Stichworte |
Text |
Quellenangaben
|
|
Schule,
Lat.
Schola,
Frantz.
Ecole, heißt
insgemein eine zu Erlernung
guter
und
nützlicher
Wissenschafften von der
hohen Obrigkeit
angerichtete
Gesellschafft; oder aber der
Ort, da
die
Tugend in
nöthigen Wissenschafften und
guten Sitten erzogen und zum
Nutz
des
gemeinen Besten |
|
|
{Sp. 1475|S. 752} |
|
|
zubereitet wird; insbesondere aber, wo die
freyen Künste,
Sprachen und höheren
Wissenschafften gelehret werden. |
|
Bedeutung |
Die Griechen nennen eben das, was wir nach
unserer Sprache Schulen nennen, didaskaleion,
paideuterion, phrontisterion. Sothane Expreßion aber ziehet man
her von dem
Wort [ein Wort griechisch], welches
obliegen heisset. In Ansehung dessen sollen
nehmlich die Lehrlinge von allen andern
Geschäfften abstehen, und eintzig und allein dem
Studieren obliegen und ergeben seyn. |
|
|
Etliche leiten es her von dem Wort Aufhörung,
oder Stillstand, oder Nachlassung: worauf
Ausonius zielet, wenn er
schreibet: |
|
|
Grajo Schola nomine dicta est juste,
Laboriferis tribuantur ut otia Musis. |
|
|
Unsere Lateiner benahmen die Schule
gemeiniglich LUDUM LITERARIUM, einen
Spielplatz. Damit aber sehen sie weiter. Einmahl
machen sie uns eingedenck der
Natur, die die
erste Kindheit gewöhnlicher massen zum Spielen
anreitzet, und in derselben alle menschlichen
Handlungen vorspielet. Danach erinnern sie,
welchergestalt keine unfreundliche und
sauertöpfische; sondern eine
angenehme,
muntere und gleichsam spielende
Lehrart in die
Schule gehöre. Auch heisset ihnen die Schule, in
sofern sie vor den Ort genommen wird, OFFICINA
SCHOLASTICA. |
|
|
Vorzeiten brauchten die alten Römer das
Wort SCHOLA oder Schule in weitläufftigen
Verstande. Erstlich belegten sie mit dem
Nahmen
Schola oder Schule den Ort in Bädern, wo
diejenigen, welche alsdenn erst kamen, wenn die
Badewannen schon besetzet waren, warten
musten bis ihnen Platz gemachet wurde. Danach
hatten sie Schulen in Kriegs-Sachen, worinnen sie
denen Schildknechten
Unterricht gaben, und sie
unterwiesen, wie sie etwa die Waffen und Schilde
führen solten, oder was sonst die Lager-Plätze
erforderten. So wir Ammiano Marcellino glauben
zustellen dürffen, so hatten Severianus und
Valentus die
Ehre, Vorsteher und Ruderführer
dergleichen einheimischen Römischen Schulen zu
seyn. |
|
|
Drittens war noch eine
Art Schulen in den
Spatzier-Gängen (Porticibus) zu Rom. Also
gedencket Plinius der Schule Octaviä und
Philippi
in den Porticibus, darinnen man die Bildnisse
Alexanders und der Minervä sahe. Ohne Zweiffel
wird durch das Wort Schule in den Porticibus eine
Gesellschafft und Versammlung der Jugend
angedeutet. Eine Versammlung aber nenneten
sie, nach des Macrobii Bericht, entweder wenn sie
die Opffer anstelleten, oder Gastmahle hielten,
oder den Göttern Fest- Feyer- und Lust-Spiele zu
Ehren präsentirten. |
|
|
Dieser Unterscheid der Römischen Schulen
mag in seinem Ort beruhen. Wir wollen hier
vielmehr von den Christlichen Schulen reden,
welche wir billig als Werckstätte, darinnen man
keinen Abgott opffert, sondern unablässig an dem
Erkänntniß des wahren
GOttes arbeitet und
vorsichtig bewahret, damit es auf die
Nachkommenschafft fortgepflantzet werde, zu
preisen haben. |
|
Naturrecht |
Ehe wir aber zu der Historie derselben
schreiten, wollen wir noch folgende Frage
mitnehmen. Es wird nehmlich gefraget, ob
Schulen in dem
Natur-Rechte zu suchen, und ob
die Natur solche Gesellschafften veranstaltet und
zu- |
|
|
{Sp. 1476} |
|
|
wege gebracht habe, die aus Lehrenden[1] und
Lernenden bestehen, und deswegen öffentlich
angeleget werden, damit junge Leute in nöthigen
Wissenschafften und guten
Sitten erzogen, und
zum Nutz des gemeinen Wesens zubereitet
werden. Kurtz, die Frage ist von solchen
Gesellschafften, darinnen man andern seine
Weisheit und
Künste redlich wieder
mittheilet. |
[1] |
HIS-Data: vergl.
Lehrer |
|
|
So wenig aber jemand dieses in Zweiffel
ziehen wird; so leicht könte man doch den
Einwurff machen: wenigstens könne man des
öffentlichen
Unterrichts entübriget seyn, in dem es
ja das Recht der Natur fordere, daß
Eltern ihre
Kinder zu allem Guten ziehen und anhalten. Diese
Gedancken werden von der ältesten Art des
Unterrichts unterhalten, da ein ieder Hauß-Vater
seine Kinder in
Zucht und
Unterricht
genommen, |
- 1. B. Mos. XVIII, 19.
- 5. B. Mos. VI, 7.
|
|
So mangelt es auch nicht an Exempeln
solcher Leute, die von ihren Eltern
unterrichtet,
und grosse Lichter in der
Welt worden sind. |
|
|
Jedoch, so viel
Vortheil diese Privat-Information vor der öffentlichen haben soll, so
groß ist auf der andern Seite die Gefahr, welcher
sie unterworffen ist. |
Edm. Richerius Obstetr.
anim. … |
|
Verstand und
Willen zu verbessern, ist eine
Sache, der weder eine eintzige
Person, noch alle
Eltern gewachsen sind. Dahero hat man mit der
Zeit aus Noth müssen darauf dencken, die
Aufnahme guter Künste und Wissenschafften,
vermittelst anderer Leute zu befördern. Daß
demnach Schulen in dem Rechte der Natur ihren
Grund haben, erhellet anfänglich daraus, weil jede
öffentliche Gesellschafft, welche einen
rechtmäßigen
Endzweck hat, Ruhm und Ehre
verdienet. Die Absicht der Schulen ist nichts
anders, als Tugend,
Gelehrsamkeit und gute
Sitten. Und dieses sind eben die edlen Früchte
des Natur-Rechtes. |
|
|
Cicero in Offic. …
redet davon also:
Natura
honesta, recta et constantia desiderat,
aspernaturque contraria; Folglich wird es ja nicht
wider die Natur seyn, diejenigen jungen Leute
geschickten Lehrmeistern zu übergeben, welche
mit der Zeit dem Vaterlande und dem gemeinen
Wesen einigen Nutzen schaffen sollen, worzu sie
ohne andere Beyhülffe nicht tüchtig werden. |
|
|
Auch im natürlichen Stande, wenn keine
bürgerliche Verbindung vorhanden wäre,
erforderte dieses unsere Schuldigkeit, daß
derjenige, welcher vor andern einen fähigen
Verstand und mehr
Wissenschafft hätte, dem
andern damit auszuhelffen, und sein Glück zu
befördern
verbunden wäre. Denn auch in
dergleichen Stande findet die Gerechtigkeit statt,
und ist er nicht gantz ohne
Gesetz. |
Heineccius Elem. Jur. N. et
G. |
|
Nachdem man aber vor thunlicher befunden,
gesellschaftlich zu leben, so ist ieder um so viel
mehr verbunden, seinem Nächsten auf alle Art
und Weise mit seinem
Vermögen an die Hand zu
gehen: woraus ein deutlicher
Beweiß erwächset,
daß das Natur-Gesetz die gelehrten
Gesellschafften mehr erfordert als aufhebet. |
|
|
Ausser diesen ist dem gemeinen Wesen nicht
wenig dran gelegen, daß sowol zur Erhaltung der
Ruhe, als anderer
Bequemlichkeit die
Bürger in
guten Künsten fleißig geübet werden. Man kan
dieses nicht deutlicher wahrnehmen, als wenn
man barbarische |
|
|
{Sp. 1477|S. 753} |
|
|
und wilde Nationen mit denen zusammen
hält, welche gesittet und in Wissenschafften geübt
sind. So viel jene Schaden haben, so viel finden
sich Vortheile bey diesen. Daher erfordert es
eines
Regenten
Pflicht, sich alle Mühe zu geben,
daß in seinem Lande die Schulen in gutem
Stande
erhalten werden, und eben dieses bemercken alle
diejenigen, welche von denen natürlichen
Pflichten geschrieben haben. |
Pufendorf
de Offic. hom.
… |
|
Wenn auch die Ubereinstimmung derer
Völcker einen starcken Beweis vor dasjenige
ausgemacht, was zum Rechte der Natur gehöret,
wie Grotius de Jure … anmercket: so wird man
gewiß die Schulen am wenigsten davon
ausschliessen können. Ja, bey der grossen
Unwissenheit, in welcher wir gebohren werden,
hat die Göttliche Vorsorge uns noch so viel übrig
gelassen, daß wir Lust haben was zu lernen,
wovon Cicero also redet: Omnes trahimur et
ducimur ad cognitionis et scientiae cupiditatem.
Dieser natürliche Durst aber kan nicht anders, als
durch
Unterricht gestillet werden. Denn was würde
einem Menschen dieses Verlangen nutzen, wenn
er keinen Umgang mit andern haben, und deren
Unterweisung nicht genüssen solte? |
|
|
In der heil. Schrifft findet man deutliche
Spuren, daß GOtte dergleichen nützliche
Gesellschafften gantz und gar nicht mißfallen.
Wem sind die Propheten-Schulen unbekannt,
woraus GOtt diejenigen nahm, die er mit
Göttlicher Krafft ausrüstete, und als Boten an sein
Volck schickte. Und unser Heyland selbst
besuchte die Schulen, und legte darinnen Proben
seiner
Weisheit ab. Und also sind wohl Schulen so
wohl dem natürlichen als Göttlichen Gesetze
gemäß. |
Brandan Friedrich Mylii Progr.
An scholae sint juris naturae? Brandenburg 1739.
in 4. |
Geschichte |
Hieraus erhellet zugleich die
Nothwendigkeit
der Schulen, welche schon in den ältesten Zeiten
erkannt und eingesehen worden; daher man auf
derselben Stifftung und Erhaltung jederzeit grosse
Sorge gewandt. Bald die ersten Christen liessen
ihnen angelegen seyn, solche Leute zu
unterhalten, die der Jugend die Erkänntniß GOttes
und die Gründe der Religion beybringen möchten.
Auf Wissenschafften aber ward weiter nicht
gesehen, als so viel es die
Gewohnheiten derer
zum Christenthum Bekehrten mit sich brachten,
und die Grund-Regeln des Christenthums leiden
wolten. Weil man damahls von eiteln Dingen,
dahinter kein wahrer Nutz zu finden, nichts
gehalten, nach der Vermahnung des Apostels,
daß man sich hüten solle, für falschberühmter
Kunst, verkehrter
Philosophie u.s.w. Doch hat
man auch damahls gewolt, daß ein Christ die
seinigen, was nutzbar wäre, lernen lassen solte:
Wer dieses selbst nicht thun wolte, oder nicht thun
konte, gebrauchte sich anderer Hülffe. Wie es
denn sehr wahrscheinlich ist, daß bey mit
unterlauffender mehrerer
Freyheit, die Christen-Lehrer dann und wann ihre Schulen der Weißheit,
nach damahliger Weise werden gehalten und ihre
Lehren auf eine gelehrtere Art vorgetragen
haben. |
|
|
Die Kayser haben sich auch gar zeitig des
Schulwesens, soweit es in Lehr- und Erlernung
der
Sprachen, der Rednerkunst, der
Rechte, der
Artzney-Wissenschafft bestanden hat,
angenommen, ihm Ziel und Maaß gestellet,
Freyheiten zugestanden, Einkünffte ausge- |
|
|
{Sp. 1478} |
|
|
worffen, wie die noch vorhandene Gesetze, und die Anmerckungen
gelehrter
Männer zeigen,
da denn auch den Lehrenden und Lernenden ein
eigener Nahme gegeben und sie Scholastici, d.i.
Schulleute, genennet worden. Mit diesem
Titel
dauchten sie sich nicht wenig zu seyn, und
überhoben sich dessen mit der Zeit so, daß man
einen Scholasticum wohl für einen
abgeschmackten, einbildischen und
plauderhafften Gecken gehalten. |
|
|
Die Gottesgelahrtheit pflanzten die Eltesten
und
Bischöffe fort, welche nicht allein das Volck
überhaupt gelehret, sondern auch andere
insonderheit, die etwas gründlichers hierinnen
wissen und wiederum andere lehren wolten,
unterrichteten. Welches allerdings Apostolischer
Absicht und
Verordnung an sich gantz gemäß, als
wohin auch anfänglich die Gesellschafften junger
bey den Bischöffen sich aufhaltender Leute,
woraus hernachmahls die Canonicat-Stiffter
geworden, gezielet haben. |
|
|
Als bey den
Deutschen und Francken,
desgleichen anderwerts in
Europa die
Wissenschafften auch so gar bis auf Lesen und
Schreiben im gemeinen Wesen sich verlohren
hatten, hat sich doch etwas davon bey der so
genannten Geistlichkeit erhalten. Dahero ward
von einigen, die sie mit reichen Einkünfften
begabten, sonderlich von dem Fränckischen
Könige, Carln dem grossen, dahin gesehen, daß
in den geistl.
Stifften ein und anderer gelehrter
Mann seyn und von denen milden Stifftungen
hinlänglich unterhalten werden möchten. Diese
nun solten nicht allein ihre Ordens-Brüder;
sondern auch anderer Leute Kinder, darunter
auch grosser
Fürsten und
Herren ihre Printzen
und
Söhne, in guten Künsten, Sprachen und
Wissenschafften
unterrichten, und also Schule
halten; dahero sie Scholastici, Schulleute,
genennet wurden: wie denn auch der Nahme
Dom-Scholaster noch in den Hoch-Stifften
bekannt ist, und wer ihn hat, gute Einkünffte
ziehet, ob er sich gleich um das Schulwesen gar
nicht bekümmert. |
|
|
Man
bauete also an die Kirchen der
Stiffter
und
Klöster andere Bequemlichkeiten zum
Unterricht der Jugend, darinnen alle, die es
begehrten, ohne Unterscheid, in Sprachen,
Künsten und Wissenschafften
unterwiesen
wurden. Die Vorsteher derselben hiessen
Scholarchae, d.i. Schulregenten. Und eben
dadurch ist es geschehen, daß in den mittlern
Zeiten alle Wissenschafft fast in den
Klöstern
allein beschlossen gewesen, und die
Ämter,
wobey einige Gelehrsamkeit erfordert wurde,
allein mit
Geistlichen bestellet worden. Wiewohl
mit dem Lauff der Zeit sothane Stifftungen immer
mehr von ihren
Zweck verfallen und die
Wissenschafften in den meisten Theilen von
Europa fast gar verloschen, oder so ja etwas
davon übrig geblieben, in die entsetzlichste
Wortklaubereyen und in den Mischmasch der
Gottes-Gelahrtheit mit der Aristotelischen
Philosophie verkehret worden, woraus die
beschriebenen Scholastici, von welchen am
gehörigen Orte, entstanden sind. |
|
|
In solchem elenden Zustande blieb die
Gelehrsamkeit; bis, durch Zerstörung des
Orientalischen Kayserthums, die Zerstreuung der
griechischen
Gelehrten, und die um selbe Zeit
erfundene
Buchdruckerey dem gelehrten Wesen
bey uns ein neues
Leben gegeben, welches durch
die bald hernach erfolgte Reformation mächtig
aufgewecket, endlich zu einer solchen Höhe
gestiegen, |
|
|
{Sp. 1479|S. 754} |
|
|
darüber man sich zu verwundern hat.
Nunmehr ist es unter uns so ferne, daß wir über
Mangel an Schulen zu klagen hätten, daß viel
mehr tieffeinsehende Männer wünschen, daß
derselben weniger, und die beybehalten würden,
besser eingerichtet wären. |
|
Arten |
Es sind aber derselben mancherley. Jedoch
theilet man sie vornehmlich |
|
|
1) |
in
hohe Schulen oder
Academien, und in niedrige Schulen (SCHOLAS
INFERIORES); und diese wiederum |
|
|
|
2) |
in öffentliche Schulen
(SCHOLAS PUBLICAS) und in Privat- oder
Winckel-Schulen (SCHOLAS PRIVATAS); die
öffentlichen |
|
|
|
3) |
in gemeine oder Trivial-Schulen (SCOLAS TRIVIALES), und
höhere
Schulen, als Gymnasien,
Ritter-Academien etc.;
desgleichen |
|
|
|
4) |
in Stadt- und Land- oder
Fürsten-Schulen; |
|
|
|
5) |
in deutsche und
lateinische Schulen; und |
|
|
|
6) |
in Knaben-Schulen
(SCHOLAS PUERILES) und Mägdlein- oder
Jungfrau-Schulen. |
|
|
deutsche Schulen |
Unter allen aber sind wohl die deutschen
Schulen die niedrigsten, als in welchen die Jugend
weiter nicht, denn nur in dem nöthigen
Christenthum, darneben im Lesen, Schreiben und
Rechnen unterwiesen wird. Es lassen sich solche
Schulen füglich in zwo Classen theilen; in der
ersten Classe wird die Jugend unterwiesen in
solchen
Dingen, welche den Menschen zieren und
im
Alter nöthig und nützlich sind, als Lesen und
Schreiben der deutschen Mutter-Sprache,
Rechnen, Höflichkeit der Sitten und was dazu
gehöret. |
|
|
In der andern Classe stehen beyde Knaben
und Mägdlein, und werden allerseits
angehalten |
|
|
1) |
zum Gebet, daß sie GOtt
mit seinem
Heil.
Geist erleuchten, für Irrthum
behüten und in seine
Wahrheit leiten wolle. |
|
|
|
2) |
Zum fleißigen Bibel-Lesen, daß sie mit Timotheo von Jugend auf die
heil. Schrifft wissen, und daraus lernen den
wahren Glauben und ein Christl. Gottsel.
Leben. |
|
|
|
3) |
Zum Lobe GOttes; daß
sie lernen anstimmen schöne Psalmen und
Lobgesänge, sintemahl der HErr aus dem Munde
der Jungen und Säuglinge ein Lob bereitet. |
|
|
|
4) |
Zur Erlernung und
unablässigen Wiederholung des Catechismi, weil
darinnen die Hauptstücke der Christlichen Lehre
verfasset sind. |
|
|
|
Wie nun diese
Unterweisung allen Menschen
ohne Unterscheid nützlich und nöthig, ja
unentbehrlich ist: so kan es denen nicht genung
verdancket werden, die darauf bedacht sind, wie
solcher Schulen mehr angerichtet und mit
gehörigen Fleiß gewartet werden, wozu die
löblichen Exempel, die uns daheim und bey
andern benachbarten Völckern für Augen
schweben, stattliche Anleitung geben. |
|
Trivial- und höhere Schulen |
Von denen Trivial- und höhern Schulen
wollen wir hier nur überhaupt und was zur Historie
der Schulen gehöret, etwas beybringen. Um die
Jahre 813 nach Christi Geburth, war es noch gar
schlecht in Deutschland mit dergleichen Schulen
beschaffen. Die Christliche Religion florirte zwar ie
länger ie mehr, von den schönen Wissenschafften aber wuste man wenig oder nichts. Die
Grammatick oder Lateinische Sprache
und die
Arithmetick waren das eintzige, so man in Schulen
der Jugend einpflantzte. Nach der Zeit aber hat
sich das Schulwesen in bessern Stand gesetzt:
denn wie die Künste und Wissenschafften höher
stiegen und mit curieusen und nützlichen
Erfindungen erweitert worden: so hat |
|
|
{Sp. 1480} |
|
|
man auch die Schulen mit bequemern
Lehrarten erweitert; wiewohl nicht zu leugnen, daß
auch dazumahl noch manches in den Schulen
vermisset worden, und man mag wohl sagen, daß
selbiger Zeit nicht einmahl auf
Academien so viel
von freyen Künsten gelehret worden, als jetzt die
Jugend in Gymnasien höret. |
|
Gymnasien |
Was aber vor
Wissenschafften auf unsern Gymnasien zu treiben, ist leicht
aus dem Endzweck derselben, da junge Leute zu den
academischen
Studien sollen zubereitet werden,
zu urtheilen. Es gehören die Wissenschafften der
allgemeinen Gelehrsamkeit, welche aus den
schönen Wissenschafften und Philosophie
bestehet, dahin, daß die Jugend in den Sprach-Wissenschafften, in den historischen Disciplinen,
auch in der Philosophie
unterrichtet wird, daraus
nach Anleitung der
Klugheit solche Stücke zu
lesen, die nach Beschaffenheit der künfftigen
academischen Studien am nöthigsten sind. Daß
man auf einigen so genannten academischen
Gymnasien Professores in der Theologie,
Rechtsgelehrsamkeit und Medicin gesetzet,
scheinet eine Sache von keinem sonderlichen
Nutzen zu seyn, weil man in der allgemeinen
Gelehrsamkeit gnug zu thun findet, und zu den
höhern Facultäten auf Academien noch Zeit ist,
und wäre dahero rathsamer, wenn man jungen
Leuten, die auf Academien gehen wollen, eine
Einleitung zu den academischen Studien
gäbe. |
|
|
Wer diese Schulen besuchen will, muß drey
Stücke vermögen: |
|
|
1) |
eine hurtige
Natur; |
2) |
ein fähiges Ingenium,
und |
3) |
eine fleißige
Unterrichtung. |
|
|
|
Die beyden erstern werden noch nicht
hinreichend seyn zu einer gründlichen
Gelehrsamkeit zu gelangen, wenn nicht die
Unterrichtung dazu kommt, wie das Schleiffen
oder Polieren zum Diamant. Manche wolten wohl
gerne ihre
Söhne zu galanten Staatsleuten
auferziehen; es fehlt ihnen auch weder an Mitteln
noch an Schulen, nur die drey Säulen, welche die
Schulen unterstützen, als |
|
|
1) |
die
Furcht GOttes als der
Weißheit Anfang, |
2) |
die Sprachen und Künste
und |
3) |
die
Zucht und
Ehrbarkeit, |
|
|
|
wollen ihnen nicht gefallen. Die
Gottesfurcht
gehört, ihrer
Meynung nach, nur vor
Geistliche;
die lateinische Sprache vor Doctores, Licentiaten
und Magisters; die Disciplin und
Zucht aber nur
vor Sclaven. |
|
|
Das ist nun ein widriges Argument, auf der
einen Seite die Gelehrsamkeit suchen, auf der
andern Seite aber die Gottesfurcht und lateinische
Sprache nicht würdig schätzen, daß man darüber
solte den Kopff zerbrechen. Es mag aber einer
seyn von adelichen oder bürgerlichen Stande,
er mag eine Neigung haben zum Etaat, zur Militz,
zur Schreiberey, zur
Kauffmannschafft oder zum
Handwerck, so wird er den Nutzen der erlernten
lateinischen Sprache empfinden, wenn er auch
nur die ersten
Gründe recht gefasset hat. |
|
|
Man siehet also, wie viel daran gelegen sey,
daß Obrigkeiten solche Trivial-Schulen,
Pädagogia und Gymnasien anordnen, darinnen
die ersten Gründe, das Vestibulum, Tyrocinium, die Grammatick und Dialectick, ingleichen der
Anfang der Dichter-Kunst, und andere Ubungen in
gebundener und ungebundener
Rede und
Schrifften, nebst der Rechenkunst,
Geographie
und Historie nicht ohne sonderbahren Nutzen der
Jugend vorgetragen und beygebracht
werden. |
|
|
{Sp. 1481|S. 755} |
|
|
Ob auch schon einer nicht eben
Profeßion
machen solte von der lateinischen Sprache, so
wird er doch fühlen, wie sie den Verstand schärffe.
Insonderheit wird es ihn erfreuen, wenn er seiner
wenigen Latinität u. Wissenschafft wegen im
gemeinen Wesen mit mehrerm Respect wird
angesehen und vor andern zu
Ehren-Ämtern
herfürgezogen und erhaben werden. |
|
hohe Schulen |
Endlich sind die hohen Schulen oder
Academien und
Universitäten, die ihren Nahmen
daher führen, weil daselbst in allen vier
Facultäten, der Theologischen, Juristischen,
Medicinischen und Philosophischen, durch hiezu
bestellte gelehrte Leute öffentlich gelehret, und
die, so in solchen Wissenschafften sich genug
geübet, zum Zeugniß ihres Fleisses und
Geschicklichkeit zu denen Academischen Ehren
und Titeln eines Magisters, Licentiaten, und
Doctors erhoben werden. Ein mehrers hiervon
siehe den
Artickel
Academia im I
Bande,
p. 238
u.f. ingleichen
Universität. |
|
Aufsicht |
Weil nun die Schulen solchergestalt eine
beständige Fortpflantzung solcher Leute sind, die,
dem Vaterlande im
geist-und
weltlichen Stande zu
dienen, erzogen werden; so ist leicht zu erkennen,
was dem gemeinen Wesen daran gelegen, daß
dieselben wohl bestellet, und beydes Lehrende
und Lernende in gehöriger Zucht und
Ordnung
erhalten werden. Woraus denn folget, daß die
höchste Obsicht über dieselbe der
hohen Landes-Obrigkeit sonderlich obliege, und niemand befugt
sey, ohne derselben Wissen und Bewilligung sich
einige, zumahl öffentl. Schulen anzurichten. |
|
|
Absonderlich kan im
Röm. Reiche keine hohe
Schule ohne die
Kayserl. Confirmation gestifftet
werden. Wozu bey den Römisch-Catholischen
über das auch die Päbstliche Bestätigung
erfordert wird. Land- und Fürsten-Schulen
hingegen werden von dem
Landes-Herrn mit
Zuziehung der Stände angerichtet, und nach
dessen Anordnung visitiret und erhalten. In denen
geringern Stadt-Schulen aber werden die
Präceptores von denen Patronen bestellet, und
stehen solche bey denen Protestanten und der
des Superintendenten und des Consistorii
Aufsicht. |
|
Vermögensrecht |
Ubrigens werden die Schulen und ihre
Güter
als milde Stifftungen angesehen, und die
Schulbedienten unter den geistlichen Stand
gerechnet, daher sie mit denselben gleicher
Vorrechte und Befreyungen genüssen. |
|
Förderung |
Warum bey einer solchen Menge Schulen,
die unter uns und allenthalben anzutreffen, so
wenig rechtschaffene Gelehrten aufkommen, mag
unter andern daher rühren, daß kein gnugsamer
Unterschied unter denen Lernenden gebrauchet,
und jedermann, ohne Prüfung seiner Neigung und
Fähigkeit, zum
Studiren gelassen, oder aus Privat-Interesse wohl wider seinen Willen darzu
angehalten wird; da doch viel mehr vernünfftige
Eltern, oder, welche es besser
verstehen solten,
Lehrer auf Schulen, bey Zeiten einen Ausschuß
unter den Lernenden machen, und diejenigen, bey
denen zu dem Studiren keine natürliche Fähigkeit
oder auch wohl gar keine
Begierde vorhanden, zu
guten Künsten und
Handwercken, damit sie
hernachmahls sich und dem Vaterlande dienen
könten, verweisen solten. Allein gewinnsüchtige
Präceptores, (mit welchem Laster die meisten
behafftet,) unterlassen mit gutem Bedacht eine
solche Wahl, und lassen einen jeden aus
einer |
|
|
{Sp. 1482} |
|
|
Classe in die andere wandern, damit sie,
wenn sie eine starcke Anzahl in ihrer Classe
haben, von solchen fein viel Angebinde,
Nahmens- Tages- Neujahrs-Gelder, und wie die
Schulaccisen alle heissen, erheben können. |
|
|
Ferner mag es herrühren, daß Leute zu
Lehrern erwählet werden, die sich zum
Schulwesen nicht schicken; daß die in den
Schulen gebrauchte Ordnung der
Unterweisung
selten so beschaffen, daß allen zugleich ein
Genügen gethan werden kan, wodurch hurtige
Gemüther aufgehalten, die trägen verabsäumet,
oder wohl alle zugleich übel gewartet werden;
endlich daß ein rechtschaffener Fleiß, so wohl bey
denen Lehrenden, als bey den Lernenden,
meistentheils wenig Ermunterung und Belohnung
zu hoffen hat. |
|
|
Allein so groß und unglaublich der
Schade
auch immer ist, welchen eine
Republick bey so
bestallten Sachen darunter leiden muß: so ist
doch wohl so leicht keine
Hoffnung besserer
Zeiten vorhanden, wofern nicht
hohe Obrigkeiten
selbst anfangen, den Schaden Josephs zu
Hertzen zu nehmen, wofern man nicht das
Vorurtheil der
menschlichen Autorität und den
grossen Respect für das Alterthum ableget, und in
einem gewissen darzu angelegten Seminario auf
Academien rechtschaffene Leute dazu erziehen
lässet. |
|
|
Es haben zwar viele aufrichtige und um das
gemeine Beste bekümmerte
Männer Anleitung
gegeben, wie das Schulwesen in eine gute
Verfassung zu setzen; allein alle solche
wohlmeynende und nützliche Erinnerungen
bleiben meistens pia Desideria, ausser daß in den
Brandenburgischen und Hannöverischen
Landen
Hand zu solcher Verbesserung angeleget worden.
Doch muß man die Schulen selbst wegen der
Fehler und Laster bey Lehrenden und Lernenden
nicht verwerffen, noch das Kind mit dem Bade
ausschütten, wie Valentin Weigel, Christian
Hoburg und andere sollen gethan haben, deren
harte und bittere
Worte wider die Schulen hin und
wieder angeführet und widerleget werden. |
|
Privat- oder öffentliche Schulen? |
Den Gebrauch der Schulen in einer
Republick
verwirffet Hobbesius in Leviathan … welchen
Rechenberg in einer besondern
Disputation …
widerleget. Es wird aber dabey die Frage
aufgeworfen, ob Privatschulen den öffentl. oder ob
öffentl. Schulen den Privatschulen vorzuziehen
sind? da denn von einigen das erstere, von
andern aber das letztere bejahet wird. Wenn aber
von Privat-Schulen
geredet wird, so werden nicht
solche verstanden, die etwan ein verdorbener
Soldate, Krahmer,
Handwercker, Verschwender,
Bancorutirer oder sonst verdorbener
Mensch, der
etwas
schreiben und rechnen, und sonst nicht
weiter fortkommen kan, in einer
Stadt oder
Gemeinde anrichtet; sondern solche, die von
einem, der die dazu gehörige
Geschicklichkeit
besitzet, und bey der Jugend den verlangten
Nutzen schaffet, errichtet werden. |
|
|
Diejenigen, welche die Privat-Schulen den
öffentlichen vorziehen, führen diese
Gründe
an: |
|
|
1) |
Unter dem grossen Hauffen in öffentlichen
Schulen gehet es öffters seltsam durcheinander
und paßiret vieles
unordentliches Wesen:
Dergleichen darff man nicht von denen in die
Enge eingeschränckten Privat-Schulen
vermuthen. |
|
|
|
2) |
In den öffentlichen Schulen werden
gemeiniglich auf Seiten der Schüler
schädliche
Saamen von |
|
|
|
{Sp. 1483|S. 756} |
|
|
|
Simultäten, Hoffart, Neid,
Zanck, Mißgunst, Betrug, Unfreundlichkeit und
Unhöflichkeit etc. ausgesäet: solcher Saamen kan
sich in der Privat-Schule nicht so weit
ausbreiten. |
|
|
|
3) |
In den öffentlichen
Schulen lauffen viele böse
Gesellschafften mit
unter, da einer den andern verführet: welches in
Privat-Schulen ungleich weniger zu besorgen
ist. |
|
|
|
4) |
In der öffentlichen Schule,
darinnen allerhand Knaben durcheinander sitzen,
kan man schlechte Höflichkeit, anständige
Sitten
und Conversation vermuthen: hingegen ein Privat-Präceptor weiset viel eher seine wenige Discipel
an zur Modestie und Civilite. |
|
|
|
5) |
In öffentlichen Schulen
treibet man die Knaben mit harten Schlägen zum
Gehorsam, und schrecket manchen ab durch
öffentliche scharffe Correctionen. |
|
|
|
Diejenigen hingegen, welche die öffentlichen
den Privat- und Winckel-Schulen vorziehen,
führen folgende
Ursachen an: |
|
|
1) |
In einer öffentlichen
Schule hat die Obrigkeit durch kluge und
verständige Leute alles in gewisse
Ordnungen
abgefaßt, was und wie man die Jugend lehren
soll: in Winckel-Schulen hingegen weiß man von
keiner Ordnung, indem sich viele nach eigenem
Gefallen des Lehrens anmassen, ohne Rath und
Urlaub der Obrigkeit. |
|
|
|
2) |
In öffentlichen Schulen
prüfet man vorher der Präceptoren
Geschicklichkeit und
Gelehrsamkeit und fraget
nach ihren Zeugnisse von aussen her: ohne
dergleichen Prüfung und erforderte Zeugnisse,
lehren die Präceptoren in Privat-Schulen, wie sie
wollen. |
|
|
|
3) |
In öffentl. Schulen haben
die
Herren geistlichen und weltlichen Scholarchen
die Inspection und halten zu bestimmten Zeiten
ihre Visitationen und Examen: die Privat-Schulen
besuchet hingegen niemand; man weiß auch
nichts von Examen in denselbigen. |
|
|
|
4) |
In den öffentlichen
Schulen werden die Mangelhafften stets
verbessert und die Präceptoren zum Fleiß
angehalten, wie auch zur Rechenschafft ihres
Amts halben: in den Privat-Schulen hingegen
bekümmert sich niemand um der
Lehrer
Verrichtung. |
|
|
|
5) |
In öffentlichen Schulen
muntert man die Jugend auf zum meditiren,
declamiren, certiren, da man sie aus einer Classe
in die andere fortrücken lässet; es werden auch
die Fleißigen vorgezogen, mit Lobe erhoben und
mit Preissen beschencket, darzu man etlicher
Orten besondere Medaillen präget: in Privat-Schulen hingegen weiß man von keinem
Fortrücken in höhere Classen, und andern
Preissen; jedoch wollen viele
Gelehrte nicht
rathen, daß man die Knaben solle certiren lassen,
viel weniger daß man dieselben wegen einer
wohlgefaßten Lection loben und andern zum
Exempel vorstellen solle, weil dadurch auf Seiten
der Knaben die Eigenliebe nicht gedämpffet,
sondern vielmehr geheget würde. |
|
|
|
6) |
In öffentl. Schulen werden
die Knaben von guter
Art einander bekannt und
währet hernach solche Schul-Freundschafft
zwischen ihnen Lebenslang, welches dem
gemeinen Wesen nützlich ist: hingegen giebt es in
Privat-Schulen wenig Gesellschafft, und darff man
daher nicht grosse Freundschafft vermuthen. |
|
|
|
Aus diesen und andern Ursachen mag es
auch geschehen, daß einige Städte ihre
öffentliche
lateinische und deutsche Schulen mit
allen
Nothwendigkeiten versehen, und hingegen
die Winckel-Schulen gäntzlich abschaffen;
andere |
|
|
{Sp. 1484} |
|
|
hingegen die Privat-Schulen zwar nicht
gäntzlich verbieten, aber doch nicht geschehen
lassen, daß sich jemand ohne Wissen und Urlaub
der Obrigkeit erkühne, dergleichen Privat- und
Winckel-Schulen anzulegen. |
|
|
Es finden sich aber auch verschiedene, die
weder den öffentlichen noch Privat-Schulen
beypflichten. Ihr Rath zielet dahin, man solte
solche Schulen und
Collegia anrichten, darinnen
nicht mehr als 10, aufs höchste 12 Scholaren
unterwiesen würden. Und in der
That würde
sothanes Schulwesen bey der denen
Lehrmeistern und Discipeln gar
profitable seyn:
Denn ein Präceptor kan eher eine kleine Anzahl
Schüler, als eine grosse Menge, die er öffters
selbst nicht mit
Nahmen kennet, unter Augen
haben; und die Scholaren könten in vielen
Dingen
besser, als in gemeinen Schulen
unterrichtet
werden, nehmlich in Übungen der Gottseligkeit, im
Himmelslauf,
Geographie, Feldmessen,
Fortification, Visiren, Zeichnen, in der
Weltweißheit, Singekunst, allerhand
mechanischen Künsten, in guten Sitten, u.s.f. |
|
|
|
|