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Zedler: Leipzig [6] HIS-Data
5028-16-1652-18-06
Titel: Leipzig [6]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 16 Sp. 1704
Jahr: 1737
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 16 S. 863
Vorheriger Artikel: Leipzig [5]
Folgender Artikel: Leipzig [7]
Hinweise:
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Stichworte Text Quellenangaben
1546 Im 1546. Jahre verordnete Herzog Moritz, daß sich Niemand in Leipzig niederlassen sollte, er hätte denn zuvor vom Rathe das Bürger-Recht erhalten, und sich gleich andern die bürgerlichen Beschwerungen zu tragen erkläret.
  • Peifer l.c. ...
  • Vogel l.c. ...
  Ferner ließ gedachter Herzog die Catharinen-Kirche, die zu Ende der Cather-Straße stund, abbrechen, den dabey stehenden Brunnen mit dem Schutte ausfüllen, die Steine von der Kirche aber zur neuen Pastey bey dem Bernhardiner-Collegio zwischen dem Hallischen und Grimmischen Thore anwenden. Vogel l.c. ...
  Weiter befahl er zu Erweiterung und Befestigung der Stadt von erwehnter Pastey an bis zu Ende der Gerber-Gasse auch dieses Jahr eine starcke Mauer und Graben durch den Morast zu zühen, womit auch der Anfang gemacht, das Wasser mit grosser Mühe Tag und Nacht heraus geplumpt, zu Grunde gearbeitet, sehr grosse und ungeheuere Wacken herbey geführt und eingesenckt, darauf mit Steinen und Kalck ein starcker Grund gemauert und der Erde gleich herausgeführet ward. Über die Gerber-Gasse hinüber ließ er ein viereckigtes Castell abstechen, und starck an denen Graben und Wällen arbeiten, hätte auch dieses Zweifels frey zu Stande gebracht, wo nicht der Schmalcaldische Krieg dazwischen gekommen wäre.
  • Peifer l.c. ...
  • Schneider l.c. ...
  • Vogel l.c. ...
  Hierauf befahl der Herzog, als der Chur-Fürst Johann Friedrich in die Acht erklärt war, und gegen den Kayser, mit welchem es der Herzog hielt, Krieg führte, daß die Prediger zu Leipzig öffentlich  
  {Sp.1705|S. 864}  
  Gebete vor das Glück derer Kayserlichen Waffen anstellen sollten, welches aber dieselben aus gewissen Ursachen nicht thun wollten.
  • Hortleder vom Anfange und Fortgange des Teutschen Krieges ...
  • Vogel l.c. ...
  Da hierauf der Herzog in die Chur-Fürstlichen Länder gieng, säumte sich der Chur-Fürst gleich Falls nicht, dem Herzoge einzufallen, nahm unterschiedene Örter, und ward endlich schlüßig auch die Stadt Leipzig einzunehmen. So bald der Herzog hiervon benachrichtiget ward, legte er eine starcke Mannschafft zu Pferde und Fusse hinein, und machte die Verordnung, daß die Graben eiligst geräumet, die Mauern wieder hergestellet, die Lücken mit ausgefüllten Schantz-Körben versetzt, und alles, was zur Gegenwehr nützlich, angeschaffet und gebauet, was aber hinderlich oder schädlich wäre, abgebrochen und eingerissen würde. Sleidanus, Hortleder, Caluisius, Chytraeus, Peifer, Heidenreich, Schneider und Vogel II. cc. ...
  Den 27. Dec. gieng das Geschrey, wie der Chur-Fürst mit einem Heere von 30000. Mann im Anzuge nach Leipzig begrieffen wäre, des Wegen sich viele Bürger aus Furcht mit Weibern und Kindern aus der Stadt in Sicherheit begaben. So ward auch der instehenden Belagerung wegen aber Mahls die hohe Schule nach Meissen verlegt. Herzog Moritz verordnete hierauf zwey Statthalter nach Leipzig, und schickte den 28. Dec. eine ansehnliche Besatzung unter dem Obersten Walwitz hinein.  
  Den 29. Dec. wurden die Soldaten und Bürger mit ihrem besten Gewehr und Rüstung auf den Marckt beschieden, und musten die Bürger in Gegenwart Herzog Moritzens und seines Bruders Herzog Augusts einen besondern Eid zu dieser Besatzung schwören, daß sie ihrem Landes-Fürsten treu bleiben, und zu Erhaltung dieser Stadt Gut und Blut ansetzen wollten. Nach geleistetem Eide ward das Regiment und die Thor-Schlüssel vom Rathe genommen und denen beyden Statthaltern übergeben und zu treuen Händen anbefohlen, auch der Rath und die gantze Bürgerschafft, so lange die Belagerung dauern würde, an sie gewiesen.  
  Den Tag darauf ward früh Morgens das Georgen-Spital vor dem Ranstädter Thore, nach dem man die krancken und armen schon den Tag zu vor in die Stadt geschafft hatte, angezündet und in die Asche gelegt, die starcken Mauern aber, weil sie das Feuer nicht zwingen konnte, auf des Herzogs Befehl aus dem großen Geschütze vollends niedergeschossen. Ferner alle Häuser nach dem Hällischen Graben und Thore zu, sammt der gantzen Hällischen und Ranstädter Vorstadt, damit die Gebäude dem Feinde bey dem instehenden kalten Winter nicht dienlich, der Stadt aber schädlich seyn könnten, abgebrannt und brannte das Feuer nicht allein die erste gantze Nacht durch, sondern auch noch des folgenden Tages und die folgende Nacht. Durch diese Einäscherung geschahe dem Spitale am Getraide und Mehle und sonderlich denen Gerbern an gemachter Arbeit ein unverwindlicher Schaden.  
  Gegen Abend wurden 1300 Hussaren und 300. Böhmen mit zur Besatzung eingenommen. Den letzen Tag dieses Jahres wurden einige Häuser in der Stadt bey dem Hällischen und Ranstädter Thore niedergerissen, die Dächer von denen Häusern abgetragen, das Ranstädter und Hällische Thor gesperret, die Brücke abgebrochen, die Thore mit Miste und Erde gefüllet, Schantz-Körbe darauf gesetzt,  
  {Sp.1706}  
  und Geschütz aufgeführet, auch der Thurm über dem Hällischen Thore abgetragen, und der Stadt-Graben, weil er sehr gefrohren war, täglich geeiset. In der folgenden Nacht ward zu Bestätigung und Erhaltung guten Regiments und Friedens, noch zu Verhüttung einiger Gewalt, Unrechts und Diebstahls, ein Galgen auf dem Marckte errichtet.  
1547 In denen zwey ersten Tagen des folgenden 1547. Jahres ward das Peters-Thor gesperret, die höltzerne Brücke abgebrannt, das Thor selbst mit Miste verschüttet und Geschütz darauf geführet, auch sonst alles wohl versehen, und die Stadt überall wohl befestiget; dazu die Bürger so wohl als die Soldaten hülffliche Hand leisten musten. So wurden auch diesen Tag die Haupt-Leute eingetheilet und iedem sein Ort zu beschützen angewiesen.  
  Mittler Weile kam die Zeitung, wie sich der Chur-Fürst der Stadt schon auf fünf Meilen, nehmlich bis nach Halle in Sachsen, genähert hatte. Den 4. Ian. zur Nacht thaten hierauf 200. Hussaren, zu welchen hernach noch 100. Küraßierer, die ihr Qvartier in denen Kohl Gärten hatten, stiessen, den Feind aufzusuchen einen Ausfall, und geriethen mit dem Feinde in ein hart und blutiges Treffen, brachten auch nebst verschiedenen gefangenen und einer guten Beute drey Menschen Köpfe mit sich zurück.  
  Weil man nun aus ihrer geschwinden Zurückkunfft leichte abnehmen konnte, daß sich der Feind der Stadt auf ein gutes Theil genähert haben müste, und in der Stadt alles zu guter Gegenwehr veranstalltet war, so nahm der Herzog den 5. Ian. von beyden Statthaltern und dem Rathe beweglichen Abschied, und ermahnte sie nochmals, die Stadt mit allem Fleisse zu beschützen, worauf er mit der Reuterey und 60. Wagen seinen Abzug nahm, und 10. Compagnien zu Fusse nebst 60. Pferden in der Stadt zur Besatzung hinterließ.  
  Kaum war er zum Thore hinaus, so wurden auf ergangenen Befehl die nächst anliegenden Dörffer, Euteritsch, und Golitz, die beyden Kohl-Gärten, beyde Mühlen vor dem Ranstädter und Peters-Thore, ingleichen die Grimmische und Peters-Vorstadt, nebst dem Spitale zu St. Johann angezündet, und, was darinnen befindlich war, denen armen Leuten aufs Feld von denen Hacken-Schützen Preis gegeben. Denen armen aus dem Johannis-Spitale aber räumte man das Bernhardiner-Collegium, denen abgebrannten Vorstädtern hingegen die andern Collegia, welche nach Verlegung der hohen Schule meisten Theils ledig stunden, ein.  
  Da Mahls stund noch die Thomaser- und Barfüsser-Vorstadt, wohin sich der Feind nicht leicht legen konnte, zu welchen auch die Bad-Stube und Mühle zu rechnen waren, des Wegen wurden sie auch nicht angesteckt, sondern nur die Dächer abgeworfen, damit der Wind, wenn ja der Feind dieselben in Brand brächte, die Flamme nicht in die Stadt treiben könnte; und diesen Tag ließ sich auch der Feind unweit Golitz, wenig Stunden darauf aber bey Übelessen in völliger Schlacht-Ordnung sehen.  
  Es hörten des Wegen auch den 6. Ian. alle Seiger in der Stadt zu schlagen auf, so ward auch alles Glocken-Geläute eingestellt und zuvor öffentlich verkündigt, die Thor-Schlüssel aber vom Bürger-Meister dem Obersten überliefert. Doch schickte der Chur-Fürst noch, ehe er die Stadt berennen ließ, einen Trompeter und einen mit einem weissen Stabe,  
  {Sp.1707|S. 865}  
  daran ein Brief befestiget war, hinein, und ließ sie auffordern, erhielt aber schlechte Antwort zurücke.  
  Da Mahls kam auch eine starcke streiffende Partey nahe an die Stadt, auf welche ein Ausfall geschahe, und wurden nebst 50. gefangenen auch 500. Schaafe, die ein Schäfer in des Feindes Lagers treiben sollen, auch etliche beladene Wagen mit Korne in die Stadt gebracht. Die gefangene wurden entwaffnet, und, nach dem sie einen Eid geleistet, in vier Monathen keinem Herrn zu dienen, des Nachts mit weissen Stäben wieder aus der Stadt gelassen.  
  Eben diesen Tag wurden auch aller abgebrannten Vorstädter Namen aufgezeichnet und ihnen nach ihrer Anzahl, damit sie sich mittler Weile behelffen könnten, Korn vom Schlosse ausgetheilet. Darauf ward auch der Zwinger und Stadt-Mauer in vier Theile abgetheilet, und iedes Viertheil der Bürgerschafft, wo es den Feind erwarten und abtreiben sollte, angewiesen. Zwey Compagnien aber sammt denen 60. Pferden, welche der Herzog in der Stadt gelassen hatte, blieben auf dem Marckte in Bereitschafft stehen.  
  Den 8. Ianuarii ward die Stadt vor dem Grimmischen und Peters-Thore zum ersten Mahle mit ungefähr 200. Pferden berennet, auf welche die auf dem Marckte in Bereitschafft stehende Völcker einen Ausfall wagten, und sie glücklich abtrieben. Den folgenden Tag nahm der Chur-Fürst alle denen Bürgern zuständige Vorwercke und Dörffer unter Connewitz ein, ließ auch die Stadt zum andern Mahle an gedachtem Orte berennen, und damit es denen belagerten an Wasser fehlen mögte, die Wasser-Künste in Brand stecken; worauf 300. Hacken-Schützen mit denen 60. Reutern hinaus fiellen, und unterschiedene gefangene mit sich hinein brachten, die aber der Commendante dem Chur- Fürsten, weil sie meisten Theils siech und kranck waren, zum neuen Jahres Geschencke wieder zuschickte.  
  Den Morgen darauf spürte man wegen eingefallener grimmiger Kälte Niemanden vom Feinde, der sein Winter-Qvartier in denen herum liegenden Dörffern genommen hatte, im freyen Felde, und schickte des Wegen einige aus der Stadt die Gottes-Acker-Mauer nieder zu reissen, damit sie nicht dem Feinde zum Vortheile, der Stadt aber zum Nachtheile gereichen könnte. Ehe man sichs aber versahe, fiell der Feind mit 200. Pferden aus Übelessen auf dieselben heraus, und entstund also ein hitziges Gefechte, bis endlich die aus der Stadt weichen musten, die ie doch noch fünf gefangene mit sich brachten. Alle und jede Ausfälle aber, die nachgehends geschehen sind, hier anzuführen, ist zu weitläufftig.  
  Der Chur-Fürst hatte sich nimmermehr eingebildet, daß ihm die Stadt so viel zu thun machen würde, weil er sich überreden lassen, so bald er davorrückte, würden die bestürtzten Bürger, welche dergleichen Beängstigung nicht gewohnet waren, wenn sie Ernst vermerckten, herauskommen, sich auf Gnade und Ungnade ergeben, um Friede bitten, und alles, was er nur verlangte, eingehen. Da er nun durch seinen hinein geschickten Trompeter den Gegentheil erfahren hatte, ward er schlüßig, die Stadt mit allem Ernste anzugreiffen, und zum Gehorsam zu bringen. Darauf hörte man den 2. Ian. Abends um 7. Uhr vor der Stadt überall das Spiel rühren, und wurden vier Regimenter vom Chur-Fürsten befehliget, bey stiller Nacht Batterien aufzuwerffen.  
  {Sp.1708}  
  Nun war zwar das Erdreich sehr gefroren, daß man in der Stadt alle Schläge derer Schantz-Gräber hören konnte, des Wegen man auch von der Mauer und denen Thürmer mit denen Stücken starck unter sie spielte, doch hatte dieses gar nicht die gehoffte Würckung, weil der Feind an verschiedenen Örtern blinde Feuer angelegt hatte, nach welchen die in der Stadt, weil sie meynten, daß sie um diese Gegend arbeiten müsten, ihr grobes Geschütz richteten und losbrannten. So bald also der Morgen anbrach, sahe man schon neun Schantzen um die Stadt aufgeworffen, von welchen darauf die Stadt und alle vier Thore hefftig beschossen.  
  Nach dem nun der Chur-Fürst die Stadt mit dem beständig anhaltenden Schüssen zwey Tage lang geängstiget hatte, schickte er noch den 14. Ian. gegen Abend einen Herold an die Mauer, mit Vermelden, wo sich die Stadt nicht bald ergeben würden, sollten die Mauern derselben in kurtzem über den Hauffen geschossen und der Stadt der Ernst gezeiget werden.  
  Weil man aber in der Stadt schon wuste, wie verächtlich der Feind von ihnen geredet, und sich auf die reiche Plünderung vetröstet hatte, so wurden die Bürger und Soldaten desto erhitzter, und gaben zur Antwort: sie wollten die Stadt, so viel sie könnten, wieder alle Gewalt derer Feinde beschützen, und es ehe auf das äusserste kommen lassen, als meineidig werden, den Huldigungs-Eid, welchen sie ihrem gnädigsten Landes-Fürsten Herzog Moritzen geleistet hätten, brechen, und die Stadt aufgeben; liessen auch, sich wegen ihrer Beschimpfung zu rächen und dem Feinde seinen Mangel, den er an Sold und andern Dingen lidte, vorzuwerffen, ein höhnisch Bild über die Mauern heraus hängen.  
  Hierauf ward der Feind desto erbitterter, daß er nicht mehr, wie zuvor, die Dächer auf denen Häusern durch die eingeworffenen Feuer-Kugeln zu nichte machte, sondern auch die Mauern selbst angrieff, und ohne Unterlaß aus dem groben Geschütze darauf feuerte. Sonderlich suchte er den Henckers-Thurm zwischen zwischen dem Grimmischen- und Peters-Thore einzuwerffen, weil er vermeynte, daß hierdurch der Stadt-Graben gefüllet und zum Sturm lauffen Gelegenheit gegeben werden sollte.  
  Doch die belagerten wusten dem Einfalle dieses Thurms in Zeiten vorzubauen, und zogen zu oberst eine eiserne starcke Kette inwendig vor das Fenster, legten qver über einen Balcken, und befestigten hieran die Thurm-Spitze. Die Kette zogen sie hernach gegen die Stadt zu, die Länge, herunter und befestigten sie in die Erde, daß sie nicht leicht zurücke gezogen und wackelnd gemacht, dabey aber der Fall des Thurms auf eine gewisse Seite gelenckt werden konnte, und so er ja durch des Feindes beständiges Schüssen fallen müste, nicht in den Graben sondern in die Stadt fielle. Ferner wurden auch die Mauern zu oberst mit Woll-Säcken bedeckt, damit die darauf fallenden Kugeln matt und ohne Würckung abprallten.  
  Sonderlich ward auch da Mahls denen Kirchen, dem Schlosse und dem Zeug-Hause darinnen nicht geringer Schaden zugefügt; mogte aber doch hierdurch bey denen belagerten nichts weniger als die Übergabe der Stadt zu Wege gebracht werden: denn was der Feind des Tages über zernichtete, ward in der Nacht wieder mit Miste und Erde fester, als es vorher gewesen war,  
  {Sp.1709|S 866}  
  verbauet, und die belagerten unterliessen nicht, des Feindes unabläßiges schüssen mit ihren Stücken tapfer zu beantworten. Ob sichs auch wohl diesen Tag zu einem Sturme anließ, Massen der Feind durch die Bauern viele 100. Fuder Reis-Holtz anführen lassen, und sich mit Ausmusterung dreyer Regimenter dazu geschickt gemacht hatte, so ward doch diesen Tag nicht fortgefahren.  
  Den folgenden Tag aber, nehmlich den 16. Ian. zur Nacht, waren etliche feindliche Soldaten stillschweigend aus dem Lager gegangen, und fiengen unversehens bey dem Graben am Peters-Thore ein gräßliches Geschrey an. Die Schild-Wache und andere in der Stadt, die es hörten, meyneten nicht anders, als der Feind ruffe: Lermen! Lermen! So gleich ward alles in der Stadt rege, das Spiel gerühret, und überall geruffen: Lermen vom Feinde! Dieses bey nächtlicher Weile entstandene ruffen erweckte nicht wenigen Furcht und Schröcken als bey dem Frauen-Zimmer Heulen und Weh-klagen.  
  Es wurden also bald Gegenanstalten gemacht, in denen an denen Eckhäusern in der Höhe angemachten Feuer-Pfannen Feuer angezündet, die Bürger erschienen mit angelegter Rüstung auf der Mauer, das Weibs-Volck aber machte sich gefaßt den Feind mit Pech-Cräntzen zu empfangen. Der Feind, welcher das ungewöhnliche schreyen und lermen in der Stadt hörte, gleich wohl aber, weil ihm kein Sturm in den Sinn gekommen war, nicht wuste, was er sich davon einbilden sollte, meynte nicht anders, als daß ihm die belagerten mit gantzer Macht auf den Hals fallen würden, ließ gleich Falls Lermen schlagen, und stellte sich in Ordnung, sie zu erwarten.  
  Als aber beyde Theile gnug auf einander gelauert hatten, und keines gegen das andere anrückte, legte sich ein jeder wieder zur Ruhe. Wenig Stunden darauf spielte der Feind sechs grosse Feuer-Kugeln ins Pauliner-Collegium und auf den Neumarckt, es fiell aber noch in dieser Nacht ein starcker Regen, welcher ihn in seinem Vorhaben hinderte.  
  Den 17. Ian. ließ der Feind die noch stehenden Mauern von der Johannis-Kirche von denen Gräbern mit Erde, Schutt und Reis-Holtz füllen, und Geschütze darauf bringen, schoß aber doch diesen Tag nicht sonderlich, und bemühete sich nur der Stadt mit Schantzen näher zu kommen, brachte es auch so weit, daß man besorgte, er würde die Stadt ehestens mit drey Stürmen angreiffen, weil die Soldaten schon einander mit Steinwerffen erreichen konnten. Es wurden auch diesen Tag einige mit des Raths Holtz Förster aus der Stadt geschickt, daß sie Reisholtz zu Schantzkörben hauen sollten, welche aber durch des Raths eigene Bauern dem Feinde verrathen, und von ihnen gefangen genommen wurden.  
  Den 18 dieses Monaths ward man auf der Mauer gewahr, daß sich einige Feinde aus ihrem Vortheile gewagt hatten, des Wegen man auch einen Ausfall that, bey welchem es von beyden Theilen sehr blutig hergieng. Eben diesen Tag ward auch das Grimmische Thor mit Schutte ausgefüllet, Geschütz darauf geführet, und daraus wie auch vom Pauliner- und grossen Fürsten-Collegio starck auf den Feind gespielet, worauf der Feind das Thor zu beschüssen eine Schantze aufwerffen lassen. Als nun ein abermahliger Ausfall geschahe, unterstützten in dessen die in der  
  {Sp.1710}  
  Stadt den Peters-Thurm, welcher zuvor untergraben worden, und thaten Vorsehung, daß er nicht hinaus in den Graben, sondern in sich selbst fallen müste.  
  Den 19. Ian. sahe man kurtz vor der Sonnen Untergang auf der Mauer drey Regimenter vom Feinde unter dem Gefolge 8. grosser Stücken und vieler Schantz-Körbe nach der Hällischen Strasse zu fortrücken, woraus die belagerten leichte abnehmen konnten, daß die Feinde ihr Qvartier auf der Gerber-Strasse nehmen, und die Stadt von selbiger Seite beängstigen würden, wie sich denn auch dieselben in der folgenden Nacht in das von Herzog Moritzen neu angefangene Befestigungs-Werck legten, sich verschantzten, die Stücken auf den neuen Wall führten und die Stadt sehr gewaltig von dieser Seite beschossen. Hingegen liessen sich die belagerten eben Falls nicht faul finden, und thaten von dem Hällischen Thore allen nur möglichen Wiederstand.  
  Weil aber der Feind gäntzlich beschlossen hatte, den Henckers-Thurm zu seinem Vortheile niederzulegen, rückte er mit dem Lager bey der Sand Grube diesem Thurme gegen über etwas fort. Also war die Stadt von der Pleisse an bis an die Kirche zu St. Johann Rings um mit Schantzen und Bollwercken umgeben. Von da an lagen in einer breiten Gegend niedrige flache Felder, von denen in grosser Menge darauf stehenden Brombeer-Sträuchen das Rubeth, daneben tieffe sumpfige von der Barde bewässerte Wiesen, wegen derer darauf befindlichen Erlen, die Erlichs-Wiese genannt, da der Feind, so weit es die Lands-Art zuließ, einen Graben und hinter demselben einen Wall aufwarff, um auf solche Weise die Stadt gantz einzuschliessen; daß von dem Mannsfeldischen Lager an, die Erlichs-Wiese ausgenommen, kein freyer Paß gelassen, das der Hällischen Pastey gegen über gelegene Rubeth aber mit Schantz-Körben besetzet und Minen daselbst angeleget werden sollten, welches iedoch die in der Stadt verhinderten. Ob nun wohl die Stadt gegen Abend wegen derer vielen daselbst befindlichen Sträucher und Moräste nicht belagert werden konnte, so machten doch die streiffenden Parteyen derer Feinde die Wege zu und nach der Stadt so unsicher, daß weder die in der Stadt heraus kommen, noch die von aussen etwas hinein schaffen konnten.  
  Den 20. dieses Monaths aber ließ der Feind viele Faschinen anführen, und in den Graben werffen, auch dabey verschiedene Schantzen errichten; doch die belagerten wehreten sich männlich, und erhielten Befehl, die Faschinen in Brand zu stecken.  
  Den 21. Ian. fieng der Feind gleich früh nach 7. Uhr wieder an, die Stadt gewaltig zu beschüssen, und geschahen diesen Tag über 400 Schüsse mit Kugeln zu 40. 44. 46. 50 bis 60 Pfund schwer. Währenden schüssens ließ der Chur-Fürst seine Trompeter auf dem Gottes-Acker lustig aufblasen, schickte auch über dieses einen Trommelschläger an die Stadt, zu fragen, ob sie sich noch nicht ergeben wollte, wiedrigen Falls würde er sie gantz und gar zerstören. Doch dieser erhielt vom darinne liegenden Commendanten, dem Obersten von Walwitz, welchem die in die Stadt eingelegte Besatzung anvertrauet worden war, zur Antwort, er hätte nicht Macht, die Stadt aufzugeben, sondern sie wäre ihm, denen Soldaten und Bürgern aufs treulichste anbefohlen und diese wollten sich bis auf den letzten Bluts-Tropfen weh-  
  {Sp.1711|S. 867}  
  ren. Gegen Abend um 4. Uhr ließ er die Soldaten und Bürger durch den öffentlichen Trommelschlag auf dem Marckte zusammen beruffen, und erklärte sich, wie er gesonnen wäre, seinen Eid mit Aufsetzung Leib und Lebens unverbrüchlich zu halten, auch das Vertrauen hätte, wie sie mit ihm gleicher Meynung seyn würden. Die nun dieses von Grunde des Hertzens meyneten, sollten mit aufgereckter Hand ihr Jawort von sich geben. Dieses geschahe von der sämmtlichen Bürgerschafft, und muste darauf ieder wieder an seinen Ort gehen. Es wurden auch hierauf aus iedem Viertheil von der Bürgerschafft gewisse Personen ausgelesen, welchen die Wache auf denen Gassen anbefohlen und aufgetragen ward, die einfallenden Feuer-Kugeln, ehe sie noch ihre Würckung erreichten, zu dämpfen, und auszulöschen.  
  Den 22. Ian. schoß der Feind so gewaltig auf und in die Stadt, daß man wegen des vielen Dampfes und Rauches vom Pulver nicht sehen konnte, ob es Tag oder Nacht wäre, sollen auch diesen Tag über 1600. Schüsse auf die Stadt geschehen seyn. Nach Mittage ward hierdurch ein grosses Stück von der Mauer gefället, doch die belagerten wehrten sich ihrer Gewohnheit nach tapfer, und verbaueten des Nachts die Lücke mit Schutt und Miste. Der Feind steckte hierauf die Mühle vor dem Barfüßer Thor an, und machte im Lager drey Stunden lang Lermen, welches in der Stadt, weil man sich eines Sturms befahrete, grosse Unruhe verursachte.  
  Weil auch der Feind an diesem Tage bey 24. Feuer-Kugeln in die Stadt gespielt hatte, ward den folgenden 23. Ian. allen Bürgern und Soldaten durch öffentliches Umschlagen vermeldet, sonderlich auf die einfallenden Feuer-Ballen Aufsicht zu haben. Zu dem Ende muste ein ieder an seinem angewiesenen Orte Wache halten, das Weibs-Volck aber Wasser auf die Häuser tragen, und des Nachts mit Lichtern zum Fenster heraus leuchten. Weil nun da Mahls gleich ein Sonntag war, entstund währender Predigt ein Geschrey, wie der Feind entschlossen wäre, Sturm zu lauffen, welches nicht allein grosse Furcht und Schröcken verursachte, sondern auch machte, daß alles Volck aus der Kirche lieff, und der Gottesdienst geendigt ward.  
  Den 24. gieng das schüssen noch beständig fort, und ward auch die hohe Feuer-Mäuer auf der Schloß-Küche eingeschossen, welche ie doch gleich unter sich fiell, und Niemanden beschädigte. Es war aber da Mahls viel adeliches Frauen-Zimmer im Schlosse, welches sich um besserer Sicherheit willen dahin begeben hatte; da aber dem Schlosse hart zugesetzt ward, entstund so ein Zittern und Wehklagen, daß man sich desselben erbarmen, und es in die Stadt lassen muste. Nach diesem ward das Schloß noch immer mehr beschossen, die Stadt-Mauern an unterschiedlichen Örtern sehr durchlöchert, auch der Henckers-Thurm, nach welchem an diesem Tage 1280. Schüsse geschehen, niedergeworffen, doch daß er mehr zu der Stadt als des Feindes Vortheile einfiell, auch die vierte Ecke davon noch bis nach der Belagerung stehen blieb:  
  Den 25. Ian. nach Mittage beschoß der Feind die Stadt wieder von allen Seiten, ließ auch viele Wagen mit Reis-Holtze beladen zuführen, und warff um 2. Uhr alleine 12. Feuer Kugeln in das Pauliner-Collegium, von denen eine die Firmerey oder das Siechhaus in Brand steckte. Als sich auch die Bürger bemüheten, das Feuer zu  
  {Sp.1712}  
  löschen, gab der Feind so unaufhörlich Feuer auf sie, daß sich Niemand weiter dahin wagen durffte, doch muste er auch durch sein schüssen das Feuer selbst auslöschen. Weil nun an diesem eintzigen Tage über 50. Feuer-Kugeln in die Stadt eingeworffen worden waren, so erforderte man noch denselben Abend die Bürgerschafft auf den Marckt, und musterte 200. aus, davon in iedes Viertheil 50. verordnet wurden, die des Nachts wachen und Achtung darauf geben musten. In der folgenden Nacht rüstete der Feind zum Sturme, des Wegen alles in der Stadt munter seyn und sich zur Gegenwehr gefast machen muste.  
  Es hielt auch der Feind den folgenden 26. Ian. früh Morgens mit schüssen inne, und bildete sich niemand etwas gewissers ein, als daß nunmehr ein Sturm gewagt werden würde, sinte Mahl der Feind viele 100. Fuder Reis-Hotz anführen, und in den Stadt-Graben hinter dem Schlosse und zwischen dem Paulliner-Closter und Henckers-Thurme werffen lassen, auch die Futter-Mauer am Schlosse im Stadt-Graben und die andern Mauern der Stadt an verschiedenen Orten sehr zerschossen und zersprengt, und über dieses am Barfüsser-Thore eine Schlag-Brücke gemacht war. Man that des Wegen einen Ausfall, und steckte das in den Graben geworfene Reis-Holtz mit Pech-Cräntzen an, welches zwar bald brannte, aber, weil es meisten Theils Weiden-Holtz und dazu noch grün war, auch bald wieder verlöschte. Man versuchte aber die Nacht einen neuen Ausfall, und war auch so glücklich, daß das Reis-Holtz gantz und gar verbrannte.  
  Den 27 Ian. kam wieder ein Geschrey in die Stadt, nun wollte der Feind seinen vielfältigen Drohungen nachkommen, und die Stadt an drey Orten bestürmen. Man schlug demnach in der gantzen Stadt Lermen, und forderte alles zur Gegenwehr zusammen. Darauf musten sich so wohl die Bürger als die Soldaten, ieder mit guter Ladung Schrot, Korn Hagel, Ketten, Geschütz, Morgensternen, Fuß-Eisen, Hackeln, Barten und Pech-Cräntzen, an bestimmten Ort verfügen, und die Ankunfft des Feindes erwarten.  
  Es ward aber auch vor dieses Mahl nichts daraus; sinte Mahl der Feind sein meistes Geschütz schon in der vorigen Nacht abführen, und zu Aufhebung der Belagerung den Anfang hatte machen, auch hernach nur noch etliche Schüsse von der vor dem Peters-Thore aufgeworffenen Schantze und Gottes-Acker-Kirche in die Stadt thun lassen; darauf er bald sein Lager anzündete, das rückständige Geschütz mit sich führte, und in Schlacht-Ordnung unter gemachtem Rauche fortzog, nach dem er bey 14000. Feuer-Kugeln, ohne diejenigen, so nicht ausgegraben werden können und über die Stadt weggeflogen waren, hineingespielet hatte, davon die leichtesten 15. bis 20. die schwersten aber 60. und mehr Pfund gewogen hatten.
  • Arnoldus Vita Maur. Elect. Sax. bey Mencken Script. Rer. Germ. ...
  • Camerarius Vita Melanchthonis.
  • Peifer Origg. Lips. ...
  • Heidenreich.
  • Peckenstein Theatr. Sax. ...
  • Zeiller Topogr. Sax. sup. ...
  • Vogel l.c. ...
  Was den Chur-Fürsten bewogen, diese Belagerung, ohne einen Sturm zu wagen, so schleunigst aufzuheben, war wohl die erschollene  
  {Sp.1713|S. 868}  
  Zeitung, daß ein starcker Entsatz unter dem Kayser, Römischen Könige, Herzog Moritzen und Marggraf Albrechten im Anzuge begrieffen wäre, in gleichen die hartnäckige Gegenwehre derer belagerten, und der Mangel seiner eigenen Völcker, welche über dieses durch diese Belagerung sehr geschwächet worden waren.
  • Arnoldus l.c. bey Mencken l.c. ...
  • Vogel l.c. ...
  Denn was Müller in Sächs. Annal. ... Zeiller l.c. und andere wollen, daß dieses die Ursache gewesen, daß die Chur-Fürstlichen Obersten u. hohe Kriegs-Bedienten ihre besten Sachen, einige auch so gar ihre Kinder in der Stadt gehabt hätten, da denn bey Einnahme der Stadt jene hätten können erbeutet, diese aber getödet worden seyn; des Wegen man auch die Sprüch-Wörter gehabt: Leipzig liegt vor Leipzig; in gleichen: Leipzig liegt haussen und Leipzig liegt innen; also kann Leipzig nicht Leipzig gewinnen: scheint nicht allzu wohl Stich zu halten; und wird von andern eingewendet: Es würde vielmehr solchen Falls auch die Stadt besser geschonet, und nicht so unaufhörlich beängstigt worden seyn; in gleichen die Soldaten und hohen Kriegs-Bedienten einander nicht selbst auf die reiche Plünderung vertröstet haben.  
  Zu dem wären dererselben ihr in die Stadt geflüchtetes Vermögen unverloren gewesen, weil sich kein gemeiner Soldate an seines Ober-Haupts Güter hätte wagen dürffen, auch dieselben noch ein viel grösseres Gut bekommen haben würden, als ihr hinein geflüchtetes gewesen. Über dieses wären sie auch nicht versichert gewesen, ob ihre Kinder nicht von denen hineinschlagenden Kugeln getroffen werden könnten. Weiter würden doch nicht alle ihre Redlichkeit bey Seite gesetzt gehabt haben, und endlich wäre auch nicht zu vermuthen, daß sich der Chur-Fürst, als ein wohlversuchter Soldate, durch seine eigenen hohen Kriegs-Bediente sollte haben vom Sturme abhalten lassen. Vogel l.c. ...
  Im Abzuge steckte der Feind noch einige Dörffer und Vorwercke an, plünderte und brandschatzte diejenigen Örter, wo er im Qvartiere gelegen, zerschlug die Mühl-Steine in denen nahe gelegenen Mühlen, und verderbte über Haupt alles Mühl-Werck um die gantze Stadt herum, verbot auch auf denen der Stadt nahe gelegenen Städten und Flecken, Prouiant oder andere Nothdurfft dahin zu führen, und besetzte dieselbe mit Reutern und Fuß-Volcke sehr starck.  
  So bald aber der Feind abgezogen war, fiellen die Bürger und Soldaten als bald in die Schantzen und fanden darinnen viele tode, die sie ehrlich begruben, wie auch viele beschädigte und krancke, denen sie Essen und Labsal reichten, auch viele in die Stadt trugen und ihrer warteten. Die toden in der Stadt aber wurden, weil man wegen des harten Winters nicht wohl in die Erde kommen, und iedem ein besonder Grab machen konnte, zusammen in eine grosse Grube begraben, weil aber die verstorbenen nicht tieff genug verscharret, und auch nicht hoch genug mit Erde bedeckt waren, entstund in denen heissen Sommer-Tagen, als die Sonne sehr darauf schien, ein übler Geruch und unangenehme Dunst, daher man sich eines grossen Sterbens befürchten muste; des Wegen auch die Procuratores des Paulliner-Collegii Versehung thaten, daß man mehr Erde anführen, und diesen Ort drey und  
  {Sp.1714}  
  mehr Schuhe hoch bedecken sollte; daher es auch kommt, daß dieser Ort noch heutiges Tages etwas höher ist. Vogel l.c. ...
  Den 28. Ian. schlug man, weil die Glocken noch nicht geläutet wurden, noch mit zwey Trommeln zur Predigt, nach deren Endigung man das Te Deum laudamus sang; auf den Abend aber fiengen die Seiger wieder an zu schlagen, und wurden auch des folgenden Tages die Glocken wieder geläutet. Vogel l.c. ...
  Zum Andencken dieser Belagerung ließ auch Herzog Moritz eine goldene Müntze oder Leipzigische Klippen prägen, auf deren einer Seite das Herzogliche Wapen, nehmlich fünf Quer-Balcken mit dem schrägliegenden gerauteten Balcken und darüber M. H. Z. S. auf der andern aber die Worte: H. HERI BELEGERT. LEIPZIG. MENS. IAN. AN. MDXLVII. zu sehen waren. Vogel l.c. ...
  Den 29. Ian. wurden durch einige von der Leipzigischen Besatzung Weissenfels und Lützen eingenommen, und nebst einigen gefangenen auch eine gute Beute mit nach Leipzig gebracht. Vogel l.c. ...
  Eben diesen Tage musten beydes Bürger und Bauern die Leim-Wände und Brand-Mauern, wie auch die Kirchen-Mauer zu St. Johann und um den Gottes-Acker vollends niederreissen, die neuen Schantz-Körbe und Schaff-Horden aber, so der Feind zurück gelassen, auf den Marckt bringen, wo sie der Oberste hernach an die Stadt- Mauer in die grossen eingeschossenen Lücken bey dem Peters-Thore setzen ließ; so wurden auch viele Fuder Reis-Holtz, welche der Feind anführen lassen, den Stadt-Graben damit zu füllen, in die Stadt gebracht;  
  Den 30. Ian. aber, welches ein Sonntag war, wieder ordentlich zur Predigt eingeläutet, und vor den göttlichen Beystand gedancket, auch diesen Tag das Barfüsser-Thor drey bis vier Mahl eröffnet.  
  Den 1. Febr. hielt man wieder Wochen-Marckt, und brachte das Land-Volck viele Eß-Waaren zum Verkauffe. In denen folgenden Tagen aber ward viel Heu, Stroh und Holtz, so Theils verbrannt, Theils unverbrannt war, in die Stadt gebracht und vom Obersten Preis gegeben, darüber sich ein grosser Streit erhub, und manchem auch grosser Schaden zugefügt ward. Sonst ward in dieser Woche alles um die Stadt wieder eben gemacht, und die vom Feinde aufgeworffene Batterien und Wercke geschleiffet und abgetragen, wozu die Bauern auf denen nächsten Dörffern treulich und fleißig helffen musten; diejenigigen hingegen, so sich hartnäckig hierinnen erzeigeten, wurden überfallen, geplündert und ihnen also etwas besseres gelehret.  
  Den 8. Febr. ward das Grimmische Thor, so in der Belagerung ausgefüllet worden, mit grosser Mühe geräumet, und den folgenden Tag darauf geöffnet, ie doch nur so weit, daß man aus- und eingehen konnte. An eben diesem Tage ward der Henckers-Thurm vollends eingeschossen, und der Unter-Theil desselben der Stadt-Mauer gleichgemacht.  
  Den 10. dieses Monaths wurden etliche den Feind aufzusuchen ausgeschickt, weil sie ihn aber nicht finden konnten, kamen sie wieder zurück und brachten vier Wagen mit Saltze beladen mit. Folgenden Tages aber brachten andere zwey Reuter und drey Wagen mit Saltze beladen mit sich.  
  Den 12. dieses Monaths besserte man die Mauern, welche der Feind eingeschossen hatte, aus, räumte auch an allen  
  {Sp.1715|S. 869}  
  Orten in der Stadt und denen Stadt-Graben, wie auch im Grimmischen Thore, daß man wieder, wie zuvor, aus- und einkommen konnte. Den folgenden Tag musterte man die Soldaten, welche noch 3000. Mann starck befunden wurden.  
  Den 15. dieses Monaths aber hätte der Stadt ein grosses Unglück begegnen können. Denn es versammelten sich früh Morgens um 6. Uhr die Soldaten mit 10. Fahnen, dazu die Haupt-Leute kommen musten, auf dem Marckte, und schrien mit vollem Halse: Geld! Geld! liessen sich auch verlauten, wo ihnen der Oberste ihren Sold nicht vollständig entrichten würde, wollten sie alles in der Stadt nieder machen, und die Stadt plündern, als denn aber mit aufgerecktem Paniere davon zühen, und einen andern Herrn suchen: Sie hätten die Stadt vor des Feindes grosser Gewalt beschützen helffen, und sollten nun ihre Bezahlung nicht erlangen, das wäre ihnen so wohl schimpflich als schädlich.  
  Dieses freche Beginnen empfand zwar der Oberste sehr übel, rit aber doch auf gegebenes sicheres Geleite, um das angedrohete Übel in Zeiten abzuwenden, selber in den Hauffen derer Soldaten, redete sie hertz- und standhafft an, und versprach ihnen den zugesagten Sold zu zahlen, wodurch er sie wieder besänfftigte. Immittelst machte er Anstallt, die Bürger-Wachen starck zu besetzen, damit ins künfftige dergleichen Unruhe und heimliches Vornehmen verhütet würde. Es ward auch gleich folgenden Tages der halbe Sold ausgezahlet; weil aber derselbe aus erheblichen Ursachen nicht gantz gereichet ward, entstund eine neue Unruhe.  
  Sie kamen also den 17. dieses Monaths wieder frühr um 7 Uhr mit 10. flügenden Fahnen und ihren besten Wehren auf dem Marckte zusammen, und begerten den Obersten, welchem sie aus- und einzureiten sicher Geleite zusagten; zu ihrer Vorsicht aber, damit sie nicht von aussen zu überfallen würden, ordneten sie die Hacken-Schützen. Als der Oberste unter sie rit, begerten sie, er solle sich erklären, ob er ihnen ihre gantze Bezahlung geben wollte oder nicht? Denn sie wären nicht gesinnet, etwas zurück zu lassen. Der Oberste aber versöhnte sie wieder, daß alles stille ward.  
  Er ließ auch noch diesen Tag umschlagen, und alle Haupt-Leute, Fähnriche und andere höhere Kriegs-Bediente vor sich fordern. Nach dem man nun abgehandelt hatte, wie man derer Soldaten mit Glimpfe los werden mögte, weil sie noch vier Tage auf die gantze Besoldung zu dienen hätten, ergieng endlich die Bezahlung, und ward alles in der Güte beygelegt. Man hatte sich aber etlicher Anfänger dieser Empörung erkundigt, gegen welche sich der Oberste der Gebühr nach zu bezeigen vorbehalten hatte, und ließ noch diesen Tag denen unruhigen Köpfen zum Schröcken auf den folgenden Tag ein Malefitz-Recht ausruffen.  
  Den 18. Febr. nach Mittage um 3. Uhr kam ein Trommel-Schläger mit einem Soldaten, welcher einen Brief vom Chur-Fürsten, Johann Friedrichen, mit sieben Siegeln besiegelt, oben an einer Fahne geknüpft an den Obersten überbracht. Den 19. aber ward wieder der Anfang gemacht, die Leichen, welche bisher auf dem Paulliner-Platze begraben worden waren, auf den Gottes-Acker zu beerdigen.  
  Den 20. Febr. aber wurden auf ein Mahl 19. Soldaten getrauet, welches nach der Belagerung die ersten Hoch-  
  {Sp.1716}  
  zeiten waren. Den 23. Febr. ließ sich der Feind wieder hinter den Kohl-Gärten sehen, streiffte von da ungefähr mit 200. Pferden nach der Hällischen Strasse zu, und steckte die Mühlen zu Golitz und Pelitz in Brand, zu Wahren, Schönau, Schönfeld und Litzschena aber ließ er die Mühl-Wellen an denen Rädern entzwey schneiden, die Mühl- Steine zerschlagen und ins Wasser werffen, und zog nach andern verübten Muthwillen mehr wieder auf Borne und die Eiche.  
  Den 25. Febr. geschah wieder ein Ausfall nach Wahren, von da man zwölff Wagen mit Getraide und Mehle herein brachte, die denen Leipzigern zuständig, und durch den Müller von denen Feinden erhalten waren. Nachgehends ward auch wegen mancherley Argwohns eine Wache zu Roß und Fuß in der Stadt verordnet.  
  Den 29. Mertz aber ward der Anfang gemacht, den Wochen-Marckt um erheblicher Ursachen willen, und vornehmlich Meuterey zu verhüten, vor dem Grimmischen-Thore zu halten; welches den Sonnabend zuvor auf öffentlichem Marckte ausgeruffen ward. Weil auch zu der Zeit die Chur- und Fürstlichen Räthe beysammen gewesen, wegen derer höchstgefährlichen Kriegs-Läuffte Unterredung zu pflegen, ward auf etliche Tage ein Stillestand gemachet, und Mittewochs nach Iudica ausgeruffen, daß im währenden Handel bey Leib- und Lebens-Straffe Niemand gegen den andern Feidseligkeit ausüben sollte. Es ward aber derselbe folgenden Sonnabend wieder aufgekündigt.  
  Den 4. April geschah wieder ein Ausfall, da man denn von Skeuditz einen guten Vorrath an Eß-Waaren, welcher nach Halle geführet werden sollen, mit herein brachte. In dieser Woche ward auch das undienliche und unnütze Gemäuer am Grimmischen Thore abgebrochen und Schantz-Körbe zur Gegenwehr hingesetzet.
  • Peckenstein l.c. ...
  • Vogel l.c. ...
  Sonst gedencken auch Peifer l.c. ... und Vogel l.c. ... daß um diese Jahrs-Zeit von Fastnachten bis Ostern sehr viele Leute an ansteckenden Kranckheiten gestorben, welche Theils durch die hin- und wieder liegenden Mist-Hauffen verursachet, Theils durch die krancken und siechen Soldaten, welche die Bürgerschafft aus Mitleiden aufgenommen, ausgebreitet worden.  
  Hiernächst führt gedachter Vogel aus Heidenreichen an, daß nach Aussage derer Kirchen-Diener Zeit währender Belagerung bey 300. Mägde an die Soldaten verheurathet worden, eben so viel aber heimlich mit denselben zugehalten hätten, und durch sie zu Falle kommen wären.  
  Den 8. April ward noch das Dorff Hoheleina wegen bezeigten Muthwillens derer Bauern aus der Stadt überfallen, geplündert, in Brand gesteckt, und etliche Bauern niedergemacht.
  • Peifer l.c. ...
  • Heidenreich ...
  • Vogel l.c. ...
  Im May Monath ward nach geöffneter Strasse der Stadt Leipzig wieder viel und mancherley Bier und Wein zugeführt, und auf dem Marckte und an vielen Orten in Krämen, Buden und Laub-Hütten, auch auf denen Wagen geschenckt und verkaufft. Endlich zogen auch die vier Regimenter, so bisher zur Besatzung darinne gelegen hatten, ab, worauf dem Rathe auf vorhergehende Abreissung der Iustitz auf dem Marckte von dem Obersten die Thor-Schlüssel und zugleich das Regiment, welches nun wieder, wie ehe dem, seinen ordentlichen Lauff hatte, eingeantwortet  
  {Sp.1717|S. 870}  
  und übergeben wurde.
  • Peifer l.c. ...
  • Heidenreich ...
  • Vogel l.c. ...
  Darauf hielt Herzog Moritz, nunmehriger Chur-Fürst, den 13. Iulii einen Land-Tag in Leipzig, entschuldigte das vorgefallene, und erbot sich zu allen guten.
  • Wecke Beschr. Dreßden ...
  • Vogel l.c.
  • Müller Sächs. Annal. ...
  Weil auch wegen der harten Belagerung der Stadt und fortwährenden Kriegs-Läufften im Lande weder die Neue-Jahrs- noch Oster-Messe besucht werden können, und sich der Rath daher aller Hand Eingrieffs, Änderungen und Abbruchs befürchten muste, so ließ er bey dem Kayser noch Mahls um allergnädigste Bestätigung dieser Freyheiten ansuchen und bitten, ward auch seiner Bitte gewähret.
  Im December ward die neue Ober-Hof-Gerichts-Ordnung, in welcher unterschiedene Articel bey dem obgemeldeten Land-Tage zu Leipzig auf der Landschafft unterthänigstes Ansuchen durch den Chur-Fürsten erneuert und verbessert waren, zum öffentlichen Drucke befördert. Vogel l.c. ...
     

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Stand: 24. August 2016 © Hans-Walter Pries