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Zedler: Türcken [6] HIS-Data
5028-45-1629-8-06
Titel: Türcken [6]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 45 Sp. 1629
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 45 S. 856
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Übersicht
  Connexion der Türcken mit andern Potentzen, Staats-Interesse und
Nachbarn des Türckischen Reiches
  Prätensionen und Anwartschafften der Türcken
  Leibes-Beschaffenheit der Türckischen Nation
  Gemüths-Beschaffenheit der Türckischen Nation
  Der Türcken Haß gegen die Persianer
  Ehestand bey den Türcken
  Sclaven-Handel
  Tracht der Türcken
  Begräbniß und andre Gebräuche
  Der Türcken Spiele
  Türckische Mahlzeiten und Speise-Arten
  Türckischen Waaren
  Türckische Müntzen
  Hohe Schulen
  Buchdruckerey
  Bibliothecken
  Was Rechtens wegen der Türcken
  [Literatur]

Stichworte Text Quellenangaben
  Connexion der Türcken mit andern Potentzen, Staats-Interesse und Nachbarn des Türckischen Reiches.  
  Wenn man die Nachbarn des Türckischen Reiches betrachtet, so grentzet solches in Asien mit Persien. Ob nun wohl die Türcken denen Persern an Macht weit überlegen, auch durch Bagdad, welches noch zur Zeit in ihren Händen, einen grossen Vortheil vor diesen haben, hiernächst eine unversöhnliche Feindschafft zwischen ihnen und denen Persern sich ereignet, davon bald die Ursachen sollen angezeiget werden; so siehet man doch nicht leicht, daß die Türcken sonst eine geraume Zeit her, wenn sie nicht die höchste Noth gezwungen, Persien mit Krieg angreiffen wollen, ausser in denen letztern und neuesten Zeiten.  
  Dessen Ursache ist, weil durch die Erfahrung befunden, daß Persien der Türcken Kirchhof, und die grossen Armeen, so man in dem 15. und 16. Jahrhunderte dahin geschicket, ordentlich durch Hunger zu Grunde gegangen. Immassen denn denen Persern ein leichtes, durch Verheerung der nächstgelegenen Provintzen und Abgrabung der Qvellen die Türckischen Truppen zu arretiren, und von fernerm Einbruch abzuhalten.  
  Hingegen haben auch die Perser bißher sich nicht an den Türcken zu reiben begehret, zumahl da sie eine geraume Zeit weibische Könige gehabt, so lieber ihre Tage in allerhand Wollüsten und Üppigkeiten zubringen, als sich mit gefährlichen Kriegen verwirren wollen; Gestalt man denn gesehen, daß ohngeachtet oft bey dem letzten Türcken-Kriege die Türckische Machten von denen Christen so sehr geschwächet, und ob schon unterschiedliche ansehnliche Provintzen ihnen entzogen waren, sie sich dennoch im geringsten nicht moviret, noch der herrlichen Gelegenheit zu gebrauchen begehret.  
  In Africa grentzet das Türckische Reich auf der einen Seite an den König von Abyßinien: allein sie haben sich von solcher Seite auch nichts zu befahren, indem die Abyßiner gar nicht in dem Stande sind, sonderliche Conqveten zumachen. Die übrigen kleinen Fürsten in Africa sind froh, wenn sie von denen Türcken unangefochten bleiben, und haben weder den Willen, noch die Macht, ihnen Schaden zu thun.  
  In Europa sind ihre Nachbarn der Tartar Cham, die Königreiche Ungarn und Pohlen, der Czaar von Moscau und die Republic Venedig. Von denen Tartarn hat sich der Türckische Kayser nichts zu befahren, indem er ihnen durch Caffa und einige andere Plätze am schwartzen Meere den Daumen auf denen Augen halten kan. Da zudem die Tartarn auch keine Infanterie haben, vielmehr ihres eigenen Interesses halber an den Türckischen Kayser gebunden sind, als welcher nicht allein den Cham belehnet, und eine jährliche Pension giebt, sondern auch sein und seiner Horden sich in denen Feld-Zügen gebrauchet.  
  Gestalt denn die Tartarn krafft des zwischen ihnen und der Pforte geschlossenen Bündnisses schuldig sind, sich bey der Türckischen Armee in grösserer oder geringerer Anzahl, nachdem der Türckische Kayser oder Gross-Vezier, oder ein geringerer General zu Felde gehet, zu erscheinen, welches denn, weil die Tartarn ohnedem aus Plündern, Rauben und Stehlen ein Handwerck machen, fast ihre beste Nahrung ist. Zu geschweigen, daß die Türcken ihnen auch damit das  
  {Sp. 1687|S. 857}  
  Maul schmieren, daß wenn etwa dermahleinst die Ottomannische Familie abgehen solte, sodann der Tartar-Cham im Türckischen Reiche succediren solte.  
  Das Königreich Ungarn ist denen Türcken lange Zeit ein Dorn in denen Augen gewesen, daher sie seit des Kaysers Selims Zeiten sich so eyfrig angelegen seyn lassen, immer ein Stück nach dem andern davon abzureissen, wobey sie denn weder Blut noch Gut geschonet, und mag ihr Absehen wohl dahin gegangen seyn, daß sie sich dadurch einen Weg nach Deutschland zu bahnen verhoffeten. Wie denn auch nicht leugnen, daß vor dem Jahr 1683. die Sache ein ziemlich schlechtes Ansehen vor die Christenheit gehabt.  
  Allein der letzte Krieg hat die Türcken in ihrer Hoffnung allzusehr zurücke gesetzt, und scheinet gar glaublich, daß sie dadurch gewitziget worden, und wenn nicht etwan eine innerliche Unruhe in Ungarn ihnen eine sonderliche Gelegenheit an die Hand giebt, so leichtlich sich nicht wieder daran reiben werden, da zumahl die Kriege in Ungarn denen Türcken ziemlich beschwerlich, nicht nur weil sie auf der Donau alles wieder den strengen Strom mit grosser Mühe und Zeit- Verlust anschaffen müssen, sondern auch weil ihre Militz gröstentheils der kalten Nächte und des ungesunden Wassers nicht gewöhnet, und daher häuffig dahin sterben.  
  Hingegen haben sich die Türcken, wenn sie sonst ruhig seyn wollen, nicht leichtlich zu befahren, daß man aus Ungarn sie mit Kriege überziehen werde, indem doch ihre Macht, ungeachtet sie im vorigen Kriege ziemlich geschwächet worden, annoch sehr considerabel, und niemand einen so starcken Feind von freyen Stücken sich auf den Halß hetzen wird.  
  Von Pohlen hat sich das Türckische Reich wenig zu besorgen; vielmehr hat jenes, unerachtet es Caminieck durch den letzten Frieden wieder bekommen, mehr als zu viel Ursache, auf guter Hut zu stehen, indem doch die Türcken an der Wallachey und Moldau eine offene Thüre in Pohlen haben, selbiges Land auch mit keinen sonderlichen Festungen verwahret, und die Türckische Macht der Pohlnischen weit überlegen ist.  
  Moscau hingegen ist allerdings vor einen gefährlichen Nachbar zu halten, zumahl da selbiges nunmehr auch in der Ukraine festen Fuß gesetzet, die Festung Asoff an dem Flusse Tanais erobert, und so gar an dem schwartzen Meere, auf welcher Seite das Türckische Reich am schwächesten, Posto gefasset, dabey auch Rußland eine grosse Macht auf den Beinen hat, welche es von Tage zu Tage in bessere Positur setzet, und gute Officierer von fremden Nationen in seine Dienste nimmt, und wegen der absoluten Autorität auch gar bequem etwas wichtiges unternehmen kan. Daher die Türcken wohl Ursache haben, ein wachendes Auge auf Moscau zu richten.  
  Was endlich die Republic Venedig anbetrifft, so wird selbige wohl allein nichts wieder das Türckische Reich anfangen, massen man denn ehemahls gesehen, daß ihr gantzes Absehen dahin gegangen, damit sie nur soviel möglich, alle Gelegenheit mit selbigem zu collidiren vermeiden möchten. Zu welchem Ende sie so viel verdrießliche Pillen verschlucket, daß auch daher die Spanier sie Amacebada del Turco, oder des Türckischen Kaysers Concubine zu nennen pflegen. Und ob sie wohl in dem letztern Kriege in die grosse Alliantz mit gutem Succeß getreten, jedoch nach-  
  {Sp. 1688}  
  dem sie einmahl einen vortheilhafften Frieden erhalten. so ist nicht zu glauben, daß sie ohne grosse Noth sich in einen auswärtigen Krieg verwickeln werde. Weil doch, obschon die Vemtianische See-Macht der Türckischcn noch wohl die Wage halten kan, jedoch zu Lande die Türcken ihnen allzusehr überlegen, und überdiß der Handel nach der Türckey allzunützlich vor die Republic ist.  
  So haben sie auch von denen Malthesern, die zwar ihre immerwährende Feinde sind, und Kraft ihes Ordens- und Eydes denen Türcken allen möglichen Abbruch thun müssen, sich weiter nichts zu befürchten, als daß diese ein oder ander Schiff wegnehmen, und auf denen Küsten eine Landung thun, und das platte Land plündern, wodurch aber zur Haupt- Sache wenig beygetragen wird.  
  Mit dem übrigen Europa haben die Türcken nicht Ursache, sich in einen Krieg einzulassen, weil sie einander zu weit entlegen, vielmehr finden beyderseits ihren Vortheil dabey, daß die Commercien nicht unterbrochen werden.  
  Sonst hat die Ottomannische Pforte auf den Pabst in Rom immer darum ein wachsames Auge, weil an dem Päbstlichen Hofe öfters solche Consilia geschmiedet werden, die allerdings zur Schwächung oder wohl gar zum gäntzlichen Untergang ihres Reiches gereichen müsten, wenn die Christlichen Puissancen so einig wären, und solche zur Execution zu bringen suchten, wie denn auch der Päbstliche Hof noch bis auf diese Stunde Titular- Ertz- und andere Bischöffe, desgleichen Patriarchen in partibus infidelium zu machen oder zu ernennen pfleget. Alle diese Patriarchate, Ertz- und Bißthümer, mit deren Titel der Päbstliche Hof so viele ambitiose geistliche Personen abzuspeisen und zu befriedigen pfleget, sind insgesammt in den Landen des Türckischen Reiches gelegen.  
  Mit Franckreich hingegen pfleget die Ottomannische Pforte allemahl in einem ziemlich guten Vernehmen zu stehen; dergleichen sie auch mit Engelland und Holland zu unterbauen suchet.  
  Prätensionen und Anwartschafften der Türcken.  
  Ihre vornehmste Anwartschafft ist auf die Tartarey, wenn das Geschlecht derer von Kerey solte aussterben, sintemahl diese wieder die Anwartschafft zum Türckischen Throne haben, wenn etwan das Geschlechte derer Groß Sultane aussterben solte, welches aber von beyden Theilen nicht so leicht zu vermuthen. Die Prätensionen kan man aus des Bajazeths Exempel abnehmen. Denn als selbigem von dem König Sigismund in Ungarn remonstriret wurde, wie jener ja so gar keine Prätension auf Ungarn hätte; so wieß Bajazeth ein gantzes Zimmer voller Sebel, mit der Bedeutung, daß so lange wie sie diese Waffen führen könnten, so lange hätten sie Prätension auf alles, was sie nur verlangeten.  
  Unterdessen wenn der Krieges-Declaration zu trauen, so im Jahr 1715. wider die Venetianer mit heraus kam, so siehet man wohl, daß die Praetensionen  
 
  • 1) auf alles dasjenige gerichtet, was die Saracenen ehedem besessen, welches also Spanien, Sicilien, Sardinien und Neapol seyn würde.
  • 2) Was zum Orientalischen Kayserthume gehöret hat, welches also Ungarn und andere angrentzende Länder und Inseln, und vermuthlich das zum Exarchat gehörig gewesene Land in Italien seyn würde.
 
  {Sp. 1689|S. 858}  
  Leibes-Beschaffenheit der Türckischen Nation.  
  Die Türcken sind insgemein von einem breiten Angesicht, und von einer wohlgestalten und starcken Leibes-Constitution. Die Europäischen Türcken sind an Farbe so ziemlich weiß, und so auch viele Asiatische Türcken. Andere Asiatische Türcken sind gelbicht und schwarzgelb die Araber sehen zum Theil eben also, andere hingegen gantz kohlschwartz, und die Egyptier, so zu Africa gerechnet werden, fallen ebenfalls stark in die schwartze Farbe.  
  Gemüths-Beschaffenheit der Türckischen Nation.  
  Was aber die Tugenden und Laster der Türckischen Nation anbelanget; so ist zwar nicht ohne, daß man insgemein einen abscheulichen Concept sich von ihnen zu machen pfleget. Aber diejenigen, so Gelegenheit gehabt, sie besser kennen zu lernen, wollen gleichwohl versichern, daß ob schon nicht zu leugnen, daß sie unterschiedlichen Lastern ergeben, hingegen auch nicht wenig an ihnen zu loben sey; doch ist hierbey zu beobachten, daß hier nur von dem gebohrnen Türcken die Rede: Denn die Renegaten, so ohnedem insgemein der Schaum ihrer Nation, sind viel lasterhaffter, als die Türcken selbst. So viel ist gewiß, daß man eben nicht Ursache hat, sie gar zu sehr zu verachten, und vor bloße Bruta anzusehen; Aber auch sie nicht allzusehr zu loben.  
  Insgemein werden die Türcken getadelt, daß sie hoffärtig, rachgierig und grausam sind, und andere Völcker gegen sich gering halten, ingleichen daß sie dem Geitze sehr ergeben, und fast alles durch Geld bey ihnen durchzubringen; wie nicht weniger, daß sie zur Geilheit sehr geneigt, worzu ihnen ihre Religion und Gesetz, krafft deren sie nicht nur 4 Eheweiber zu gleicher Zeit, sondern auch so viel Concubinen, als sie wollen, halten dürffen, gute Gelegenheit giebt, welches alles nicht zu leugnen ist.  
  Als ein Zeugniß eines nicht alzupoliten Wesens der Türcken kan auch dieses dienen, wenn wir nur betrachten, wie sich dann und wann so gar die Türckischen Gesandten an anderer Potentaten Höfen so schlecht, was gute Sitten anbetrifft, aufgeführet habm, da man doch glauben solte, daß sie nicht die schlechtesten Leute ihrer Art zu solchen Gesandtschafften gebrauchen werden. Wien wird davon aus der Erfahrung reden können. Auch kan man solches aus ihrem ungesitteten und unartigen Bezeigen gegen frembde Gesande in ihrem Lande sehen, welches auch nicht eben allemahl das lobenswürdigste gewesen, indem sie zum öfftern nicht so mit ihnen umgegangen, als etwa wohlgesittete Völcker zu thun pflegen.  
  Im Jahr 1617 erlitte der Frantzösische Ambassadeur zu Constantinopel einen harten Affront, und zwar durch folgende Gelegenheit; Ein Pohlnischer von Adel, Koretzky, war im Kriege gefangen, und nachgehends zu Constantinopel ins Gefängniß geworffen worden, aus welchem er aber durch eine Strick-Leiter echapiret. Weil nun die Türcken einen Argwohn bekamen, ob hätte ihn der Frantzösische Ambassadeur in sein Quartier aufgenommen, und darinnen versteckt, liessen sie ihn ersuchen, selbigen heraus zu geben. Als sich nun dieser mit der Unwissenheit entschuldigte, sendeten sie die Schergen  
  {Sp. 1690}  
  in dessen Pallast, und ließen alles visitiren, da man aber den Koretzky nicht darinnen fand, nahmen sie aus Zorne den Ambassadeur selbst in Arrest, und führten ihn für den Groß-Vezier: welcher ihn nicht allein mit harten Worten empfieng, sondern auch gar bey sich behielte. Ob er nun gleich endlich wieder in seine Freyheit gestellet wurde, musten doch der Secretair, Koch und noch fünff andere Personen des Ambassadeurs, die man am meisten in Verdacht hielte, in dem Arrest bleiben, bis man sie nach einigen Jahren auch unschuldig befande, und loß ließe.  
  Sayedro, welcher in seinem Memoires Historiques des Ottomanns p. 601 dieses Factum erzehlet, setzet gar mit gutem Grunde dieses Raisonnement darzu: Wenn sonst ein Christlicher Potentat, einen dergleichen Minister dergestalt affrontiret hätte: würde es für eine rechtmäßige Art des Krieges geachtet worden seyn; Allein Frankreich reflectirte auf zweyerley:  
 
  • 1) Auf die Türckische Barbarey;
  • 2) Auf die Entlegenheit des Ortes; weil er ihn mit keinem Kriege füglich überziehen konnte.
 
  Ausser Europa finden sich auch Exempel, daß es Streit zwischen den Gesandten der Unchristlichen Potentaten gegeben. Denn als im Jahr 1613 der Persianer eine Gesandtschafft nach Constantinopel gesendet; empfieng man selbige nicht allein gar kaltsinnig; sondern man nennete auch die Menge Seyden, welche er mit zum Präsent brachte, eine Contribution, welche der Perser an die Pforte abführen muste; Und wolte rund aus nicht Frieden machen, es hätte denn zuvor der Persianer alles, was er den Türcken abgenommen, wieder restituiret. Weil sich nun der Perser an dem Türcken zu rächen, nicht getrauete, muste sein Gesandter, als dessen Conduite er alles zuschriebe, herhalten; welchem er die Augen ausstechen ließ.  
  Dieses sind nun freylich Sachen an den Türcken, die anderer Approbation schwerlich erhalten werden. Das aber ist und bleibet gut, daß man von ihnen sagen kan, daß sie ehrlichen und aufrichtigen Gemüthes sind, und in Privat-Affairen niemanden leicht unrecht thun oder betrügen, auch denenjenigen, so sich höfflich und demüthig gegen sie anstellen, glimpfflich genug begegnen.  
  In Eßen und Trincken sind sie gar sparsam und mäßig, und lassen sich an einem geringen begnügen, welches ihnen denn im Kriege wohl zu statten kömmt. Sonderlich ist ihnen der Wein und alles starcke Geträncke in ihrem Gesetze verboten.  
  Ihren Gottesdienst verrichten sie mit grosser Andacht, daß sie hierunter manchen Christen beschämen, sie sind auch sehr eyfrig vor ihre Religion. Gegen ihren Kayser und ihre Obern bezeugen sie grosse Ehrerbietung und Gehorsam. Sie leben auch unter einander gar verträglich, und man wird bey ihnen nicht hören, daß einer den andern zum Duell heraus fordere, wie bey denen meisten Europäischen Nationen diese üble Gewohnheit eingerissen ist. Vielmehr verlachen sie dieses mit Recht, als eine Thorheit an denen Christen.  
  Sonderlich wenn ihr Bairam oder Oster-Fest eintritt, so söhnen sich alle diejenigen, so mit einander in Wiederwärtigkeit gelebet, wieder aus, und meynen, sie würden sonst dieses Fest nicht gebührend begehen. Im Kriege sind sie tapffer und behertzt, worzu denn die Meynung, so  
  {Sp. 1691|S. 859}  
  ihnen von Jugend aus eingepräget wird, daß GOtt einen jeden Menschen sein Lebens-Ziel gesetzt, welches er weder verkürtzen, noch verlängern könne, ingleichen daß die Seelen dererjenigen, so in dem Kriege umkommen, von Mund auf in den Himmel fahren, nicht wenig hilfft. Und ob sie gleich sich in den Wissenschafften nicht versteigen, so sind sie dennoch von gutem natürlichem Verstande, und wissen gar wohl zu erkennen, was ihrem Staate zuträglich sey oder nicht, daß also, die Wahrheit zu sagen, die Türcken in vielen Stücken so gar Barbarisch nicht sind, als man sich einbildet.  
  Der Türcken Haß gegen die Persianer  
  ist, ohnerachtet er gegen die Christen groß ist, noch weit größer, und sie glauben, es gefalle GOtt mehr, wenn man einen Persianer, als wenn man 70 Christen erwürge. Sie können sich sonderlich mit den Persianern wegen der grünen Farbe nicht vertragen, welche die Persianer ihrer Meynung nach verunehren. Denn da die Persianer Strümpffe von grünen Tuche tragen, so ist dieses denen Mahometanern ein Greuel, und sagen: Wovon Mahomet seine Mütze auf dem Haupte getragen, welches eine von grünem Tuche gewesen seyn soll, dieselbe Farbe gezieme sich nicht von einem Persianer an den Füßen getragen zu werden. So sehr aber diese beyden Nationen in diesem Stücke unterschieden sind, so haben sie doch beyde in Ansehung der Religion oder vielmehr zu sagen, des Aberglaubens eine völlige Gleichheit.
  • Dappers Persien p. 79.
  • Olearii Pers. Reise- Beschreib. L. V. c. 12. p 309.
  • Hoornbeecks Summa Controvers. p. 88. u. 96.
  Was den  
  Ehestand bey den Türcken  
  anbetrifft, und zuförderst die Art zu heyrathen, so siehet man keine andere Ceremonien dabey vorgehen, als daß in Gegenwart des Cadi oder Richters, welcher die Mitgabe und die Bewilligung beyder Partheyen anzeiget, ein Contract gemachet wird. Bißweilen werden Zeugen darzu geruffen. Allein es giebt so viele falsche Zeugen zu Constantinopel, daß dieser Gebrauch jetzo gantz in Abnehmen kömmt. Selbst die Abkömmlinge des Mahomets, welche man an ihren grünen Kleidern kennet, lassen sich leicht bestechen.  
  Die Türcken dürffen vier Weiber haben, und so viel Sclavinnen, als sie erhalten können oder wollen. Ihre Kinder erben alle gleich. Unter denen vornehmsten, insonderheit unter denen, welche mit ihren Ober- Herren verwandt sind, haben es die Sclaven-Kinder am besten, weil sie wegen einiger Eyfersucht oder gewissen Staats-Maxime die andern nicht wollen in die Höhe kommen lassen, damit nicht etwa ihre Geburt ihnen Anlaß gebe, Unruhe zu erregen.  
  Die Männer dürffen ihre Weiber um vieler Ursachen willen, deren in dem Alcoran gedacht wird, von sich stossen, insonderheit, wenn sie mit einander nicht gleiches Sinnes sind, und also in dem Hause immer Uneinigkeit ist. Diejenigen, welche also verstossen werden, nehmen ihr Antheil mit sich, und wenn es ihnen mit der zweyten Ehe eben so unglücklich gehet, haben sie die Freyheit, zu ihren vorigen Männern wieder zu  
  {Sp. 1692}  
  kehren. Die Sclavinnen, welche ihnen Kinder gebähren, können nicht verkaufft werden, sondern werden als Mitglieder der Familie angesehen, welche daher verpflichtet ist, sie zu unterhalten; sind sie aber unfruchtbar, so mag man sie auf dem Marckte verkauffen. Die Türcken mögen Weiber oder Sclaven von allen Religionen haben, und dürffen mit ihnen thun, was ihnen beliebt, ohne daß sie nicht befugt sind, ihnen das Leben zu nehmen. Die Christen aber und Jüden dürffen keine Mahometanerinnen kauffen, sondern nur Weibs- Personen von ihrer Religion. Derjenige, welcher eine Sclavin beschläfft, wird gar nicht bestrafft; wer aber mit einer freygebohrnen Person zu thun hat, mit dem wird sehr hart verfahren. Der  
  Sclaven-Handel  
  bey den Türcken ist eben so beschaffen, wie der Vieh-Handel bey den Christen. Sie werden examinirt, und nach ihrem Alter und Zustande ihrer Leiber betrachtet, ingleichen nach der Stärcke und Beschaffenheit ihrer Personen geschätzt, da bisweilen die Kinder mit oder ohne ihre Mutter verkaufft werden. Die jungen Mägdgen sind die theuerste Waare. Diese werden von alten Frauen examinirt und betrachtet, und wenn an ihnen ein Betrug entdecket wird, muß der Verkäuffer das vor sie bewilligte, und in seinem Tage-Buche angezeichnete Geld wieder hergeben, welches ebenso treulich und genau beobachtet wird, als wie mit andern Kaufmanns-Gütern.  
  Tracht der Türcken:  
  Die Türcken tragen auf ihrem Haupte Turbans Ihre Kleider sind lang, und mit köstlichen Sebeln umgürtet.  
  Begräbniß und andre Gebräuche.  
  Ihre Todten begraben sie an die Land-Strasse, bis auf den Groß-Sultan und etliche Grosse, welche in eine Moschee beygesetzt werden. Ihre Gefangene halten sie sehr hart. Die Ober-Stelle ist bey ihnen zur lincken Hand. Wenn sie gehen, bewegen sie ihr Haupt vorwärts, ehe sie einen Fuß fortsetzen. Die Jahre zehlen sie von des Mahomets Flucht von Mecca nach Medina, welches den 15 Julius 622 geschehen, so sie Hegira nennen.  
  Der Türcken Spiele:  
  Die Türcken spielen, nach des Frantzosen Thevenots, im 25 Capit, des ersten Buchs seiner Morgenländischen Reise, ertheilten Bericht, niemahlen mit Würffeln oder in der Charte, noch ein ander Glücks-Spiel, sondern nur im Schach, die Dames, das Spiel mit den neundten Steine, und andere dergleichen, auch keines Weges um Geld oder Gewinnswürdige Sachen, sie mögen arm oder reich seyn, und dahero kömmts, daß nicht soviel Streitigkeiten unter ihnen vorgehen, unterdeß ob sie gleich um nichts spielen, so entstehet doch grosse Freude bey ihnen darüber, und bringen gantze Mittage zu gegen einander ohne eintziges Wortsprechen zu spielen, und so bald als der eine verlohren hat, fangen sie sittsamlich ohne Reden wieder an.  
  Sie spielen auch sehr auf dem Mancala, welches eine Büchse ist ungefehr 2 Schuh lang und einen Schuh breit, in derenselben sind  
  {Sp. 1693|S. 860}  
  auf jeder Seite 6 kleine Gruben, nemlich 6 auf der Büchse, und 6. auf dem zu derselben gehörigen Deckel, und macht sich auf wie ein Bret-Spiel, ein jeder spielet darinnen mit 36 Muschelgen, und setzet deren anfänglich 6. in jedes Grübgen. Die öffentlichen Spiele aber der Türcken, die sie an ihren Ramadan oder Neu-Jahr-Fest spielen, und welche Herr Francisci in seiner Schau-Bühne andern Theils erzehlet, sind so tumm, daß wir sie nicht einmahl erzehlen wollen. Novellen aus der gelehrten und curieusen Welt, p. 7327. u. f.
  Türckische Mahlzeiten und Speise-Arten.  
  Die Türcken halten sich in Essen und Trincken insgemein sehr schlecht, und lassen vielmehr ihre Pracht in Eqvippirung ihrer Pferde sehen. Ihre Mahlzeiten kommen fast mit denen Persianern überein. Das Schaaf-Fleisch mit Reiß gekocht, ist eines von ihrem gewöhnlichen Essen, wie auch ein dicker Brey von Reiß, den sie wie einen Kuchen in Butter backen. Ihr Brod ist mit Gewürtz bestreuet, und schmecket sehr süß.  
  Das gewöhnlichste Geträncke in der Türckey ist Scherbet, Coffee und schlechtes Zucker-Wasser; Wein dürffen sie nicht trincken, weil solches der Mahomet in seinem Gesetz verboten hat; so dürffen sie auch kein Schweinenfleisch essen. Sie belustigen sich wohl mit der wilden Schweins- Jagd, geben aber alsdenn das Gefällete den Christen zu verzehren.  
  Ihre grösseste Gastereyen haben sie wie anderweit erwehnet worden, bey Beschneidungen ihrer Kinder, darzu sie alle ihre Freunde, eben wie wir Christen die unsrigen zur Kind- Taufe einladen; sie schlachten alsdenn gemeiniglich, wenn es wohlhabende Leute seyn, einen gantzen Ochsen, in denselben stecken sie ein Schaaf, in das Schaaf ein Huhn, in das Huhn ein Ey, welches alles zusammen denselbigen Tag gebraten, und des Abends, wenn die Beschneidung verrichtet ist, verzehrt wird.  
  Ihr Pascha oder Oster-Fest wäret drey Tage lang, an welchem sie sich treflich tractiren; und auch den Armen grosse Allmosen geben. Auf die Gräber ihrer verstorbenen Freunde, legen sie jährlich zu gewissen Zeiten, Brod, Fleisch, Käse, Eyer und allerhand Speise, welches denn die armen Leute oder Vögel aufessen, weil sie davor halten, es sey GOtt gleich angenehm, ob man den Menschen oder Thieren Allmosen gebe, wenn es nur aus Liebe gegen GOtt geschiehet; Andere speisen die Fische im Wasser aus Liebe gegen GOtt.  
  Kein Weib, von guten Herkommen wird sich öffentlich auf der Gasse sehen lassen, gehet auch nicht auf den Marckt oder in die Küche, sondern es müssen solches alles die Männer verrichten. Hin und wieder auf den Strassen findet man gekochte Speisen die Menge und die Fülle zu kauffen.  
  Des Groß-Türcken oder Kaysers sein Tafel-Servis ist aus pur lautern Golde, von zwantzig bis dreyßig Schüsseln; die Speisen werden weder gesaltzen noch gewürtzet.  
  Niemals leben die Türcken üppiger, als bey ihrer dreysigtägigen Fastenzeit. Von der Moschee, woselbst sie zu derselben Zeit des Tages über fünfmahl ihr Gebet verrichten, kehren sie nach verrichtetem Gebet wieder heim, damit sie sich fröhlich machen, sich stattlich tractien, und unter einander zum lu-  
  {Sp. 1694}  
  stigen Essen und Trincken treulich ermuntern; wie denn vor solche Zeit die besten zartesten und leckerhafftesten Speisen verwahret werden. Aber des Weins darf man dabey keinen Tropffen trincken, sondern sie haben einen guten Coffee, welches bey den Türcken ein beliebter Trunck ist; wiewohl sie sonst auch ihren Scherbet, oder Zucker-Wasser haben, welches Geträncke das wohlgeschmackteste ist, so man findet, und sehr angenehm vor die Leute, die keinen Wein trincken: Sintemahl sonst das Wasser ihr meister Tranck, ob wohl ihrer viele heimlich Wein genüssen; derohalben trachten sie auf Mittel, dem Wasser den allerbesten Geschmack zu geben.  
  Sie brauchen kein Wasser mit Coriander abgesotten, wie die Italiener, sondern thun in das gemeine klare Wasser ein gewisses Gemisch Scherbet genannt, welches sie unterweilen weich, offtermahls auch fest und hart machen, wenn sie es lange aufheben, und mit sich tragen wollen, damit es nicht fliessen noch ausrinnen möge. Hierzu nehmen sie Zucker und Citronensafft, wie denn auch ein Gemisch von vielerley Blumen und Früchten, nebst andern darzu gehörigen Stücken. Und wenn sie trincken wollen, thun sie ein Stücklein davon in einen Becher voll Wassers; damit es darinnen zergehe, davon bekommt alsdenn das Wasser seine Farbe, Geruch und Geschmack.  
  Was aber einem möchte zu wider seyn, ist dieses, daß sie ihr meistes Geträncke trübe und unlauter machen; doch wird der Geschmack anmuthig durch besagte Blumen und Früchte, wovon der Trunck seine meiste Krafft empfähet. Sie nehmen zuweilen, neben den Rosen und Violen, Ambra und Bisam dazu, samt andern guten Ingrediensien. Die  
  Türckischen Waaren.  
  werden meistentheils in Constantinopel und Smyrna geladen, an welche Örter die Franzosen, Engel- und Holländer einen grossen Handel treiben und insonderheit ihre Tücher dahin führen. Zu Constantinopel kauffen die Ausländer Ochsen- Kuh- Büffels-Häute, Saffian-und Corduanleder, welche von Pebrat, Courondouret, Camaba, Jamboly und Rodesto, gebracht werden. Ferner Potasche, welche über das schwartze Meer nach Constantinopel geführet wird, ingleichen Wachs gesalzene Fische, Motonne genannt, vornemlich wird hier ein starcker Wollhandel getrieben: und hat man zwey Sorten der Wolle, davon eine Pelade, die andere Tresqville heisset.  
  Zu Smyrna ist der Handel considerabler, weil die Persianischen Caravanen viel Seide dahin bringen, deren viel Sorten, als Sourbaßis, Legis, Ardasines, Ardasses sind: Es ist auch hier ein starcker Specerey- Handel, wie denn auch hieher Galbanum, Rubarde, Semeneine, Hoppoponas, Gummi Ammoniac, Lapis Lasuli, Bimoni, Holtz von Aloe, Ambra, Mosch, Perlen, Apista, Diamanten, Rubinen, Smaragden und viele Indianische Waaren, sonderlich viel Coffee und Thee auch Ziegenhaare und Stamm gebracht werden, wovon man in Holland und Engelland die Camelotten und Hütte macht. Die Armenier führen auch die Persianischen Stoffe hieher.  
  Von den Waaren, welche aus dem Lande selbst gezogen werden, sind zu mercken die Wolle, die Baum-  
  {Sp. 1695|S. 861}  
  Wolle, Gummi Adragan, Galles, Wachs, Opium, Mastix, Safran, Storax, allerhand wollene Zeuge, Dimittes, Scaneittes und Boucaßius genannt, ferner allerhand Tappete von unterschiedenen Arten, Alaun, weisse Seife und was dergleichen mehr. Zu Cairo wird der gröste Handel von Gewürzen und Specereyen getrieben, welche aus dem glückseeligen Arabien und Ost-Indien dahin gebracht werden, und sind derselben fast unzehlige Arten.  
  Türckische Müntzen:  
  In der Handlung und Zahlung grosser Summen bedienen sich die Türcken gewisser Beutel, deren man jeden zu 500 Thalern rechnet. Ausser dem aber haben sie zur Ausgabe so wohl silberne als auch güldene Müntzen.  
  I. Silberne Müntzen. Dahin gehören.  
  1. Asper. Ein Asper aber soll ohngefehr so viel als 3 Pfennige seyn, wornach fast alles gerechnet wird, indem wenn es heisset: So und so viel Asper die Summa dadurch ein desto grösser Ansehen gewinnet.  
  2. Barra. Ein Barra gilt so viel als ohngefehr 3 Asper, oder nach unserer Art zu reden, einen Marien-Groschen.  
  3. Porasas. Diese Müntze gilt etwa 4 Asper. Sie wird in Cairo gepräget, und ist auch in dem dasigen Bezirck nur gang und gäbe.  
  4. Groste ist so viel, als ein Spanischer Real, oder Stück von Achten.  
  5. Rup, so ohngefehr so viel als 6 unserer Groschen ausmachen soll.  
  6. Tult, ist 8 al. oder ein Drittel vom Thaler. Die Pohlnischen oder Brandenburgischen Drittel sollen mit ihnen von gleichem Werth seyn.  
  7. Solota, ist ein Türckischer Gulden, oder 2 Drittel- Stück, in der Grösse wie ein deutscher, mit Türckischer Schrifft bezeichnet.  
  8. Aslan, ist ein Thaler, worauf ein Löwe stehet.  
  II. Güldene Müntzen. Solche sind  
  1. Altin, ein Türckischer Ducaten, nach unserm Gelde 2 rthlr. 2 gl.  
  2. Cherafii, oder Scherafi, mit welchem Nahmen sie eigentlich die Venetianischen Zechini belegen, und ist nach unsern Müntz-Sorten so viel als 2 rthlr. 12 gl.  
  Siehe auch den Artickel : Müntze (Türckische) im XXII Bande p. 519. u. f.  
  Aber dürffen wir denn auch wohl  
  Hohe Schulen  
  in der Türckey suchen? Wiewohl man insgemein von denen Türcken glaubt, daß sie die Gelehrsamkeit nicht hoch ästimiren, und sich aus den Studien wenig oder nichts machen; so haben sie doch in der That ihre Gymnasia und hohen Schulen. Etliche lernen in denen Schulen nicht mehr, als den Alcoran lesen, und sind vergnügt, wenn sie die Ceremonien, und was sonst der Gottesdienst erfodert, verstehen, gewöhnlich nennen sie dieselben Taursmann. Andere zum Unterscheid dieser lernen in denen hohen Schulen die Weltlichen Gesetze, und Land und Leute regieren. Solche Literatos tituliren die Türcken Haggias. Sie sind frey von  
  {Sp. 1696}  
  der Knechtschafft und andern Beschwerungen des Volcks, und es werden alsdenn aus ihnen die Caliphen erwehlet. Eine dergleichen vornehme Schule und darzu gehörige Professores trifft man zu Cairo an mit einer unzehligen Menge junger Scholaren, ingleichen zu Constantinopel, allwo die Astrologie, Astronomie, Geometrie etc. wie auch die Arabische (so bey ihnen der Gelehrten Sprache ist) und die Persianische Sprache gelehret wird. Lucä Europ. Helicon. III. Th. 4. Cap. p. 210.
  Vor diesem ist die Wendische oder Sclavonische Sprache von denen Europäischen Türcken fürnemlich in denen Gräntz - Städten in öffentlichen Schulen, und durch besondere Sprach-Meister fleißig getrieben worden, wie etwan bey uns die Lateinische, Frantzösische und Italienische. Denn dadurch ward die fürnehme Jugend präpariret, daß sie mit der Zeit, wenn sie etwa Bassen, Gouverneurs und andere Beamten in denen Türckischen Conqueten werden sollten, ihre Verrichtungen mit leichter Mühe, auch wohl mit grossem Vergnügen der Einwohner ausführen möchten. Zu geschweigen, daß die Gesandschafften nach Pohlen und Moscau sich eben diese Sclavonische Sprache sehr wohl haben können zu Nutze machen.  
  Heutiges Tages aber mag wohl wenig oder fast gar keine Spur von dergleichen Schulen mehr zu finden seyn, nachdem in denen letzten Kriegen die siegreichen Kayserlichen Waffen diejenigen Länder fast gäntzlich wieder erobert haben, wo die Sclavonische oder eine andere mit derselben verwandte Sprache geredet wird. Die Türckischen Kauff- Leute achten dieselbe auch nicht sonderlich mehr ohne diejenigen, welche noch in die Ungarischen Gräntz-Städt auf die Märckte reisen. Denn sonst verstehen die Rätzen, welche im Gantzen mit ihnen handeln, mehrentheils so viel Türckisch, daß sie keine Dollmetscher vonnöthen haben. Curieuses Bücher- und Staats-Cabinet LVI. Eing. p. 986.
  Sie litten ehemals keine gedruckte, sondern nur geschriebene Bücher; nachdem man ihnen aber in den neuern Zeiten den vielfältigen Nutzen der  
  Buchdruckerey  
  nachdrücklich vorgestellet, gab der Groß-Sultan endlich die Erlaubniß, daß man selbst zu Constantinopel eine Druckerey anlegen, und darinnen alle in der Landes-Sprache geschriebene Bücher, ausgenommen diejenigen, so die MahometaniscHe Religion betreffen, drucken möge: Worauf dieses Vorhaben auch von dem Muffti und untern Gesetzhabern der Ottomannischen Pforte erlaubet werden müssen. Man hat dahero 1709 zu allererst ein Arabisches Wörter-Buch des Giauhari, welches Ovancouli ins Türckische übersetzet, und zwey Theile in Fol. beträget, aus dieser Presse bekommen, dem hernach noch viele andere Schrifften gefolget sind  
  Bibliothecken  
  Der Groß-Sultan hat eine sehr curieuse Bibliotheck in welcher, wie man glaubt, eine vollkommene Abschrifft von dem Titus Livius gewesen seyn soll. Es ist ein Bojar oder Marckt von geschriebenen Büchern, die von einerley Materie handeln, in der Türckischen, Persianiscben und Arabischen Sprache zu Constantinopel: Allein die Christen dürffen dahin nicht kommen, weil  
  {Sp. 1697|S. 862}  
  die Türcken glauben, daß ihre Bücher entheiliget würden, wenn man sie denselben verkauffte.  
  Es sind noch bis anjetzo gewisse Historien-Schreiber bestellet, welche die Chronicke dieses Reichs schreiben müssen, so bereit acht grosse Bände austrägt, welche 200 Cronen kosten. Wie man denn in denen bisherigen Ungarischen Kriegen viel Türckische Bücher heraus gebracht, die von allerhand nützlichen Materien handeln. Sie legen sich aber mehrentheils auf nützliche Wissenschafften, und verwirren ihre Köpffe nicht mit solchen, welche nur auf ein Speculiren hinaus lauffen, und zu einer eiteln Curiosität dienen.  
  Daß es denen Türcken so sehr nicht an Büchern fehlet, als man dencket, siehet man aus dem, was Spondanus in dem ersten Bande seiner Reisen, Holländischer Ausgabe, auf der 193 Seite gesaget hat. Man füge folgende Stelle des Gronovs in Jacob Golius Leichen-Rede auf der 162 Seite dazu:  
  Simul cum Legato (er verstehet den Holländischen Gesandten nach Constantinopel, Cornelius Haga) in Asiam transiit (Golius) Præfecto oræ, propontidos amœnissimos hortos cum amplissima Bibliotheca eis cedente: in quo secessu in Historicorum et Geographorum Arabum Scripta aut ignorata adhuc, aut inevoluta se ingurgitavit. Ut rediit, et memoriam lectorum per occasiones in sermonibus apud Megistanas ostendit, ita obstupefecit audientes, ut purpuratorum principi dignatione proximus cum eo egerit. Imperatores diplomate ornatus ac tutus tabulis depingeret: ille gratiam fecit prætexto sacramento, quod Ordinibus dixisset, sed et periculi magnitudinem cogitans. Baylens Histor. und Crit. Wörter-Buch II Th. Deutscher Ausgabe, p. 597.
  Es entstund vor einiger Zeit ein Gerüchte, dadurch sich die Leute bald hätten überreden lassen, als wenn die Türcken einmahl ihre bisherigen in vielen Stücken noch wüste und ungeartete Sitten ablegen, und auch anfangen würden zu leben, wie andere vernünfftige Leute. Es hieß nehmlich, der Sultan hätte den in ihrem Gesetz so scharff verbothenen Genuß des Weins seinen Unterthanen vergönnet; er hätte befohlen, die Bibel in Türckischer Sprache, und mit Erläuterungen aus dem Alcoran drucken zulassen; es würden künfftig alle freyen Künste und Wissenschafften in Constantinopel öffentlich gelehret werden; der Groß Sultan wolte ein Collegium in Constantinopel ausrichten, und zu dem Ende eine gewisse Anzahl von Deutschen, Frantzösischen und Italienischen Professoren unterhalten, die von Türcken so wohl als von Christen gehöret werden sollen.  
  Das, was am meisten zu diesem guten Vornehmen dienen würde, war, daß ein Printz des Groß-Sultans eine Reise in fremde Lande thun, und sich da auf die Weise, wie die Rußischen Herren bisher gethan, vollkommen machen solte. Aber diese Zeitung war allzuqut, als daß sie hätte wahr seyn sollen, und wir andern Europäischen Völcker werden noch eine gute Weile mit unserer Weißheit und Klugheit groß thun können, ehe uns die Türcken dieses Lob streitig machen werden, indem ohnfehlbar sich noch vieles vorher wird zutragen müs-  
  {Sp. 1698}  
  sen, ehe bey ihnen dergleichen Zeichen geschehen werden. Europ. Fama XXII Band, p. 971 u. f.
  Ob aber in Donadi Tr. della litteratura dei Turci mehrere Entdeckungen davon zu finden seyn, stehet zu untersuchen.  
  Was Rechtens wegen der Türcken.  
  Man bemercket, daß nach denen Rechten die Ertödtung oder fürsetzliche Ermordung eines Türcken so wohl, als der an einem Christen verübte Todtschlag, mit dem Leben bestrafft werde. Siehe Todschlag, im XLIV Bande, p. 770 u. ff.  
  Sonst aber werden die Türcken, welche von denen Christen im Kriege gefangen worden, vermöge des Retorsions-Rechts, und weil sie es mit denen gefangenen Christen eben so zu halten pflegen, noch härter, als die sonst sogenannte Leibeigene, und wie wahrhafftige Sclaven, gehalten. Reichs-Abschied von 1542 §. 11 und a. l. 1 ff. quod quisque jur. in alter. stat.
  Übrigens ist hierbey noch zu gedencken, daß, obgleich die Türcken mit der im Jahre 1453 geschehenen Eroberung der Stadt Constantinopel dem Griechischen oder Christlichen Kayserthume im Orient den Garaus gemacht, mithin auch das Römische Recht in denen dasigen Gegenden Zweiffels ohne ziemlich in Abgang gekommen, solches dennoch nicht so zu verstehen, als ob nicht hin und wieder noch einige Spuren davon anzutreffen, wenn anders deshalber einigen Neuern zu glauben, welche erzehlen, daß so wohl bey denen Türcken, als Griechen, auch noch einiger Gebrauch des Römischen Rechtes zu finden sey. So berichtet z.E. Leunclavius in Præfat. ad Libros III in Paratitl. als ein Zeuge, der selbst eine geraume Zeit unter denen Türcken gelebet, und alles, was er von ihnen meldet, selbst gehöret hat, daß die Türcken den Justinianischen Codicem in ihrer Sprache hätten, und denselben in ihren Gerichten brauchten. Und Menagius in Amœnit. jur. Civ. c. 26 gestehet ebenfalls, vom Ismael Bulliald öffters gehöret zu haben, daß die Türcken das meiste aus denen Römischen Gesetzen, und absonderlich, was zu der Materie von der Knechtschafft und Dienstbarkeit gehöret, unter ihre Gesetze vermenget hätten.  
  Wir könnten schließlich noch die Frage untersuchen: Ob wohl Christen mit denen Türcken wider die Christen mit gutem Gewissen ein Bündniß schliessen könnten? Welches man allerdings mit Ja behaupten kan, da zumahl dem Vertheidiger der Beweiß aus Göttlichen und menschlichen Gesetzen nicht schwer fallen dürffte. Das Recht der Natur hat uns ja custodiam salutis publiæ anbefohlen. Und aus dem Göttlichen Recht sehen wir aus denen Exempeln der Ertz-Väter und Israelitischen Richter, daß sie allerdings Bündnisse mit denen Ungläubigen gemacht haben. Paulus hat auch im neuen Bunde das Gebot gegeben: Habt mit allen Menschen Friede! Das göttliche Verboth, welches wir 2 Buch Mos. XXLIII, 32 lesen, ist nur speciell, und man muß inter negotia civilia et sacra wohl distinguiren. Zudem wissen wir ja, daß GOtt diejenigen, welche dergleichen Bündnisse gebrochen, bestraf-  
  {Sp. 1699|S. 863}  
  fet, wie solches Sauls Exempel ausweiset, davon 2 Buch Sam. XXI, 1. 2. nachzulesen.
  Man könnte zwar einwenden, daß die Jüden ehedem sich mit denen Heyden gleichwohl nicht verheyrathen dürffen? Es ist wahr: allein a Conjugio ad fœdera non valet consequentia.  
  Man könnte einwenden: Die Ungleichheit der Religion verstatte keine Gleichheit der Gemüther? Allein darauf kan man antworten: Daß diese bey solchen Bündnissen nicht verlanget werde, sondern nur commune auxilium.  
  Man könnte einwenden: Man bete ja in den öffentlichen Gebeten wieder die Feinde des Christlichen Nahmens? Darauf dienet zur Antwort, daß das Bündniß nicht hindere mit denen Waffen aus Gottes Wort wieder die Ungläubigen zu streiten.  
  Man könnte einwenden: die Ungläubigen hätten gröstentheils bey dem Ausgange mehr Nutzen von dergleichen Bündnisse als die Gläubigen? Allein darauf wird wiederum die Antwort nicht schwer fallen: Daß man von dem Ausgange der Sache nicht von der Gerechtigkeit der Sache urtheilen könne.  
  Wolte man fortfahren zu objiciren: Man dürffe denen Ungläubigen, sonderlich denen Türcken wenig trauen: Denn diesen würde in ihrem Alcoran erlaubet, ein Bündniß, wenn es ihr Interesse erfodere, zu brechen. So könnte man die Erfahrung zu Hülffe ruffen, und diese zeugen lassen, daß man allerdings denen Türcken glauben dürffe, und daß man öffters auf eines Türcken gegebenes Wort sicherer fussen könne, als vielmahls auf eines Christen seines.  
  Zudem so sind auch ihre Eyde pro validis zu achten. Man spricht zwar: der Türcke sey Anti-Christus Orientalis? Allein das ist vors erste noch nicht ausgemacht, und gesetzt auch, er wäre es; so könnte doch dieses fœdera civilia nicht hindern, wenn nur solche nicht zum Schaden der Christlichen Kirche gereicheten.  
  Ein plausibler Vorwand ist folgender: GOtt habe gleichwohl diejenigen gestrafft, so dergleichen Bündnisse mit denen Ungläubigen gemacht hätten? Allein da ist die Schuld nicht dem Bündnisse, sondern allemahl denen Bundes-Genossen beyzumessen. Siehe Joh. Ge. Röseri Diss. de foederibus fidelium cum infidelibus adversus fideles, Stetin 1713.
  Der ehemahlige Wittenbergische Professor Martin Hasse behauptete in einer zu Wittenberg 1711 gehaltenen Disputation das Gegentheil:  
  1) Wegen der Gefahr, die der Religion dadurch zuwachse, 2) deswegen weil es denen, die solche Bündnisse gemacht, nicht so vor ungenossen ausgegangen, wo er auf des Königs in Franckreich, Franciscus des Ersten Exempel sich berufft, welcher auf seinem Tod-Bette ausgeruffen: Perii, hem! perii, quod volui fœderatus esse ei, qui hostis est Christi nominis! 3) deswegen, weil diejenigen besser weggekommen, die dergleichen Bündnisse sorgfältig vermieden, bey welcher Gelegenheit er Ludewig den XI ebenfalls König in Franckreich, nahmhafft macht, 4) wegen der Untreu, die die Türcken gegen die Christen öfters bezeugen, und 5 ) endlich ob periculum deceptionis aut desertionis;  
  auf welche Einwendungen aber in dem vorigen schon Bescheid gegeben worden. Siehe Martin Hassen Diss. de quæst. An princeps Christianus adversus Christianum fœdus  
  {Sp. 1700}  
  inire possit?
  Von eben dieser Materie: Ob und wie ferne nach dem Rechte vergönnet sey mit denen Türcken die Waffen zu vereinigen, verdienet auch nachgelesen zu werden M. Gottfried Gerbers zu Erfurt gehaltene Inaugural- Disputation de jure Societatis cum profanis, darinnen er gar schön weist, daß die Societät oder Conjunction derer Waffen mit unglaubigen Völckern, d. i. mit Heyden und Türcken, entweder obsequii oder imperii sey, und in wie fern dieselbe erlaubt sey, aus einander setzet.  
Literatur Um die Türckische Geschichte hat sich der gelehrte Frantzose, Michael Baudier, ein Edelmann aus Languedoc, besonders verdient gemacht, welcher nach Baylens Bericht unter andern:  
  1. Ein Inventarium von der allgemeinen Historie der Türcken, davon die andere Ausgabe zu Paris 1620 in 4 heraus gekommen.  
  2. Eine Historie des Serrails.  
  3. Eine Historie von der Religion der Türcken, schrifftlich hinterlassen. Siehe Baylens Hist. und Crit. Wörter-Buch I Th. p. 480.
  Folgende Schrifftsteller können von dem bisher gesagten zum Theil mit mehrerm zu Rathe gezogen werden:  
 
  • George Phrantza,
  • Laonicus Chalcondylas.
  • Georg. Elmacini Hist. Sarac.
  • Jo. Cuspinian de Turc. Orig.
  • Leunclav. ann. Turc.
  • Tavernier.
  • Ricaut. hist. de l’Empire Ottomann.
  • La Croix.
  • Hottinger in hist. Orient.
  • Lud. Cervarius und Joh. Bapt. Egnatius de Turcar. origin.
  • Curio in hist. Sarac.
  • Camerar. comment. de reb. Turc.
  • Lor. Soranzo in der eröfneten Ottomannischen Pforte.
  • Ph. a SS. Trinitate Orient. Reise-Beschr.
  • Dissertations historiques sur divers sujets Tom. I.
  • Pfeffingers Merckwürd. des 17 Jahrhunderts.
  • Puffendorfs Reichs- und Staaten-Histor. III Th. 5 Cap. p. 194 u. ff.
  • Ranffts Geneal. Archivarius.
  • Abels Deutsche Alterth. I Th. p. 20 u.f.
  • Brands Chinesische Reise p. 153 u.ff.
  • Martiniere Hist. von Asien.
  • Boethii Kriegs-Helm.
  • Allgemeine Chron. VI Band, p. 679 u.ff. VIII Band, p. 863 u.ff. XII Band, p. 275 u.f. XI Band, p. 689 u. ff. XII Band, p. 577 u. ff.
  • Ludolffs Schaubühne I Th.
  • Theatr. Europ. T. XIX.
  • Zinckens Europ. Friedens- Handlungen, T. II.
  • La Vie de Mahomed par Mr le Comte de Boulainvilliers.
  • Stato militare dell’imperio Ottomanno dal Sigre Comte di Marsigli.
  • J. E. B. Staats-Beschreib. des Durchl. Welt-Creyses III Th. p. 358 u. ff.
 

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Stand: 2. November 2016 © Hans-Walter Pries