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Zedler: Wolf, (Christian, Reichs- Frey- und Edler Herr von) [2] HIS-Data
5028-58-549-2-02
Titel: Wolf, (Christian, Reichs- Frey- und Edler Herr von) [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 58 Sp. 562
Jahr: 1748
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 58 S. 294
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Übersicht
  Lebensgeschichte (Forts.)
 
  1713
  1714
  1715
  1716
  1717
  1718
  1719

Stichwort Text Quellenangaben und Anmerkungen
1713 In dem 1713 Jahre war Herr Wolf abermahls mit der Beschreibung einer andern von dem gedachten Leupold erfundenen Maschine beschäfftiget. Herr Hauksker aus Engelland hatte eine neue Art der Lufft-Pumpe mit zwey Stiefeln und Ventilen von Blase gemacht, die in den Supplementen zu den Actis Eruditorum und zwar in deren fünften Bande auf der 403 Seite beschrieben wird. Herr Leupold machte dieselbe bald nach, und veränderte sie nach seiner Gewohnheit hin und wieder. Herr Wolf hielte diese von Leupolden verbesserte Lufft-Pumpe vor würdig, solche in den Actis Eruditorum zu beschreiben, welches auch im Februar geschehen ist.  
  Nachher schritte Herr Wolf zu einer Vertheidigung. Er hatte im September des 1710 Jahres von den Actis Eruditorum des  
  {Sp. 563|S. 295}  
  Herrn Johann Freinds Praelectiones chymicas recensiret; dem Auszuge aber einiger Erinnerungen wider dieselbe eingestreuet. Da Herrn Freinden dieser Theil der Actorum eingehändiget wurde, und er die widrige Beurtheilung seines Buches durchlaß, ward er über selbige nicht wenig ungehalten, und sahe man daher von ihm im September des folgenden 1711 Jahres der Transactionum Anglicanarum eine Schrifft, welche überschrieben war: Praelectionum suarum Chymicarum vindiciae, darinne er auf die Sammler der Actorum Eruditorum  losgieng. Herr Wolf hielte sich vor schuldig, die Ehre dieser Männer, besonders da er die Gelegenheit zu dieser Streit-Schrifft gegeben hatte, zu vertheidigen. Er schrieb eine responsionem ad imputationes Johannes Freindii in Transactionibus Anglicanis, die man dem Junius des 1713 Jahres von den Actis Eruditorum, ohne daß man Herrn Wolfen mit Nahmen genennet hätte, einverleibete.  
  So stehet auch Herrn Wolfens Nahme nicht bey zwey andern von ihm in die Acta dieses Jahres eingesendeten Stücken. Das erstere stehet im Julius, und ist weiter nichts als des Herrn Johann Craigs additio ad Schediasma delinearum curvarum longitudine Arctis[1] A. 1710. p. 352. insertum, das Herr Wolf aus den Transactionibus Anglicanis genommen hat; das andere hingegen, so man im Augusto findet, ist eine relatio de novo barometrorum et thermometrorum concordantium genere, deren Erfinder Daniel Gabriel Fahrenheit ist. Er ist selbst bey Herrn Wolfen gewesen, und hat sie ihm gezeiget. Weil nun Herr Wolf ihren vortreflichen Nutzen einsahe, so meynte er den Liebhabern der Mathematick einen Gefallen zu thun, und dem Erfinder eine besondere Ehre zu erweisen, wenn er davon öffentliche Nachricht ertheilete.
[1] HIS-Data: korrigiert aus: Artis
  Das fürnehmste und letzte Wolfische Werck im 1713 Jahre war der erste Theil seiner Elementorum matheseos universae. Die Einrichtung ist hier eben so als wie in den Deutschen Anfangs-Gründen: jedoch aber ist es hin und wieder verbessert, und um ein ziemliches vermehret worden. Dahin rechnen wir, daß sich Herr Wolf hier, absonderlich in der Rechen-Kunst und Geometrie, die Sätze mit der äussersten Schärffe zu erweisen, und die eigentlich, zu der Mathematick gehörigen Sachen weitläufftiger auszuführen, bemühet hat.  
  Daß er dieses Werck nunmehr in Lateinischer Sprache besorgete, war keine andere Ursache als die Liebe zu den Ausländern, welchen er seine Anfangs-Gründe auf diese Art in die Hände spielen wolte. Es nahmen selbige auch diesen ersten Theil mit durchgängigem Beyfall auf, und wünschten nur bald den andern Theil zu sehen. Dieser erste Theil ist nicht ein Werck, welches seinem Verfasser nur ein Jahr Zeit gekostet hätte. Es waren die ersten Bogen davon bereits in 1710 Jahre unter der Presse, welches wir aus der von Herrn Wolfen in den November des 1710 Jahres von den Actis Eruditor. eingerückten Recension seiner Anfangs-Gründe erkennen. Denn daselbst schreibet er:  
  Monemus tamen Lectorem, Latinam quoque editionem jam sub praelo sudare, ut eodem labore illorum conatus juventus, qui Germani-  
  {Sp. 564}  
  cam linguam non callent aut Latina magis delectantur."  
1714 Von den Lebens-Umständen unsers Philosophen im 1714 Jahre wohnet uns gäntzlich nichts bey, ausser daß er verschiedener Bücher Auszüge an die Sammler der Actorum Eruditorum übersendet hat.  
1715 Desto mehrere Schrifften kamen im 1715 Jahre zum Vorscheine. Gleich in dem Jenner dieses Jahres von den Actis Eruditor. stehet eine Prüfung des Satzes: Quantitas ex infinitis nullitatibus componitur, welchen Herr Gvido Grand in seinem Tractat de quadratura circuli et hyperbolae per infinitas parabolas et hyperbolas geometrice exhibita, behauptet hatte. Es hat zwar Herr Wolfen beliebet sich nicht zu nennen, wir wissen aber gantz sicher, daß er der Verfasser dieser Prüfung sey. Eben dieses können wir auch versichern von den novis litterariis mathematicis de perpetuo mobili, longitudine maris et quadratura circuli, welche gleichfalls ohne Benennung des Verfassers im Jenner bald nach der nur jetzt gedachten Schrifft anzutreffen ist.  
  Mittlerweile war der erste Theil der Elementorum matheseos universae vielen zu Gesichte gekommen. Da nun Herr Wolf in selbigem nach Anleitung der von dem Herrn Leibnitz erfundenen Erklärung der ähnlichen Dinge die von Euclides gegebene Erklärungen der planorum und solidorum similium demonstriret und einen viel leichtern Weg zu vielen andern Demonstrationen gewiesen hatte; hatte dieses bey den Lesern ein nicht geringes Vergnügen erwecket. Dahero einige Herrn Wolfen beständig anlagen, daß er doch eben diese Grundsätze auch auf figuras curvilineas appliciren möchte.  
  Wie nun Herr Wolf nach Art wahrer Philosophen sich vor verpflichtet erachtete, seinem Nächsten zu dienen; so konnte er dieses Ansuchen um so viel weniger in den Wind schlagen, da solches zur Aufnahme der mathematischen Wissenschafften gehörete, und unser Philosoph von Jugend auf einen recht innerlichen Trieb, die Wissenschafften zu erweitern, gehabt hatte. Er stillete also im May der Actorum Eruditorum durch eine besondere Commentation, als durch eine niedliche Speise, den Hunger derer, die an mathematischen Dingen ihre Freude haben.  
  Noch mehrerers Vergnügen erweckte Herr Wolf den Liebhabern der mathematischen Wissenschafften durch eine dem Monat Junius der Actorum Eruditor. einverleibte Schrifft. Man hatte bißher die Logarithmos blos gebrauchet, wenn Zahlen zu multipliciren und zu dividiren gewesen: allein unser Mathematicus erfand eine leichte Regel, nach welcher man auch vermittelst der Logarithmorum Zahlen zusammen addiren und von einander subtrahiren kan, sie mögen rational oder irrational, gantz oder gebrochen seyn. Diese Regel hat in vielen Fällen ihren vortreflichen Nutzen. Unter allen mag genung seyn hier angeführet zu haben, daß sie über die Massen dienlich sey, wenn man die Dignitäten der Zahlen addiren und von einander subtrahiren soll. Solche Erfindung hat Herr Wolf in den gedachten Monate bekannt gemachet.  
  Nun wurde auch das Verlangen der Ausländer, den andern Theil von Herrn Wolfens in Lateinischer Sprache ausgefertigten Anfangs-Gründen alle mathematischen Wissenschafften zu  
  {Sp. 565|S. 296}  
  sehen, erfüllet. Immassen er um diese Zeit den andern Theil seiner Elementorum Matheseos universae, und also das gantze Werck zu Ende brachte. Man föderte sich in der Druckerey mit dem Abdrucke, und wurde er in der Michael-Messe selbige in Jahres schon ausgegeben.  
  Nachdem Herr Wolf also mit diesem grossen Wercke zu Stande war, brachte er eine gantz kleine Schrifft zu Papiere, in welcher er eine allgemeine Regel gab, wie man die differentiam potentiarum duarum quarumcunque, sed ejusdem gradus, quarum radices sive unitate sive quocunque numero alio differunt, finden solle. Er überschickte sie an die Sammler der Actorum Eruditorum, welche sie dem December 1715 ihres gelehrten Tage-Buchs einrücketen.  
  Und so konnten bey so vielen abgelegten Proben der Geschicklichkeit und des Fleisses unsers Herrn Professors auch die fernerweitigen Belohnungen nicht aussen bleiben. Herr Wolf hatte, seitdem er das öffentliche Lehr-Amt zu Halle verwaltet, nicht allein mit Schreiben der gelehrten Welt, sondern auch hauptsächlich mit fleißigem Lesen der zu Halle studirenden Jugend nicht wenig Vortheil geschaffet. Weßwegen auch schon eine geraume Zeit her sich die angehenden Gelehrten von allen Orten in Halle eingefunden und zu dem Catheder des Herrn Wolfens sich gedrungen hatten, so, daß die Anzahl der Studenten augenscheinlich von Jahren zu Jahren stärcker wurde. Dieses bewog Sr. Königl. Maj. in Preussen, das höchstdieselben Herrn Wolfen zu Dero Hofrathe ernannten, welches wahrscheinlich gegen das Ende des 1715 Jahres geschehen ist.  
1716 Am 25. Februar des 1716 Jahres antwortete unser Herr Hof-Rath den nunmehr verstorbenen Herrn Cornelius Dietrich Kochen in einen Privat-Schreiben, so er in Lateinischer Sprache abfassete. Es hatte der Herr Baron von Leibnitz in einem Schreiben unterm 15 Julius 1715 an den Herrn Kochen, den Präsidenten der zu Helmstädt damahls blühenden Societatis Conantium, des Principii individuationis Erwehnung gethan, und zugleich Herrn Wolffens dabey im besten gedacht. Herr Koch laß das aufmercksam durch, was unser Herr Hof-Rath so wohl von der Dießheit (principio individuationis ) als auch von dem vortrefflichen Nutzen der leeren Sätze theils in seiner Solutione nonnullarum difficultatum circa mentem humanam etc. theils in seinen vernünfftigen Gedancken von den Kräfften des menschlichen Verstandes etc. vorgetragen hatte.  
  Hierbey entstanden ihm einige Zweifel wider die Dießheit nicht allein, sondern auch wider den Nutzen der leeren Sätze. Solche Zweifel eröffnete er unserm Philosophen in einem Privat-Schreiben im 1714 Jahre. Weil sich nun Herr Wolf öffentlich in der Vorrede der angeführten vernünfftigen Gedancken anheischig gemacht hatte, wenn jemand ihm in einem Briefe einige Zweifel erregen würde, er dieselbe alsbald beantworten wolte, Herr Koch sich auch in seinem Schreiben darauf beruffen hatte; setzte er das Antworts-Schreiben gar bald auf. Allein dieser Wolffische Brief war verlohren gegangen. Da nun Herr Koch keine Antwort erhielte, schrieb er von neuen an unsern Philosophen, welcher sich die Mühe nicht verdrießen ließ, in einem anderweitigen  
  {Sp. 566}  
  Schreiben untern 25 Februar 1716 Herrn Kochen seine Zweifel zu benehmen. Dieser Brief nebst dem ersten Kochischen Schreiben ist hernachmahls den Annalibus Academiae Juliae eingerücket worden.
  Über dieses verlangte auch in diesem 1716 Jahre Herr Christian Gottlieb Hertel zu seiner vollständigen Anweisung zum Glaßschleiffen etc. von Herrn Wolfen eine Vorrede. Ihm war Herrn Hertels Geschicklichkeit schon bekannt. Um deßwillen trug er kein Bedencken, auch diesen Bitten Platz zu geben, bevorab die in diesem Buche vorgetragene Materie von unbeschreiblichem Nutzen ist, und sie auch von Niemanden bißhero, besonders in unserer Deutschen Sprache so ausführlich und so aufrichtig war beschrieben worden, als von Herrn Herteln geschehen war. Die Ausarbeitung dieser Vorrede nahm er bald, nachdem er das Schreiben an Herrn Kochen fortgeschickt hatte, zur Hand, und ohnerachtet er in selbiger Vorrede den Nutzen der geschliffenen Gläser in der Natur-Lehre und andern Wissenschafften so lebhafft und so gründlich vorstellete, daß nichts darüber ist; so war er doch mit selbiger schon am 9 Mertz fertig geworden.  
  Kaum hatte er die zu dieser Vorrede angesetzte Feder niedergelegt, als sich am 17 Mertz 1715, des Abends nach 7 biß gegen 10 Uhr ein ungewöhnliches Licht am Himmel zu Halle und andern Orten sehen ließ. Herr Wolf, der niemahls eine Gelegenheit vorbeygehen lässet, die Geschichte der Natur mit möglichsten Fleiße zu bemercken, beobachtete alles aufs genaueste zu seinem eigenen Vergnügen; dieweil aber viele in der Erkenntniß der Natur unerfahrene durch diese wundersame Begebenheit in nicht geringe Bestürzung gesetzet worden waren, und in solcher Furcht ab sonderlich von Herrn Wolfen zu wissen verlangten, was er von diesem Lufft-Zeichen hielte: So vermeynte er, daß er Krafft seines öffentlichen Lehr-Amts gehalten sey, in einer öffentlichen Vorlesung seine Gedancken davon zu eröffnen.  
  Dieses bewerckstelligte er um 24 Mertz, und fand er in dem öffentlichen Lehr-Saale eine solche Menge der Zuhörer, nicht allein von Studenten, sondern auch vielen andern Menschen, daß Herr Wolf selbst öffentlich bekennet hat, er wisse sich nicht zu besinnen in einem solennen Actu mehrere Menschen bey einander gesehen zu haben. Nach der Zeit geschahe bey ihm viel Nachfragens, ob er nicht den damahls gehaltenen Discurs würde drucken lassen, weil sogar auch auswärtige an ihre gute Freunde in Halle geschrieben und denselben verlanget hätten.  
  Was ihn am meisten bewog, in den Druck dieser Vorlesung endlich zu willigen war, daß einige Zuhörer dieselbe nachgeschrieben hatten, und er in Erfahrung brachte, daß, daferne er mit selbiger nicht öffentlich hervorrücken würde, sie der Presse solte unterworffen werden. Er übersahe demnach seinen Discours von neuen, vermehrte die Antwort auf die zuletzt vorgelegte Frage, und übergab ihn dem Drucke.  
  Auch war im vergangenem 1715 Jahre von dem verstorbenen Herrn Johann Friedrich Gleditschen, berühmten Buchhändlern zu Leipzig, begehret worden, daß Herr Wolf ein mathematisches Lexicon verfertigen mögte. Ob nun wohl der Herr  
  {Sp. 567|S. 297}  
  Hof-Rath nach der Herausgabe der Elementorum matheseos universae nicht gesonnen war, den Anfängern der Mathematick zugefallen fernerweit die Feder zu ergreiffen; dieweil er aber doch verspührete, es könne auch durch eine solche von ihm verlangte Arbeit ein vielleicht nicht geringes zum Aufnehmen der Mathematick beygetragen werden, so willigte er endlich in Herrn Gleditschens Suchen. Die übernommene Arbeit, ob sie ihm gleich deswegen verdrüßlich war, weil sie mehr Mühe als Verstand erforderte, gieng ihm so gut von statten, daß er schon zu Anfang des May 1716 Jahre das völlige Manuscript an den Verleger überschicken konnte.  
  Es ist nichts gewöhnlichers, als daß die Gelehrten das Ansehen dessen, welchen sie als einen Halbgott oder wenigstens als den Hauptgelehrten verehren, durch Verletzung der Ehre anderer Gelehrten von gleichem Range, zu vermehren suchen: Und es ist nichts billigers, als daß man gegen solche Leute die von ihnen verachteten Männer vertheidige.  
  Ein gewisser Engelländer und Anbeter des grossen Neutons hatte in dem Haagischen Journal Litteraire (im Monat Julius und August des 1715 Jahres auf der 320 und ff. Seiten) eine Vertheidigung seines gelehrten Landsmanns wieder eine kleine 1743 Jahre herausgekommene Schrifft bekannt gemachet, und in selbiger Vertheidigung wider den berühmten Johann Bernouilli hefftig losgezogen, weil selbiger den Herrn Neuton einiger in seinen Principiis Philosoph-mathematicis begangener Fehler, ob schon mit der grösten Bescheidenheit, überführet hatte. Ja eben dieses hatte der Neutonische Vertheidiger so übel empfunden, daß er auch nachher in den Transactionibus Londinensibus, im September des 1714 Jahres (die aber im 1715 Jahre allererst herausgekommen sind) vor Zorn und Unwillen gegen Herrn Bernouilli dessen Solutionem problematis inversi virium centralium angefochten hat.  
  Niemand war geschickter, die Ehre des Herrn Bernouilli wider beyde Stücke zu retten, als unser Philosoph. Deßwegen erachtete er sich auch vor verpflichtet, dieses in einem Briefe an einen gelehrten Mann zu bewerckstelligen. Damit nun dieses löbliche Unternehmen Herrn Wolfens zu jedermanns Wissenschafft gelangen mögte, hat man den Brief in den Julius des 1716 Jahres von den Actis Eruditorum eingerücket; dabey aber für rathsam befunden, so wohl Herrn Wolffens Nahmen als auch desjenigen zur Zeit noch zu verschweigen, an den der Brief gerichtet ist.  
  Inzwischen hatte Herr Wolf verschiedene Historische Nachrichten von dem ungewöhnlichen Licht, das sich den 17 Mertz dieses Jahres hatte am Himmel sehen lassen, und das er in einem besondern Aufsatze beschrieben hatte, von verschiedenen Orten her erhalten. Alle diese Nachrichten brachte er in eine Schrifft zusammen, die er in die Acta Eruditorum einsendete. Da er selbige kaum überschickt hatte, überkam er noch mehrere Beschreibungen zu Gesichte, welche er vor würdig hielte, in einem besondern Anhange zu einem Aufsatze gleichfalls den Gelehrten mitzutheilen. Sowohl der Aufsatz selbst als der Anhang zu selbigem stehen im August des 1716 Jahres von den Actis Eruditorum, ohne Benennung des Verfassers.  
  {Sp. 568}  
  Wir haben schon oben erzehlet, daß Herr Wolf einen Versuch wegen Vermehrung des Getreydes im 1709 Jahre angestellet habe, auch willens gewesen sey, noch anderweitige Versuche zu thun; daran aber von andern Verrichtungen sey verhindert worden. Er würde auch an dieses Vorhaben nie wieder gedacht, oder wenigstens nichts wieder vorgenommen haben, wenn er nicht von den Herrn von Leibnitz darzu wäre aufgemuntert worden. Denn als Herr Wolf dem Herrn von Leibnitz von seiner Erfindung geschrieben hatte, schien diesem dieselbe von einer Wichtigkeit zu seyn, und er ermahnete daher Herrn Wolfen nicht allein in seinem Antwort-Schreiben, daß er die Sache noch weiter untersuchen und sie nicht liegen lassen möchte, sondern Herr Leibnitz wiederhohlte dieses auch mündlich, als er unseren Philosophen nach einiger Zeit im 1716 Jahre zu Halle besuchte.  
  Herr Wolf ließ sich demnach zu Anfang des Frühlings einen kleinen Kasten machen, füllete ihn mit Garten-Erde, u. steckte ein Gersten- und Haber-Korn darein. Was er daran nach und nach beobachtet hat, berichtet er selbst im 3 Capitel, wie auch im 14 §. des 4 Capitels seiner Entdeckung der wahren Ursache von der wunderbahren Vermehrung des Getreites.  
  Ohngefähr um diese Zeit, wenigstens vor dem 1717 Jahre, hat die berühmte Königl. Groß-Britannische Gesellschafft der Wissenschafften, unsern vortrefflichen Mathematick- u. Natur-Lehrer in die Zahl ihrer Mitglieder aufgenommen. Es scheinet, als ob Hrn. Wolfen nicht allein dessen Elementa Aërometriae, sondern auch dessen Dissertation de hyeme zu dieser Ehre verholffen hätten. Denn daß jene bey den Engelländern bald bekannt geworden, und mit vielem Beyfall von ihnen seynd aufgenommen worden, läßet sich nicht undeutlich unter andern auch daher schlüssen, daß der Engelländische Mathematick- und Natur-Lehrer, Herr Keil, einen besondern Brief an Herrn Wolffen dieserwegen geschrieben hat, in welchem er viele Hochachtung vor den Verfasser der Elementorum blicken lässet. Und was die Dissertation de hyeme betrifft, so hat sie die Londische Gesellschafft der Ehre würdig geachtet, daß sie einen Auszug aus selbiger in ihre Acten einverleibet hat.  
  Kurtz vorher oder bald hernach hat auch die Königl. Preußische Gesellschafft (und nunmehriger Academie) der Wissenschafften Hrn. Wolfen die gleiche Ehre wiederfahren lassen, indem sie ihn in einem übersendeten Diplomat als ihr Mitglied erkläret hat.  
1717 Mit Verstand und Tugend begabte Männer bekommen durch neue Ehre auch neues Feuer, an den Bau des so weitläufftigen Gebäudes der Wissenschafften mit neuen Kräfften zu gehen. Die Liebe zu dem Wachsthum derselben trieb Herrn Wolfen vorjetzo dahin, daß er nunmehro auch so gar den niedrigen Schulen dienen mögte, denen zu Gefallen sich Herr Wolf auf vieler Liebhaber beharrliches Anhalten entschlossen hatte, ein mathematisches Handbuch zu verfertigen. Es wurde 1717 Jahre, zugleich mit der andern Auflage der Anfangs-Gründe unter die Presse gegeben, und erhielte die Aufschrifft:  
  Auszug aus den Anfangs-Gründen aller mathematischen Wissenschafften. Bey genauer Zusammenhaltung dieses Auszugs mit den Anfangs-  
  {Sp. 569|S. 298}  
  Gründen selbst wird sich gar bald offenbahren, daß der Auszug in der That diese Aufschrifft verdiene, u. der Absicht gemäß eingerichtet sey. Denn aus den Anfangs-Gründen ist hier bloß lediglich dasjenige ausgelassen worden, was die Anfänger entbehren können; das übrige aber mit eben den Worten wiederholet worden. Die dem Auszuge beygefügte Vorrede ist gantz unverbesserlich, und handelt von dem Nutzen der Mathematischen Wissenschafften, so aus deren Lehr-Art fliesset, dabey er lehret, wie man die Kinder, und hernach auch die Erwachsenen in der Mathematick so unterrichten solle, daß ihr Verstand geschärffet werden. Diese Schrifft also; wenn wir die Vorrede wegnehmen, bestand nur in einer Wiederholung der bereits vorgetragenen Lehren, und die Haupt-Bemühung dabey war eine gute Wahl der nothwendigsten Sätze.  
  Damit Herr Wolf aber auch zeigen mögte, daß es einem Manne, der sich im Nachdencken so sehr, wie er, geübet hat, niemahls an neuen Erfindungen fehle; ließ er in den Mertz der Actorum Eruditorum dieses 1717ten Jahres theoremata geometrica nova, quibus omnium Parabolarum, Hyperbolarum etc. einrücken. Man muß bekennen, daß die zugleich gegebenen Beweise dieser Lehr-Sätze die vollkommensten Muster der genauesten Demonstrationen sind. Dieweil Herr Wolf bey Gelegenheit eines Auszuges aus des Jacob Rohaults Physica im October der öffters gerühmten Acten des 1713 Jahres auf der 447 Seite erinnert hatte, daß viele wünscheten, es mögte doch dieser über diejenige Schwierigkeit sich deutlich erklären, welche der berühmte Mariotte wider seine Theoriam colorum vorgebracht hatte; so wolte unser Mathematicus auch diesen einiger massen einen Dienst erweisen, nachdem Herr Neuton die Versuche, welche jene Schwierigkeit aufhüben, vor der Königlichen Londischen Gesellschafft hatte wiederholen lassen. Zu diesem Ende satzte er notanda circa theoriam colorum Newtonianam auf, und machte dieselben in dem May der Actorum Erudit. des 1717 Jahres durch den Druck bekannt, jedoch mit verschweigen seines Nahmens.  
  Wie Neuton in Engelland, so ist der Herr Baron von Leibnitz in Deutschland, der gröste Mathematicus seiner Zeit gewesen. Dieser war in den vergangenen 1716 Jahre durch einen sanfften Tod zu allgemeiner Betrübniß der Gelehrten Welt entzogen worden. Die Billigkeit erforderte, daß dessen Leben in den Actis Eruditor. ausführlich beschrieben würde, da er vom ersten Anfange dieses gelehrten Tage-Buches an sehr vieles zu selbigem beygetragen hatte. Die Hochachtung, welche Herr Wolf jederzeit vor den Herrn Baron geheget hatte, gab ihm die Feder in die Hand, die Lebens-Beschreibung desselben aufzusetzen, nachdem er von dem Herrn Johann Georg von Eckard die Materialien dazu erhalten hatte. Man findet solchen Lebens-Lauff in dem Julius der gerühmten Actorum Erudit. auf der 322 u.s.f. Seiten.
  In dem Lebens-Lauffe war zwar wohl derjenigen Historie des Braunschweig-Lüneburgischen Hauses gedacht worden, an welcher der Herr Baron von Leibnitz viele Jahre gearbeitet, und doch nicht zu Stande gebracht hatte: alleine nur mit wenigen, und die  
  {Sp. 570}  
  Wichtigkeit eines solchen Werckes erforderte eine ausführliche Nachricht von demselben, was insonderheit der Inhalt und die Einrichtung betrifft, ingleichen wie weit des Herrn von Leibnitz bisherige Bemühungen um dasselbe gegangen sind. Man sahe daher in dem Monat August der Actorum Eruditor. auf der 360 u.f. Seite notitiam de historia Brunsuicensi, quam edere paraverat G. G. Leibnitius, die ebenfalls unsern Philosophen zum Verfasser hat.  
  Sogleich müssen wir mit Herrn Wolffen auf das Philosophische Catheder gehen, als auf welchem er am 7 Tage desselben Monats August zu Halle eine Dissertation vertheidigte, in welcher er mit dem Beyspiele des Begriffs vom Göttlichen Verstand zeigte, wie man die Natur-Lehre auf die natürliche Gottesgelahrheit appliciren könne und solle. In dem 42 §. dieser Dissertation gedachte Herr Wolf an seine bisher wegen Vermehrung des Getraydes angestellte Versuche, und versprach, daß er an einem andern Orte zeigen werde, wie daß es der Natur wohl möglich sey, aus jedem Körnlein mehr als hundert Ähren zu zeugen.  
  Bald hernach im September ließ er in den Leipziger neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen auf der 583 Seite bekannt machen, wie er nemlich im Begriff sey, seine Erfindung von der wahren Vermehrung des Getraydes durch den Druck öffentlich an das Licht zu stellen, nachdem er solche durch seine Versuche, so er viele Jahre lang fleißig deswegen angestellet hätte, glücklich entdecket, und dieses Jahr in der Probe richtig befunden habe, so daß er vor wenig Tagen seinen Zuhörern 6000 Körner vorzehlen können, die aus einem einigen Haberkorn gewachsen waren, wobey er noch erwiesen habe, wie wegen der grossen Hitze und Trockenheit dieses Jahres derselben fast noch einmahl so viel verderben müssen, die sonst daraus noch würden gewachsen seyn.  
1718 Solches Versprechen hat Herr Wolf auch im Februar des 1718 Jahres richtig gehalten, indem er herausgehen ließ: Entdeckung der wahren Ursache von der wunderbahren Vermehrung des Getraydes etc. Es wird darinne etwas dargethan, welches noch von keinem Naturkündiger war entdecket worden, daß nehmlich in einem Körnlein Getrayde der Keim nicht mehr in sich fasse, als einen Halm mit einer Wurtzel; hingegen überall, wo ein Blatt stehe, im Marcke eben ein solcher Keim, wie im Saamen, verborgen liege, und daß solches überhaupt bey allen Pflantzen und Gewächsen sich auch so verhalte. Wer war wohl vor Herrn Wolffen in den Geschichten der Natur erfahrner, als der Herr Baron von Leibnitz? und gleichwohl muste dieser solches als eine neue Erfindung erkennen.  
  Hieraus leitete Herr Wolf her, daß das in den Knoten befindliche Marck den Stengel hervorbringe, und daher die zwey Knoten, welche nahe an der Wurtzel stünden, wenn das Körnchen so tieff in der Erde stecke, daß dieselbe gleichfalls mit Erde bedecket werden, wieder andere Stengel hervortrieben, aus deren untersten Knoten abermahl andere hervorwüchsen, und dieses ohne Ende so fort, daferne man die untersten Knoten jedesmahl mit Erde überschütte.  
  Hierauf endigte Herr Wolf im August ein ander Werckgen, darinne er von seinen so wohl Mathematischen  
  {Sp. 571|S. 299}  
  als Philosophischen Stunden Rechenschafft ertheilet, das ist, aufrichtig angezeiget hat, wie er bey der Erklärung der Mathematischen und Philosophischen Lehren zu verfahren pflege. Die Ursache, welche ihn eine solche Schrifft aufzusetzen bewog, war, weiln er theils in Briefen um seinen mündlichen Vortrag war befraget worden; theils auch andere sich unterstanden hatten, seine Collegia unter ihrem Nahmen heraus zu geben.  
  Er that auch fast um eben diese Zeit Herrn Johann Georg Leutmannen den Liebes-Dienst, daß er ihm auf dessen Ansuchen zu seiner vollständigen Nachricht von den Uhren und derselben Verfertigung, welche damahls heraus kommen solte, eine Vorrede verfertigte, darinne er vom Nutzen der Zeit handelte, die Historie der Uhren mittheilete; und die Bücher, so von Uhren sind geschrieben worden, erzehlete.  
  Gegen das Ende des 1718ten Jahres nöthigte Herrn Wolffen ein ungenannter Gegner, daß er sich über eine Vertheidigung seines zu Anfange des Jahres herausgegebenen Tractats von der wunderbahren Vermehrung des Getraydes machte. Denn jener hatte: Kurtze und wohlgemeynte Erinnerungen über des Herrn Hof-Raths und Prof. Wolffens in Halle vor weniger Zeit herausgegebene Entdeckung der wahren Ursache von der wunderbahren Vermehrung des Getraydes etc. durch den Druck öffentlich bekannt gemachet.  
  In dieser Streit-Schrifft gehet der Verfasser den Wolffischen Tractat von §. zu §. durch, und zeiget an, wo die Sätze des Tractats richtig wären, oder wo sie seiner Meynung nach durch die Erfahrung widerleget würden. Er scheinet selbst ein geübter Haußwirth zu seyn, indem er sich selbst auf seine eigene Erfahrung, wie auch auf seine Reisen beruffet. In der Vorrede versichert er, daß er aus recht guter Absicht dieser Erinnerungen an den Tag gestellet habe, um nehmlich die Absicht Herrn Wolfens noch mehr zu befördern, und also glaube er nicht, daß Herr Wolf solches übel empfinden könne. Wie er denn auch erböthig sey, sich gegen ihn zu erkennen zu geben, mit ihm aus allen mit gröster Bescheidenheit zu communiciren, und, woher solte geirret haben, sich den rechten Weg zeigen zu lassen, in Hoffnung, daß sie vielleicht mit zusammen gesetzten Kräfften diese Materie würden besser ausarbeiten können.  
  Die Erinnerungen des Ungenannten wären insgesamt aus blossen Mißverstande hergeflossen, indem der Verfasser als ein erfahrner Hauß-Vater, nicht aber Natur-Lehrer, Herrn Wolfen mit Gewalt zu einem Entrepreneur, und dessen Entdeckung zu einem Projecte machen wolte, viel mehr Getrayde, als sonst geschiehet, zu bauen: da doch Herr Wolf in seiner Schrifft, als ein Naturkündiger, die Ursachen der Begebenheiten in der Natur, besonders der Vermehrung des Getraydes, untersuchet hatte. Solchemnach fand er vor dienlich, in einer besondern Schrifft seinen Gegner mit seinen Erinnerungen zurück zu weisen. Noch vor Ausgang des 1718 Jahres hatte er sie völlig zu Papier gebracht, und sie überschrieben: Erläuterung der Entdeckung der wahren Ursachen etc. Weil der Herr Verfasser der Leipziger neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen auf das 1718 Jahr, Johann  
  {Sp. 572}  
  Gottlieb Krause, in dem 103 Stücke des Ungenannten Erinnerung angeführet, und unter andern gesetzet hatte, daß der Verfasser aufrichtig angezeiget hätte, wo die Wolffischen Sätze durch die Erfahrung widerleget würden; so gieng Herr Wolf in dem 3 u.s.f. §§. des 63 Capitels seiner Erläuterung auch auf den Verfasser dieses Auszuges loß, und suchete zu zeigen, wie ungegründet dessen Urtheil sey, und daß er die Wolffische Schrifft gar nicht gegen des Gegners Erinnerungen müsse gehalten haben.  
1719 Die erste Auflage der vernünfftigen Gedancken von den Kräfften des menschlichen Verstandes war nunmehro wegen der vielen Liebhaber derselben gäntzlich abgegangen, und Herr Wolf wurde nach dem Eintritt in das 1719 Jahr um eine verbesserte Auflage angesprochen. Er gieng diese Gedancken nochmahls durch satzte hin und wieder, hauptsächlich in dem ersten Capitel von den Begriffen, mehrere Beyspiele hinzu, und brachte auch an einigen Orten ein und die andere Regel noch an.  
  In dem Mertz 1719 beschloss er diese Arbeit, und wendete sich zur Vollendung einer andern Schrifft, die er bereits im 14 §. des 2 Capitels seiner Entdeckung der wahren Ursache von der wunderbaren Vermehrung des Getraydes versprochen hatte. Welches Versprechen er auch im 4 §. des 2 Capitels der Erläuterung der Entdeckung etc. von neuem wiederholet hatte, nachdem es dem ungenannten Gegner der Entdeckung beliebet hatte, zu versichern, daß er und alle curioöse Leute solche Schrifft mit grossem Verlangen erwarteten. Diese Versicherung munterte unsern Philosophen auf, das Werck zu beschleunigen, und es noch eher zu liefern, ehe er es sich zu thun anfänglich vorgenommen hatte  
  Solches Werck war die Haupt-Wissenschafft, oder seine vernünfftige Gedancken von GOtt, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt. Das ist der Stein des Anstosses, worüber seine Gegner gefallen, und dadurch vor Schmertzen so toll worden sind, daß sie Herrn Wolfen auf allen Tritten verfolget, und ihm Fallbrücken gestellet, daß sie an einem gleichfalls erfolgtem Falle ihre Freude und eine süsse Rache haben mögten. Es ist ihnen auch ziemlich nach Hertzens-Wunsche gelungen.  
  Wir gönneten ihnen gerne ihr Vergnügen; daferne sie es nur bey dem einen Falle Herrn Wolfens, da er Halle verlassen muste, hätten bewenden lassen. Dieweil aber Herr Wolf sich von selbigem sofort wieder an einem andern Orte aufrichtete, ward die Freude gar bald in einen desto hefftigern Verdruß verkehret, wie dieses alles die fernere Beschreibung des Lebens unsers Philosophen vor jedermanns Augen darlegen wird.  
  Es kommt uns vor, als ob Herrn Wolfen die Verfolgungen wegen dieses Buches müssen geschwahnet haben, weil er in eben dem Monat December 1719, ehe er noch die Feder wegen der vernünfftigen Gedancken von GOtt etc. gantz auf die Seite geleget hatte, eine Erinnerung, wie er es künfftig mit den Einwürffen halten will, die wider seine Schrifften gemacht werden, aufsatzte. Diese Erinnerung, da sie zu einer Zeit mit der Haupt-Wissenschafft  
  {Sp. 573|S. 300}  
  fertig wurde, ist mit derselben auch zugleich der Presse unterworffen, und als eine Beylage der Hauptwissenschafft jederzeit angesehen worden, ob sie wohl gar nicht dazu gehöret, sondern als eine gantz besondere Schrifft anzusehen ist.  
  So trat die Wolffische Metaphysick gleich anfänglich mit einem Harnisch hervor, ehe noch Feinde da waren: Gleichwohl hat man sich nicht gescheuet, nachmahls einem Pfeil nach dem andern auf sie loß zu werffen.  
  Hingegen haben die practischen Theile der Weltweißheit nicht so viele widrige Schicksale erfahren, über welche sich Herr Wolf nunmehro machte. Der erste war die Sitten-Lehre, welche er unter dem Titel: Vernünfftige Gedancken von der Menschen Thun und Lassen, mit dem Ende des Aprilis im 1720 Jahre der Presse unterwarff.  
  Das gantze Werck ist in vier Theile vertheilet. In dem ersten handelt er die allgemeine practische Weltweißheit ab; die übrigen drey aber reden von den drey Arten unserer Pflichten gegen uns selbst, gegen GOtt und gegen unsern Nächsten. Das merckwürdigste hierbey ist, daß unser Moraliste die Erwegung (theoriam) beständig mit der Ausübung, (praxi) verknüpffet habe, so, daß er ausser der Sitten-Lehre auch das sittliche Recht der Natur, als die Richtschnur der menschlichen Handlungen im Stande der Natur, zugleich mitgenommen hat, wie dieses in dem Artickel: Wolfische Philosophie, mit mehrerm dargethan wird.  
  Und auf solche Art findet man hier beydes das Recht der Natur als auch die Sitten-Lehre von Herrn Wolfen, seiner Gewohnheit nach, gründlich und deutlich abgehandelt. Eben diese Gründlichkeit ist die Ursache, daß Herr Wolf hier die meisten Sätze aus der Hauptwissenschafft herleitet, indem diese der Grund aller übrigen philosophischen Wissenschafften ist, die aus jener als aus ihrer ursprünglichen Quelle flüssen. Herrn Wolfen schwebte noch die im vorigen Jahre verfertigte Hauptwissenschafft in frischem Andencken, ja bey der Ausarbeitung der jetzt gedachten Sitten-Lehre war er von dem vortrefflichen Nutzen der Hauptwissenschafft aufs Neue überzeuget worden.  
  Weiln er nun um diese Zeit von Herrn Heinrich Köhlern um eine Vorrede war ersuchet worden zu seiner Übersetzung der Leibnitzischen und Clärckischen merckwürdigen Schrifften, diese auch vornemlich metaphysicalische Materien in sich fasseten: So nahm unser Philosoph daher Gelegenheit in der Vorrede von der Vortrefflichkeit und dem Wachsthum der Hauptwissenschafft seine Gedancken und ihm beywohnende Nachrichten mitzutheilen. Von der Vortrefflichkeit derselben bejahet Herr Wolf, daß sie allerdings diejenigen Lobsprüche verdiene, die ihr die Schul-Lehrer beygeleget haben, indem man ohne sie in keiner Disciplin zu einer mathematischen Gewißheit gelangen kan.  
  Wenn er von dem Wachsthume redet, so erweiset er, daß Herr Leibnitz die Verbesserung derselben sich habe angelegen seyn lassen, und erinnert, daß die Leibnitzischen Lehren aus seiner Hauptwissenschafft könnten erläutert werden, ob er gleich nicht in allen mit Herrn Leibnitzen einig sey.  
  Zum Beschlusse  
  {Sp. 574}  
  wird gezeiget, wie man die Algeber zur Erläuterung der Hauptwissenschafft gebrauchen könne, und behauptet, daß alle diejenigen, welche in der Hauptwissenschafft weiter gehen, und dieselbe mit neuen Erfindungen bereichern wolten, sich der Algeber hauptsächlich bedienen müsten.  
     

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HIS-Data 5028-58-549-2-02: Zedler: Wolf, (Christian, Reichs- Frey- und Edler Herr von) [2] HIS-Data Home
Stand: 7. April 2013 © Hans-Walter Pries