HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Türcken [5] HIS-Data
5028-45-1629-8-05
Titel: Türcken [5]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 45 Sp. 1629
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 45 S. 852
Vorheriger Artikel: Türcken [4]
Folgender Artikel: Türcken [6]
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

vorhergehender Text  Teil 4 Artikelübersicht Teil 6  Fortsetzung

Übersicht
  Beschreibung des Türckisch-Kayserlichen Pallasts
  Seraglio des Frauenzimmers
  Sultanin, Printzen und Printzeßinnen
  Azamoglans
  alte Seraglio
  Verschnittene

  Text  
  Beschreibung des Türckisch-Kayserlichen Pallasts.  
  Der Pallast, in welchem der Sultan mit seiner  
  {Sp. 1679|S. 853}  
  Familie wohnet, wird das Seraglio genennet. Es wurde dasselbe von Solyman II. erbauet, und zwar in der schönsten Gegend von Constantinopel, an dem Ende der Stadt gegen den Canal des schwartzen Meers zu. Dieser Pallast hat viele Thore, wovon nur eines offen stehet, welches aber von sehr vielen Capigis oder Soldaten von der Leibgarde unter einem von den 10 Bassas, welche in dem Seraglio commandiren, bewachet wird. Einige Azamoglans, welche der abgefallenen Griechen-Kinder sind, halten des Nachts auf den Thürmen Schildwacht.  
  Auf der See-Seite sind unterschiedliche Feldstücke, um alle Schiffe abzuhalten, welche sich etwan zu den Mauren nahen dürfften. Der Sultan schöpft dann und wann frische Lufft in einem Zimmer, welches er in einem Thurme gegen Asien zu bauen lassen. Es sind auch daselbst unterschiedliche Chosques oder Ercker auf den Höhen, aus welchen man einen sehr lustigen Prospect hat.  
  Etwas weiter unten auf der See-Seite ist ein Hafen vor die Galiotten, Caics oder Brigantinen, des Groß-Sultans, wenn er sich auf dem Wasser erlustigen will.  
  Es sind alda drey grosse Höfe, in welche das Volck gehen darf; da ihnen hingegen die andern versperret sind. In dem ersten ist das Zimmer der Azamoglans auf der einen Seite, und das Krancken-Haus der Sclaven des Seraglio auf der andern. Der andere Hof ist voller Cypressen-Bäume; die Flügel sind wie bedeckte Spatzier-Gänge gebauet, worinnen man die Küche des Seraglio, des Groß- Sultans Ställe, und das Divan findet. Die Casna oder Schatzkammer ist gleichfals in diesem Hofe.  
  Auf der Seite findet man die Oda, oder die Cammer vor die Ichoglans, welches die jungen Knaben sind, so zum Tribut pflegen gegeben, und zum Dienst des Groß- Sultans aufbehalten zu werden. Eben in diesem Hofe ist auch die Childaroda, die mit allerhand Kostbarkeiten angefüllet ist, sonderlich mit denen Geschencken der Abgesandten. Diese ist mit dicken Mauren umgeben, auch mit einer eisernen Thüre verwahret, und hat wenig Fenster, welche mit eisernen Gittern vermacht sind. Die Casna ist auswendig mit des Groß-Sultans Siegel versiegelt.  
  In dem dritten Hofe ist ein grosser Saal, auf welchem der Groß-Sultan den fremden Gesandten Audienz ertheilet, an welchem man sehr viele Pracht und Kostbarkeit siehet. Über dieses ist daselbst das Zimmer der Odaliques oder Sclavinnen welche der Sultan zu seiner Lust hält. Was darinnen vorgehet kan man nicht erfahren, ohne allein durch einen von denen Kämmerlingen des Seraglio, oder durch eine Weibsperson, welche wegen übeln Verhaltens daraus verjagt, oder von dar an einen Bassa verheyrathet worden  
  Das Volck geht sehr selten in des Sultans Zimmer, und zwar nicht eher, als wenn er abwesend ist; so groß ist ihre Ehrerbietigkeit, nicht allein gegen seine Person, sondern auch gegen alle Dinge, deren er sich bedienet. Dieses Gemach geht auf einen grossen Hof, welcher über und über mit sehr feinen Marmor gepflastert, und mit mosaischer Arbeit, auch sehr vielen Fontainen gezieret ist. Das Zimmer des alten privat Divan ist  
  {Sp. 1680}  
  morgenwärts gebauet, mit Pfeilern unterstützt, und mit einem See umgeben, welcher rings umher 30 Fontainen formiret. Es ist eine kleine Brigantine oder Kahn auf diesem See, alwo der Groß-Sultan sich bisweilen mit seinen Stummen und Stocknarren belustiget.  
  Die Mauren des Zimmers, worinnen der Groß-Sultan liegt, sind mit feinen Porcellan gezieret, und mit schönen Blumen geschmückt. Das Bette hat insgemein die Form eines Römischen Pavillon von göldenen Zeuge. Das Spanbette und die Pfeiler sind von Silber, und alles übrige gleichfals sehr kostbar. Im Winter werden kostbare Peltzwercke auf und unter das Bette geleget. Die Seiten sind mit Persianischen Tapeten, so mit Golde unterwürckt, bedecket.  
  Der Sultan liegt in einem kleinen Turban; und wenn er allein schläft, so halten drey von seinen Aufwärtern Schildwacht, einer bey der Thür, die andern beyde aber nahe bey seinem Bette, um auf das geringste Zeichen bereit zu seyn, und ihm die Kleider anzulegen, wenn es die Noth erfordern solte. Nahe dabey ist das Zimmer, worinnen er sich im Pfeilschiessen übet. Die Türcken zeigen die Merckmahle seiner Schüsse mit eben so grosser Ehrerbietigkeit, als die Christen mit ihren kostbaren Reliquien thun. In dem  
     
  Seraglio des Frauenzimmers.  
  werden die vornehmsten Hof Dames, an der Zahl 3000 erhalten. Einige davon sind junge Damen, welche unterwiesen und auferzogen werden; andere sind ansehnliche Matronen, welche die Aufsicht haben, und noch andere sind Sclavinnen, welche ihnen aufwarten. Man findet alhier Weibspersonen aus den meisten Ländern, die vor den Sultan eingeschickt werden. Die Tartarn senden die auserlesensten Weibspersonen, die sie gefangen bekommen, hieher; und wenn in einem eroberten Lande eine ausserordentliche schöne und sonderlich begabte Person gefunden wird, so wird sie dem Sultan vorbehalten; wenn sie anfängt alt und unangenehm zu werden, so wird sie in das alte Seraglio gethan.  
  Diejenigen, welche in dem Seraglio sind, werden alle vor Türcken gehalten, sie mögen sonst vor eine Religion haben, welche sie wollen. Dazu wird nichts anders erfodert, als dieses, daß sie einen Finger aufheben, und schreyen: Lo Allach. Mohammedresoul Allah. Es ist nur ein Gott, und Mahomet sein Prophete.  
  Wenn sie in das Seraglio kommen, werden sie von einem alten Weibe angenommen, welche Checaja Chedun, das ist, die Frauenzimmer Regentin genennet wird. Sie wohnen gantz abgesondert in diesen Zimmern, und haben allezeit ihre alte Matronen um sich, welche sie niemals aus dem Gesichte lassen. Sie haben ihre Bäder, ihre feine Gärten, und ihre Lehrmeisterinnen, welche sie die Sprache und einige künstliche Arbeit zu ihrer Ergötzlichkeit lehren.  
  Der Sultan ergötzet sich mit keinen andern, als mit denen, welche die Checaja Chedun ihm präsentiret. Sie lässet sie vor ihm tantzen, auf Instrumenten spielen, und sonst alle andere Dinge thun, die sie am besten verstehen Wenn er von ihnen weggehet, wirfft er sein Schnupfftuch derjenigen zu, die ihm am besten gefällt, die ihm denn gebracht werden muß. Des Morgens, wenn er aufstehet, überlässet er das  
  {Sp. 1681|S. 854}  
  Kleid, so er angehabt, nebst allem Gelde im Beutel seiner Beyschläfferin; und wenn er sie seiner Liebe würdig achtet, giebt er ihr noch herrlichere Geschencke.  
     
  Sultanin, Printzen und Printzeßinnen:  
  Diejenige, welche das Glücke hat schwanger zu werden, wird mit dem Titul Assechi Sultane, das ist, Sultanin Königin, beehret, welcher ihr hernach bestätiget wird, wenn sie einen Printzen zur Welt bringet; ist es aber eine Tochter, so wird sie nur schlechtweg Sultanin genennet. Jedoch werden ihnen besondere Zimmer eingeräumet, nebst allen andern Nothwendigkeiten; und ihre Töchter werden an die vornehmsten Bachas vermählet, welche eine so grosse Ehrerbietigkeit gegen sie tragen, daß sie sich vor unwürdig halten, sich ihrer zu bedienen. Sie tragen allezeit einen mit Perlen versetzten Dolch, als ein Zeichen ihrer Autorität.  
  Die Sultaninnen sind eyfersichtig über einander, und es will immer eine den Vorzug über der andern haben. Äusserlich aber stellen sie sich gantz freundlich gegen einander an. Wenn ein Printz, welchen eine Sultanin zur Welt gebracht, verstorben, so wird sie wieder eine schlechte Sultanin, und tritt eine andere, die nach ihr einen Printzen gebohren, an deren Stelle. Vor diesem wurden die Sultaninnen mit Solennitäten vermählet, und solche Ceremonie in Gegenwart des Muffti verrichtet. Allein dieser Gebrauch ist anjetzo gantz abgeschafft, um die jährlichen Einkünffte der 500000 Zequins zu ersparen, welche ihnen Selim I zueignete, ihren Staat zu erhalten.  
  Der Chislar Agasi, das Haupt der sogenannten schwartzen Verschnittenen bewacht die Thüren der Groß Sultanin mit 30 seiner Mohren. Die Sultaninnen gehen niemahls aus, ohne allein, wenn der Groß-Sultan sie mit sich spatzieren führet, wobey man aber sie nicht zu sehen bekommt, indem auf den Gassen, durch welche gefahren wird, die Fenster mit Tüchern behangen werden müssen. Wenn sie den Hof auf einer langen Reise begleiten, so sitzen sie in gantz zugemachten Kutschen, daß niemand, ausser ihren schwartzen Verschnittenen, sie sehen kan.  
  Die alten Matronen untersuchen alles, was vor sie gebracht wird. Der geringste Fehler kan sie in das alte Seraglio bringen. Wenn sie der Zauberey oder sonst eines grossen Verbrechens überzeugt worden, werden sie in einen Sack genähet und in die See geschmissen.  
  Es halten sich in dem Seraglio des Groß-Sultans Muhmen, Schwestern und Töchter auf, welche nach ihrem Range daselbst unterhalten werden. Die Sultaninnen brauchen zu ihrer Aufwartung junge Mohrinnen. Es dürffen keine Mannspersonen in ihr Gemach gehen, ohne allein solche Bediente, welche wegen ihres Amts dahin kommen müssen. Denn es darf auch nicht einmahl der Leib-Medicus, ohne des Sultans Erlaubniß, eine von den Sultaninnen besuchen; und wenn er solches thut, so nehmen alle andere einen Abtritt, da er denn durch die schwartzen Verschnittenen in der Patientin ihr Gemach geführet wird, welche daselbst gantz bedeckt liegt, bis auf einen kleinen Theil ihres Arms, alwo er den Puls anfühlet. Ist es die grosse  
  {Sp. 1682}  
  oder eine andere Sultanin, so hat sie ihre Hand und Arm mit einer feinen Decke verhüllet, damit der Artzt ihre Haut nicht berühren möge, welcher sich alsobald wieder fortmacht, wenn er ihr die Artzney-Mittel, so er ihr vor dienlich hält, vorgeschrieben hat.  
  Die jungen Printzen werden, wenn sie eine Mutter haben, von den Wärterinnen, Rintracciate genannt, ausserhalb dem Seraglio erzogen: hat aber der Sultan unterschiedliche, die er liebt, so werden sie in besondern Zimmern aufgebracht; da denn eine jegliche Mutter ihre eigene Kinder in acht nimmt.  
  Des Sultans Töchter werden auch mit grosse Sorafalt erzogen; jedoch nicht so, wie die jungen Printzen, welche einen Chozza, oder Lehrmeister haben, der sie von dem fünften Jahre an bis in das eilffte unterrichtet. Dieser wird zu gewissen Stunden durch zwey schwartze Verschnittene in ein besonder Gemach geführet, muß sich auch nach verrichteter Lection gleich wieder fort machen wobey genau auf ihn acht gegeben wird, daß er ja kein Frauenzimmer zu sehen bekomme.  
  Vorzeiten wurde derjenige Printz, welchen man vor den Cron-Erben hielt, wenn er schon ziemlich groß war, nach dem Gesetze beschnitten, und wenn der regierende Fürst es vor gut ansahe, bekam er Erlaubniß aus dem Seraglio zu gehen, da ihm denn ein Haus eingeräumet, und einer von den vornehmsten Verschnittenen, welchen man Sala Pacha nannte, zu seinem Hofmeister, wie auch eine ziemliche Anzahl Diener aus dem Seraglio zu seinem Gefolge gegeben wurden. Hierauf bekam er von dem Groß Sultan von den Sultaninnen, und von den Bachas grosse Präsente, und wurde nach Magnesia, einer Stadt in Asien, gebracht alwo er residirte. Jedoch war der Gouverneur verbunden, auf sein Verfahren acht zu haben, und alles genau zu berichten.  
  Die andre Printzen, denen man das Leben schenckte, bekamen auch ihre Apanagen, und wurden mit getreuen Leuten versehen, um sie in ihren gebührenden Schrancken zu erhalten, und zu verhindern, damit sie nicht etwan mit solchen Personen, welche sie zu allerhand Unordnungen anreitzen möchten, Gemeinschafft hielten. Es wurden aber diese Printzen deswegen lieber in Asien als in Europa geschickt, damit sie desto weiter von den Christen entfernet seyn möchten. Allein anjetzo haben die Türcken diese alte Gewohnheit abgeschafft, so, daß die Printzen allezeit in dem Seraglio unter des Vaters Zucht gehalten werden. Es sind auch daselbst 7 oder 800  
     
  Azamoglans,  
  welche von dem 12 Jahre an bis in das 30 erzogen werden. Diese sind Söhne der abgefallenen Christen, und die Zinß- Kinder, welche in den Provintzen des Ottomannischen Reichs aufgebracht werden. Der Bostangi Bassa oder Ober-Gärtner hat die Aufsicht über sie, wenn sie erwachsen, und braucht sie zu solchen Geschäfften, wozu sie sich am besten schicken. Sie sind allezeit bereit; und vollziehen des Groß- Sultans Todes-Urtheile, an den vornehmsten Bassen.  
  Nach der ersten Verordnung sollen die Janitscharen, Azamoglans und Agalares lauter Christen seyn; unlängst  
  {Sp. 1683|S. 855}  
  aber sind auch Türcken mit darunter genommen worden. Diese junge Leute stehen unter der Regierung der weissen Verschnittenen, welche sie sehr strenge erziehen, und ihnen von ihrer Kindheit an die Einbildung machen, daß nichts so rühmlich sey, als des Groß- Sultans Befehlen zu gehorchen, auch daß sie, woferne sie durch seine Hand oder Befehle sterben, unfehlbar selig werden.  
  Diese falsche Maximen haben bey einigen Türcken so viel gefruchtet, daß verschiedene ansehnliche Bassen gewesen, welche sich vor unglücklich gehalten, wofern sie nicht ihr Leben durch die Hand oder auf Befehl des Sultans haben beschliessen, und also, ihrer Einbildung nach, sich der Ehre des Paradieses würdig machen können. Sie werden anfänglich in Schreiben, Lesen und Erlernung der Türckischen Sprache unterrichtet. Von dar kommen sie in eine andere Schule, worinnen sie gantze fünf Jahr im Bogenschiessen, Ringen und Wettlauffen unterrichtet werden. Hierauf werden sie in die dritte Schule gebracht, darinnen sie sich nicht allein in den obigen Exercitien noch fester setzen, sondern auch im Reuten und Voltigiren unterwiesen werden.  
  Ausser diesen erlernen sie noch andere Dinge, zu des Groß-Sultans Dienst, als barbiren, Turbans und Kleider machen, Falcken und Jagd-Hunde abrichten, Bogen und Pfeile zubereiten, damit sie Cammerdiener, Bereuter und dergleichen abgeben können. Wenn sie nun unterschiedliche Proben abgeleget, daß sie ihre Religion gantz vergessen haben, und in der Mahometanischen beständig beharren, werden sie zu Ehren-Ämtern befördert.  
  Diejenigen, welche um den Sultan sind, können zu allerhand Ämtern kommen. Alsdenn werden sie von neuem in ein grosses Buch verzeichnet, und ihnen zum Dienst des Groß- Sultans ein gewisses Amt gegeben. Ihre Besoldung wird bis auf 40 Aspers den Tag vermehret, und werden ihnen seidene Kleider gegeben, und nachdem sie es verdienen, von Brocad. Sie führen einen gantz verschornen Kopf, nur daß sie an den Schläffen, um die Ohren zu bedecken, ein paar Zipffel wachsen lassen, welches ein Zeichen ist, daß sie zum Dienste des Sultans gewiedmet sind.  
  Die vornehmsten Hof-Bedienungen, wozu sie gezogen werden, sind  
 
  • Selictar Aga, welcher des Groß-Sultans Degen trägt;
  • Rohodar Agar, welcher den Jamberluco trägt;
  • Giepptar Aga, oder der Ober-Aufseher über die Laqueyen;
  • Matarangi Aga, welcher das Gefäß mit Wasser trägt;
  • Dulbert Aga, welcher den Turban trägt;
  • Chiamachir Aga, welcher über allerhand Zeuge die Aufsicht hat;
  • Cesnigir Bassi oder Groß-Hofmeister;
  • Dogangi Baßi, oder Ober- Falckenier;
  • Busanangi Baßi oder Cammer-Präsident;
  • Ternargi Baßi, der dem Groß-Sultan die Nägel abschneidet;
  • Berber Baßi, oder obrister Barbirer;
  • Fellach Baßi, der den Groß-Sultan badet;
  • Leschierigi Baßi, der Secretarius.
 
  Aus diesen Hofbedienten nimmt der Groß-Sultan seine Beglerbegs in Griechenland und Natolien, Agaes der Janitscharen, Obristen von den Spahis, Gouverneurs von den Provintzen des Reichs u.d.g. auch werden die Abgesandten und Chiausen, welche vormahls den Fürsten von der Wallachey, Moldau und Siebenbürgen, die Be-  
  {Sp. 1684}  
  stätigung ihrer Fürstenthümer brachten, von diesen Azamoglans genommen. Allein anjetzo werden die Capigis Bassas, welche mehrentheils der Sultaninnen Söhne sind, zu solchen Geschäfften gebraucht.  
  Sie kommen nicht eher aus dem Serail, als bis sie zum wenigsten 30 Jahr alt sind, und weil sie, so lange sie sich darinnen aufhalten, gantz beschoren sind, so kommen sie nicht eher heraus, bis sie ihren Bart haben wachsen lassen, welches bey den Türcken ein Zeichen von der Reiffe des Verstandes ist. Wenn sie aus dem Serail gehen, thut ihnen der Groß-Vezier grosse Ehre an. Er schickt ihnen seinen Checara entgegen, welcher sie in seinen Pallast führt. Nach diesem fangen sie ihre eigene Haushaltung an, und bekommen von den Sultans und Bachas ansehnliche Geschencke. Wenn sie aber einmahl aus dem Serail sind, ist ihnen nicht weiter vergönnet dahin zu kommen, es sey denn auf Befehl des Groß- Sultans. Das  
     
  alte Seraglio.  
  welches mit sehr hohen Mauren umgeben, ist wegen seiner Gebäude, Fontainen und Bäder ansehnlich. Der Groß-Sultan hat ein aufgeputztes Zimmer darinne, wohin er kömmt, wenn er eine Groß- Sultanin besuchet, welche sich nach dem Tode ihres Gemahls darein begiebt. Dieses Seraglio wurde von Mahomet III in einem von den besten Theilen der Stadt erbauet. Es hat nur ein Thor, so von Verschnittenen verwahret wird. Es dürffen keine Mannspersonen hinein gehen, ohne allein diejenigen, welche Proviant hinein bringen, sich aber darinnen nicht verweilen, noch einige Weibspersonen zu sehen bekommen.  
  Dasjenige Frauenzimmer, welches aus dem andern Seraglio von dem Sultan verstossen worden, oder alt wird, oder durch ein sonderbares Verbrechen seine Gnade verlohren hat, wird hieher geschickt unter einer alten Matrone, die sie mit sehr grosser Strenge regieret. Die Groß- und andere Sultaninnen haben ihre besondere Zimmer, und halten mit den geringern Weibspersonen keine Gemeinschafft. Diese letztere werden so übel versorgt, daß es ihnen bisweilen an nothdürfftigen Unterhalt mangelt; dahero fürchten sie sich vor nichts mehr als vor diesem Seraglio.  
  Jedoch haben sie hierbey noch diesen einigen Trost, daß es ihnen frey stehet zu heyrathen. Die Verschnittenen sind ihre Unterhändler, und versorgen sie mit Männern. Ihre Mitgabe ist nichts mehr, als was sie zur Zeit ihres Wohlstandes ersparet, und aufgehoben haben, welches sie zu verbergen pflegen, damit es ihnen nicht genommen werden möge.  
  Es sind bey den Türcken weisse und schwartze  
     
  Verschnittene  
  in dem Seraglio. Die Weissen bewachen des Sultans Thür; und die Schwartzen das inwendige Seraglio der Weibspersonen. Der ansehnlichste unter allen ist Capi Aga, das Haupt von allen weissen Verschnittenen. Der andere ist Casnadar Baßi, der Groß- Schatzmeister. Der dritte Chilergi Baßi, welcher von dem ausgelegten Gelde die Rechnung führt. Der vierte ist  
  {Sp. 1685|S. 856}  
  Serrai Agasi, der Hüter und Aufseher des Seraglio. Diese viere, welche insgemein ziemlich bey Jahren sind, stehen in grossem Ansehen, insonderheit der erste, als welcher ohnmittelbar von dem Groß-Sultan dependirt; wie denn auch alle Suppliquen, welche bey Hofe eingegeben werden, durch seine Hand gehen, er auch das Amt eines obristen Cammerdieners verrichtet.  
  Er folgt dem Groß-Sultan nach, wo er hingehet, und begleitet ihn bis an die Thüre des Frauenzimmers. Er bekommt des Tags über 10. Soltanins, und kan über dieses noch vielmehr Geld machen, weil alles, was in oder ausserhalb dem Seraglio geschicht, durch seine Hand gehet, und er dannenhero grosse Geschencke bekommt.  
  Der Casnadar, welcher die Aufsicht über den Casna oder die Schatz Cammer führet, hat einen Schlüssel, und der Sultan gleichfals einen. Müssen sie wegen einiger nöthiger Staats- Angelegenheit eine Summe Geldes oder sonst etwas kostbares daraus nehmen, so geschicht solches nur mit dem Beding, es wiederum hinein zu legen. Denn der Schatzmeister hält ein accurates Register über alles, was in diese Schatz-Cammer hinein gethan, oder von dar heraus genommen wird.  
  Der Chilergi Baßi hat die Aufsicht über alle Cron-Zierrathen, güldene und seidene Zeuge, kostbare Zobel, mit Edelgesteinen reich versetzte Sebel, Ambra, Muscur, Balsam, Bezoar, Terra sigillata, über die Gefässe von Agath, Türckis, Jaspis und andere kostbare Edelgesteine. Er hat täglich 1000. Apers einzunehmen, welches sich auf 100. Cronen beläuft.  
  Es ist daselbst noch ein ander Zimmer, der Fiscus genannt, wohin sie alle Güter und Schätze legen, die sie den Bassen nehmen, welche auf des Groß-Sultan Befehl stranguliret werden, woferne nicht diese etwa vor ihrem Tode ihre Güter und Sachen einer Moschee vermachen.  
  Der Sarrai Agasi ist Aufseher von dem Seraglio, woraus er niemahls gehet, wenn der Groß-Sultan abwesend ist. Wegen seines hohen Alters hat er Erlaubniß in die Stadt zu reuten, und bekommt täglich acht Cronen zu seinem Unterhalt, ohne was er sonst vor Profit machen kan.  
  Diese vier Bediente tragen Turbans, und weil sie stets um des Groß-Sultans Person seyn müssen, so sind sie in grossem Ansehen. Es sind ohngefehr 100. Verschnittene in dem Seraglio, welche bisweilen zu grossen Bedienungen gezogen werden, als, daß man sie zu Bassas von Cairo, zu Gouverneurs von den Provintzen und zu Veziers macht; weil sie auch den Ruhm haben, daß sie sehr getreu sind, wird ihnen das Geld und Frauenzimmer anvertrauet.  
  Die schwartzen Verschnittenen, welche den Sultaninnen dienen, kommen von Cairo, und werden von einer gewissen Blume oder Edelgesteine benennet, so daß einer Demant, der andere Perle, Coralle, Rose und so fort geheissen wird. Die Schwartzen reden bisweilen mit dem Groß-Sultan, wenn sie ihm eine Bothschafft von seiner Favoritin bringen. Sie gehen niemahls aus dem Seraglio ohne ausdrückliche Erlaubniß der Groß-Sultanin. Die Weissen dürffen nicht in das Frauenzimmer kommen, sondern ein jeglicher von ihnen verrichtet sein besonderes Amt.  

vorhergehender Text  Teil 4 Artikelübersicht Teil 6  Fortsetzung

HIS-Data 5028-45-1629-8-05: Zedler: Türcken [5] HIS-Data Home
Stand: 1. November 2016 © Hans-Walter Pries