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Zedler: Wittenberg [1] | HIS-Data 5028-57-1687-11-01 |
Titel: | Wittenberg [1] |
Quelle: | Zedler Universal-Lexicon |
Band: | 57 Sp. 1687 |
Jahr: | 1748 |
Originaltext: | Digitalisat BSB Bd. 57 S. 857 |
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Artikelübersicht | Teil 2 |
Übersicht |
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Text | Quellenangaben | ||
Wittenberg, oder wie es in den
alten
Urkun- den heisset, Guittenburg, Wittonborch und Wyttinberg, oder aber wie die Poeten sie nen- |
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{Sp. 1688} | |||
nen, Elb-Athen,
Lat.
Witeberga, Witteber- ga, Wittenberga, Wittiburgum, Wittenbur- gum, Vitemberga, Leucorea, Leucoreum, Al- bioreum, Albimontium, Albiburgum, ist die Haupt-Stadt in dem so genannten Chur-Kreise in Sachsen.¶ |
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Benennung.¶ | |||
Woher diese Weltberühmte
Stadt ihren
Nah- men habe, davon sind die Gelehrten nicht einerley Meynung. Einige wollen behaupten, sie soll so viel als Albus Mons, auf Nieder-Sächsisch der Witte, oder Weise-Berg heissen, welcher, wie Taubmann dafür hält, gegen Mitternacht der Stadt gelegen gewesen, wo vorjetzo die Weinber- ge stehen; vor Alters aber nur in einem Sand- hauffen oder in einem blossen ungebauten Erdrei- che soll bestanden haben. Wie sich denn daher unter dem ersten Rector der dasigen Universität der Burgemeister Tylo Dehn Albiorensem (d.i. in albo monte) Consulem in die Matricul ein- schreiben lassen. |
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Hingegen haben sich auch etliche Rectores der Universität nicht Wittebergenses sondern Wittenbergenses, von des Witte- kinds Burg oder Schloß, so an diesem Orte gestanden hat, geschrieben. |
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Einige geben vor aber ohne allen Grund, daß die Juden, so ehemahls gleich den Wenden dort herum ge- wohnet, diesen Ort den Berg Libanon, und das nächste Dorf über der Elbe, Prata, Ephraim sollen genennet haben: Wie denn Libanon in seiner eigenen und uhrsprünglichen Sprache so viel als Albus oder weiß heisset. |
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Andere und zwar die meisten wollen ihren Nahmen von Wit- tekinden dem Großen, der Sachsen Heerführer, so viele Jahre lang mit den Francken und mit Kay- ser Carln dem Grossen Krieg geführet hat, herlei- ten. |
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Noch andere hingegen
sagen, daß sein
Sohn
Wittekind, der Jüngere, Wittenberg erbauet, und demselben den Nahmen gegeben. |
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Allein die allerwahrscheinlichste Meynung ist wohl diese, wenn man saget, daß die Holländer, welche im zwölff- ten Jahrhundert wegen Überschwemmung des Meeres in den Niederlanden entweichen musten, und hernach an der Elbe, Saal und Havel sich niederliessen, Wittenberg aus einer alten Burg- warde zu einer rechten Stadt angebauet, und von einem in den Niederlanden überschwemmten Orte also benennet haben, wie bald mit mehrern soll er- wiesen werden.¶ |
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Lage.¶ | |||
Diese Haupt-Stadt des so genannten Chur- Kreises in dem Churfürstenthum Sachsen liegt an dem Morgen-Ufer der Elbe auf einer sehr schönen und grossen Ebene, acht Meilen von Leipzig nord- lich, vierzehen von Dreßden Süd-Westwärts, und zehen von Magdeburg; hat zur Long. 33 Gr. 24 Min. oder wie andere rechnen 37 Gr. und 15 Min. und zur Latitud. 51 Gr. 49 Min. oder nach anderer Rechnung 51 Gr. 52 Min.¶ |
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Form.¶ | |||
Die
Form der Stadt ist rund, wiewohl etwas
länger als breit; oder sie lieget gleichsam in Form eines halben Mondes, an der Elbe lang hin.¶ |
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Erbauung.¶ | |||
Wenn wir von der Erbauung der Stadt
Wit- tenberg etwas beybringen wollen, so ist wohl nö- |
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{Sp. 1689|S. 858} | |||
thig, daß wir diese anjetzo in ihrem Flor
stehende, von dem ehemaligen Städtlein oder Flecken, wel- cher vielleicht in den ältesten Zeiten daselbst mag ge- wesen seyn, behutsam und genau unterscheiden.¶ |
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In Ansehung dieses, in der ältesten Zeit,
dörffen wir es nur ein wahrscheinliches Alter nennen, weil wir hier nur aus wahrscheinlichen Gründen folgern müssen. In Betrachtung jenes aber, in der mitt- lern Zeit, können wir der Stadt den Ruhm eines wahrhafftigen Alters geben, sintemahl wir zur sol- chen Zeit den Sitz der alten Sächsischen Chur- und Landes-Fürsten aus dem berühmten Anhältischen Hause, würcklich in ihr erblicken. Wir würden solches mit vielen Urkunden bestärcken können, wenn wir es für nöthig hielten. Wir wollen uns aber nur eine eintzige alte Schrifft, die zwar nicht zu Wittenberg gegeben worden, aber doch schon ihres Nahmens gedencket, zur Betrachtung erwehlen, und so wohl von ihren zum Theil annoch ungewis- sen Alter, als auch von dem Inhalt derselben unten ein weniges beybringen.¶ |
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Wittenberg, die alte und Weltberühmte Chur- Stadt des gesegneten Sachsen-Landes, pranget bil- lig mit dem Ruhm eines herrlichen Alters. Einige ihre Haupt-Gebäude zeigen, daß sie nicht von ge- stern und ehegestern her sey. Wir zielen hiermit sowohl auf die Pfarr- oder Marien-Kirche, als auch auf das so genannte graue oder Franciscaner- Kloster. Sie hat es also wohl verdienet, daß man ihr schönes Alter ein wenig näher in Betrach- tung ziehet. Nur ist es zu bedauern, daß die Feder der Gelehrten in den ältern Zeiten sich nicht so fleis- sig, und für die Nachwelt nicht so sorgfältig, als heut zu Tage, bezeiget. Daher des denn auch kom- men, daß man von dieser Stadt so wenig, ja bey nahe gar nichts, in den Jahr- und Geschichts Bü- chern aufgeschrieben hinterlassen, welches mit un- umstößlichen Gründen könnte behauptet werden. |
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Einige
Muthmassungen, so uns diese oder
jene alte Schrifft Stelle erforschen lässet, heissen uns unter- dessen ein und das andere auf die Erbauung irgend einer Stadt an diesem Orte schliessen, und alsdenn noch mancherley Schein-Wahrheiten daraus fol- gern. Doch so gehet es in den Geschichten. Wenn uns alte Nachrichten und Urkunden mangeln, so müssen wir uns, leider! mit den besten wahrschein- lichen Gründen, die man billig für unumstößliche Wahrheiten nicht ausgeben darf, so lange behelf- fen, bis uns etwan Glück und Zeit ein besseres leh- ren wird. Wir müssen anjetzo bey unserer Stadt Wittenberg ein gleiches versuchen, vielleicht finden wir bey näherer Untersuchung ihres wahrscheinli- chen Alters, daß auch schon in den ältern Zeiten an diesem Ort eine Stadt, Flecken oder Dorf gestan- den, welches hernach dieser unserer jetzo im Flor ste- henden Stadt, die Anfangs-Gründe zu weiterer Erbauung gegeben¶ |
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Man giebt gemeiniglich die Wenden für die
er- sten Anbauer dasiger Gegend an. Aber, es wäre wohl noch der Frage werth: Ob nicht noch vor ih- nen eine gewisse Art deutscher Völcker, nemlich die Semnonen, hier auf diesem Orte, wo jetzo Witten- berg stehet, ihre Hütten aufgeschlagen haben? Die Frage verdienet eine genauere Untersuchung. Wir werden uns, beliebter Kürtze willen, damit nicht einlassen können. Indessen können wir sie nicht |
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{Sp. 1690} | |||
gantz und gar verneinen; sintemahl die
Semno- nen, noch vor der Wenden Eintritt in diese Lande, als Bewohner der Gegend bey Zahna, Jüterbog u.s.w. angegeben werden, sie auch nicht weniger dem benachbarten Städtlein Schweidnitz den Nahmen beygelegt zu haben scheinen. |
Siehe Abels Sächsische Alterth. Theil I … D. Eilers Belz. Chron. … und M. Eckards Wend. Kir- chen-Histor. Theil I … | ||
Jedoch, da mit keiner Gewißheit behauptet werden mag, daß vor den Wenden schon feste und vermauerte Städte in die- ser Gegend anzutreffen, so läst sich daraus abneh- men, daß die alten Semnonen hierum nür in Dör- fern, oder höchstens in Marckt-Flecken, sich aufge- halten. |
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Nach ihnen, den Semnonen, kamen
nunmehro, wiewohl ungewiß, zu welcher Zeit, die Heydnischen Völcker, mit Nahmen die Slaven, Wenden, besonders die Sorben oder Sirferwen- den, in diese Gegend herein, und liessen sich wohn- hafft nieder, |
von welchen Ditmarus,
Adam von Bremen, Lambert von Aschaffenburg, Otto von Freysingen, Helmold, Conrad von Ur- sperg, Albert von Stade, u.a.m. mit mehrern nachzuschlagen. |
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Daß aber vorbemeldete Wen- den, als Heydnische Völcker, in dasiger Gegend um Wittenberg herum würcklich wohnhafft gewe- sen, bezeugen |
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1) die hin und wieder ausgegrabenen
Todten-Töpffe, als: zu Belzig, Bitterfeld, Elster, auf dem Apollens-Berge, u.s.f. dergleichen auf der dasigen Universitäts-Bibliotheck, auf dem grauen Kloster, auch in einigen Privat-Büchersälen auf- behalten werden. |
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Von diesen Heyden daselbst zeugen ferner |
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2) die von ihnen überbliebene Nah- men derer Luche (lucus), z.E. der grosse und kleine Luch, der Bramerlug, Zwisikerlug, u.s.w. in wel- chen sie nach ihrer Heydnischen Art, Zweifels ohne ihre Götzen verehret haben, |
wovon Helmold Chron. Slav. … zu lesen. | ||
Ferner | |||
3) zeugen die von den Heyden überbliebene Nahmen derer zum Theil in dasigen Gegenden gelegenen ältesten Städ- te und Dörfer, von der ehemaligen Inwohnung derer Heyden in dasigen Gegenden, als z.E. Pra- tau, sonst Broze genannt, Marzahna, und viele andere, |
von welchen allen
Beckmann Hist. Anhalt. … und D. Eiler in seiner Belz Chron. … ein gantzes Verzeichniß uns zu lesen geben. |
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Ja es sagt der oben angeführte Helmold, als
ein bewährter und glaubwürdiger Geschichtschreiber des 12 Jahrhunderts, l.c. … mit deutlichen Worten, daß diese Heydnischen Völcker, als Sla- ven und Wenden, daselbst an der Elbe gewohnet haben. |
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Solchemnach
baueten sich also diese
Wen- den und Sorben in dasiger Gegend, und also auch an dem Orte, wo jetzo Wittenberg stehet, an, und scheinet daher die Meynung derer nicht unrecht zu seyn, die da vorgeben: daß, ob gleich der Stadt Wittenberg im zwölften Jahrhunderte erstlich ge- dacht werde, es dennoch wohl glaublich sey, daß die- ser Ort unter den Wenden schon lange, wiewohl unter einem andern Nahmen, bekannt gewesen. Wir können hier freylich in einer so dunckeln Zeit keine unumstößliche Wahrheit vortragen, wir müs- sen uns an guten Wahrscheinlichkeiten begnügen lassen. |
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Die Stadt Wittenberg liegt allernächst an dem Elb-Strom, vielleicht ists mit ihrem aller- ersten Anfange, wie mit Torgau, gleichfals an der |
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{Sp. 1691|S. 859} | |||
Elbe, zugegangen, welches zuerst aus
einigen we- nigen Fischer-Häuserchen bestanden. Oder viel- leicht, (wir müssen abermahl muthmassen) vielleicht ist es erst nur ein Wendisch Dorf gewesen, derglei- chen niedrigen Ursprung auch das Weltberühmte Leipzig hat. Jedoch es liesse sich hierbey, wie wir nicht leugnen, noch mancherley einwenden, welches hier nicht auszuführen. Wir werden jetzo gleich von Carln dem Grossen zu reden haben, zu dessen Zeiten der bekannte Wittekind gelebet.¶ |
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Ob Wittekind die Stadt Wittenberg
erbauet
habe, wie die gemeine, aber auch gewiß allerunrich- tigste und ungegründete Meynung ist, können wir hier nicht untersuchen. Als nun aber Kayser Carl der Grosse im Achten Jahrhunderte nach Christi Geburt, die Heyden, bekannter massen, zum Christ- lichen Glauben brachte, und die Wenden, ver- muthlich auch in dasiger Gegend überwandt, setzte er gewisse Ober-Aufseher, und so genannte Burg- Voigte mit einiger Besatzung, in die überwunde- nen Wendischen Dörfer und Flecken, welche den jährlichen Tribut von denen Wenden einfordern musten. |
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Man findet daher noch hie und da, in der
Nieder-Lausitz, in Chur-Sachsen, in der Marck, u.s.f. viele dergleichen Burg-Schlösser, oder viel- mehr, nachdem nun die Schlösser weggerissen, Burgwälle, Burgwarde, auf welchen diese Tri- buteintreibende so genannten Burg- Voigte ge- wohnet haben. Ob nicht auch an dem Orte, wo jetzo Wittenberg stehet, ein dergleichen Burg- Schloß oder Burgward auf einem Sand-Berg gebauet gewesen, in welchem gleichfals ein solcher Kayserlicher Burg-Voigt den Tribut von den da- selbst herum zinßbar gemachten Wenden einfordern müssen, besonders, da in einer sehr alten, hernach anzuführenden Urkunde, Wittenberg mit deut- lichen Worten annoch eine Burgward genennet wird; stehet nicht gantz zu verneinen. |
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Wolte je- mand auch den Nahmen Wittenburg, wie die Stadt in denen alten Zeiten und Urkunden heisset, daß ist, weisse Burg, einigermassen daher leiten, würden wir ihm gleichfals nicht gantz und gar widerspre- chen. Wenigstens zeiget man ohnfern Jüterbog noch jetzo einige Überbleibsel eines alten Gebäudes, darinnen dergleichen Burg-Voigt mit Besatzung gelegen, welches dat witte Schlot (das weisse Schloß) genennet wird. |
M. Eckardts Wend. Kirchen- Histor. … | ||
Nach Carls des Grossen
Tode wurden die Wenden unter den folgenden Kaysern aufrührerisch, welche aber Kayser Heinrich der Vogler 919 besänfftigte, und gleichfals mit Tri- but belegte. Aber sie waren ein gantz unbändig, wi- derspenstig, und unschlachtiges Volck, wie Helmold l.c. … saget; fiengen daher 1001 nach Kay- ser Ottens des Dritten Tode, wieder einen Auf- stand an, bis daß unter dem Kayser Conrad dem Dritten ein Graf von Askanien und Marggraf von Soltwedel, welchem der Kayser die Sächsischen Lande in Lehn reichte, mit Nahmen Albrecht der Bär, und mit ihm Heinrich der Löwe, in Nie- der-Sachsen, und Wichmann, Ertz-Bischoff zu Magdeburg, im Jahr 1138 u.f. sich aufmachte, und nunmehro anfieng, die beym Tributgeben bis- her in dasigen Gegenden gedulteten Wenden, zu vertreiben, dem Christenthum aufhalf, die Kirche in dem an der Elbe gelegenen Pratau, und im An- |
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{Sp. 1692} | |||
hältischen Wörlitz stifftete, und dagegen,
statt der vertriebenen Wenden, die, wegen Überschwem- mung des Meeres in den Niederlanden entweichen- den Völcker, aus Holland, Utrecht, Seeland, Flandern, u.s.f. in diese Lande, an die Elbe, Saale, und Havel herein berief, welche auch alsobald die Städte und Flecken derer ausgestossenen Wenden einnahmen und bewohneten. |
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Es ist daher gantz wahrscheinlich, daß diese Holländer und Flander nicht nur dasige Gegend, das ist, den so genannten hohen und niedern Flemmig, sondern auch die her- umliegenden Städte zu Theil, als Aachen, Niemeck, Brück, Kemberg u.s.f. mit ihren Holländischen Nahmen beleget, ja wohl gar aufgebauet haben; wie denn der glaubwürdige Helmold l.c. … ausdrücklich schreibet, sie wären in die Ländereyen und Gegenden der Slaven und Wenden an die El- be, Havel und Saale, hereinkommen, und hätten Häuser und Kirchen gebauet. |
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Ob nun aber diese Holländer auch das oberwehnte alte vermuthliche Burg-Schloß an dasigem Orte, wo der Kayserliche Burg-Voigt, nach damahliger Gewohnheit, den Tribut von den Wenden eingefordert, würcklich abgebrochen, den wahrscheinlichen Sand-Berg ab- getragen, und ihn in etwas, gleich einer erhabenen Ebene, der Erden gleich gemachet, lässet sich, ob sie gleich in folgender Zeit die jetzige noch stehende schö- ne Stadt Wittenberg aufgebauet, mit unumstöß- lichen Gründen weder bejahen noch verneinen. |
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Die Stadt Wittenberg stehet jetzo eigentlich
zu re- den, auf keinem Berge, ob man gleich, besonders von der Elb-Seite her, auch wie der Marckt-Platz zum Theil anzeiget, eine erhabene Ebene, worauf sie stehet, verspühret. Aber, da gleichwohl den Hol- ländern die Abtragung derer Berge nicht fremde noch ungewöhnlich gewesen, dergleichen sie in be- nachbarten Städten vorgenommen, da ferner, die in dasiger Gegend herumliegenden Städtgen und Flecken, wie vorhin gemeldet, von den Hol- ländern mögen erbauet und benennet worden seyn: so sind wir indessen, bis wir eines bessern mit überzeu- genden Gründen belehret werden, der bejahenden sehr wahrscheinlichen Meynung zugethan, und hal- ten dafür, daß unsere heutige Stadt Wittenberg ihre Erbauung, worzu ihnen ein altes Burgward Anlaß gegeben, den Holländern zu dancken habe, welche, nachdem sie aus den überschwemmten Nie- derlanden, in unserm Lande an der Elbe, herein be- ruffen worden, auch diesen Ort eines alten Dorfs oder Fleckens eingenommen, das Burg-Schloß ab- gebrochen, den ehemahligen vermuthlichen Sand- Berg, dessen Überbleibsel man vielleicht wohl noch jetzo ohne grosse Mühe anzeigen könnte, wie an an- dern Orten, abgetragen, ihn zu einer jedoch in et- was erhabenen Ebene gemacht, und das ehemahli- ge Burgward dieses Ortes zu einer rechten Stadt, vielleicht bald in den ersten Zeiten Bernhards, des ersten Sächsischen Anhältischen Fürstens nach 1180 angebauet haben. Jedoch wir müssen zuvor, ehe wir von dem wahren Alter unter Bernharden re- den, noch eines und des andern gedencken.¶ |
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Die Hereinberuffung der Holländischen
Colo- nisten geschahe, wie wir oben angeführet, zu Zeiten Kaysers Conrads des Dritten durch Albrechten den Bär. Als hernach Hertzog Heinrich der Lö- we von dem folgenden Kayser Friedrich Barba- |
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{Sp. 1693|S. 860} | |||
rossa in die Reichs-Acht erkläret, und seiner
Länder entsetzet ward, bekam im Jahr 1180 der Ertz-Bischoff Philipp zu Cölln das Hertzog- thum Engern und Westphalen, Graf Bern- hard aber von Ascanien, auch ein Sohn Al- brechts des Bärs, den übrigen Theil von Sach- sen vom Kayser zur Lehn, wie davon des Kaysers Reichs-Decret mit mehrern zeiget. |
Siehe Beckmann Hist. Anh. Access. … | ||
Also nahm Bernhard aus dem Anhältischen Hause, die Sächsischen Lande an der Elbe, welche her- nach das Hertzogthum Sachsen, dazu Witten- berg gehöret, genennt sind, völlig in Besitz, aus welchen ehedem sein Vater Albrecht die Wen- den zu vertreiben bereits angefangen hatte. Er aber fuhr weiter fort, vertrieb also die Wenden dort herum vollends gantz und gar, und breitete hernach die Christliche Religion immer weiter und weiter aus. Daß er allda zu Wittenberg das ehemahlige alte Schloß, (denn das jetzo noch ste- hende hat Friedrich der Weise, nebst der Schloß- oder Universitäts-Kirche aufgefüh- ret,) habe aufbauen lassen, und seine Hofstadt darinne gehalten, wollen einige behaupten. Wir wollen uns hierbey nicht einlassen. |
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Das erste- re wollen wir ebenfalls zugeben, in so fern er nemlich ein Schloß zu dem Ende aufgebauet hät- te, damit die Sächsischen Churfürsten, seine Nach- folger, gleichwie sie auch würcklich gethan, dar- inne ihre Hofstatt halten möchten. Was aber das letztere anbetrifft, so findet man nirgends ein Diplo- ma oder Urkunde, die er jemahls zu Wittenberg un- terzeichnet, und also zum Beweiß dienen könnte, daß er selbst allda zu Wittenberg seinen Fürsten-Sitz gehabt; ob er gleich sonst öffters in dasiger Ge- gend herum gewesen; überdieß so ist auch be- kannt, daß zu der damahligen Zeit der Sitz der alten Fürsten und Herren nicht so fest und un- beweglich gewesen, als heutiges Tages; wie der hochberühmte Herr Rector Schöttgen in Dreß- den in der Lebens-Beschreibung Bernhardts mit mehrern erwiesen, und solche vielleicht ehe- stens dem Druck übergeben wird. |
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Vielleicht hat Bernhard zu Hertzberg seinen Sitz und Hof- lager gehabt, wie denn von dieser Stadt be- kannt, daß auf ihr schon in den ältesten Zeiten, ehe Wittenberg ins Aufnehmen kommen, die Chur von Sachsen gestanden. Indessen ist doch so viel gewiß, daß, da Bernhard das Hertzog- thum auf diese Länder 1180 bekommen, er gewiß nicht diesen Ort allein, als ein Dorf oder Burg- ward, werde gelassen, sondern vielmehr, gleich denen andern herum liegenden Städten, zur Stadt haben machen lassen, sintemahl seine unmittelba- ren Nachfolger schon daselbst ihre Residentz gehabt. Davon zeugen die vielen alten Diplomate der folgenden Churfürsten vom Anhältischen Stam- me, welche sie alle ausgefertiget, davon man ei- ne schon vom Jahr 1227 von Alberten dem Ersten Bernhards Sohn, aufweisen kan. |
Sie- he D. Eilers Belz. Chron. … | ||
Davon zeu- gen auch die vielen Grabmähler der alten Chur- fürsten und Churfürstinnen von Sachsen aus dem Anhältischen Stammhause, welche zu Wit- tenberg in dem grauen Kloster über zwantzig zu |
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{Sp. 1694} | |||
finden und annoch zu sehen sind.
Solchemnach wird wohl in diese Zeiten, da der Anhältische Bernhard 1180 das Hertzogthum dieser Lan- de bekommen, und gleichwie sein Vater, die Hol- länder zur Anbauung dasiger Gegend herein be- ruffen, auch sich selbst um dasiger Gegend her- um zum öfftern aufgehalten, das wahrhaffte Al- ter der jetzigen Stadt Wittenberg, aus einem vo- rigen Burgward erbauet, in Ansehung des Jahr- hunderts, zu setzen seyn. |
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Es kommen auch die Gelehrten meistentheils darinnen überein, wenn sie behaupten: es werde der Nahme Wittenberg nicht eher, als zu den Zeiten Albrechts des Bärs in der Geschichtkunde erwehnet; (vielleicht nur als ein Burgward). Vor den Zeiten Friedrichs Bar- barossä, zu dessen Zeiten Bernhard regieret, wer- de der Nahme Wittenberg in keiner alten Nach- richt oder Schrifft gefunden. |
Siehe Fabric. Sax. illust. … | ||
Ja ihr
wahrhafftiger Anfang sey erstlich in den Zeiten, da das Hauß von Anhalt oder Ascanien die Regierung bekom- men, zu suchen u.s.f. So finden wir dann also das gewisse Alter der Stadt Wittenberg, der Zeit im weitläufftigen Verstande nach, schon in dem zwölfften Jahrhundert, sintemahl einige jetztge- meldete Geschicht-Schreiber, welche zum Theil die besten Archive durchgegangen, gleichwohl kei- ne Urkunde von Wittenberg, von älterer Zeit, als vom zwölfften Jahrhundert, haben finden kön- nen. |
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Es lässet sich auch einiger massen aus
dem Alter derer dortherum liegenden Städte, Flecken und Dörffer, als z.E. Jessen, Torgau, Prettin, Kemberg, Dobin u.a.m. nicht gar un- billig schliessen, als welche im zwölfften Jahrhun- dert von den Holländern aufgebauet worden. Nun geben wir zwar gerne zu, daß man biswei- len von einem Orte auf den andern nicht wohl schliessen dürffe; allein, da doch gleichwohl die Holländer |
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1) in diese gantze Gegend an die Elbe, also an diesen Ort, wo jetzo Wittenberg stehet, gekommen, wie Helmold saget; da sie ferner |
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2) daselbst so viele Städte angeleget, oder
auch Dörfer ausgebauet, auch wohl benennet haben, und zwar fast alle zu einer Zeit unter Albert und Bernharden; solte denn wohl diese Stadt Wit- tenberg allein hierbey auszunehmen sey? solten sich die Holländer, die sich an der gantzen Elbe nieder gelassen, sich nicht auch dort an der Elbe niedergelassen, und entweder ein altes Burgward u. Flecken unter Alberten oder vielmehr Bernhar- den weiter ausgebauet, oder eine Stadt von neuen da angeleget haben? |
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Man wende uns nicht ein: es werde doch aber in allen Urkunden derer vorhin genannten Städte und Flecken, ja selbst in der Päbstlichen Bulle, wegen der Kirche in dem so nahe gelegenen Pratau, der Stadt Wittenberg, auch nicht mit einem Worte gedacht, da gleichwohl in bemeldeter Bulle das Anhälti- sche Wörlitz angeführet werde. Wir fragen nur: Läst sichs wohl schliessen: weil diese Urkun- de von Pratau, von der Stadt Wittenberg nichts saget, also muß nothwendig besagte Stadt, oder des etwas, nicht gewesen seyn? Ist wohl das Stillschweigen von einer Sache, so gleich die Ver- neinung der Sache selbst? und hebt denn wohl |
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{Sp. 1695|S. 861} | |||
der
Satz des einen, zugleich den Satz des
andern auf? Es ist bisweilen nicht eben nöthig, daß in der Urkunde oder Freyheits-Briefe des einen Ortes, sogleich auch des andern Orts müsse ge- dacht werden; folglich kan Pratau für sich gar wohl einen Päbstlichen Gnaden-Brief erhalten haben, ohne daß sich der Pabst auf Wittenberg mit beziehen dürffen. |
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Daß aber dem ohngeach- tet diese Päbstliche Bulle zugleich auch des Dorfs Wörlitz gedacht, hat ja wohl seine Ursachen; und ist vermuthlig deswegen geschehen, weil die Kir- che daselbst mit der Kirche zu Pratau, in Anse- hung ihrer Grundlegung und Bekräfftigung, die genaueste Bewandniß hat; beyde sind von einem Herrn gestifftet, beyde werden auch von einem Pabste bekräfftiget. Folglich hindert dieses gar nicht, daß wir nicht glauben solten, es sey Wittenberg würcklich in dem zwölfften Jahrhun- dert, und zur Zeit dieser Päbstlichen Bulle schon gewesen.¶ |
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Allein in welchem Jahre dieses zwölfften
Jahr- hunderts die Stadt Wittenberg eigentlich mag erbauet worden seyn, ist gantz und gar nicht zu be- stimmen; sintemahl wir nirgends eine Nach- richt davon aufweisen können. Das älteste Diploma, so zu Wittenberg gegeben worden, scheinet bis dato noch, des Albert des ersten Nachfolgers Bernhards, vom Jahr 1227 zu seyn, |
so stehet in Eilers Belz. Chron. … | ||
von welchem hernach etwas zu gedencken seyn wird. |
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Jedoch es hat sich noch eine alte Schrifft
gefun- den, welche zwar nicht zu Wittenberg gegeben worden, die aber doch gleichwohl der Stadt Wittenberg, nebst noch einigen andern Städ- ten und Dörfern daselbst an der Elbe, unter dem Nahmen der Burgwarde, gedencket, und von ei- nigen zum Jahr 1180 gezählet wird. Wir kön- nen nicht läugnen, daß noch einige Schwierigkei- ten dabey übrig bleiben.¶ |
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Doch eben dieß ist nun der andere Punct,
des- sen wir noch mit wenigen gedencken werden. Wir müssen die Sache etwas näher untersuchen. Können wir nicht auf den völligen Grund derselben kommen, so wird man uns doch unse- re Meynung und Muthmassung, die wir freylich nicht für Felsen-feste Wahrheiten ausgeben, nicht so gleich für verwerflich ansehen. Wir wollen auch einem jeden seine Meynung lassen. |
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Es ist diese Schrifft, so man in Ludwigs Reliqu. MStorum … und beym Leuckfeld de monast. grat. Dei … findet, eine Ordination und Confirmation, die ein gewisser Branden- burgischer Bischoff dem Probste des Marien- Klosters zu Lizeke oder Leizke, zwischen Zerbst und Magdeburg, über einige Städte und Flecken daselbst an der Elbe, welche er Burgwarde genen- net, ertheilet, und darinne zugleich die Kirchen an diesen Orten, auch zu Wittenberg unter das Archidiaconat des Klosters gethan. Die Gele- genheit dazu soll, wie Herr M. Thorschmidt Antiqu. Ploc. … schreibet, diese gewesen seyn: Albrecht der Bär war zugleich Burggraf zu Magdeburg. Seine Gerichte erstreckten sich weit über Wittenberg hinaus, daher seine Vog- tey sehr groß gewesen. Zu Leizke hatte er viel- |
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{Sp. 1696} | |||
mahls seinen Sitz. Daher es kommen, daß
er, vermöge seines grossen Vogtey-Rechts, dem da- sigen Probste und Brandenburgischen Weyh- Bischoff erlaubet, daß er Archi-Diaconus des Brandenburgischen Bißthums seyn, und zugleich die Kirchen-Aufsicht in dasigen Landen führen solle; zudessen Bekräfftigung ihm der Branden- burgische Bischoff dieses Diploma ertheilet. |
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Die Schwierigkeit bey diesem Briefe verursachet theils der verschwiegene Nahme des Bischoffs, theils das weggelassene Jahr, in welchem die Schrifft verfertiget. Werden wir beydes herausbringen, so werden wir erfahren, ob Wittenberg schon im zwölfften Jahrhunderte gestanden, oder nicht. |
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Dem Herrn M. Thorschmidten hat es
beliebet, dieses als eine schon ausgemachte Sache anzuse- hen. Er nennet diesen ungenannten Bischoff, Waldemar, und setzet diese Schrifft in die Zeit vom Jahr 1180 bis 90. |
Siehe Hrn. M.
Thor- schmidten in Antiqu. Ploc. … und Antiqu. Eccl. … | ||
Der gelehrte Herr Horn in vita Fride- rici Belic. … fället ihm bey und folgert eben daraus, daß Wittenberg, Zahne u.s.f. bereits im zwölfften Jahrhunderte in Ruff gewesen. Der in der Historie wohlerfahrne Herr M. Eckardt ist gleichfalls so gesinnet, und wird künfftig in dem andern Theil seiner Wendischen Kirchen-Histo- rie aus andern Urkunden zeigen, daß diese Schrifft vom Jahr 1180 anzunehmen, in welchem Bi- schoff Baldramus zur Regierung kommen. |
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Wir können dieser uns sehr angenehmen Meynung kei- nesweges widersprechen. Es ist gewiß, daß diese Urkunde vor dem Jahre 1179 oder 1180 nicht kan verfertiget seyn. Der Bischoff führt die drey Bischöffe von Brandenburg, Wiggerum, Wil- marum und Sifridum oder Siegfriden, als seine NB. Vorfahren an, auf welche er nunmehro folge. Folglich müssen diese, zur Zeit der Verfer- tigung dieser Schrifft, nicht mehr in dem Bischoffs- Amte gewesen seyn. Wir müssen hierbey auf den letzten besonders sehen, denn aus des- sen Abgang vom Amte können wir auf den Nachfolger schliessen. |
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Nun aber hat Siegfrid, Alberti Ursi Sohn, sein Bischoffs-Amt von 1173 bis 1179 oder 1180 geführet, worauf er hernach Ertz-Bischoff zu Bremen worden, und seinen Nachfolger in diesem Brandenburgischen Bischoffs-Amte Platz gemacht; folglich kan Sig- frids Nachfolger nicht eher, als nach dem Jahre 1179 oder im Jahr 1180 in seine Fußtapffen gefolget seyn, folglich sein Bischöfflich Amt nicht eher verwaltet, folglich auch diese Urkunde nicht vor 1179 oder 1180 gegeben haben. Ob sie aber nicht jünger, als dieses Jahr, und welches der Nahme des Bischoffs sey, scheinet etwas schwe- rer zu seyn. Doch da |
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1) der ungenannte Bi- schoff eines andern Bischoffs, der in der Ord- nung auf den Sigfrid, vor ihm noch selbst gefol- get wäre, nicht gedencket, dessen er doch gleichwohl, so wohl als dieser drey seiner Vorfahren hätte er- wehnen können; da wir |
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2) ferner in dem Ver- zeichniß der Brandenburgischen Bischöffe, den ersten, nach Sigfriden, unter dem Nahmen Baldram finden; ja da endlich |
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3) dieser Bischoff in seiner Schrifft, des damahls noch lebenden Ertz-Bischoffs zu Magdeburg unter dem |
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{Sp. 1697|S. 862} | |||
Anfangs-Buchstaben W erwehnet;
gleichwohl in dem Jahr 1180 und folglich nach Sigfriden, kein anderer mit diesem Buchstaben, als Wich- mann anzutreffen, welcher so wohl Sigfriden, als auch den gleich auf ihn NB. 1180 folgenden Baldram, zum Brandenburgischen Bischoff selbst eingesetzt, und also noch zu seiner Zeit in Magde- burg regieret hat; so lässet sich daraus verhoffent- lich deutlich schliessen, daß |
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1) dieses Diploma nach 1179 und also zwischen 1180 und 1190 verferti- get worden; |
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2) dessen Verfertiger der Branden- burgische Bischoff, Baldram gewesen, und |
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3) der - darinne mit W. gedachte Magdeburgische Ertz-Bi- schoff Wichmann geheissen habe. |
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Dieses ist Herrn Zeibichs in seiner unten anzuführenden Schrifft Muthmassung. Will uns aber jemand eine mehr gegründete Meynung lehren, so sind wir erböthig, solche mit vielem Danck anzunehmen. |
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Doch, es gedencket der Bischoff gewisser Orten, die er Burg- warden nennet. Er nennet sie also mit Nah- men: Burchwardum Wisenberg, Cossewiz, Dobin, Wittenburg, Zahne, Alstermunde. Daß dieses Wittenburg unser heutiges Wittenberg sey, be- zeugen nicht nur die vorhergehenden Worte die- ser Urkunde; circa Albiam; sondern auch die zu- gleich mit angeführten Orte, welche, wie be- kannt, um Wittenberg herum liegen. |
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Diese Nachrichten alle führen wir zu dem Ende an, damit man sehe, wie die Urkunde des Bischoffs von diesen Örtern, als damahls noch würckli- che Burgwarden, mit diesen angeführten Be- weisen übereinkomme. Da nun der Bischoff in dieser, vermuthlich im 1180 oder folgenden Jah- ren, ausgestellten Schrift, die Stadt Wittenberg annoch als ein Burgward ansiehet; so folget dar- aus, daß Wittenberg freylich in diesen Jah- ren unter den Holländern, noch keine Stadt mag gewesen seyn. |
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Gleichwie aber die andern darinnen
genannten Örter bald darauf, theils zu Städ- ten, theils zu Flecken worden, so hat sichs hernach auch mit Wittenberg geändert, sintemahl es her- nach bald darauf, wie oben angeführet, zur Stadt worden; überdieß ist auch nicht zu vermuthen, daß, da andere herumliegende Örter um diese Zeit von den Holländern zu Städten erbauet worden; dieser eintzige Ort, an welchem bald die Residentz angeleget wurde, solte so klein geblieben seyn. Folglich hat Wittenberg schon 1180 unter den Holländern gestanden, und ist bald hernach zu ei- ner rechten Stadt aufgebauet worden. Dieß ist mit wenigen des gelobten Herrn Zeibichs Mey- nung von dieser Bischöfflichen Urkunde, welche wir unsern Lesern zur Beurtheilung über- lassen.¶ |
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Doch, von einer sehr alten Urkunde, welche
bis Dato noch für die älteste, so zu Wittenberg aus- gegeben worden, gehalten wird, wollen wir noch etwas weniges beybringen. Wir haben sie noch bey niemanden, als in des Herrn D. Eilers Belz. Chron. … gefunden. Es hat solche ein Fürst von Anhalt, und Hertzog zu Sachsen, Albrecht, der Comthurey Dahnsdorf, nach Bel- tzig gehörig, im Jahr 1227 daselbst gegeben, und sie also unterschrieben: Datum in Wintenberg an- no ab incarnatione Domini cIↄ CCXXVII die XI Septembris. Wir bemercken dabey in der Kür- |
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{Sp. 1698} | |||
ze nur so viel an, | |||
1) daß es Albrecht der Erste Hertzogens Bernhards Sohn, der andere Her- tzog von Sachsen, aus dem Anhältischen Hause sey, weil solches die Zeitrechnung lehret; |
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2) daß er, vielleicht als der Erste unter allen Anhältischen Fürsten, seinen Sitz bisweilen zu Wittenberg ge- habt, wie dieses Diploma bezeiget, dergleichen man von Bernharden keines wird aufweisen können; |
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3) Daß man in der Unterschrifft Wintenberg
für Wittenberg lieset, ist ein geringer Druckfeh- ler, der leicht zu entschuldigen. |
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Doch! so viel von diesem. So viel auch von der Erbauung und dem Alter der Stadt Wittenberg. Wir haben uns bemühet zu zeigen, daß, in Ansehung der ältesten Zeit, schon unter den Semnonen, her- nach unter den Wenden und Slaven, an dasigem Orte, ein Dorf, Flecken, oder des etwas müsse gestanden haben; welches hernach zur Erbauung dieser jetzigen Stadt mag Anlaß gegeben haben; wiewohl wir uns dabey nur mit Muthmassungen behelfen müssen. |
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Dagegen haben wir, in Be- trachtung der mittlern und etwas neuern Zeit dar- gethan, daß unter den Holländern, welche allda herum an der Elbe derer vertriebenen Wenden Orte und Städte eingenommen, Wittenberg vol- lends aus einem alten Burgward zu einer rech- ten Stadt, und bald hernach zur Residentz und Sitz derer Hertzoge von Sachsen, aus dem Hau- se Anhalt, erbauet worden. |
Siehe Christian Friedrich Zeibichs Schrifft von dem Alter der Stadt Wittenberg. Wittenberg 1746 auf 3 Bogen in 4.¶ |
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Thore. ¶ | |||
Stadt-Thore hat Wittenberg drey und
heissen solche das Schlos-Thor, so nach Westen gehet, das Elb-Thor nach Süden zu, und das Elster-Thor gegen Morgen zu. |
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Befestigung. ¶ | |||
Die Stadt Wittenberg ist beydes durch
Na- tur und Kunst befestiget, indem sie auf der Nord- Seite Moräste, gegen Osten aber einen grossen Canal von der Elbe, über dieses einen sehr tiefen Graben, und gute Wälle hat, welche jederzeit mit Canonen wohl besetzet sind, nebst fünf Basteyen auf der Seite, wo sie am leichtesten angegriffen werden kan. Im sechzehenden Jahrhunderte paßirte Wittenberg für eine der stärcksten Fe- stungen in H. R. R. So gar der mächtige Kay- ser Carl der Fünfte getrauete sich nicht sie zu be- zwingen, sondern sagte, als er 1547 den 5 May nach der Mühlberger Schlacht davor ruckte: Hätten wir den Vogel nicht, (meinten darun- ter den Churfürsten) das Nest bekämen wir so bald nicht. ¶ |
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Belagerung. ¶ | |||
Wittenberg hat das Glück gehabt, daß sie
im- mer einer stoltzen Ruhe genossen, und wenig oder gar nicht von einem Feinde beunruhiget worden. Ein eintziges mahl thun die Geschichts-Schreiber von einer Belagerung Meldung, welche im Jahr 1547 der Kayser Carl der Fünfte glorwürdigsten Andenckens, wie nur gedacht, unternommen. Zu dieser Zeit stunde der Churfürst Johann Friedrich wider den Kayser in vollen Waffen, |
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{Sp. 1699|S. 863} | |||
und Hertzog Moritz lag wider den
Churfürsten zu Felde. Weil man sich nun bey solchen Um- ständen zu Wittenberg eine Belagerung besorge- te, so wurde erst das Jahr vorher nemlich 1546 den 6 Nov. die Universität dimittiret, und den 16 Nov. wurden aus eben der Vorsorge die Vorstädte abge- brannt. Nur einige Tage darauf als den 18 Nov. berennete der Hertzog Moritz mit Beyhülffe des Römischen Königes Ferdinandens Hussaren die Stadt. |
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Das folgende Jahr 1547 den 24
April, war damahls gleich der Sonntag Miseri- cordias Domini fiel das blutige Treffen zwischen dem Kayser Carln dem Fünften und dem Chur- fürsten Johann Friedrichen bey Mühlberg auf der Lochauer Heyde vor. Der Churfürst fochte auf das tapfferste, so daß er auch am lincken Ba- cken mercklich verwundet wurde. Weil er aber sahe, daß viele von den Seinigen desertiret, und er von den Feinden umringet, so fand er sich ge- nöthiget, sich gefangen zu geben, wolte sich aber dennoch keinem Ausländer gefangen geben, son- dern, da er einen jungen vom Adel, Nahmens Thilo von Trotte, unter Hertzog Moritzens ansichtig wurde, rufte er denselben zu, gab ihm zwey seiner Ringe von den Händen und sagte: „Ich bin Trottens Gefangener.„ |
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Dieser brachte ihn und seinen
Mitgefangenen Hertzog Ernsten von Lüneburg, in des Hertzo- gen von Alba Gezelt; von dar ward er vor den Kayser geführet, welcher auf einem schönen mit goldgestriemten schwartzen Sammet bedeckten Roß sasse. Der Churfürst hingegen ritte in sei- nem Harnisch auf einem starcken Friesischen Pfer- de, und sagte, als er in das Lager kam, mit äng- stigen Geberden gen Himmel sehend: „Ach Herr hilf! nun sind wir hier.„ Als er vor den Kay- ser kam, sagte er: Allergnadigster Kayser!„ Der Kayser fiel ihm in das Wort und sagte: „Bin ich nun wieder Euer Kayser? Als der Churfürst fortfuhr: „Ich bin Euer Majestät Ge- fangener, ich bitte um ein Fürstliches Gefängnis! antwortete der Kayser: „Ich will euch halten, wie ihr verdienet.„ Der König Ferdinand fuhr ihn etwas härter an, und verwiese ihm, daß er ihm und seine Kinder um alles bringen wol- len. |
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Der Churfürst wurde hierauf nebst seinem
Mitgefangenen den Hertzog von Braunschweig- Lüneburg, einem Spanier, Nahmens Alphon- so Vives, übergeben, welcher ihn alsdenn nach Außig einen Dorfe in das Amt Mühlberg gehö- rig, und zwar fast zu Mitternacht bey Windlich- tern gebracht, woselbst er an seiner im Gesichte empfangenen Wunde erst verbunden wurde. |
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Der Kayser hat dem Churfürsten das Zeugnis selbst gegeben: „Er wäre ein tapfferer Held und wenn seine Soldaten so hurtig als er, der Churfürst, gefochten, so wäre er nicht gefangen worden.„ Und König Ferdinand I, als er den Churfürsten blutig gesehen, hat gesagt. „Wenn sich die an- dern alle so gewehret hätten, wie der Churfürst, so wäre derselbe diesen Tag nicht gefangen wor- den.„ |
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Alles dieses geschahe den besagten 24
April, an welchem Tage, wie auch zweene Tage vor und nach die Sonne gantz dunckel roth und gleichsam traurig soll geschienen haben, welches auch in Engelland, Franckreich, und andern ent- |
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{Sp. 1700} | |||
fernten Orten beobachtet und für ein
Zeichen ei- ner sonderbaren Begebenheit gehalten worden. Die auf diesen Sieg des Kaysers geschlagene Müntzen hat Tentzel im Ernestinischen Medail- len-Cabinet im Kupffer dargestellet ... |
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Nach diesem Siege rückte der Kayser mit seiner Armee den 5 May vor Wittenberg, schlug daselbst am Dorf Bistritz sein Lager auf. Weil aber zur selbigen Zeit Wittenberg für eine starcke Festung paßirte, mithin die Belagerung ziemlich schwehr und die Eroberung gefährlich zu seyn schiene, so dachte man auf andere Mittel die Stadt zu ge- winnen. Weswegen der Kayser der Gemahlin des Churfürstens und dessen Printzen, die sich in der Festung befanden, wissen ließ, woferne sie sich nicht an ihn ergeben wolte, so würde er ihnen des Churfürstens Kopf in die Stadt schicken. |
Ar- nold in dem Leben Moritzens ... |
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Wo- rauf er auch im Lager vor Wittenberg den 10 May dem gefangenen Churfürsten das Leben ab- sprechen ließ. |
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Der Churfürst hörte dieses gesprochene Todes-Ur- theil, bey erhaltener Nachricht, ohn alle Be- stürtzung, und gab nur soviel zur Antwort; „Er hoffe, der Kayser werde mit ihm nicht also verfahren, solte er es aber ja also beschlossen haben, so bäte er nur, man möchte ihn dessen gewiß versichern, damit er we- gen seiner Gemahlin und Kinder Verord- nung machen könne.„ |
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Hierauf wendete er sich zu seinem Mitgefangenen, dem Hertzoge von Braun- schweig-Lüneburg, mit dem er gleich Schach spie- lete, und eröffnete demselben, wie wenig er sich vor dem Tode fürchtete, indem er als ein alter und krancker Herr sich wenig nach einem langen Le- ben sehnte, wenn nur seine Gemahlin und Kin- der versorget wären. Nach diesem sagte er zu dem Hertzoge, seinen unerschrockenen Muth hier- durch desto mehr an den Tag zu legen, pergamus, und setzte mit ihm das angefangene Schach-Spiel fort. |
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Den 18 May wurde jetzt berührtes Kay- serl. Urtheil dahin gemildert, daß dem Churfür- sten zwar das Leben geschencket, er aber hingegen des Kaysers ewiger Gefangener seyn solle. Den folgenden Tag als den 19 May geschahe so wohl vom Kayser als dem Churfürsten die Unterschrifft, der zwischen ihnen beyderseits in dem Feld-Lager vor Wittenberg aufgerichteten Capitulation, krafft welcher der Churfürst nebst der Chur-Wür- de aller seiner Fürstenthuümer, Land und Leute beraubet, und solche als eingezogene und confiscir- te Güter Hertzog Moritzen geschencket, jedoch darneben so viel abgehandelt und beschlossen wor- den, daß er Hertzog Moritz, des gefangenen Ge- mahlin und Kinder 50000 Gülden jährlichen Einkommens lassen, und zu dessen Erstattung ge- wisse Ämter, Schlösser, Städte, Flecken und Güter abtreten und einräumen, die Kinder auch schuldig seyn sollen, dieses überlassene von neuen in Lehen zu empfangen. |
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Ferner solten Wit- tenberg und Gotha dem Kayser eingeräumet werden, jedoch solten die Churfürstlichen Kostbarkei- ten, Haußrath, und anderer Vorrath, ausgenom- |
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{Sp. 1701|S. 864} | |||
men die Artillerie, dem Churfürsten
verbleiben. Die Besatzung beyder Örter sollen frey abzie- hen, jedoch ihre Fahnen zurück lassen. Weil der Kayser dem Churfürsten das Leben geschencket, bleibe er dessen, oder seines Sohnes, des Köni- ges in Spanien, Gefangener.¶ |
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Ob wohl in dieser Capitulation anfangs ein
und anderer Artickel vom Religions-Wesen mit eingerücket worden, dieweil aber der Churfürst selbige nicht eingehen, sondern lieber Land und Leu- te, ja den Hals dazu verlieren wollen, hat der Kayser die Religions-Puncte auszustreichen be- fohlen. Wobey zu mercken, daß in dieser Capi- tulation der Kayser dem Churfürsten nicht mehr Churfürst, sondern Johann Friedrichen den Ältesten von Sachsen genennet. Gestalt den auch der Churfürst selbst, da er im Schlusse an- geregter Capitulation redet, sich nur Johann Friedrich nennet. |
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Nachdem es nun mit der Capitulation seine Richtigkeit hatte, und den 23 May, war damahls Montag nach Exaudi, krafft der Capitulation die Stadt und Festung Wit- tenberg dem Kayser solte übergeben werden, so trug doch die Besatzung, welche in 3600 Mann bestunde, nicht wenig Bedencken, solche so blosser- dings aufzugeben, sondern hielte sich damit so lan- ge auf, bis der Churfürst durch einen offenen be- siegelt- und unterschriebenen Glaubens-Brief, im Feld-Lager Wittenberg datiret, seinem Cantzler und Rath, Jobsten von Hain, befohlen, von dem Obristen und Befehls-Leuten, so bisher in Wittenberg gelegen, nach erlassener Pflicht die Stadt und Festung in sein, des Cantzlers Hand zu empfahen, und solche ferner den Kayserlichen Commissarien zu überantworten. |
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Hierauf wur- de Wittenberg dem Kayser übergeben, des Chur- fürstens Gemahlin, die Prinzeßin Sibylle von Cleve, nebst ihrem Sohn und Bruder zogen her- aus, die erstere that dem Kayser einen Fußfall, den sie mit vielen Thränen um ihres Gemahls Leben bat. Der Kayser empfieng sie sehr gnä- dig, tröstete sie, und erlaubete dem Churfürsten, acht Tage mit ihr und seinen Kindern in der Stadt zu bleiben. |
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Den 27 May hielte der Kayser sei- nen Einzug in die Stadt Wittenberg, und besa- he nebst der Festung auch die schöne hohe Schloß- Kirche, worinnen die beyden Gebrüder und Chur- fürsten, nahmentlich Friedrich der Weise, und Johann der Beständige, wie auch D. Luther begraben liegen. Da denn bey dem Kayser der Bischoff von Arras, Anton Perenottus, und vorher der Duc de Alba, inständige Ansuchung tha- ten, daß D. Luthers Leichnam ausgegraben und verbrennet werden möchte. Denen aber der löb- liche Kayser geantwortet: „Lasset ihn liegen, ich habe ihn schon zu Worms gesehen; er hat sei- nen Richter;„ und auf fernere Instantz hat er gesaget: „non gero bellum cum mortuis, d.i. ich führe keinen Krieg mit den Todten;„ hat auch seinen Spaniern verboten, sich keinesweges an Luthers Grab zu vergreifen. |
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Es haben zwar einige Windmacher vorgegeben, als ob die Ge- beine D. Luthers zur Zeit des Schmalkaldi- schen Krieges, auf hohen Befehl, von Wittenberg an einen unbekannten Ort wären gebracht wor- |
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{Sp. 1702} | |||
den, damit sie von niemanden möchten
beleidiget werden: Es ist aber in einer besondern Schrifft erwiesen worden, daß es nur Fabeln und Mähr- lein sind, damit man nothwendig handeln muß, wenn man nicht viel weiß, und doch das Ansehen haben will, als wenn man viel wüste. |
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Und da der Kayser noch ziemlich gnädig mit Wittenberg handelte, so ließ er auch, als er die Stadt in Au genschein nahm, gegen die Umstehenden diese Worte von sich hören: „Er hätte nicht gemey- net, daß Wittenberg noch ein solcher Ort wäre, und der Gottesdienst daselbst so wohl bestellet würde.„ |
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Den 28 May kam auf Verwilli- gung des Kaysers, der Churfürst nach Witten- berg, und nahm von seiner Gemahlin und Kin- dern Abschied. Den 3 Junius begab sich der Churfürst wieder von Wittenberg, wiewohl mit grosser Bekümmerniß und Trauren der Seini- gen, in das Kayserliche Lager. Den 5 Junius, war damahls der Sonntag Trinitatis, zog des gefangenen Churfürsten Gemahlin sammt ih- ren Fürstlichen Kindern mit Trauer-Kleidern an- gethan, und höchstbetrübtem Gemüthe aus Wittenberg, und begab sich nach Weimar. Den 7 Junius nahm der neue Churfürst Mo- ritz von dem Rath und der Bürgerschafft zu Wittenberg die Huldigung ein, unter dessen ho- hen Nachkommen sie noch bis jetzo stehet, und ei- ner stoltzen Ruhe geniesset. |
Siehe
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HIS-Data 5028-57-1687-11-01: Zedler: Wittenberg [1] | HIS-Data Home |
Stand: 29. März 2013 | © Hans-Walter Pries |