: Meminisse debes Charissime, quod in sacris Canonibus praecipimur observare, ut minime per villulas; vel modicas civitates, Episcopos ordinemus, ne vilescat nomen Episcopi. Der Canon, darauf allhier gedeutet wird, stehet im Consilio Sardicensi, so im Jahre 350 gehalten, und darauf verordnet worden; daß ein Bischoff nicht in einem Dorffe oder geringem Städtlein wohnen soll, damit er nicht verächtlich noch geringschätzig werde: Non licet simpliciter Episcopum constituere in aliquo pago, vel parva urbe, cui vel unus presbyter sufficet: Non necesse est enim, illis Episcopum constitui, ne Episcopi nomen et authoritas vilipendatur.  
  Durch dieses Zeugniß ist der erste Punct vorgesetzter Beschreibung ausfündig, nehmlich daß eine Stadt ist, und heißt, eine Versammlung eines grossen Volcks, dergleichen Dorffschafften und Flecken nicht fähig seynd. Der andre Theil, nehmlich, daß in den Haupt-Städten eines Gawes, ein Bischoff als Geistlicher Regent, und ein Grafe als weltlicher Land-Richter gesessen, hat albereit seinen Grund in voran gedeuteter Form der Regierung bey den Römern und hernach den Deutschen, und kan daran niemand zweiffeln, der die Gesetze und Statuten der Deutschen Könige und Kayser gelesen, oder lesen will, darinnen allenthalben davon Zeugnisse stehen, und sonderlich in Capitul. lib. …
Geschichte Zu dem sind die Historien der Fränckischen Deutschen Könige und Kayser dergleichen Exempel voll. Und erstlich was die Bischöffe anlanget; so haben sie sich bey solcher Regierung nicht allein von so viel hundert Jahren her gehandhabet, sondern inmittelst mercklich vermehret. Der Grafen halber, weil deren Haußhaltung und Regierung in den Städten bey folgenden Zeiten abgegangen, können folgende Zeugnisse zur Nachricht dienen: Ums Jahr fünffhundert und etliche sechzig wird vom Könige Hilpricht erzehlet, daß er in den  
  {Sp. 774}  
  Städten hin und wieder Änderung mit den Grafen fürgenommen, und theils neue eingesetzt: Rex Chilpericus in Civitatibus novos Comites ordinat, et cuncta jubet sibi urbium tributa deferri. Turon. lib. …
  In König Carolomanns Historie vom Jahre 742 ist zu finden, daß den Grafen insonderheit in ihrer Bestallung eingebunden worden, daß sie ihnn der Kirchen in Städten und gantzen Gäw Schutz und Schirm sollen anbefohlen seyn lassen. Cap. lib. … Baron. Anno 742. …
  [Folgen 9 Zeilen lateinischer Text.]  
  Weil auch zu den Zeiten Carls des Grossen, und unter der Regierung der Berengarier und der Otten, in jede Stadt ein besonderer Graf dieselbe zu regieren, geschicket worden; so hat man, nach des Spiegels in Comment. super Ligur. Lib. 5. Zeugniß, angefangen, dass Gebiete um dieselbe, welchem und weil solchem eben ein Grafe vorstand, eine Grafschafft, Lat. Comitatum, sonst auch territorium, districtum, dioecesin, zu nennen. Fernerer Beweis ist aus der Form der Regierung, so hernach folgt, zu vernehmen.  
  Der dritte Punct, daß die Bischöffe und Grafen der Könige und des Reichs Beamte und Verwalter in Städten gewesen, besteht erstlich darauf: Daß die Könige alle Bischöffe und Grafen in solche Städte und Amt gesetzet, und auf begangene Verwürckung wieder, die im Herkommen gemäß, abschaffen mögen.  
  Zum andern, dass die Städte den Königen und Kaysern gehuldigt, dem Reich einverleibt gewesen, und ein jeder König und Kayser von Alters, wenn er die Regierung angetreten, die Städte entweder selbst, oder durch Gesandte, in Pflicht und Eyd genommen, und sie ihnen damit zur Treu und Gehorsam verbunden: Priores de regno … [folgen 6 Zeilen latein. Text.] Dergleichen Exempel bey bemeldetem Turonensis noch viele zu finden.  
  Von Ludwigen, Könige in Deutschland wird geschrieben, dass er nach seines Vaters Kaysers Carls tödtlichen Abgange und Antretung seines Königreichs selbst persönlich alle seine Unterthanen, Francken, Alemänner, Sachsen, und Thüringer, in Huld und Pflicht genommen: Ludovicus Orientales Francos, Alemannos, Saxones, et Thuringos, sibi fidelitatis jure confirmat.  Annal. Fuld.
  In den Deutschen Gesetzen seynd davon gleichfalls sonderbare Ordnungen. Erstlich, dass die Gesandten, bei Empfahung der von Alters hergebrachten Huldigung, und Eydes-Leistung, besonders in Befehl gehabt, den Unter-  
  {Sp. 775|S. 401}  
  thanen zu erklären, was Treu und Huld sey, und wie sie solche im Werck erweisen sollen. Missi nostri populum nostrum iterum nobis fidelitatem promittere faciant, secundum consuetudinem jam dudum ordinatam, et ipsi aperiant et interpretentur illis hominibus, qualiter ipsum Sacramentum et fidelitatem erga nos servare debeant. Cap. Lib. 3. c. 88.
  und ferner, dass kein Unterthan jemanden anders Treu und Huld, als dem Könige und Grafen, zu des Königs und Grafen nutzen geloben soll: diejenigen aber, so in ihrer Jugend mit Eyden nicht beladen werden können, haben hernach, wenn sie ihr vollkommen Alter erreicht, nichts desto weniger schwören müssen; Nulli alteri fidelitas promittatur, nisi nobis, et unicuique proprio seniori, ad nostram utilitatem et sui senioris: Et infantes, qui antea non potuerunt propter juvenilem aetatem jurare, modo fidelitatem repromittant. Cap. lib. 3. c. 8
  Den Eid, den die Bürger in Städten dem Könige geschworen, ist des Inhalts: Promitto ego partibus Domini mei Caroli Regis, et filiorum ejus, quia fidelis sum et ero diebus vitae meae, sine fraude et malo ingenio. Constitut. Caroli M. fol. 263. edit. Mogunt.
  das ist: Ich gelobe meinem Herrn und Könige Carln, und seinen Sohnen, getreu zu seyn, so lang ich lebe, ohne Gefährde und Arglist.  
  Der letzte Punct der Beschreibung, daß die Stadt mit Mauern und Wällen befestigt gewesen, ist erstlich in der Römer Historie klar, und an vielen Orten ausgeführet. Die deutschen Könige haben nicht weniger darüber gehalten, dass die Haupt-Städte wider der Feinde Anlauff mit Mauern, Geräten und Wällen wehrlich gemachet worden. Childericus Rex misit Duces et Comites civitatum, ut muros componerent urbium resque suas cum uxoribus et filiis intra murorum munimenta concluderent, atque repugnarent viriliter, si necessitas exigeret. Turon. lib. 6. cap. ult.
  Zu Zeiten Königs Dagoberts, als derselbe das Kloster S. Germani zu Speyer gestifftet, steht in der Historie, daß er dasselbe ausserhalb der Stadt-Mauern gebauet, und seynd dieselbe von einer Zeit zur andern je länger je mehr verbessert und wehrlicher gemacht worden.  
Reichs-Städte Auß welchem allen zu ersehen, dass die vorgesetzte Beschreibung, was man bey den Deutschen damahls eine Stadt geheissen, auf gutem Grunde bewende, und sind solche Städte, Reichs-Städte, Civitates Regni, genennet worden. Als in Königs Ludwigs Historie wird gesagt, dass Kayser Carl der Kahle im Jahre 876 sich unterstanden habe, die Reichs-Städte Königs Ludwigs, als Mayntz, Worms und Speyer, zu seinem Rechte zu bringen, und seine Vettern zu verstoßen; studuit cunctas civitates regni Ludovici in occidentali littore Rheni positas, suo regno addere, id est, Moguntiam, Wormatiam, et Nemetum, filios que fratris per potentiam opprimere. Annal. Fuld.
  Demnach auch die Deutschen Könige und Kayser diesen Brauch gehabt, daß sie selten ein gantz Jahr an einem Ort geblieben, sondern die jährliche Reichstage, altem Herkommen nach, im Königreich abgewechselt, und bald in Franck-  
  {Sp. 776}  
  reich, bald auch in Deutschlandd-Hof gehalten; deßgleichen die jährlichen grossen Fest-Tage in den Bischöfflichen Reichs-Städten begangen; es haben sie daselbst sonderbare Hofe und Schlosser (Palatia) erbauen lassen, darinn sie sich die Zeit ihres Anwesens aufgehalten, als zu Aach, Cölln, Trier, Mayntz, Worms, Speyer, Straßburg, und über dem Rhein zu Augspurg und Regenspurg, darvon bey denen Geschichtschreibern ausdrückliche Meldung zu finden.  
  Ob nun wohl in folgenden Zeiten viel Flecken an Volck und Reichthum trefflich gewachsen, und jetzt fornehme Reichs-Städte seynd; so ist doch gewiß, daß sie zu den Zeiten der Deutschen Fränckischen Könige noch keine Städte gewesen, und die dazu erforderten Eigenschafften nicht gehabt, die zuvor erzehlet worden; sondern werden in den Historien nicht anders, als villae Regiae genennt, in welchen die Könige gleichsam Palatia gehabt, und bißweilen auch Reichs-Täge dahin gelegt haben.  
  Also werden ausdrücklich in der Caroliner-Historie villae Regiae, Reichs-Flecken genennt, Franckfurt und Ingelheim, in welchen beyden Palatia und etliche Reichs-Versammlungen gewesen. Auch sagt Regino lib. 2. Annal. Franc. Von Franckfurt, daß daselbst im Jahre 875 die Konigliche Hofstadt im Lande zu Francken gewesen. Dergleichen auch von Seltz, Trebor, Flemersheim, und andern mehr zu sagen.  
  Jedoch sind unter den Reichs Städten bey den Römern höher, und in mehrerm Ansehen für andern diejenigen gehalten worden, darinn die Kayser selbst oder ihre Hertzogen ihren Hof angestellet, als in Italien Rom, Ravenna, Mayland, in Deutschland Mayntz, Cölln, Trier. Und solche haben sie Metropoles, Haupt-Städte, genennet. Daher erfolgt, daß auch die Bischöffe in solchen Städten wegen Kayserlicher Gegenwart oder Regierung derselben fürnehmen Hertzogen für die obersten Bischöffe erkannt, und anderen fürgezogen worden. Als erstlich in Italien die Bischoffe zu Rom. Hernach aber als Kayser Constantin der Grosse seinen Hof in den Orient gen Constantinopel verruckt, hat der Bischoff zu Constantinopel den ersten Ort gehabt. Seynd ferner die Kayser zu Mayland, oder Ravenna, gesessen; so haben sich die Bischöffe des Ortes sich ebenfalls des Primats und Vorzugs angemaßt. Deßhalben auch die Bischöffe zu Rom denenselben grossen Streit erwecket haben, und von der erlangten Posseßion des Primats zu Italien nicht weichen wollen. Baron ad
  Aber gegen die Patriarchen und Bischoffe im Orient zu Constantinopel haben dieselben gleichwohl nichts erheben können, indem die Kayser selbst schon den denselben den Titel eines Obersten Bischoffs durchs gantze Kayserthum in öffentlichen Schreiben mitgetheilt haben. Wovon zu lesen Baronius An. 533. num. 20. Anno 536. num. 104. An. 518. num. 14.
  Gleichwie nun gedachte Städte Mayntz, Cölln, Trier, darum Haupt-Städte, Metropoles, bey den Römern geheissen, weil entweder die Kayser oder deren Hertzoge, ihren Hof und beständig Anwesen daselbst gehalten, und den Hertzogen, andere Praefecti und  
  {Sp. 777|S. 402}  
  Hauptleute in den umliegenden Landen und Städten untergeben gewesen; also haben sie gleicher Gestalt solchen Nahmen wieder erlangt, nachdem an statt der Hertzoge die Ertzbischöffe darein gesetzt worden. Doch mit dem Unterscheid, daß dieselbe keine weltliche Verwaltung über die Städte und dazu gehörige Gäw, sondern allein die Inspection und Aussehen über die untergebene Bißthümer und Kirchen getragen. Mayntz wird bey den alten deutschen Geschichtschreibern Metropolis Franciae Regiaque civitas genennet. Regin. lib. 2. sub Anno 953.
  Man schreibt auch, daß zu Zeiten des Königs Pipin die Stadt Worms in dem Ober-Rheinischen Creysse die Haupt-Stadt und Metropolis, und die Bischöffe daselbst Ertzbischöffe gewesen, Brusch in Chron. Episc. sub Gerbilone.
  Dieweil aber Bischoff Gerbilo zu Worms dem Kriegswesen obgelegen, und öffentlichen Mords beschuldigt worden, habe König Pipinus und Pabst Zacharias zu Rom die Dignität des Ertz-Bißthums von Worms genommen, und gen Mayntz verleget. Es stimmt aber dieser Bericht der Wahrheit nicht zu. Denn die erste Metropolis, Ertz-Bischöffliche Hof-Stadt, und erster Metropolitanus, oder Ertz-Bischoff, in Ober-Deutschland, oder Germania prima, ist von König Pipin und Pabst Zacharia zu Mayntz verordnet worden.  
  Hernach hat Carl der Grosse die andere Metropoles wieder aufgerichtet, welche die Römer darzu gewiedmet. Und ist aus den alten Itinerariis oder Reise-Büchern erweißlich daß jederzeit der Wormsische Praefectus dem Metropolitano oder Hertzogen zu Mayntz unterthan, und Worms keine Metropolis gewesen. So befind sich auch aus denen alten Reichs-Acten, daß vorgedachter Gerbilo das Bistum Mayntz und Worms zugleich gehabt, und zu Mayntz gesessen, welchen Bonifacius auf einem Concilio und öffentlicher Versammlung der Bischöffe, wegen begangenen Todtschlags und anderer Leichtfertigkeiten, angeklagt, darüber derselbe vom Bisthum Mayntz und Worms abgeschafft, und Bonifacius an seine Statt zum Bischoff zu Mayntz vom König Pipin und Carolomannen Gebrüdern, eingesetzt worden: wie Carolomannus im Abschied des Concilii von 742 meldet, mit diesen Worten: Per consilium Sacerdotum et Optimatum meorum ordinavimus per civitates Episcopos, et constituimus super eos Archiepiscopum Bonifacium qui est missus S. Petri. Cap. lib. 6. num. 2.
  Darneben haben berührte Könige vom Concilio den Pabst Zachariam durch Schreiben ersuchet, daß er die Stadt Mayntz zur Metropolis, und den Bischoff Bonifacium zum  
  {Sp. 778}  
  Ertz-Bischoff bestätigen wollte: [Folgen ca. 5 Zeilen latein. Text.] Baron. Anno 745. sub num. 4.
  Pabsts Zachariä Confirmations-Brief ist unter andern dieses Inhalts: Baron. Anno 751. numero 15.
  [Folgen ca. 7 Zeilen latein. Text.]  
  Daraus erstlich dieses zu mercken daß die Fürsten Pipinus und Carolomannus unter allen Städten in Deutschland Mayntz zur Haupt-Stadt, oder Metropoli, und den Ertz-Bischoff daselbst zu erst unter den Bischöffen in Deutschland zum Ertz Bischoff eingesetzt, und solche daher noch heutiges Tages den ersten Ort unter den Ertz-Bischöffen haben.  
  Zum andern wird klar gesagt, Moguntina Ecclesia tunc alteri erat subjecta, das Bißthum Mayntz sey einem andern, das ist, dem Bißthum Worms unterworffen gewesen. Welches daher erfolgt, wie zuvor angedeutet, in welchem Ort die Kayser und Könige Hof gehalten, daselbst haben sie die Bischöffe auch über andere erhöhet. Nun befindet sich aus Königs Lotharius, Pipins und Carls des Grossen Historien, daß sie oft in der Stadt Worms ihr Anwesen gehabt, und daher zwar die dasigen Bischoffe andere fürgesetzt, aber doch von keinem Könige zu Ertz-Bischöffen verordnet, oder also genennet worden.  
     

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Stand: 23. September 2013 © Hans-Walter Pries