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Quellenangaben
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Diebstahl |
Nachdruck derer
Bücher, ist eigentlich nicht
viel besser, als ein heimlicher, wo nur nicht
öffentlicher Diebstahl, und geschiehet insgemein
nur von denen Affter-Buchhändlern, oder besser
zu
sagen, von blossen Pfuschern der sonst
allerdings so edlen, als
nützlichen Buchhändler-Zunfft, welche sich nemlich mehrentheils nur aus
toller Ehrsucht, oder vielmehr höchst straffbarer
Geld-Begierde an den
Druck, und wie sie auf den
Titeln unbefugter Weise vorgeben, an den Verlag
solcher Bücher wagen, zu welchen sie weder
Recht, noch Erlaubniß haben, das heist, an den
Nachdruck solcher
Schrifften, zu welchen andern
Verlegern ein
vollkommenes
Recht zusteht. |
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Es sind aber die Bücher, an welche sich
gewinnsüchtige Nachdrucker machen, entweder
privilegiret, oder nicht: Haben
rechtmäßige
Verleger von hohen Häuptern allein die
Freyheit
erhalten, ein Buch
drucken zu lassen, und sind,
vermittelst einer ihnen allein zu gute kommenden
Begnadigung, andere von gleichem Rechte
ausgeschlossen; so ist es vergebens zu
fragen,
ob der Nachdruck privilegirter Bücher denen, so
sich dieser Privilegien keines weges zu erfreuen
haben, erlaubt sey? Wenn auch sonst keine
Ursache vorhanden wäre, woraus dessen
Unbilligkeit erweißlich zu machen wäre; so ist
doch zu einer offenbahren Ungerechtigkeit
schon |
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{Sp. 61|S. 48} |
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genug, dem ausdrücklichen Verbote dererjenigen zuwider zu handeln, deren
blosser
Wille
Unterthanen ein
Gesetz seyn
soll. Und so
freche Ubertreter hoher
Verordnungen haben
nicht Ursache, sich zu beklagen, wenn ihr
Nachdruck confisciret, von ihnen selbst aber die
ausser dem noch in den Privilegien enthaltene
Straffe eingetrieben wird. |
Besiehe
- Churf. Johann George II Erl. Landes-Gebr. von
1661 …
- ingleichen Johann George I
Rescript vom
eingeschobenen Nachdruck privilegirter Bücher in dem Cod. August. …
-
Carpzov in Jurispr. Consist. …
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unprivilegierte Bücher |
Haben aber rechtmäßige
Verleger über ihre
Wercke keine
Privilegien; so
fragt es sich
nunmehr nicht unbillig, ob auch deren Verlags-Bücher von andern
Buchhändlern ohne ihre
Einwilligung mit
Recht und gutem
Gewissen
nachgedruckt werden können? Diese Frage wird
von
verschiedenen, nachdem ihre Gemüths-Neigungen
redlich oder eitel sind, bald mit Ja, bald
mit Nein beantwortet. Die
Meynung der letztern
hat die bündigsten Beweißthümer, wie auch den
Beyfall Göttlicher und menschlicher Rechte zum
Grunde. Deren erstern Vorbringen hingegen
beruhet nur auf
irrigen Vorurtheilen. Man siehet
sich demnach genöthiget, jenen beyzupflichten,
da die
Wahrheit der
Sache ein unpartheyisches
Bekänntniß erfordert. Um desto leichter wird es
seyn, diese scheinbaren Einwendungen zulänglich
ablehnen zu können. Dasjenige aber, was zum
gründlichen
Beweise dieser Meynung angeführet
werden kan, beruhet auf folgenden
Umständen. |
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menschliches Recht |
Bücher werden von
Gelehrten in der Absicht
geschrieben, daß sie nicht nur damit andern
Nutzen schaffen, sondern auch vermittelst
derselben etwas zum
nöthigen Unterhalt des
Lebens vor ihre saure
Arbeit erwerben
wollen.
Daß dasjenige, was ihre
eigene
Erfindungs-Krafft
hervor gebracht, und ihr unermüdeter
Fleiß in
guter
Ordnung zusammen gesetzt hat, ihr eigen
sey, wird niemand
leugnen. Ist es ihr
Eigenthum;
so stehet ihnen frey, sich desselben, als eines
Mittels ihrer Erhaltung, nach eigenem Gefallen zu
gebrauchen, wie es ihnen rathsam dünckt,
besagten
Zweck am
bequemsten zu erhalten. Ja
sie haben das Recht allein, also mit ihrer Arbeit zu
verfahren; andere hingegen von dem
gleichmäßigen Gebrauche derselben
auszuschliessen. |
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Das diensamste Mittel, ihren Zweck zu
erreichen, ist ihre
gelehrte Arbeit dem
Drucke, und
vermittelst desselben dem Besitze anderer
Menschen vor
Geld zu überlassen. Gesetzt, sie
bewerckstelligten solches auf eigene Kosten; so
ist niemand erlaubt, durch Nachdruck ihnen in
dem freyen und
rechtmäßigen
Gebrauche ihrer
Sache einigen Eintrag zu
thun. Denn es ist, wie
schon voraus gesetzet worden, ihr Eigenthum.
Und dieses Eigenthums-Recht giebet ihnen
völlige
Macht, andere von gleichmäßigen Gebrauche
desselben auszuschliessen. |
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Allein
gewisse
Umstände erlauben ihnen
nicht, den Verlag und
Verkauff ihres Buches selbst
zu besorgen. Sie sehen sich genöthiget,
diejenigen zu Hülffe zu nehmen, deren eigenes
Werck es ist, Bücher zu
verlegen und damit zu
handeln. Sie tragen ihnen ihre Handschrifften
gegen Bezahlung eines billigen Preises an. Diese
handeln es davor an sich. Hierauf er- |
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{Sp. 62} |
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folgt nicht nur die Übergabe des Eigenthums
einer cörperlichen Sache; sondern auch zugleich
eine völlige Abtretung aller damit verbundenen
und denen
Verfassern sonst allein zukommenden
Rechte. Diese Abtretung vertritt, wie bey
uncörperlichen Sachen, also auch hier, die Stelle
der Übergabe, vermöge des l. fin. pr.
ff. de
donat. |
Siehe Lentz de Action
… |
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Durch solche Pacte und Verträge der Veräusserungen werden die
Buchhändler
Eigenthums-Herren
gelehrter
Arbeiten. Sie
erlangen aus einem erlaubten und zugelassenen
Vergleiche (ex contractu licito, et permisso) ein
unwiederrufliches Recht, (Jus quaesitum) wie die
Rechts-Lehrer
reden. Sie erlangen das
völlige
Recht, an sich gehandelte Handschrifften allein
drucken zu lassen, die gedruckten Bücher, als
Mittel ihrer Erhaltung, beständig, allein, und mit
Ausschließung anderer, so wohl inländischer, als
ausländischer Buchhändler, ja selbst derer
Verfasser, wiederum drucken und auflegen zu
lassen, und dieselben nach
eigenem Gefallen,
jedoch nicht auf eine der
Geselligkeit zuwider
laufende Art, zu nutzen, und zu verhandeln.
Gleichwie nun die Buchhändler als Eigenthums-Herren den
Schaden tragen
müssen, wenn die
von ihnen verlegten Bücher etwan zu Maculatur
werden
solten; also geniessen sie auch den
reichen
Vortheil, der ihnen aus dem guten
Abgange zuwächst, mit Recht. |
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Es bleibet demnach eine ausgemachte
Sache, das Recht, welches ein Buchhändler an
dem Drucke und Verlage einer Sache hat, gründet
sich auf Pacte und Verträge. So wohl Befugnisse,
als
Pflichten, so durch Pacte erworben werden,
erstrecken sich nicht weiter, als auf diejenigen,
welche sie schliessen. Mit Buchhändlern, so
Bücher nachdrucken, die von andern vermöge des
von ihren Verfassern an sie abgetretenen Rechtes
(ex jure cesso) bereits gedruckt worden, hat man
dergleichen Pacte niemahls geschlossen. Alles
Eigenthums-Recht aber gründet sich ursprünglich
auf gewisse Verträge. Fallen dieselben weg; so
fehlt der zur rechtmäßigen Erwerbung des
Eigenthums nöthige Titel, (titulus justus) das ist,
wie man in denen Rechten es erkläret, der
rechtmäßige Grund und Ursache, woraus die
Erwerbung und der Besitz einer Sache zu
rechtfertigen ist. |
Böhmer in Introd. ad Jus
Digest. … |
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Wo der Beyfall derer Gesetze und Rechte
fehlet, da fällt alle Erlaubniß weg. Es ist und bleibt
also ein schlechterdings unerlaubte, ja gar denen
Rechten zuwider laufende Sache, redlicher
Buchhändler eigenthümliche, obgleich nicht
privilegirte Verlags-Bücher unbefugter Weise
nachzudrucken, und ihnen hierdurch in dem, was
ihnen von
GOtt und Rechts wegen zukommt,
böslicher Weise Eintrag zu thun. |
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Der bisher geführte
Beweiß beruhet auf
Grund-Sätzen, welchen Göttliche und
menschliche Rechte ihren Beyfall gönnen. So ist
denn der unbefugte Nachdruck ein Göttlichen und
menschlichen Rechten zuwider lauffendes
Unternehmen. Alles, was nicht mit denen Rechten
überein
stimmt, ist ein Verbrechen. Hieraus folgt
unwidertreiblich, daß auch der unbefugte
Nachdruck ein straffbares Verbrechen sey. Ja es
wird aus dem vorher ge- |
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{Sp. 63|S. 49} |
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sagten, mit Zuziehung natürlicher,
geoffenbarter und bürgerlicher Rechte sich
gantz
leicht erweisen lassen, daß derselbe ein
offenbarer Diebstahl sey. |
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Und was anfänglich das
natürliche Recht
anbelangt; so führt uns dasselbe hierbey auf die
Befugnisse und Pflichten, welche denen
Menschen in Ansehung des Eigenthums
zukommen und obliegen. Sie fliessen aus dem
Grunde der
Geselligkeit, als welche uns die
Liebe
unser selbst und unsers Nächstens in gleichem
Grade auferlegt. Sie betreffen theils den
Nutzen
des Eigenthums-Herrn selbst, theils die Sicherheit
und Hülffe, die ein jeder dem andern, in Ansehung
des Eigenthums zu leisten
verbunden ist. |
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Die erstern berechtigen einen jeden,
vermittelst seines Eigenthums, vor seine eigene
Unterhaltung und zeitliches Wohlergehen Sorge
zu tragen, die Sache, welche in seinem
Eigenthume ist, zu seinem
wahren Nutzen zu
gebrauchen, und andere von gleichmäßigem
Gebrauche derselben auszuschliessen. Was aber
die letztern betrifft; so gehöret unter denen
verschiedenen Gattungen derselben
vornehmlich
hieher die einem jeden obliegende
Verbindlichkeit
den Eigenthums-Herrn in dem ruhigen Besitze des
Seinigen zu lassen, ihm nichts, weder mit List
noch
Gewalt zu entwenden, des Gebrauchs und
Nutzungen dessen, was des andern ist, ohne
seinen
Willen und Erlaubniß sich zu enthalten,
auch ihm weder an der Nutzung des Seinigen
hinderlich zu seyn, noch ihnen daran einigen
Schaden zuzufügen. Die Hintansetzung dieser
Pflichten ist der Brunn-Quell aller groben und
subtilen Diebereyen. |
Aug. Fried.
Müllers Einleitung
in die Philosophischen Wissenschafften, in dem
Natur- und Völcker-Rechte, … |
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und ein
ungezweifeltes Kennzeichen
ungeselliger Gewinnsucht. |
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Cicero drückt dieses
sehr wohl aus, wenn er Offic. …
schreibt: Wenn
jemand einem andern etwas entziehet, oder mit
anderer Leute Schaden und Nachtheil seinen
Vortheil zu machen sucht; so ist dieses der Natur
mehr zuwider als der Tod, oder die Armuth, oder
der empfindliche Schmertz, oder was irgend sonst
dem Leibe schmertzliches und seinem übrigen
äusserlichen Vermögen nachtheiliges zustossen
kan. Denn erstlich hebt solches alle menschliche
Verträglichkeit und Geselligkeit auf. Denn wofern
wir uns durch unsere ungezäumte Begierden erst
dahin verleiten lassen, daß ein jeder bloß wegen
seines Eigennutzes und
schändlicher
Gewinnsucht einen andern beraubet, oder sonst
verletzet und beleidiget; so kan es anders
schlechterdings nicht seyn, als daß hierdurch
nothwendig das Band der menschlichen
Gesellschafft, welches doch ursprünglich von der
friedsamen und geselligen Natur selbst
verknüpffet worden, wiederum zerrissen werden
muß. |
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Man siehet hieraus gantz deutlich, daß der
Begriff vom Diebstahl etwas weiter zu erstrecken
sey, als insgemein zu geschehen pfleget. Nicht
allein die bößliche Hinwegnehmung einer fremden
Sache macht einen Diebstahl aus. Auch dieses,
wenn man andern ihre
Vortheile, Rechte,
Gebrauch und Nutzung ihrer Sachen betrüglicher
Weise entzieht und sich zueignet,
verdienet
diesen
Namen. |
Heinr. Bodinus in
Explic. |
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{Sp. 64} |
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Praecept. … |
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Angeführte Umstände können hoffentlich
schon genug seyn, unbefugte Nachdrucker des
Diebstahls
schuldig zu achten. Sie stören
rechtschaffene
Verleger in dem geruhigen Besitze
und
Gebrauche ihres
Eigenthums, und derer
denselbigen anhängigen Rechte. Sie drucken
Büchern nach, deren Verlags-Recht andere durch
gewisse Pacte allein an sich gebracht. Sie geben
dieselben wohlfeiler, als jene. Eben hierdurch
entwenden sie ihnen den
billigsten
Vortheil. Sie
sind ihnen also an der gehörigen Nutzung ihres
Verlags nicht nur hinderlich, sondern sie bringen
auch redliche Verleger
würcklich in nicht geringen
Schaden. Entweder deren mit vielen Kosten
gedruckte
Exemplarien bleiben liegen, oder es
sehen sich die
rechtmäßigen Verleger genöthiget,
dieselben um eben den wohlfeilen Preiß zu
geben, und hierdurch ihren
Gewinnst lieber dem
Nutzen des
gemeinen Wesens aufzuopfern, als
dem widerrechtlichen Nachdrucke seinen Lauff zu
lassen. |
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Alles dieses sind unumstößliche Beweiß-Gründe, daß der unbefugte Nachdruck
der Bücher ein dem Rechte der Natur zuwider lauffender Diebstahl sey. |
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göttliches Recht |
Dem natürlichen Rechte muß das geoffenbarte in diesem Stücke ohnfehlbar
beystimmen. Sie haben beyde einen Urheber, welcher sich nicht widersprechen kan.
In jenem schliesset die sich selbst gelassene Vernunfft den
göttlichen Willen
aus einer weisen Unterordnung derer
Mittel und
Endzwecke, so die Feststellung
einer dienst- und friedfertigen
Gesellschafft bezielen. In diesem wird sie durch
die deutlichsten
Worte davon auf das
vollkommenste überführet. Hier finden wir
ein Gebot, dessen Inhalt ist: Du
solst nicht stehlen. |
- 2. B. Mose XX. 15.
- 5 B. Mose V, 19.
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Wie weit sich dieses Gebotes
Verstand und
Meynung erstrecke, zeiget Lutheri Erklärung im
grossen Catechismo … Und von der auf die
Ubertretung dieses Gebotes unfehlbar
erfolgenden göttlichen Straffe hegt belobter
Lutherus ebend. … ebenfalls
gantz feine
Gedancken, welches alles der Apostel Paulus 1 Thessal.
IV. 6. in diese wenige Worte zusammen
faßt: |
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„Das ist der Wille GOttes, daß niemand zu
weit greiffe, noch vervortheile seinen Bruder im
Handel und Wandel, denn der HErr ist Rächer
über das alles.„ |
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Was haben nun wohl unbefugte Bücher-Nachdrucker vor eine andere als diese
unchristliche Absicht, ihren
Vortheil mit
rechtschaffener Verleger
Schaden zu befördern,
sie ihres rechtmäßigen Gewinns zu berauben,
durch listige Räncke unter dem Scheine des
Rechten zu übervortheilen, und dadurch ihr
Gut
mit Unrecht an sich zu bringen. Sind sie also nicht
offenbare Übertreter des siebenden Gebots?
Solten sie nicht die
Straffen einmahl treffen, die
sie wegen dessen Übertretung
billig
verdienet
haben? Ist es
unmöglich, daß
Gott lüge; ist es
unstreitig, daß auf
Sünde Straffe folgen
müsse;
so muß auch an ihnen das harte Wort, welches der
gerechte
Richter mehr als einmahl
geredet hat,
eintreffen: Verflucht sey, wer nicht alle Worte
dieses Gesetzes erfüllet, daß er darnach thue. |
5.
B. Mose XXVII, 26. XXVIII. u.ff. |
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Lutherus, der zu seiner |
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{Sp. 65|S. 50} |
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Zeit bey Herausgebung des heiligen
Bibel-Buches die
Boßheit gewinnsüchtiger Nachdrucker
ebenfalls erfahren muste, eyferte darüber, wie
billig, in der Warnung über den Wittenbergischen
Bibel-Druck, mit folgenden Worten: |
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„Der verfluchte Geitz hat unter allen andern
Ubeln, so er treibet, sich auch an unsere Arbeit
gemacht, darinnen seine Boßheit und Schaden zu
üben, welcher unsern Buchdruckern diese
Büberey und Schalckheit thut, daß andere flugs
bald hernach drucken, und also der unsern Arbeit
und Unkost berauben, zu ihrem Gewinn, welches
eine rechte grosse öffentliche Rauberey ist, die
GOtt auch wohl straffen wird, und keinem
ehrlichen Christen-Menschen wohl ansteht.„ |
Siehe auch Philander von
Sittwalt im I Theile seiner Schrifften … |
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Es ist noch übrig zu erweisen, daß der
unbefugte Bücher-Nachdruck ein Verbrechen sey,
welches auch den
bürgerlichem Rechten zuwider
laufft. Die bürgerlichen Gesetze
gründen
sich überhaupt auf die natürliche
Billigkeit, mithin auf
untrügliche Grund-Sätze des
Rechtes der Natur.
Unter denen drey bekannten Grund-Regeln,
welche dieselben daraus entlehnet, brauchen wir
nur zu unserer Absicht diese eintzige
anzunehmen: Gieb, oder lasse einem jeden das
Seine. (Suum cuique tribue) |
§. 3.
I. de Just. et
Jur. |
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Soll also nach dieser Vorschrifft einem jeden
dasjenige gegeben werden, was ihm
von
Rechtswegen gehört; so muß es ihm auch
gegönnet und gelassen werden; so müssen auch
die bürgerlichen Gesetze nicht verstatten können,
noch
wollen, daß man sich mit anderer
Menschen
Schaden bereichere. Eben aus diesem Grunde ist
die bekannte Rechts-Regel des Pomponius
geflossen, daß es allerdings der natürlichen
Billigkeit, daß niemand mit des andern Schaden
reicher werden und seinen Vortheil machen
solle. |
- L. 14. de condict.
indeb.
- l. 206.
ff.
de R. J.
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Daß aber dieses die Haupt-Absicht
unbefugter Nachdrucker sey, braucht, weil es
oben bereits zur Gnüge
dargethan worden, weiter
keinen
Beweiß. Und also ist auch so gut als
erwiesen, daß sie Ubertreter der bürgerlichen
Gesetze sind. |
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Diebstahl |
Nur dieses einige wird noch auszumachen
seyn, ob der unbefugte Nachdruck auch nach
diesen Rechten vor einen Diebstahl zu achten
sey? Eine genauere Gegeneinanderhaltung der
Begriffe, welche die Römischen Gesetze von dem
Diebstahl überhaupt an die Hand geben, befreyet
die Beantwortung dieser Frage von aller
Schwierigkeit. Der alte Jurist Paulus in l. 1. §. ult.
ff. de furt. beschreibt den Diebstahl durch eine
betrügliche und gewinnsüchtige Betastung oder
Ansichziehung entweder einer Sache selbst, oder
auch nur deren
Gebrauches und Besitzes
derselben, welche einem gleichwohl, vermöge des
natürlichen Rechtes verboten ist. |
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Man siehet aus dieser Beschreibung mit
Zuziehung einiger anderer
Umstände, so
angeführter Paulus anderwärts, und zwar in l. 15.
ff. eod. beybringt, daß nicht alleine die
Hinwegnehmung einer cörperlichen und
beweglichen Sache, sondern auch die Entziehung
des Rechtes, welches einem andern an einer
beweglichen Sache zusteht, zum Verbrechen des
Diebstahls gehöre. Ins besondere aber wird |
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{Sp. 66} |
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hier einer Gattung des Diebstahls gedacht,
welche bloß den
Nutzen und
Gebrauch einer
Sache (furtum usus) bezielet, |
Böhmer in Introd. in Jus
Digest. … |
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Dieser wird dadurch begangen, wenn man
eine Sache zu demjenigen Gebrauche, worzu sie
einem gleichwohl nicht gegeben worden, wider
Willen des
Eigenthums-Herrn, in der Absicht,
damit etwas zu gewinnen, anwende. |
Böhmer l.c. |
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Eben davon sind des vorgedachten Paulus
Worte anzunehmen, wenn er in l. 40.
ff. de furt.
sagt: Wer sich einer fremden Sache wider des Eigenthums-Herrn Willen gebrauchet,
der begeht einen Diebstahl. Hieraus wird sich nunmehr gantz leicht erweisen
lassen, in wie ferne der unbefugte Bücher-Nachdruck ein Diebstahl sey. |
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Buchhändler, welcher anderer
Verleger
bereits
gedruckte
Bücher nachdrucken, haben
freylich davon erst
Exemplarien in Händen haben
müssen. Ja sie haben solche wohl von denen
rechtmäßigen Verlegern in Umsetzung ihrer
Waaren überkommen. Jedoch nur in der Absicht,
daß sie dieselben, im Fall man sie bey ihnen
suchte, um
billigen Preiß
verkauffen
möchten. Und
hierinnen bestehet der rechtmäßige
Gebrauch
gedachter Bücher, welcher durch die Einwilligung
ihrer Verleger unterstützet wird. Allein daß sie
dieselben nachdrucken und dadurch einen
unbilligen Vortheil suchen
sollen, darein haben die
Verleger niemahls willigen können noch
wollen.
Gleichwohl geschicht solches wider deren
Willen
und Vorbewust. Folglich werden die Bücher zu
einem andern Gebrauch, als worzu sie gegeben
worden, wider Willen ihrer Eigenthums-Herrn, zum
Zweck einer eitlen Gewinnsucht angewendet. Und
also ist kein
Zweifel, daß unbefugte Nachdrucker
hierdurch einen Diebstahl des Gebrauches (furtum
usus) begehen. Daß aber ein sothaner Diebstahl
des Gebrauches gleich einem andern Diebstahle
zu bestraffen sey, ist aus der
peinlichen Hals-
Gerichts-Ordnung
Kaysers Carls V in Art. 170
deutlich zu ersehen. |
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Zum wenigsten scheinet es
gantz
billig, daß die zur Ungebühr nachgedruckten
Bücher, ob sie gleich nicht privilegiret sind, gleich denen
privilegirten, confisciret, und von denen
unbefugten Nachdruckern eine ansehnliche Geld-Busse eingetrieben werde. Und dieses sonderlich
nach Maßgebung der Erl. Landes-Gebr. tit. von
Justitien-Sachen, §. 81. Welche
Verordnung nicht
bloß von dem Nachdrucke privilegirter Bücher,
sondern auch unprivilegirter anzunehmen ist, da
die
Ursache derselben, daß die Buchführer
hierdurch in
Armuth gesetzet, und unsern
Landen
Nachtheil
zugezogen werde, beyden gemein ist. |
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Dahero denn auch in dem Helmstädtischen
Decrete,
so in dem Anhange des 1723 herausgekommenen
Tractats,
welcher den
Titel führet: „Gründliche Nachricht, in welcher erwiesen
wird, daß die öffentlichen Bücher-Auctionen
jetziger Zeit sehr gemißbraucht werden etc.„
befindlich ist, in
Sachen Johann Melchior
Süstermanns, Klägers an einem, wider den
Buchdrucker Johann Stephan Heffen, wegen
nachgedruckter Scriverischer Andachten,
Beklagter wegen der begangenen Mißhandlung in
dreyßig Thaler
Straffe verdammet worden.
Das |
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{Sp. 67|S. 51} |
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Sächsische Land-Recht … da es von einem
Falsche redet, so nach denen Römischen
Gesetzen ohnfehlbar zum Diebstahle des
Gebrauchs gehört, saget ausdrücklich: Dieberey
noch Raubes mag er ihn aber daran nicht
gezeihen. Allein diesen Einwurff hat die Deutsche
Glosse über diese
Worte folgender
Gestalt
gehoben: |
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Diß aber widerspricht dem Recht, welches
sagt, daß eine Dieberey nicht allein geschehe
durch Stehlen, sondern auch mit allerhand
trügentlicher Handlung eines fremden Guts, ob
dasselbe ohne und wider des Willen geschicht,
des es ist. Das entscheide also. Es mag wohl
seyn, daß ein Ding diebisch wird, daran der,
welcher es hat, nicht zum Diebe wird, nemlich,
daß man ihn darum hencken mag. Doch wird
einer um solche Dieberey, welcher einer durch
einen Betrug und Falschheit an geliehenen
Dingen übet, gleichwohl ehrloß. |
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Gesetzt also, daß man einem unbefugten
Buchdrucker nichts ans
Leben kommen könnte;
so ist doch zum wenigsten nicht zu
läugnen, daß
er wegen des unerlaubten Verfahrens mit fremden
Gute ehrloß zu werden, wohl verdienet. |
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Die übrigen Einwendungen, so wider den im
obigen ausgeführten Haupt-Satz gemacht werden,
sind von schlechter Erheblichkeit. Der Herr von
Ludwig in Praef. ad Reliqu. MSC. … schützt unter
andern dieses vor: Wer solte sich wohl erkühnen,
die Holländer eines Diebstahls zu beschuldigen,
weil sie die in Engelland und absonderlich in
Franckreich herausgekommenen Bücher so bald
nachdrucken, und dadurch so grosse Schätze
zusammen bringen, daß sie solche um einen
wohlfeilern Preiß, als jene,
verkauffen. Es kan
seyn, daß sich noch biß dato niemand solches
unterstanden hat. Daraus aber folget nicht, daß er
nicht auch darzu berechtiget sey. Recht bleibt
allemal Recht, ob sich gleich die Menschen
desselben willkührlicher Weise nicht bedienen.
Wo einmahl ein Diebstahl ist, da bleibet die
daraus fliessende Klage allezeit in denen Rechten
gegründet, man mag sich nun dieser Rechts-
Wohlthat gebrauchen oder nicht. Der Wille der
Menschen kan sich zwar wohl einer ihnen
vortheilhaften Befugniß begeben. Allein diese ihre
That hebt deswegen die Befugniß überhaupt nicht
auf. Die Freyheit anderer, durch deren Ausübung
ihr Recht auszuführen, bleibt ihnen dem
ohngeachtet in Sicherheit. |
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Andere wenden ein, der Bücher-Nachdruck
könne deswegen kein Diebstahl
genennt werden,
weil dem rechtmäßigen
Verfasser oder
Verleger
wider den Nachdrucker keine Ab- oder
Zurückforderung der
Sache (rei vindicatio)
zukomme. Dieses ist auch die
Meynung des
Herausgebers des Jenaischen rechtlichen
Bedenckens, die Erlaubniß des Buch-Nachdrucks
betreffend, im Vorbericht … Dieses kan man ihnen
zugestehen, ohne der Haupt-Sache dabey das
geringste zu vergeben. Wo nur ein Diebstahl des
Gebrauchs, nicht aber einer cörperlichen Sache
selber ist, als aus deren Eigenthum die
Zurückforderung der Sache (rei vindicatio)
entspringt, ist nicht nöthig selbige
anzustellen. |
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{Sp. 68} |
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Genug, daß in diesem Falle die Klage wider
einen solchen Frevler zu Ersetzung des dadurch
verursachten Schadens (Actio rei persecutoria,
und ad id, quod interest) Statt finden können.
Daher dann auch in dem angeführten
Helmstädtischen Decrete
gesprochen
worden: |
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„Daß Beklagter den dem Kläger dadurch
verursachten Schaden, wenn dieser zuvor
entweder solchen beybringen, oder vermittelst
Eydes erhärten wird, nebst den Unkosten zu
erstatten schuldig sey.„ |
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Die Meynung demnach, daß der Nachdruck
unprivilegirter Bücher ein unerlaubtes
Unternehmen, ja ein allen
Rechten
zuwiderlauffender Diebstahl sey, ist biß dato durch
bündige Beweißthümer zulänglich
dargethan
worden. Hoffentlich werden dieselben auch bey
redlichen
Gemüthern ungezwungenen Beyfall
erhalten. |
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