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Zedler: Zufriedenheit [6] HIS-Data
5028-63-1115-4-06
Titel: Zufriedenheit [6]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 63 Sp. 1168
Jahr: 1750
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 63 S. 597
Vorheriger Artikel: Zufriedenheit [5]
Folgender Artikel: Zufriedenheit, (die Selbst)
Hinweise:
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Übersicht
VII. Nutzen und Vortheile der Zufriedenheit.
VIII. Ob es rechte zufriedene Menschen auf der Erden giebt?
IX. Schrifften von der Zufriedenheit.

  Text Quellenangaben
  VII. Nutzen und Vortheile der Zufriedenheit.  
  Hiervon wollen wir die schönen Gedancken des Herrn Rectors zu Breßlau, M. Gottlieb Wilhelm Kellers, anführen, welche er in einem Programma, worinnen er von den in dem Lande der Zufriedenheit beschäfftigten Musen handelt, gehabet, sie bestehen in folgenden Worten:  
  Die Sache selbst ist von grosser Wichtigkeit. Denn, o! wie schöne würde es in einem Lande aussehen, wo die Zufriedenheit die Gemüther der Menschen beherrschte. Dergleichen Leute lassen sich die Ordnung und Regierung Gottes in der Welt allezeit gefallen. Die Weisheit, Allmacht und Güte des grossen Erhalters aller Dinge, welche sie an allen Creaturen und an sich selbst wahrnehmen; erwecken in ihnen aufrichtige Liebe und festes Vertrauen zu diesem allgegenwärtigen Regieren.  
  Freude, Munterkeit, Vergnügen, gutes Gewissen und völlige Ergebung in des grossen Versorgers Willen, sind die Zierde ihres unschuldigen Wandels. Der Zustand, in welchen sie sich befinden, ist ihnen der beste; ja sie wünschen sich in keinem andern zu seyn, als in welchem sie stehen. Beten und Arbeiten sind ihre Verrichtungen, darinnen sind sie unverdrossen, daß auch ein wiedriger Erfolg sie keinesweges davon abhalten kan.  
  Sie thun also die Befehle GOttes mit freudigem Gehorsam. Ob sie künfftig glücklich oder unglücklich seyn werden, darüber machen sie sich keine Unruhe: Weil bey ihnen die Göttliche Fürsorge mehr gilt, als alle menschliche Bemühungen. Geitz und Hochmuth, Haß und Neid, die Zerstöhrer alles Vergnügens, beunruhigen niemahls ihre Gemüther: Denn was ihnen GOtt giebt, das gönnen sie auch dem Nächsten, ob es gleich viel besser, als das ihrige seyn solte: wohlwissende, dieses alles theile die Himmlische Weisheit aus, welche kein Sterblicher beurtheilen, sondern mit tiefster Demuth verehren soll.  
  Bey diesem allen sind sie, es gehe, wie es wolle, wie Paulus gesinnt, welcher jederzeit bey dem beständigen Wechsel dieses gegenwärtigen Lebens auf das Zukünfftige sahe, in welchem erst die wahre Zufriedenheit des Ge-  
  {Sp. 1169|S. 598}  
  müthes zu ihrer Vollkommenheit gelangen wird. Dazu aber kan kein Heyde und Ungläubiger kommen, weil es nur Seelen eigen bleibet, die den Friede-Fürst kennen, lieben und ehren, welcher uns den wahren Frieden mit GOtt zu wege gebracht hat.  
  VIII. Ob es rechte zufriedene Menschen auf der Erden giebt?  
  Es ist wohl andem, wir schweben in einer sündigen Unvollkommenheit. Unser Leben ist wie ein beständiger Streit, und wie die Mühe eines Tagelöhners. Allein, wo der Tagelöhner nicht ruhet, wie wird er es aushalten? Oder wie wird der Soldat streiten, ohne sich unterweilen zu erquicken? Wollen wir uns demnach nicht selbst muthwillig aufreiben; so müssen wir auch in diesem Leben nach einer Ruhe trachten, die uns beydes die Arbeit erleichtern, und den Streit ausführen hilfft.  
  Man sage demnach nicht: Die Gedancken von der Zufriedenheit sind auf Erden vergeblich. Nein. Denn der Mensch ist nicht weniger zur Ruhe und Zufriedenheit, als zur Arbeit und Mühe gebohren. Hat er doch sowohl eine Seele, als einen Leib. Machen ihm die leiblichen Angelegenheiten viele Mühe, Arbeit und Unruhe; so treibet ihn die Beschaffenheit seiner Seele zum stillen Nachsinnen, zur Zufriedenheit und Ruhe, welches um destomehr seine vornehmste Beschäfftigung seyn solte, weil die Seele seinen vornehmsten und edelsten Theil ausmachet.  
  GOtt hat der menschlichen Seele keine Neigung vergeblich eingepräget. Haben wir alle ein Verlangen glücklich zu seyn; so können wir auch alle in der That glücklich werden. Treibt uns eine natürliche Neigung zu der Zufriedenheit und Ruhe; warum solte dieselbe unmöglich zu erlernen, und dieser edle Trieb der Natur in uns allen vergeblich seyn? Vielmehr ist es möglich, daß wir können zufrieden werden, und zwar in der Maasse, wie wir beydes der gesunden Vernunfft und den Würckungen der Gnade GOttes gehorchen.  
  Ein anders ist in diesem Leben vollkommen, ein anders menschlicher Weise zufrieden zu seyn. Die Engel und Seeligen im Himmel brauchen dazu keine Anweisung, aber wohl die sündigen Menschen auf Erden. Wäre die Zufriedenheit, wie wir sie hier nehmen, und wie sie in dieser sichtbaren Welt zu suchen, ersprießlich und zu erlangen möglich ist, ein eintziger Punct; so würden zwar alle Seelen um sie her fladdern, aber wenige oder keine sie treffen. Da sie aber wie ein weites Feld, oder wie ein Umkreis, offen liegt, der viel tausend Abschnitte in sich fasset; so mercken wir, daß Raum für alle Menschen da ist, auch überflüßige Möglichkeit, diesen oder jenen Grad zu erreichen.  
  Darzu gehöret nicht mehr Bemühung, als daß wir unserer eigenen vernünfftigen Natur nachtrachten, und die Seele, welche ihrem Wesen nach weder irrdisch noch vergänglich ist, von der Erde, und ihrer Vergänglichkeit erheben. Je mehr wir solches thun, je geruhiger werden wir uns befinden. Je weniger wir uns aber bemühen, desto schwerer und unruhiger werden wir bleiben; wie das Element der Erden, daran wir kleben, oder wie jene Schiffe in vielen eisernen Nägeln, welche von der Indianischen Magnet-  
  {Sp. 1170}  
  Inseul dergestalt angehalten wurden, daß sie nicht fort konnten. Palladius de gentibus Indiae.
  Denn gleiches zieht in der gantzen Natur seines gleichen an sich; und der irrdische Sinn fährt der Erden zu, wo lauter Unruhe und Klage ist. Die geläuterten Seelen aber schwingen sich in eine ruhigere Gegend, wovon diejenigen zu urtheilen nicht fähig sind, welche niedriger stehen. Derohalben thun solche Menschen unrecht, daß sie die Zufriedenheit leugnen, welche sie selbst noch nicht gekostet; oder an etwas zweifeln, welches sie zu empfinden sich noch keine sattsame Mühe gegeben haben. So wird es denn wohl unsere eigene Schuld seyn, daß wir unzufrieden bleiben, wenn sich schon die vernünfftige Natur bestrebet, uns in die Zufriedenheit zu leiten. Die Weltweisen haben sich von jeher über viele Dinge gezanckt; aber in diesem Puncte sind sie wunderbarlicher Weise eines Sinnes, daß der Mensch einen gewissen glückseeligen Stand der Ruhe suchen müsse, worzu er auch gelangen könne, und gebohren sey. Cicero Lib. V. de finibus.
  Über die Mittel dahin zu kommen, haben sie zwar disputiret; aber die Sache selbst hat keiner in Zweifel gezogen, daß nehmlich ein ruhiger Stand des Gemüths ohne Bekümmerniß und Schmertz, als ein glückliches Leben auf Erden zu suchen sey. Dieser Zufriedenheit haben alle weise Heyden nachgetrachtet, und einige erzehlen uns, daß sie diesen Schatz gefunden haben. Solte es uns Christen denn unmöglicher, als den Heyden seyn? Oder sind wir Christen allein so grausam, daß wir dem Menschen seine Hoffnung absprechen solten? Gönnen wir uns selbst nicht, was sich die Barbaren unter einander wünschen? Friede! spricht der Türcke; Friede! rufft der Indianer; Friede! der Jude, wenn er einen Bekannten grüsset, und das erste, wornach Jacob fragt, wenn er zu Laban ziehen will, hieß: Hat er Frieden? Dis ist ein allgemeines Ziel, wornach die gantze Welt rennet.  
  Darum müste der Mensch die unglückseeligste Creatur unter allen seyn, woferne kein Mittel vorhanden wäre, dadurch er in sich selbst ruhig und zufrieden werden, oder die Bekümmerniß seiner Seele, als die Hinderniß dieses Friedens, erleichtern könnte. Wie ist es denn möglich, daß Menschen an der Erlangung solches Friedens zweifeln, oder daß Leute, die Christen heissen, ihm widersprechen, da beydes Natur und Gnade, die Zeiten des alten und neuen Bundes, das Licht der Vernunfft und des Evangelii uns Menschen zeigen, die in den grösten Widerwärtigkeiten einen zufriedenen Muth hatten.  
  Hiobs Leiden und Gedult sind uns ein Exempel worden. Davids Anfechtungen und Hertzhafftigkeit; Socrates, Aristides, Epaminondas Unterdrückung und Gelassenheit; Pauli Trübsal und freudiger Geist bezeugen, wie viel Vernunfft und Gnade zu einer wahren Zufriedenheit beytragen können. Doch lässet man wahren Christen den Vorzug, und dem Evangelio die Macht, uns über alle Vernunfft zu trösten, dessen Bekenner zwar allenthalben Trübsal haben, aber ohne sich zu ängsten. Ihnen ist bange, aber sie verzagen nicht. Sie leiden Verfolgung, aber sie werden nicht verlassen. Sie werden untergedruckt; aber sie kom-  
  {Sp. 1171|S. 599}  
  men nicht um, 2 Cor. IV.
  Ihr wahres Ebenbild liegt in diesen Worten: Als die Traurigen, aber allezeit fröhlich! 2. Cor. VI.
  Wer zweifelt an dieser Bekenntniß eines Apostels, eines Mannes, der soviel Böses über sich hatte ergehen lassen, als die arge Welt ersinnen konnte? Und gleichwohl stöhren diese Bitterkeiten die Zufriedenheit seiner Seele so wenig, daß er auch in den Banden diese fröhliche Entschliessung schreibt:  
  „Ich habe gelernet, bey welchen ich bin, mir genügen zu lassen. Ich kan niedrig seyn, und kan hoch seyn; ich bin bey allen Dingen und in allen geschickt: Beydes satt seyn und hungern; beydes übrig haben und Mangel leiden. Ich vermag alles, durch den, der mich mächtig macht, Christum.„ Phil. IV
  Wer nun leugnet, daß es zufriedene Christen gebe, der muß entweder den Worten eines Apostels nicht trauen, oder er muß alle Gewißheit der Geschichte mit den wahnwitzigen Zweiflern aufheben, welche uns überdieses nicht allein fröhliche Märtyrer sondern auch tausend andere inniglich zufriedene Fromme vorstellen.  
  Auch siehet man nicht, was dieser Leute eigensinniger Hochmuth wider so viele und deutliche Zeugnisse einzuwenden habe; ohne daß mancher Einfältiger sagen möchte: Ja, Paulus war ein Apostel, und ein unmittelbar erleuchteter Mann; seine Zufriedenheit darff unser einer sich nicht versprechen. Allein, ist denn ein anderer weniger ein Mensch, als er? oder ist Gottes Gnade jetzo armseliger? oder wird eine unmittelbare Erleuchtung erfordert, seine Vernunfft zu seiner Selbst-Beruhigung recht zu gebrauchen?  
  Gesetzt aber, man könnte die Zufriedenheit in keinem solchen Grade erlangen, wie ein Apostel, so hat man doch nicht weniger Vermögen dazu, als die Heyden. Socrates, Plato, Cicero, Seneca, Epictetus, Plutarchus, haben nebst vielen andern nicht allein von der Zufriedenheit wohl geredet und geschrieben, sondern sie haben auch unter schwehren Unglücks-Fällen in der That bewiesen, daß sie geruhige und zufriedene Menschen waren. Fürwahr, es ist keine dumme Unempfindlichkeit, welche sie in ihrem Leiden, so großmüthig und gelassen machet, und noch vielweniger eine Stoische Härte oder besonderer Stoltz, der sie zur Pralerey von einer Zufriedenheit verleitet, welche sie nie empfunden hätten.  
  Die Gründe, welche sie zu ihrem Troste anführen, sind göttlich, und die Anweisungen dazu so vernünfftig und schmackhafft, daß man von selbst wird überzeuget werden, wie sie aus der Erfahrung fliessen, und wird alle diejenigen glücklich preissen, welche ihren Fußstapffen folgen. Es ist wahr, daß ihr seltner und erhabner Verstand ihnen dazu Anleitung gab; dennoch wäre es eine Schande, wenn ein Heyde vernünfftiger handeln solte, als ein Christ. Es wäre eben so abgeschmackt, als wenn man sagte, daß wir in der Dämmerung besser sehen könnten, als am Mittage bey der lichten Sonne.  
  Man wird selbst urtheilen, was eine gesunde Vernunfft zu der menschlichen Zufriedenheit beytrage, wenn man der angeführten Heyden gute Gedancken gegen die traurigen Umstände ihres Leidens erwäget. Was ist empfindlicher, als viel Böses erdulden, indem man sich bestrebt, viel Gutes zu thun? Was ist schmertz-  
  {Sp. 1172}  
  licher, als von denenjenigen gehaßt und verfolgt werden, deren wahres Beste man suchet? Was ist kläglicher, als wegen seines Eyfers um die gemeine Wohlfahrt des Vaterlandes das Vaterland räumen müssen, für dessen Bestes man viele Jahre gearbeitet, viele Nächte gewacht, viele Güter aufgesetzt, viel Gefahr überstanden, ja sein Blut vergossen hat, seine Wohnung schleiffen, seine Güter plündern, seine Feinde frohlocken, seine Freunde falsch und unbeständig sehen, nennet man billig, samt allen oberwehnten, ein Unglück ohne Maasse.  
  Dis aber und noch ein mehrers hat viel tugendhaffte Heyden betroffen, die sich dennoch ermannet haben, so bald ihr Verstand ihnen gerathen hat, die Gebote der Weisheit in heilsame Betrachtung zu ziehen. Socrates hatte sich bemühet, die Jugend tugendhafft und die Alten glücklich zu machen. Das kan die Rotte der Eigennützigen nicht vertragen. Es findet sich ein Anitus und Melitus, der ihm durch allerhand falsche Beschuldigungen seinen Leumuth kräncket. Selbst die Comödianten werden aufgewiegelt, seiner in den Schauspielen zu spotten. Endlich bringt man ihn durch falsche Beschuldigungen ins Gefängnis und ums Leben. Gleichwohl aber findet man den Socrates unter allen diesen Trübsalen, unter den Thränen seiner Freunde, seines Weibes und seiner Kinder gantz ruhig und still. Man höret ihn nicht klagen, sondern erbauliche Reden führen, und GOtt einen Lobgesang anstimmen.  
  In seinen Banden tröstet er sich mit Unterredungen von der Freundlichkeit Gottes, und versüsset sein Hertzeleid mit Betrachtung der Unsterblichkeit seiner Seele. Die Vorstellung der gewissen Belohnungen eines gerechten GOttes ermuntert ihn zur Gedult. Auch fluchet er seinen Freunden nicht, sondern trincket den letzten Becher auf ihre Gesundheit aus. Endlich schläft er ein, und erstarret unter anmuthigen Betrachtungen seiner Unvergänglichkeit, und sein letztes Wort ist ein Freuden-Zeichen, indem er dem Gesundheits-GOtt einen Hahn zu opffern befiehlet, weil er nunmehro empfand, daß der Tod eine Genesung von allen Übel sey. So freymüthig stirbt dieser grosse Mann zum ewigen Denckmahl des Vermögens der gesunden Vernunfft in Herstellung unserer Zufriedenheit.  
  Die Unmenschlichkeit des Kaysers Nero hat Seneca Anlaß gegeben, sich wegen des Undancks seines vorigen Untergebenen zu trösten, und man kan am besten aus seinen Schrifften sehen, wie groß und wohlgegründet die Gelassenheit dieses Mannes gewesen sey.  
  Des Cicero Verdruß war um desto langwieriger, je längere Jahre er sich bemühet hat, seinem Vaterlande nützlich zu seyn: und zum Überfluß alles Hertzeleids verlohr er noch dazu das Liebste und Beste, was ihm auf Erden übrig war. Seine eintzige Tochter stirbt, und der alte Greis wird nicht nur von seinen Feinden verfolgt, sondern auch von seinen Freunden verlassen. Dennoch verzagt er unter diesen Trübsalen nicht, sondern schreibt einen Trost-Brief, worinnen unter andern folgende Worte befindlich:  
  „Fürwahr, gleich wie uns gegen die Schlangen-Bisse mancherley Gegengifft verordnet ist; wie man der Dürfftigkeit durch arbeitsamen Fleiß abhilfft; Wie wir die Schamhafftigkeit als ein Gewehr  
  {Sp. 1173|S. 600}  
  wider die schändliche Wollust von der Natur empfangen haben; gleichergestalt ist uns die Weisheit zur Artzeney gegen alles zustossende Übel von den unsterblichen Göttern verordnet. Und dieser hochgepriesenen Weisheit habe ich die Bezwingung meiner selbst, die Ruhe und Zufriedenheit meines Gemüths, die Herrschafft über alle Lüste, ja diese meine Gedult und Gelassenheit in aller Widerwärtigkeit zu dancken. Nimmermehr hätte ich bey der Verjagung aus meinem Vaterlande so ruhig, noch mitten im Glantz meiner Ehre so mäßig, oder in meiner gegenwärtigen Trauer so vernünfftig und unüberwindlich seyn können, wenn du, o Weisheit, du Zuchtmeisterin edler Sitten, mir darzu das Vermögen nicht gegeben hättest.„  
  Es halten zwar einige den Cicero für furchtsam und weichhertzig; Und es ist wahr, er klagt Anfangs jämmerlich über seine Noth. Er weiß sich kaum zu trösten, da er ins Elend verjagt ward, und als er seine liebe Tochter Tullia verlohr. Nachdem er aber gute Bücher las, und sich durch vernünfftige Betrachtungen ermunterte, wurde er gantz anders Sinnes, und er bekümmerte sich nicht mehr über alles, was ihn zuvor gekränckt hatte, als er die Nichtigkeit aller Dinge einsahe:  
  „Ich achte nun nichts höher, schreibt er an seinen Atticus, „als ein gutes Gewissen; Denn alles übrige ist nicht der Mühe werth, daß man sich darum quälet.„  
  Er ergreifft die Feder in seiner Trübsal, und schreibt schöne Bücher, beydes andern zum Unterrichte, als auch zur Erquickung seiner selbst:  
  „Ich will mich weder der Bekümmerniß übergeben, die mich ohne Widerstand aufreiben kan; noch der Lust, die einem weisen Manne unanständig ist, vielmehr habe ich die Erleichterung meiner Traurigkeit in den Wissenschafften gesucht, und mein Trost in meinem gegenwärtigen Unglücke ist dieser, daß ich Zeit bekommen habe, diese Bücher (von der menschlichen Pflicht) zu schreiben. Suchest du dich der Sorgen zu entschütten; so kan es nirgend besser, als bey der Weisheit geschehen. Cicero Lib. II. offic. ...
  Zwar verfolget ihn der lasterhaffte Antonius noch immer hefftiger; Allein Cicero hat sich durch vernünfftige Betrachtungen gestärckt, und schreibt mitten aus der Verfolgung diese Worte an seinen Freund:  
  „Doch ertrage ich auch dieses, sammt allen, was einem Menschen begegnen kan, dergestalt, daß ich es der Weisheits-Liebe dancke, die mich nicht nur von aller Bekümmerniß entfernet, sondern noch darzu gegen die allergewaltigsten Anläuffe des Unglücks bewaffnet. Derowegen rathe ich dir, es eben so zu machen, und nichts für ein Übel zu halten, was deine Schuldigkeit ist.„  
  Epictetus war ein armer lahmer Mann, als er schrieb:  
  „Das Hincken ist dem Fusse zwar hinderlich, aber nicht dem guten Willen.„  
  Der grosse Kayser Antoninus, der Weltweise, hatte bey aller Regiments-Beschwerde dennoch ein zufriedenes Hertz. Er kehrte sich auch nicht daran, ob solches andern bekannt war, oder nicht.  
  „Gesetzt, sagt er, kein Mensch wolte es dir zutrauen, daß du höchst  
  {Sp. 1174}  
  zufrieden lebest, so wirst du dich gegen solche Leute weder entrüsten, noch aufhören die Straffe fortzuwandeln, die dich in Ruhe bis ans Ende deines Lebens führet; und solches ohne Zwang oder Verstellung, in aller Gelassenheit und von gantzem Hertzen. Marc. Aurelius Lib. III. in fine.
  Ist es nun Heyden gelungen, bey der Lehre der Vernunfft durch die Finsterniß mancherley Trübsalen zu wandeln, ey! was hat denn nicht ein Christ bey dem vollen Glantz des Evangelii zu hoffen? GOtt Lob! wir haben einen grossen Vortheil über die Heyden, und die Gründe unsers Trostes sind so viel nachdrücklicher, als kräfftiger die Gnade Gottes und die Würckungen seines Geistes über alle Gedancken der Vernunfft sind.  
  Es geschiehet dadurch auch keinesweges der besonders grossen Gabe Gottes einiger Abbruch. Denn derjenige GOtt, welcher von den Christen einen vernünfftigen Dienst fordert, Röm. XII, will keinesweges, daß sie in der Trübsal sollen unvernünfftig seyn. Ein Christ hat in allen Begebenheiten weniger Ursache zu trauren, als ein Heyde. Denn es liegt nur an ihm, die Mittel zu ergreiffen, welche ihm so wohl die Vernunfft, als der Glaube, an die Hand geben, daß er sich in allen Widerwärtigkeiten eher begreiffen, und nachdrücklicher trösten könne.  
  Viele fromme Christen haben sich vermittelst der gedoppelten Hülffe der Natur und Gnade desto kräfftiger getröstet, und zu ihrer und anderer Erquickung gantze Bücher geschrieben, die einen desto kräfftigern Nachdruck haben, weil sie aus der Erfahrung geflossen sind. Der Herr du Moulin ist einer von denen, welchen widrige Zufälle viel Trost gelehret haben, wie er in der Vorrede seines Seelen Friedens davon also schreibt:  
  „Als ich vor einigen Jahren durch das Ungewitter an ein fremdes Ufer geworffen ward, und es für vergeblich und unbesonnen achtete, auf das Wetter zu zürnen, setzte ich mich am Strande nieder, um dem ungestümen Meere gelassen entgegen zu sehen. Mein voriger Zustand war meiner gegenwärtigen Ruhe destomehr beförderlich, je weniger er mir Ursache hinterlassen hatte, mich darüber zu bekümmern, was jetzo war, und was noch kommen konnte. Ich fühlte das Verlangen, diesen gegenwärtigen Augenblick der Ruhe zu meinen künfftigen Troste anzuwenden, und zu versuchen, ob ich etwa durch Befriedigung meiner selbst zugleich die Zufriedenheit anderer befördern möchte.  
  Das halbwilde Land, wo ich war, konnte mir zu solchen Betrachtungen nur vier Bücher leihen: Die Bibel, die Natur, die Vorsehung und den Menschen, davon der letzte aus denen drey ersten zu beruhigen und zu verbessern war. Die himmlische Weisheit muß bey diesem grossen Wercke das beste thun. Wiewohl der menschliche Verstand auch dazu nützlich ist, nachdem er wohl unterrichtet worden.„  
  Und hieraus kan man nun zur Gnüge sehen, daß die Zufriedenheit keine unmögliche Sache sey. Hoffmann von der Zufriedenheit.
  {Sp. 1175|S. 601}  
  IX. Schrifften von der Zufriedenheit.  
 
  • Andreas Rüdigers Anweisung zu der Zufriedenheit der menschlichen Seele, als dem höchsten Gute dieses zeitlichen Lebens. Dritte verbesserte Auflage, Leipzig und Franckf. 1734 in 8.
  • Johann Adolff Hoffmanns zwey Bücher von der Zufriedenheit, nach den Gründen der Vernunfft und des Glaubens. Eilffte Auflage, Hamburg 1748 in 8.
  • Ludwig Ernsts von Faramond, (oder nach dem wahren Nahmen Philipp Balthasars Sinold genannt Schütz) glückseligste Insul auf der gantzen Welt, oder das Land der Zufriedenheit, worinnen dessen Regierungs-Art, Beschaffenheit, Fruchtbarkeit, Sitten der Einwohner, Religion, Kirchen-Verfassung und dergleichen, sammt der Gelegenheit, wie solches Land entdecket worden, ausführlich erzehlet wird, Franckfurt und Leipzig in 8, zwey Theile mit Kupffern nebst einer Vorrede: Ist etlichemahl aufgelegt, das letztemahl 1737.
  • Epicteti Dissertationes ab Arriano collectae, welche Joh. Uxton, zu Londen 1741 in 4 herausgegeben, und die Zuverläßige Nachrichten im VI Bande, p. 2. u.ff. recensiret haben.
  • Hamburgischer Patriot 46 und 57 Stück.
  • Gottlieb Wilhelm Kellers Programma: Die in dem Lande der Zufriedenheit beschäfftigten Musen, Breßlau 1741 in Fol.
 
  Siehe auch die Artickel:  
 
  • Ruhe des Gemüthes, im XXXII Bande, p. 1467;
  • und Unzufriedenheit, im XLIX Bande, p. 2584.
 
     

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Stand: 12. Juli 2013 © Hans-Walter Pries