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Zedler: Nahe Anverwandschafft HIS-Data
5028-23-449-5
Titel: Nahe Anverwandschafft
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 23 Sp. 449
Jahr: 1740
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 23 S. 242
Vorheriger Artikel: Nahe … ein Fluß
Folgender Artikel: Nahe Anverwandte
Siehe auch:
Hinweise:

  Text Quellenangaben
  Nahe Anverwandschafft, Nähere oder Nächste Anverwandschafft, Blut-Freundschafft, Proximitas, Conjunctio sanguinis, Affinitas, Cognatio, ist überhaupt nach Maßgebung derer Rechte eine gewisse Art der Verbindung zweyer oder auch mehrerer Personen, die von einem gemeinen Stamme (a communi stipite) herkommen. Vultejus in Jurispr. Roman. …
  Obgedachte Verbindung oder Anverwandschafft wird nun sonderlich in l. 4. §. 2. ff. de grad. in eine natürliche und rechtmäßige zugleich (in naturalem et legitimam simul) und in eine bloß natürliche (in naturalem tantum) darzu die dritte Art, so die bürgerliche (civilis) oder bloß rechtmäßige (legitima tantum) und welche eigentlich durch Aufnehmung an Kindes Statt geschiehet, l. 1. §. 4. ff. unde cognati in d.l. 4. §. 2. ff. de grad.
  kommet.
  Es ist aber dieselbe gleichwohl wiederum zweyerley Art, nemlich entweder Blut-Freundschafft oder Schwägerschafft; die erstere hiervon aber eigentlich eine durch die Zeugung entstandene Verbindung derer Personen, da entweder eine die andere gezeuget, oder beyde von einer dritten gezeuget worden. Weil demnach die wahre Blut-Freundschafft aus der Zeugung entstehet; so gehöret weder die gedachte Annehmung an Kindes Statt l. 26. C. de nupt.
  noch die durch Hebung aus der Tauffe entstehende Verwandschafft hieher, t. X. de cognat. spirit.
  Sonst theilet man die Blut-Freundschafft  
 
1) in die Schwerdt- und Spillmagenschafft, indem jene durch Manns- und diese durch Weibs-Personen entstehet; jene auch die Gleichheit des Namens, diese aber dessen Ungleichheit mit sich bringet, und wovon die erstern eigentlich des Vaters Anverwandte, (Agnati) die letztern aber der Mutter Anverwandte, (Cognati) heissen,
l. 10. §. 1. ff. de grad.
 
2) in die nahe und ferne;
 
 
3) in die rechtmäßige und unrechtmäßige, welche letztere zuweilen einerley, zuweilen aber auch verschiedene Würckung hat.
 
  Die Nähe oder Ferne der Blut-Freundschafft betreffend; so wird dieselbe durch gewisse Stuffen oder Grade und Linien angezeiget. Und wie die unmittelbare Verbindung zweyer Personen einen Grad ausmachet; so werden auch durch wiederholte Zeugungen die Grade vermehret.  
  Die Linie hingegen, welche hier nicht die Personen, da eine Manns-Person  
  {Sp. 450}  
  insgemein durch einen Zirckel, eine Weibs-Person aber durch einen halben Zirckel angedeutet wird, sondern die Verwandschafft anzeiget, ist eigentlich nichts anders, als eine gewisse Reihe oder Zusammenrechnung derer Personen, welche samt und sonders von einem ihnen allen gemeinen Stamme herkommen, und die also die folgenden von denen vorhergehenden nach der Zahl unterscheidet, und die so genannten Grade in sich begreifft.  
  Es ist aber dieselbe nach Beschaffenheit der Umstände und derer Personen entweder einfach, oder zusammen gesetzt, und diese letztere wiederum entweder ein- oder mehrseitig, sonst entweder die rechte oder schräge, oder Seiten-Linie; die rechte aber wiederum entweder auf- oder absteigend, die Seiten-Linie entweder gleich oder ungleich.  
  In der aufsteigenden Linie (in linea ascendenti) sind die Personen begriffen, von denen wir herkommen, als der Vater, Groß-Vater, des Vaters Groß-Vater, des Groß-Vaters Groß-Vater, und die übrigen Ascendenten beyderley Geschlechts bis in den allerentferntesten Grad, (in infinitum) l. 1. ff. de grad.
  welche mit einem besondern Haupt-Namen Vor-Eltern, oder Vorfahren (Majores) genennet werden, l. 6. §. 7. ff. eod.
  In dieser steigen wir von der erzeugten Person zu der erzeugenden auf.  
  In der absteigenden Linie (in linea descendenti) hingegen sind die Personen enthalten, die von uns herkommen, als die Söhne, Enckel, Urenckel und Ururenckel, oder Enckels-Enckel, nebst allen übrigen Descendenten beyderley Geschlechts, ebenfalls wieder bis in den allerentferntesten Grad, l. 56. …
  welche so denn überhaupt nur die Nachkommen (Posteri) genennet werden, l. 6. …
  Und in dieser Linie steigen wir von der erzeugenden Person zu der erzeugten hinab.  
  Die Seiten-Linie (Lineam collateralem oder obliquam) betreffend, so ist dieselbe von der Seiten her, oder quer über, l. 1. …
  und begreifft diejenigen, so uns von der Seiten her verwandt sind, von denen aber weder wir selbst, noch sie von uns herstammen, ob wir sonst zwar alle zusammen von einem gemeinen Stamme herkommen; als  
 
  • zweyer Brüder Kinder,
  • die Brüder selbst,
  • des Vaters Bruder oder Schwester
  • und die übrigen Seiten-Freunde.
 
  Und diese ist entweder gleich (aequalis) wenn nemlich zwey Personen in einerley Grade, oder einer so weit, als der andere, von dem gemeinen Stamme abstehet, als zwey Brüder, oder ungleich, (inaequalis) wo die Personen nicht eine so weit, als die andere, von dem gemeinen Stamme abstehet, sondern eine Person näher ist, als die andere, als der Bruder und des Bruders Sohn.  
  Im übrigen bildet man die Blut-Freundschafft gemeiniglich entweder durch menschliche Glieder, Land-Recht
  oder durch einen so genannten Sippschaffts-Baum ab, darinnen man entweder nur die nöthigen, oder auch alle Personen setzet, so jemahls vorkommen können.  
  Und ist dabey die ungenannte Person, von deren Verwandtschafft die Frage ist, welche allerley Benennungen annehmen kan, ingleichen in der Seiten-Linie der gemeine Stamm zu mercken. Siehe Sippschaffts-Baum.  
  Die  
  {Sp. 451|S. 243}  
  Berechnung nun derer Grade betreffend; so wird solche in die bürgerliche (Civilem) und in die Päbstische oder Canonische (Canonicam) abgetheilet, welche letztere aber, sonderlich bey denen Protestanten, nur zu Ehe-Sachen gehöret. Carpzov in Jurispr. Consist. …
  Von der bürgerlichen aber muß man hauptsächlich folgende Regeln mercken:  
  Jede Zeugung macht einen neuen Grad; oder: So viel Zeugungen, soviel sind besondere Grade. Welche Regel in der geraden und Seiten-Linie, sie sey gleich, oder ungleich, Statt hat, indem die erzeugte Person allezeit einen Grad mehr hinzu thut. Und diese wird absonderlich in Lehns-Sachen, Gerichten, Erbschaften, u.d.g. auch noch heut zu Tage beobachtet.  
  Von der Seiten her ist nach dem bürgerlichen Rechte gar kein erster Grad, weil zwey Brüder im andern Grade von einander abstehen. Des Bruders Sohn aber, der durch die dritte Zeugung hervor gebracht worden, macht den dritten Grad, u.s.w. l. 1. …
  Die andere Regel ist: Bey der Seiten-Linie sind so viel Grade, als Personen, wenn man den gemeinen Mann wegnimmt, oder nicht mit zehlet. Also sind des Bruders Sohn und der Schwester Enckel einander im fünfften Grade verwandt.  
  Die Päbstische oder Canonische Berechnung geht von der bürgerlichen in der geraden auf- oder absteigenden Linie nicht, wohl aber in der Seiten-Linie ab, welche sonderlich aus diesen zweyen Regeln gelernet werden kan:  
  1) In der gleichen Seiten-Linie sind die Personen, von deren Verwandtschafft die Frage ist, einander in dem Grade verwandt, in welchen sie von dem gemeinen Stamm abstehen. Also stehen zwey Brüder um einen Grad von dem Vater, zweyer Brüder Kinder im andern Grade von dem Groß-Vater, und so ferner.  
  Die andere Regel, so die ungleiche Seiten-Linie betrifft, ist diese: Im wievielsten Grade die weiteste Person von dem gemeinen Stamme abstehet, in demselben Grade sind die Personen, von deren Anverwandtschafft gefraget wird, einander verwandt. Also ist des Bruders Sohn und des Vaters Bruder von dem gemeinen Stamme, nehmlich von jenes Groß-Vater, und von dessen Vater, im andern Grade der ungleichen Linie entfernet.  
  Solchem nach werden nun in der rechten Linie die Grade allemahl nach den Zeugung gezehlet; in der Seiten-Linie aber verfähret nur das Römische Kayser-Recht auf beyden Seiten also; das Päbstische hingegen zehlet nur eine, und zwar die längste Seite, und betrachtet die Seiten-Verwandten gegen den gemeinen Stamm. c. 2. 4. c. 35. qu. 5 c. 3. X. de consangu. et affin.
  Das Sächsische Recht hingegen machet die Geschwister zum gemeinen Stamme, und fänget erst nach ihnen an zu zehlen. L.R.
  Diesem nach ist in der Seiten-Linie  
 
der 1. Grad des Päbstischen der 2.
2. ungleicher Linie der 3.
2. gleicher Linie der 4.
3. ungleicher Linie der 5.
3. gleicher Linie der 6.
4. ungleicher Linie der 7.
4. gleicher Linie der 8. des Kayserlichen Rechts.
 
  {Sp. 452}  
  Die Schwägerschafft betreffend; so ist solche eine durch fleischliche Vermischung entstandene Anverwandtschafft mit des andern Bluts-Freunden. Mann und Weib sind zwar der Anfang der Schwägerschafft, vor ihre Person aber weder Schwäger, noch Bluts-Freunde; können jedoch zufälliger Weise beydes seyn. Hingegen sind des Weibes Blut-Freunde des Mannes, und des Mannes Bluts-Freunde des Weibes Schwäger. Des Mannes und Weibes Bluts-Freunde aber gehen einander nichts an.
  • c. 5. X. de consangu. et affin.
  • l. 4. § 3. ff de grad.
  Ob der Beyschlaff rechtmäßig gewesen, oder nicht, daran liegt nichts, sondern thut zu Hinderung der Ehe einerley Würckung, c. 10. …
  Aus einer blossen Verlöbniß aber, darauf kein Beyschlaff erfolget, entstehet keine Schwägerschafft. l. 8. …
  Sonst hat die Schwägerschafft mit der Blut-Freundschafft einerley Grade, l. 4. …
  Doch rechnet man auch besondere Arten (Genera) derselben, so bey Wiederholung der Verehlichung entstehen, c. 6. …
  wovon unter Schwägerschafft ein mehrers  
  Die Anwendung dieser Anverwandtschafft zeiget sich sonderlich bey  
 
  • der Ehe,
  • der Blut-Schande,
  • dem Vatermorde,
  • der Erbfolge,
  • Vormundschafften,
  • Abstattung des Zeugnisses,
  • Vertretung eines andern vor Gerichte gegen Bestellung der Caution wegen dessen Genehm- oder auch Schadloßhaltung, (Cautionis rati)
  • und dem Diebstahl,
 
  wovon unter besondern Artickeln gehandelt wird.  
  Es ist aber, soviel insonderheit die bey Ehe-Sachen gewöhnliche und sonst so genannte canonische Berechnung derer Grade anbetrifft, solche in Betrachtung der Absichten und des Endzwecks, welchen man hierunter heget, wie viele davor halten wollen, gar nicht ungereimt; gestalt man, wenn zwey Bluts-Verwandten sich mit einander verehlichen wollen, nicht erst die Grade in beyden Linien, wie sonst bey der bürgerlichen geschiehet, zu zählen, und wie nahe eines dem andern verwandt sey, auszurechnen brauchet; sondern es ist gnug, wenn man befindet, daß die in der weitesten Linie befindliche Person entweder dem gemeinen Stamme annoch zu nahe, oder schon weit genug davon entfernet sey, und also im erstern Falle die Ehe nicht verstattet, im andern aber nicht gehindert werden kan. Lyncker in Anal. ad Desselii Erotem. Jur. …
  Die Namen derer Bluts-Freunde und Schwäger, nebst denen Ehegatten sind folgende:  
  Base, Vaters oder Mutter Schwester, Amita, Matertera, Geschwister-Kind, Consobrina.  
  Bruder, Frater.  
 
Vaters Bruder, Vetter, Patruus, Groß-Vaters Bruder, Patruus magnus, des Älter-Vaters Bruder, Propatruus, des Vorälter-Vaters Bruder, Abpatruus.
Vaters Bruders Sohn, Patruelis.
Mutter Bruder, Oheim, Avunculus, Groß-Mutter Bruder, Avunculus magnus, Äl-
 
  {Sp. 453|S. 244}  
 
ter-Mutter Bruder, Proavunculus, Vor-Älter-Mutter Bruder, Abavunculus.
Mutter Bruders-Sohn, Consobrinus.
Bruders Weib, Fratria.
Bruders Sohn, Fratruelis.
Zweyer Brüder Weiber, Janitrices.
 
  Dichter, Nepos, siehe Enckel.  
  Eltern, Parentes, Groß-Eltern, Avus, Avia, Stieff-Eltern, Vitricus, Noverca, Schwieger-Eltern, Socer, Socrus.  
  Enckel, Enckelein, Nefe, Nifftel, Nepos, Neptis.
Klein-Enckel, Klein-Enckelein, Klein-Nefe, Klein-Nifftel, Pronepos, Proneptis.
Nach-Enckel, Nach-Enckelein, Enckels-Enckel, Enkels-Enckelein, Abnepos, Abneptis.
Unter-Enckel, Unter-Enckelin, Atnepos, Atneptis.
Ur-Enckel, Ur-Enckelin, Trinepos, Trineptis.
Die folgenden Nachkommen, Posteri.
 
  Eydam, Schwieger-Sohn, Tochtermann, Gener.  
  Gebrüder, Fratres, siehe Bruder.  
  Geschwey, Mannes Schwester, Glos, Bruders Weib, Fratria.  
  Geschwister, Frater, Soror.
Vollbürtige, rechte, leibliche, von beyden Banden, Germani.
Halb-Geschwister, von einem Bande, Unilaterales
Vom Vater, Consanguinei.
Von der Mutter, Uterini.
Geschwister-Kind, Fratrueles, Amitini. Consobrini.
Ander Geschwister-Kind, Sobrini.
 
  Gespinne, Cognata, siehe Nifftel.  
  Kinder, Liberi, Kindes-Kinder, Nepotes, Stieff-Kinder, Privigni.  
  Mann, Maritus.
Manns Bruder, Levir.
Manns Schwester, Glos.
Manns Vater, Schwäher, Socer.
Manns Mutter, Schwieger, Socrus.
 
  Muhme, Cognata, Consobrina.  
  Mutter, Mater.
Groß-Mutter, Avia.
Älter-Mutter, Proavia.
Vorälter-Mutter, Abavia.
Oberälter-Mutter, Atavia.
Urälter-Mutter, Tritavia.
 
  Nefe, Enckel, Nepos.  
  Nichte, Bruders oder Schwester Tochter, Cognata.  
  Nifftel, Encklein, Neptis.
ingleichen Bruders oder Schwester Tochter, Cognata.
 
  Oheim, Mutter Bruder, Avunculus.  
  Schnur, Sohns Weib, Nurus.  
  Schwager, Schwester-Mann etc. Affinis  
  Schwägerin, Bruders-Frau etc. Affinis.  
  Schwäher, Schwieger-Vater, Manns- oder Weibes-Vater, Socer.  
  Schwerdtmagen, Agnati, Propinqui paterni.  
  Schwester, Soror.  
  {Sp. 454}  
 
Vaters Schwester, Amita, Groß-Vaters Schwester, Amita magna, Älter-Vaters Schwester, Proamita, Vorälter-Vaters Schwester, Abamita.
Vaters Schwester-Sohn, Amitinus.
Mutter-Schwester, Matertera, Groß-Mutter Schwester, Matertera magna, Älter-Mutter Schwester, Promatertera, Vorälter-Mutter-Schwester, Abmartertera.
Mutter Schwester-Sohn, Consobrinus.
 
  Schwieger, Schwieger-Mutter, Manns- oder Weibes-Mutter, Socrus.
Schwieger-Vater, siehe Schwäher.
 
  Sohn, Filius.
Schwieger-Sohn, Gener.
Stieff-Sohn, Privignus.
 
  Spillmagen, Cognati, Propinqui materni.  
  Stieff-Verwandte, Affines.
Stieff-Eltern, Vitricus, Noverca, siehe Stieff-Vater, Stieff-Mutter.
Stieff-Geschwister, zusammen gebrachte Kinder, Comprivigni.
Stieff-Kinder, Privigni, Comprivigni.
Stieff-Mutter, Noverca.
Stieff-Sohn, Privignus.
Stieff-Tochter, Privigna.
Stieff-Vater, Vitricus.
 
  Tochter, Filia.
Schwieger-Tochter, Sohns Weib, Nurus.
Stieff-Tochter, Privigna.
 
  Vater, Pater.
Groß-Vater, Avus.
Älter-Vater, Proavus.
Vorälter-Vater, Abavus.
Oberälter-Vater, Atavus.
Urälter-Vater, Tritavus
Die vorhergehenden Vorfahren, Majores.
 
  Vetter, Cognatus, Patruus, Avunculus, Patruelis, Matruelis, etc.  
  Weib, Uxor.
Weibes Bruder, Levir.
Weibes Schwester, Affinis.
Weibes Vater, Schwäher, Socer.
Weibes Mutter, Schwieger, Socrus.
 
  Witwe, Wittwer, Vidua, Viduus.  
  Von welchen allen besondere Artickel nachzusehen sind.  
  Besiehe auch l. 1. …  
  Es ist aber hierbey zu wissen, daß, so viel absonderlich die Ehe- und Heyraths-Sachen anbetrifft, zwischen gewissen Personen wegen naher Blut-Freundschafft und Schwägerschafft die eheliche Versprechung und Beywohnung nicht verstattet wird.  
  Und zwar ist also hauptsächlich nach denen heutiges Tages üblichen Rechten die Ehe wegen der Blut-Freundschafft verboten zum ersten zwischen Eltern und Kindern. Also kan in auffsteigender Linie, oder hinaufwärts zu rechnen, ein Sohn nicht nehmen  
 
1) seine Mutter,
2) Groß-Mutter vom Vater oder Mutter her,
3) Groß-Mutter Mutter oder Älter-Mutter, u.s.w.
 
  So kan auch gegentheils in niedersteigender Linie oder herabwärts zu rechnen, nicht heyrathen ein  
  {Sp. 455|S. 245}  
  Vater  
 
1) seine Tochter,
2) Sohns- oder Tochter-Kind, und
3) folgende Kindes-Kinder.
 
  Ingleichen kan die Mutter nicht ehelichen  
 
1) ihren Sohn,
2) Sohns- oder Tochter-Kind, und
3) folgende Kindes-Kinder.
 
  Die Ehe also unter denen Personen in gerader ab- oder auffsteigender Linie ist wider alle Rechte, so wohl natürliche, als göttliche. Man findet auch kein Volck in der gantzen Welt so wilde und unartig, bey welchem die Ehe unter Eltern und Kindern jemahls wäre gebilliget, oder nur gedultet worden.  
  Und ob zwar einige derer Canonisten davor halten, daß zwischen denen entfernten Personen (inter remotiores) in gerader Linie die Ehe durch das Recht der Natur nicht verboten wäre, ja wohl gar vorgeben dürffen, daß ausser dem ersten Grade unter denen übrigen die Ehe durch das Recht der Natur entweder gar nicht, oder doch nicht so starck verboten sey, weil ihrer Meynung nach die Ursache, warum dergleichen Ehe verboten, nemlich die allzu genaue Gemeinschafft des Geblütes, je weiter die Personen durch die Geburt dem Grade nach von einander entfernet sind, aufhöre, und also davor halten, wenn zwey Unglaubige, ausser Vater und Tochter, in auffsteigender Linie, nehmlich Groß-Eltern an ihre Enckel und Ecnkelinnen nach ihrer Landes-Art, sich verehlichet hätten, solche Ehe, wenn die Personen hernach zur Christlichen Religion getreten, nicht zu scheiden sey. Sanchez de Matrim. …
  so ist doch diejenige Meynung sicherer, wie auch der Ehrbarkeit und der Vernunfft gemässer, daß dergleichen Ehen ohne Einschränckung auf gewisse Grade, und also ohne Ausnahme biß in den allerentferntesten Grad (in infinitum) von der Natur selbst verboten, und eine solche wider Recht und Billigkeit oder bloß eigenmächtiger Weise getroffene Ehe keinesweges zu dulten, sondern vielmehr wiederum zu trennen sey.  
  Denn ob zwar zwischen denen entfernten Personen (inter remotiores) eine so starcke Gemeinschafft des Geblütes nicht ist, massen je weiter die Zeugungen (Generationes) gehen, je schwächer das Geblüte wird; so bleibet doch ewig wahr, daß jedes von denen Vor-Eltern ein Ursprung (Principium) derer Nachkommen, und diese ihren Vor-Eltern allen Gehorsam und Ehrerbietung zu leisten verbunden sind, welche aber mit der ehelichen Beywohnung streitet, gestalt diese ohne eine gewisse Art der Irreverentz, oder Beyseitsetzung der Ehrerbietung nicht geschehen kan. Und ist nicht einmahl der Fall, wenn auch nur ein Vater oder eine Mutter mit ihrem Kinde allein in der Welt übrig wären, auszunehmen, was auch Sanchez und andere, solche Meynung zu behaupten, immer anführen. Carpzov in Jurispr. Consist. …
  Wie denn auch die göttliche Providentz so gar selbst schon bey der ergangenen allgemeinen Sündfluth dergleichen Fälle verhütet hat.  
  Zum andern ist auch wegen der Blut- Freundschafft in der Seiten-Linie die Ehe unter denen Personen verboten, unter welchen ein solcher Respect und Absehen, als sonst unter Eltern und Kindern, ist. Es wird aber an statt des Groß-Vaters oder der Groß-Mutter, und also auch des Vaters oder der  
  {Sp. 456}  
  Mutter, diejenige Person geachtet, so in der Seiten-Linie dem Groß-Vater und der Groß-Mutter, oder dem Vater und der Mutter, am allernächsten verwandt ist, nehmlich der Groß- oder Eltern Geschwister. Dahero kan einer wegen Blut-Freundschafft in der Seiten-Linie hinaufwärts zu rechnen nicht zur Ehe nehmen,  
 
1) seines Vaters oder Mutter Schwester,
2) seines Groß-Vaters oder Groß-Mutter Schwester,
3) seines Groß-Vaters Vaters Schwester, oder seiner Groß-Mutter Mutter Schwester.
 
  Ingleichen kan eine Weibs-Person nicht ehelichen  
 
1) ihres Vaters oder Mutter Bruder,
2) ihres Groß-Vaters oder Groß-Mutter Bruder,
3) ihres Groß-Vaters Vater Bruder, oder ihrer Groß-Mutter Mutter Bruder.
 
  Nicht weniger kan auch einer herabwärts zu zählen, nicht die Personen, so ihm an Kindes Statt sind, heyrathen, als  
 
1) seines Bruders oder Schwester Tochter,
2) seines Bruders Tochter Tochter, oder seines Bruders Sohns Tochter, oder seiner Schwester Sohns Tochter,
3) seines Bruders oder seiner Schwester-Tochter Tochter Tochter, oder seines Bruders-Sohns Sohns-Tochter, oder seiner Schwester-Sohns Sohns Tochter.
 
  Denn welches Tochter einer nicht ehelichen darff, desselbigen Tochter-Tochter, u.s.w. darff er ebenfalls nicht heyrathen, weil ihm, als dem nächsten nach ihren Eltern oder Groß-Eltern, solche herunterwärts zu rechnen, an Kindes Statt sind.  
  Ebenmäßig ist hingegen einer Weibs-Person zu nehmen verbothen  
 
1) ihres Bruders oder Schwester Sohn,
2) ihres Bruders Sohns Sohn, oder der Schwester Sohns Sohn, wie auch des Bruders Tochter Sohn, oder der Schwester Tochter Sohn,
3) ihres Bruders-Sohns Sohns-Sohn, oder ihres Bruders-Tochter Tochter-Sohn, wie auch der Schwester-Tochter Tochter-Sohn.
 
  Ob aber dieses Verbot der Ehe zwischen vorerzählten Personen im Rechte der Natur gegründet sey? Ob auch ferner das im göttlichen Rechte enthaltene Verbot bloß auf die im 3 B. Mose XVIII und XX benannte Personen einzuschräncken sey, oder sich dagegen auch auf andere Personen, welche entweder in gleichem Grade stehen, oder gleichmäßigen Respect gegen einander haben, erstrecke? davon haben so wohl die Gottes- als Rechts-Gelehrten unserer und der Päbstlichen Kirche ungleiche Meynungen.  
  Was die erste Frage betrifft; so vertheidigen viele die bejahende Meynung, oder glauben, dergleichen Ehe sey wider das Recht der Natur. Sanchez l.c.
  Weil solche Personen unter und gegen einander wie Eltern und Kinder zu achten und diese jenen beständig eine solche Ehrerbietung, bey welcher ohne deren Verletzung die eheliche Gemeinschafft nicht bestehen könne, schuldig sind; dahero dieser Ehestand in denen Augen Gottes ein Greuel sey, als welcher auch die Einwohner des Landes Canaan, unter denen dergleichen Vermischungen im Schwange gegangen, eben deswegen ausgerottet hätte.  
  Andere aber halten nicht ohne Ursache davor, daß, ob zwar unter denen Völckern solche Ehen nicht gebräuchlich gewesen (wiewohl bey denen Römern zu ein und andern Zeiten des Bruders Tochter, nicht aber so leicht der Schwester  
  {Sp. 457|S. 246}  
  Tochter, zu ehelichen vergönnet war, Harprecht …) solchemnach dieselbe zwar wider das Völcker-Recht, dennoch aber dem Recht der Natur dermassen nicht zuwider zu seyn scheinen, daß solche nicht bestehen könten, oder schlechterdings wieder getrennet werden müsten. Sanchez l.c.
  Wie denn allerdings auch so gar Exempel von dergleichen Ehen unter denen rechtgläubigen und GOtt gefälligen Leuten in Heil. Schrifft Alten Testaments vorhanden sind, als zwischen dem Ertz- Vater Abraham und der Sara, welche einiger Gottes-Gelehrten Meynung nach seines Bruders Arams Tochter gewesen seyn soll; Ferner zwischen Amram, Moses Vater, und der Jochebed, welche seines Vaters Kahats Schwester war, wie aus 2. B. Mose VI, 16, woselbst Kahath unter die Kinder Levi gerechnet wird, und 4 B. Mose XXVI, 59. zu ersehen ist, an welchem letztern Orte angezeiget wird, daß Jochebed eine Tochter Levi gewesen, so ihm in Egypten gebohren worden. Welche Ehen in H. Schrifft gleichwohl nirgendwo ausdrücklich gemißbilliget werden.  
  Nicht zu gedencken, daß dergleichen Ehen auch bey denen Christlichen Potentaten in Europa nicht ungebräuchlich sind, indem bekannt, daß sonderlich Ihro Kayserliche Majestät Leopold der Grosse mit der Allerdurchlauchtigsten Infantin von Spanien, welche Ihro Höchstgedachten Kayserl. Maj. Frau Schwester Tochter war, mit Einwilligung und Dispensation des Pabsts, ein ordentliches Ehe-Bündniß errichtet haben.  
  Anlangend die andere Frage, ob nemlich nur allein unter denen im 3 B. Mose XVIII und XX erzehlten Personen die Ehe verboten sey, so, daß unter denen daselbst nicht befindlichen Personen, zumal denenjenigen, welche einander Seitwärts, als Eltern und Kindern verwandt sind, im Göttlichen Rechte die Ehe zugelassen sey? darüber sind auch die Gottesgelehrten selbst nicht einig. Lutherus hat zwar im Anfange der Reformation die bejahende Meynung gebilliget, wenn er schreibet:  
  „GOtt rechnet nicht nach denen Gliedern, wie die Juristen thun, sondern zählet stracks die Personen; sonst weil Vaters Schwester und Bruders Tochter im gleichen Grade seyn, muß ich sagen, daß ich entweder meines Bruders Tochter nicht nehmen könnte, oder auch meines Vaters Schwester nehmen möchte. Nun hat GOtt Vaters Schwester verboten, und Bruders Tochter nicht verboten, die doch gleiches Gliedes seyn.„ Siehe auch Carpzov P. II. ...
  Diejenigen hingegen, welche die verneinende Meynung behaupten daß nemlich das Verbot nicht allein die daselbst befindlichen Personen angehe, sondern sich auch auf gleichmäßigen Grad und Respect erstrecke, solchem nach auch andere in gleichem Grade stehende, oder auch gleichen Respect und Verwandniß gegen einander habende Personen unter sich begreiffe, führen an:  
 
1) Daß solche Meynung dem Worte Gottes gemässer sey. Denn wie niemand läugnen könne, daß das gedachte Verbot in aufsteigender Linie biß auf den allerentferntesten Grad (in infinitum) gehe, ungeachtet 3 B. Mose XVIII. nur derer Eltern und Kinder, und derer Groß-Eltern und Enckel, nicht aber derer Vor-Eltern, oder Groß-Groß-
 
  {Sp. 458}  
 
Eltern gedacht wird; so könne man auch das Verbot in der Seiten-Linie nicht wohl dergestalt einschräncken.
 
 
2) Sey solche dem Willen GOttes vermuthlich auch gefälliger, weil GOtt im Eingange des Verbots von Ehlichung derer nahen Verwandten und Bluts-Freunde vers. 6. diese nachdencklichen Worte redet:
 
 
„Niemand soll sich zu seiner nächesten Bluts-Freundin thun, ihre Scham zu blössen; denn ich bin der HErr.„
 
 
Und:
 
 
„Ihr solt euch in dieser keinem verunreinigen; dann in diesem allem haben sich verunreiniget die Heyden, die ich vor euch her will ausstossen.„
 
 
3) Sey dieselbe sowohl unter denen Gottes- als Rechts-Gelehrten gemeiner (receptior) und verdiene daher auch so viel eher den Beyfall.
 
 
Endlich und
 
 
4) sey selbige auch weit sicherer. Nun aber müsse man in zweiffelhafften Fällen (in re dubia) allezeit das sicherste wählen. Gestalt auch Lutherus selbst nach genauer Uberlegung der Sachen dieser Meynung beygetreten, wenn er setzet:
 
 
„Der Sippschafft halber und Glieder der Freundschafft wäre mein Rath, man liesse es bey denen weltlichen Rechten bleiben.„
Besiehe auch
  • Carpzov
  • Struv in Synt. Jur. Civ. …
  • Brunnemann in Jur. Eccles. … ibique Stryck.
  • Voland in Tr. …
  Dahingegen sind andere von nicht geringerm Ansehen, gelehrte Leute, die das Gegentheil ebenfalls mit ziemlich starcken Gründen behaupten wollen. Grotius, welcher vor andern mit seinem Verstande etwas eingesehen zu haben vermeynet, schreibet davon in seinem Wercke de Jur. Bell. et Pac. … folgendes: [3 Zeilen lateinischer Text]. Das ist:  
  „Des Vaters Schwester zu heyrathen ist verboten, aber des Bruders Tochter, welche doch in gleichem Grade stehet, zu ehelichen, ist unverwehret, und hat man bey denen Hebräern unterschiedene Exempel von dergleichen Ehen.„  
  Und ob zwar die von denen Hebräern angeführte Ursache, daß, weil die erwachsenen Jünglinge ihrer Groß-Eltern Behausung öffters besuchen, oder auch zugleich mit ihrer Väter Schwestern darinnen wohnen, der allstetige Umgang gar leicht Anlaß zur fleischlichen Vermischung geben würde, wenn ihnen vergönnet wäre, sich unter einander zu verehelichen, und sie ihre Unreinigkeit mit der Ehe einstens zuzudecken Hoffnung hätten; da hingegen denen Weibs-Personen der Umgang mit ihres Eltern Brüdern abgeschnitten sey, so scheinbar auch solche auch immer seyn mag, nicht hinlänglich ist, weil  
 
1) die bey allstetigem Umgange besorgete Vermischung bey denen wenigsten Personen zu vermuthen ist,
2) wegen dieser Ursache die Ehe unter allen Personen, die zusammen in einem Hause wohnen (inter domesticos) durchgängig hätte verboten werden müssen,
3) Moses mit keinem Worte dahin gedeutet, vielmehr die Ursache verbotener Ehe unter denen Bluts-Freunden 3 B. Mose XVIII, 12. und 13. in denen Worten:
  „Denn es ist deines Vaters nächste Bluts-Freundin; denn sie ist deiner Mutter nächste Bluts-Freun-
 
  {Sp. 459|S. 247}  
  din, deutlich genung angeführet; so ist doch in beyden Fällen dieser merckwürdige Unterschied, daß in der Ehe einer Manns-Person mit der Eltern Schwestern die Ordnung der Unterwürffigkeit (ordo Subjectionis) umgekehret werden, massen derselbe als Ehemann die Herrschafft (Imperium maritale) über die Person, welche er als ein Kind, oder doch an Eltern Statt zu verehren schuldig ist, überkommt; dahingegen bey erfolgender Ehe eines Mannes mit seines Bruders oder Schwester Tochter diese Ordnung ungekränckt bleibe.  
  Ob aber die hohe Landes-Obrigkeit in diesen Fällen dispensiren, und die Ehe einer Manns-Person mit derer Eltern oder Groß-Eltern Schwester, oder einem Mägdgen den Ehestand mit ihrer Eltern oder Groß-Eltern Bruder verstatten könne? wird billig gefraget. Die Lehrer der ersten Meynung antworten mit Nein darauf, weil im Göttlichen Rechte, worinnen sie diese Ehen durchgängig verboten zu seyn, vermeynen, dem auch irdische oder weltliche Majestäten unterwürffig seyn sollen, und also auch souveraine Personen in solche Ehe, ohne die allerwichtigsten Ursachen, sich nicht einlassen können, unter so schwerer Straffe verboten sind. Jedoch ist bekannt, daß die Herren Geistlichen unter denen Catholicken ihrem Ober-Haupte, weil sie dasselbe als einen Statthalter Gottes (Vicarium Christi supremum) verehren, die Macht und Gewalt darinnen zu dispensiren, zuschreiben, so, daß nach dem Ausspruche des Concil. Trident. … derjenige, welcher der Kirche die Gewalt in denen 3. B. Mose XVIII befindlichen Graden zu dispensiren abspricht, verflucht (Anathema) seyn soll. Gestalt auch viel Exempel ertheilter und erhaltener Dispensation unter denen Papisten, zumahl höhern Standes, vorhanden sind.  
  Sanchez l.c. …: [4 Zeilen lateinischer Text]. Das ist:  
  „Wir sehen hin und wieder viele Päbstliche Dispensationes in gleicher und ungleicher Linie, als unter des Vaters und der Mutter Bruder mit des Bruders oder der Schwester Tochter, und des Vaters oder der Mutter Schwester mit des Bruders oder der Schwester Sohn.„ Dergleichen Exempel auch Carpzov in Jurispr. Consist. … erzählet.
  Indessen aber wollen andere in diesen Fällen von keiner Dispensation wissen, wovon die Ursachen bey dem Carpzov l.c. nachzulesen sind.
  Zwar können sie nicht in Abrede seyn, daß, wenn die Ehe durch Priesterliche Trauung (denn der Beyschlaff, welcher zu dergleichen heimlichen Verlöbnissen gekommen, darzu nicht hinlänglich ist, Carpzov l.c. …) vollzogen, und also die Sache bereits zu weit gediehen, und nicht mehr in ihrem ersten Zustande (integra) ist, so fern beyde Theile die Ehescheidung nicht verlangen, sondern nach wie vor bey einander ehelich bleiben und wohnen wollen, die Ehe auf diesen Fall, auch nach der Meynung unserer Gottes-Gelehrten, gedultet werden können, weil ja bey denen Ertz-Vätern ebenfalls solche und dergleichen Heyrathen gedultet worden, auch Moses selbst, welcher doch die Ehe unter denen erwehnten Personen verboten, dar-  
  {Sp. 460}  
  bey nicht gemeldet, daß diejenigen, so in dergleichen Grade geheyrathet hätten, wiederum getrennet werden solten. Carpzov l.c.
  Dahero, als einer von Adel seiner Mutter Schwester im XVI Jahrhundert, und zwar 1561, eigenmächtiger Weise geehlichet, die Sache nach vielen Streit unter denen Gottes-Gelehrten endlich dahin ausgeschlagen, daß solche Ehe zu dulten sey. Beust.
  Immassen auch die Ehe mit der Schwester oder des Bruders Tochter unter denen Protestanten selber zu ein und ander malen gedultet worden.  
  Zum Dritten mögen wegen der Bluts-Freundschafft in der Seiten-Linie sich nicht mit einander verehlichen diejenigen Personen, so in gleicher Linie im ersten Grade verwandt sind, als Bruder und Schwester, sie mögen gleich von voller oder halber Geburt, das ist, von einem Vater und einer Mutter zugleich, oder von derer beyden einem allein, wie auch die, so ausser der Ehe von einem Vater und einer Mutter erzeugt seyn.  
  Ob aber diese Ehe wider das Recht der Natur sey? darinnen sind die Gelehrten nicht einig. Einige halten davor, es sey wider das Recht der Natur, weil Bruder und Schwester gegen einander eine natürliche Scham hätten, welcher die eheliche Beywohnung und Entblössung des Leibes zuwider, ja die Vernunfft selber, auf blosse Vorstellung der fleischlichen Vermischung mit der Schwester, davor einen Abscheu habe. Dahero fast alle Völcker von dergleichen Ehen sich enthalten.  
  Nicht zu gedencken, daß, weil Geschwister mit einander leben, und frey und ohne Verdacht, auch ohne Beyseyn anderer Leute, mit einander umgehen, bey habender Hoffnung des Ehestandes sich ihre Liebe entzünden, und also heimliche Hurerey und Blut-Schande im Schwange gehen würde. Es dürffte auch der von der Natur selbst anbefohlene mäßige Gebrauch des Ehestandes bey Seite gesetzet, und dazu der aus dem Geblüte entstehenden Liebe die eheliche hinzu käme, die Begierde zur Beywohnung sich zu sehr entzünden, und auf eine mehr denn viehische Art der Ehestand gemißbrauchet werden. Sanchez de Matrim. …
  Dahero meynen sie, daß auch die unter ihnen würcklich vollzogene Ehe das Rechte der Natur zernichte, auch die Ehe wegen beharrlicher Blut- Schande nicht zu dulten sey. Pirhing ad tit. de Consangu. …
  Wiewohl andere, welche zwar das erste einräumen, behaupten, daß diese Ehe nach dem Rechte der Natur nicht ungültig oder nichtig sey; weil ja dasjenige, welches von Gesetze verboten ist, durch das Gesetze nicht so fort zernichtet und ungültig gemachet werde.  
  Dahingegen treten viele, so wohl unter den Moralisten als Canonisten von dieser Meynung ab, so, daß solche fast gemeiner (communior) zu seyn scheinet.  
 
1) Beziehen sie sich auf das Exempel Abrahams, welcher von seinem Weibe Sara 1 B. Mose XX, 12 also redet:
  „Auch ist sie wahrhafftig meine Schwester, denn sie ist meines Vaters Tochter, aber nicht meiner Mutter Tochter, und ist mein Weib worden.„
2) Führen sie die 2 Sam. XIII befindliche Geschichte des Königlichen Printzen Amnons mit der Thamar an, allwo diese ihren Bruder, um ihn von seinem sündlichen Begehren abzumahnen, also anredet:
  „Nicht, mein Bruder,
 
  {Sp. 461|S. 248}  
 
  schwäche mich nicht etc. und: Rede aber mit dem Könige, der wird mich dir nicht versagen. Welche Worte die Thamar vergeblich geredet haben würde, wenn die Ehe unter ihnen nach keinem Rechte hätte bestehen können.„
3) Geben sie vor, daß nach denen Decreten unterschiedener Concilien, als des Agathensischen, Epaimischen, Orleanischen, und anderer diese Ehe gedultet werde.
4) Daß dergleichen Ehe bey vielen Völckern gebräuchlich gewesen. Und
5) was der wichtigste Beweiß-Grund zu seyn scheinet, daß durch diese Ehe so gar die Vermehrung des menschlichen Geschlechtes geschehen müssen; es wäre aber nicht zu vermuthen, daß der gerechte GOtt, als der eigentliche Urheber und Beschützer des Rechtes der Natur, (Auctor et Stator Juris Naturae) diese Vermehrung mit Verletzung dieses Rechtes bezielen und anbefehlen wollen, indem ihm leicht gewesen wäre, durch Erschaffung mehrerer Menschen der Sache abzuhelffen. Hierzu kommt
6) daß dieser Ehestand im Stande der Unschuld im Paradiese selbst erfolget seyn würde. Und endlich
7) daß unter Schwestern und Brüdern nicht ein Fleisch, wie zwischen Eltern und Kindern, daß keines dem andern einige Ehrerbietung und Unterwürffigkeit schuldig, und die zwischen ihnen befindliche Gleichheit dem Wesen des Ehestandes nicht zuwider sey.
  • Sanchez l.c. …
  • Gonzalez
  Dem sey nun, wie ihm wolle, so ist doch dieses richtig, daß diese Ehe gleichwohl in Heil. Schrifft verboten ist, wie zu lesen 3 B. Mose XVIII, 9.  
  „Du solt deiner Schwester Scham, die deines Vaters oder Mutter Tochter ist, daheim oder draussen gebohren, nicht blössen.„  
  Und über dieses noch unter schwerer Straffe 3 B. Mose XX. 17.  
  „Wenn jemand seine Schwester nimmt etc. die sollen ausgerottet werden vor denen Leuten ihres Volckes.„  
  Daher sind auch die Canonisten einig, daß in diesem Falle der Pabst niemals zu dispensiren pflege, ungeachtet solches zu ein und andern malen bey ihm gesuchet worden. Pirhing in Comm. …
  Ob er aber solches thun könne, oder nicht? wird von ihnen ausgesetzet; massen sie es vor eine Tod-Sünde (Sacrilegium) achten, von der Macht und Gewalt des Pabsts zu disputiren.  
  Ob aber die von Schwester und Bruder eigenmächtiger Weise (de facto), und zwar vermittelst Priesterlicher Trauung, vollzogene Ehe wenigstens zu dulten sey? Hierüber giebet es gleichfalls nicht einerley Meynung. Diejenigen, so es verneinen, geben vor, daß die Parteyen in beharrlicher Blut-Schande mit einander leben, und bey jedesmahliger Beywohnung solche weiter fortsetzen würden; und daß auch diese Ehe in denen Augen Gottes ein Greuel sey, und GOtt selbst es nicht gedultet wissen wolle. Welches aus 3 B. Mose XX 11. abzunehmen, da es heißt:  
  „Wenn jemand seine Schwester nimmt, seines Vaters Tochter, oder seiner Mutter Tochter, und ihre Scham beschauet, und sie wieder seine Scham, das ist eine Blut-Schande, die sollen ausgerottet werden vor denen Leuten ihres Volcks.„  
  Andere aber halten davor, daß, wenn die Ehe zumal aus guter Einfalt, (bona fide) aus Unwissenheit, und daß sie einander nicht gekannt hätten, vollzogen worden, und beyde  
  {Sp. 462}  
  Theile auch beyeinander bleiben wolten, solche Ehe gedultet werden könne, jedoch, daß sie zu Verhütung Ärgernisses, sich an einen fremden Ort wenden müsten. Lyncker in Anal. …
  Ausser denen bißher erzählten Personen ist unter denen übrigen Bluts-Verwandten die Ehe weder in natürlichen noch Göttlichen und Kayserlich Römischen Rechten verboten. Solchem nach war bey denen Juden und Römern, (wiewohl die letztern im Anfange ihrer Republick sich dergleichen Ehen mehr aus Ehrbarkeit, als wegen eines Gesetzes enthalten, und solche vorerst unter denen Kaysern allmählich aufgekommen, Gonzalez ad c. 5. …) die Ehe unter Geschwister-Kinder u.s.w. vergönnet. Kitzel de matrim. …
  Es hat aber die erste Kirche, und zwar wie einige Canonisten meynen, Gonzalez l.c.
  schon zu denen Zeiten derer Apostel, oder wenigstens in dem und folgenden Jahrhunderten, vor gut und nöthig befunden, dieses Verbot auszunehmen, nicht, als wenn die Göttlichen Gesetze in dieser Materie unvollkommen wären, und einer Ergäntzung oder gleichsam eines Beystandes gebrauchten, sondern  
 
1) zu Verhütung aller Hurerey und Unzucht unter denen Bluts-Verwandten, welche wegen allstetigen einsamen Umgangs, bey vorwaltender Hoffnung zugelassener Ehe, zu besorgen.
2) Wegen der Ehrerbietung und Scham, welche die Bluts-Freunde gegen einander haben, und unter ihnen seyn soll.
3) Damit die Freundschafft und Vertraulichkeit unter denen Menschen durch eheliche Verbindung mehr und mehr ausgebreitet werden möchte.
Sanchez l.c. …
  Endlich auch damit die Menschen bey vorhabender Verehlichung desto mehr die natürlichen und göttlichen Rechte beobachten möchten. Denn wenn nicht erlaubet ist, im andern und dritten Grade gleicher Linie sich zu verehelichen; so ist leicht abzunehmen, daß unter noch nähern Verwandten die Ehe um so viel mehr unzuläßlich seyn muß. Gerhard in Loc. de Conjug. …
  Und zwar ist das Verbot biß auf den siebenden Grad gegangen, biß es in dem Lateranischen Concilio biß auf den vierten Grad nach der Zahl derer Elementen eingeschräncket worden, weil insgemein davor gehalten werden will, daß die Bluts-Freundschafft sich biß dahin, und weiter nicht, erstrecke. Sanchez l.c.
  Welches hernach in dem Tridentinischen Concilio … bestätiget worden. Siehe auch Gonz. ad c. 5. ...
  So, daß unter denen Papisten, ohne besondere Dispensation, welche auch gekrönte Häupter beym Pabste suchen, und ohne dieselbe sich auf dergleichen Art nicht verehlichen dürffen, (welches aber die protestirenden Stände des Reichs nicht angehet, und diese keiner Dispensation gebrauchen, Carpzov in Jurispr. Consist. …) unter denen Bluts-Freunden im andern, dritten und vierten Grade, gleicher oder ungleicher Linie keine Ehe zugelassen wird, indem fünften und folgenden Graden aber es keiner Dispensation weiter gebraucht. Kitzel l.c.
  Ob nun zwar das Päbstische Recht die der Augspurgischen Confeßion Zugethane nicht angehet; so haben doch die Protestirenden Fürsten und Stände des  
  {Sp. 463|S. 249}  
  Reichs aus Christlicher und wohlmeynender Absicht dem göttlichen Verbote etwas, nicht zwar so weit, wie die Canones gehen, hinzu gethan, und also gleichsam das Mittel zwischen den Göttlichen und Päbstlichen Rechten gehalten. Kitzel l.c.
  Gestalt die Ehe  
 
1) im andern Gliede gleicher Linie, nehmlich unter Geschwister-Kindern, wie auch
2) im dritten Gliede ungleicher Linie
 
  verboten ist.  
  Es kan also niemand seines Vaters oder Mutter Bruders, oder Schwester Sohns oder Tochter Tochter ehlichen. Dagegen kan eine Weibs-Person nicht ihres Vaters oder Mutter Bruders, oder Schwester Sohns oder Tochter Sohn heyrathen. Ingleichen kan einer nicht seines Groß-Vaters oder Groß-Mutter, es sey nun in väterlicher oder mütterlicher Linie, Bruders oder Schwester Tochter nehmen; wie auch eine Weibs Person kan sich nicht mit ihres Groß-Vaters oder Groß-Mutter, väter- oder mütterlicher Seiten, Bruders oder Schwester Sohn verehlichen. Carpzov l.c. ...
  Im dritten Grade aber gleicher Linie wird die Ehe zugelassen, nehmlich zwischen anderer Geschwister-Kindern. Als Z.E. es ist vergönnet seines Groß-Vaters oder Groß-Mutter, väter- oder mütterlicher Seiten, Bruders oder Schwester Kindes-Kind zu ehlichen. Carpzov l.c. ...
  An etlichen Orten aber, als in Schleßwig und Henneberg, Carpzov l.c.
  wie auch in Hessen, ist der dritte Grad so wohl gleicher, als ungleicher Linien, männiglichen verboten. Kitzel l.c.
  Es kan aber in diesen Fällen von hoher Landes-Obrigkeit, keinesweges aber von der untern Obrigkeit, Dispensation ertheilet werden, Carpzov l. c. ...
  Welche aber solche ohne erhebliche, hochwichtige und bewegende Ursachen nicht leicht zuzugeben pflegen. Kitzel l.c.
  Wären aber die Verlöbnisse ohne erlangte Dispensation geschlossen, so wird doch deren Vollziehung, wenn auch die fleischliche Vermischung darzu gekommen wäre, ohne sonderbare Dispensation nicht verstattet. Carpzov l.c. ...
  Vielmehr wird solche, wenn der Beyschlaff, um die Dispensation zu erleichtern, vorgenommen worden, gäntzlich verweigert. Lyncker in Anal. ad Jus Canon. …
  Es müssen auch die contrahirenden Theile bey erfolgter Dispensation nicht allein die Dispensations-Gelder abstatten, sondern auch ihre Straffe, wegen des von ihnen wider die Kirchen-Ordnungen eigenmächtig getroffenen Ehe-Verlöbnisses, oder der darauf erfolgten fleischlichen Vermischung, massen ein jedes Verbrechen mit der darauf gesetzten Straffe billig zu ahnden ist, leiden. Carpzov l.c. ...
  Schlüßlich ist bey der Bluts-Freundschafft noch zu erinnern, daß in derselben sich finden  
 
1) die Stamm-Eltern,
2) die Gräntzen und Linien, und
3) die Grade, Stuffen oder Glieder.
 
  Der Stamm-Vater (Stipes) ist diejenige Person, von welcher die Anverwandtschafft ihren Ursprung hat und nimmt, und welchen diejenigen, so mit einander verwandt sind, am nähesten vor ihren gemeinen Vater erkennen.  
  Die Gräntzen und Linien zeigen, wie weit sich die Bluts-Freundschafft erstrecket.  
  {Sp. 464}  
  Und ist die Linie nichts anders, als eine Zusammenfassung derer unter sich Verwandten, und entweder eines von dem andern, oder von dem dritten herstammenden Personen, welche die Glieder oder Stuffen (Gradus) unter sich begreiffet, und solche der Zahl nach unterscheidet. Es ist aber die Linie, wie oben bereits erinnert worden, überhaupt zweyerley, als nehmlich entweder  
 
1) die rechte oder gerade, (Linea recta) und diese wiederum entweder die aufsteigende, (ascendens) wenn man von Kindern auf die Eltern rechnet, oder die absteigende, (descendens) wenn man von Eltern auf die Kinder zählet; oder aber
2) die Seitenlinie, (Linea Obliqua seu Collateralis) welche die Personen, so zwar nicht eine von der andern, jedoch von der dritten herstammen, begreiffet, und ist wiederum entweder gleich, (aequalis) wenn beyde Personen von ihrem Stamm in gleichem Grade abstehen, oder ungleich, (inaequalis) da eine Person näher, oder weiter, als die andere, von dem allgemeinen Stamme entfernet ist.
 
  Der Grad oder die Stuffe ist die Distantz oder Weite einer Person von der andern, so von der Geburt entstehet.  
  Die Zusammenfassung aller und jeder Personen aber, so mit einander verwandt sind, oder die gesammte Freundschafft, wird der Sippschaffts-Baum, (Arbor Consanguinitatis) genannt, an welchem sich der Stamm, die Äste und Zweige befinden. Warum er aber so genannt werden, solches ist beym Gonzalez … nachzulesen.
  Siehe auch Sippschaffts-Baum.  
  Die andere Art der Verwandtschafft, welche sonderlich aus der sonst so genannten Schwägerschafft entstehet, betreffend; so versparen wir dasjenige, was irgend sonst deshalber zu erinnern wäre, biß unter den Artickel Schwägerschafft.  
  Ubrigens ist auch hierbey wegen Gleichheit der Materie zu gedencken, daß ausser denen mit Bluts-Freundschafft oder Schwägerschafft unter sich Verwandten die Ehe annoch unter andern Personen, wegen einer sonst nur in denen Gesetzen gegründeten oder bloß vermeyntlichen Anverwandschafft, verboten ist. Und zwar  
  1) wegen einer Anverwandtschafft, die durch die Gesetze, vermittelst der Annehmung an Kindes Statt, entstehet, (propter cognationem legalem) Kitzel de matr. …
  Und hat man in diesem Falle gleichfalls, wie in der natürlichen Blut-Freundschafft, auf die Personen zu sehen, welche in gerader oder Seiten-Linie stehen. Also ist die Ehe in gerader Linie zwischen dem Vater und seinen angenommenen Kindern, Enckeln, u.s.w. verboten.  
  Ob aber dieses Verbot biß in den allerweitesten Grad (in infinitum) gehe, oder aber über den vierten Grad sich nicht erstrecke? davon sind unterschiedene Meynungen, wie beym Sanchez de Matrim. … zu ersehen, welcher das letztere bejahet.
  Und ob zwar zwischen einem an Kindes Statt angenommenen Sohne und dessen Adoptirenden Weibe keine Verwandtschafft entstehet; so ist doch die Ehe, in Betrachtung, daß gleichsam unter ihnen etwas, so der Schwägerschafft ähnlich, sich befindet, der Ehrbarkeit halber verboten, Sanchez l.c.
  Gestalt auch schon die Römi-  
  {Sp. 465|S. 250}  
  schen Gesetze die Ehe zwischen einem an Kindes Statt angenommenen Sohne und des Adoptirenden Mutter nicht zugelassen, so gar, daß auch nach aufgehobener Adoption, wegen derer Ehrerbietung, welche dem ungeachtet unveränderlich und ewig bleibet, unter dergleichen Personen keine Ehe verstattet wird; l. 55. ff. de R.N.
  wie wohl die Canonisten dißfalls einräumen, daß, wenn die Ehe unter denen Ungläubigen zwischen dem Vater und einer angenommenen Tochter geschlossen worden, solche hernachmahls, wenn dieselben gleich die Christliche Religion angenommen, dennoch nicht zu trennen sey. Sanchez l.c.
  Eben so ist auch in der Seiten-Linie die Ehe zwischen einem Bruder und seiner angenommenen Schwester, aber nicht länger, als die Adoption stehet, verboten; wenn solche aufhöret, so ist die Ehe unverwehret.  
  Die übrigen Personen in der Seiten-Linie anlangend; so ist unter denen, welche gegeneinander ein Ansehen wie Eltern und Kinder haben, und durch die Adoption mit einander verwandt werden, die Ehe gleichfalls verbothen. Also kan Z.E. ein Sohn seines adoptirenden Vaters oder Groß-Vaters Schwester, und hingegen wiederum eine Tochter ihres adoptirenden Vaters oder Groß-Vaters Bruder nicht ehelichen. Mit der Mutter Bruder oder Schwester, welche durch eine Adoption in der Mutter Familie gekommen sind, hat man gar keine Verwandtschafft, und also findet auch zwischen ihnen der Ehe halber kein Verbot Statt. §. 5. I. de Nupt. ibique Dd.
  Es wäre denn, daß man sich der Ehrbarkeit halber von dergleichen Ehen enthalten wolte.  
  Im übrigen ist die Ehe  
 
1) zwischen dem adoptirenden Vater und des angenommenen Kindes leiblichen Eltern,
2) unter Brüdern und Schwestern nach getrennter Adoption,
3) unter einem angenommenen Kinde und des adoptirenden Vaters unehelichen Kindern und, wie einige wollen,
4) unter einem angenommenen Sohne und einer angenommenen Tochter,
 
  keinesweges verboten. Von welchen Fällen beym Sanchez l.c. ein mehrers zu finden ist.
  Vor das  
  II.) Ist sonderlich nach Päbstlichen Rechte wegen der vermeynten geistlichen Verwandtschafft, welche durch die Tauffe oder durch die Wiedergeburt in derselben entstehen soll, die Ehe verboten. Wie wohl nach dem Tridentinischen Concilio dieselbe einiger massen eingeschräncket worden. Und zwar entstehet solche  
 
1) zwischen demjenigen, welcher die Taufe verrichtet, und dem Getaufften,
2) zwischen des Getaufften Eltern, und demjenigen, welcher getauffet hat,
3) unter demjenigen, welcher das Kind aus der Tauffe gehoben hat, und dem Getaufften, oder denen Pathen, und
4) unter demjenigen, welcher das Kind aus der Tauffe gehoben hat, und des getaufften Kindes leiblichen Eltern.
 
  Weil aber die Protestanten diese von denen Papisten erdichtete Verwandtschafft verwerffen, und bey denenselben die Ehe zwischen dergleichen Personen nicht verboten ist, ausser daß Brunnemann ad l. 26. C. de Nupt. davor hält, daß, weil der Kayser Justinian die Ehe zwischen dem Getaufften, und demjenigen, welcher diesen aus der Tauffe gehoben, verboten  
  {Sp. 466}  
  hätte, es noch sicherer wäre, in diesem Falle gehörigen Ortes Dispensation zu suchen, es wäre denn Sache, daß es schon durchgängig in diesem oder jenem Lande abgeschaffet worden, wie solches sonderlich von denen Sächsischen Landen Berlich … bezeuget;
  so stehen wir billig an, von dieser Sache, so unter denen Protestanten keinen Nutzen mehr hat, weitläufftiger zu handeln.  
  Wer aber gleichwohl Belieben hat, hiervon ein mehrers zu wissen, der kan die in grosser Menge zum Vorschein gekommenen Schrifften derer Canonisten ad tit. de Cognat. Spirit. und insonderheit Sanchez de Matrim. … deshalber zu Rathe ziehen. Besiehe zugleich Lyncker in Disp. de Baptismo. Jene 1684. ingleichen Ludovici de Effectu Baptismi Juridico. Halle 1713.
  Ausserdem siehe auch  
   
     

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Stand: 19. September 2016 © Hans-Walter Pries