HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Rath (Commercien-) HIS-Data
5028-30-934-13
Titel: Rath (Commercien-)
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 30 Sp. 934
Jahr: 1741
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 30 S. 476
Vorheriger Artikel: Rath (Churfürsten-)
Folgender Artikel: Rath (Commißions-)
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Rath (Commercien-) heissen solche Räthe, welche den Handel besorgen.  
  Sie sind entweder würckliche oder Titular-Commercien-Räthe.  
  Von einem würcklichen, und folglich salarirten oder Besoldung zühenden Commercien-Rath wird erfordert, daß er erstlich gut Latein wisse, und zwar in der Fertigkeit, daß er darinn einen feinen Brieff, Concept und Memorial aufsetzen, fertig in solchen von Commercien-Sachen discuriren und peroriren könne. Denn weil es sich vielmahls zuträgt, daß mit fremder Sprach Nationen zu negociiren, an ausländischen Höfen einen Vortrag in Lateinischer Sprache zu thun, ein Memorial in solcher zu präsentiren, oder auch ein dergleichen von andern in solcher Sprache übergebenes zu beantworten, ihme aufgetragen wird; als wird ja billig die Känntniß solcher Sprache an ihm erfordert, zu geschweigen, daß sie das Fundament etlicher anderer Sprachen ist, und auch viele Autoren, die von Commercien-Sachen geschrieben, sich derselben bedienet haben.  
  Hiernächst muß er auch anderer heutiges Tages gebräuchlicher ausländischer Sprachen kundig seyn, sonderlich der Frantzösischen und Italiänischen, so, daß wo er sie nicht beyde, er doch eine  
  {Sp. 935|S. 477}  
  davon fertig schreiben und reden könne, und wann die Situation des Landes oder der Stadt, in welcher er wohnhafft ist, eine Nation von verschiedener Sprache zum Nachbarn, oder doch grossen Handels-Verkehr zu Wasser oder zu Land mit derselben hat, so muß er vornehmlich solche Sprache sich auch bekannt machen, damit man in vorfallender Angelegenheit sich seiner bedienen könne.  
  Er muß ferner ein guter Geographus seyn, und die Land- und See-Charten wohl kennen, und zwar kommt es darinnen nicht bloß auf eine mittelmäßige Wissenschafft an, daß man etwan einen und den andern Ort, wo solcher liege, auf der Land-Charte zu weisen wisse, sondern er muß auch eine genaue Wissenschafft alles dessen, was zur Erd-Beschreibung gehöret, besitzen, als z.E.  
 
  • wie die Gegend des Landes, in welchem er dienet, in Ansehung der Himmels-Gegend und Elevation des Pols, anderer benachbarter Länder gelegen sey,
  • was es vor ein Clima habe,
  • wie das Erdreich beschaffen,
  • ob es Schiffreiche Flüsse, oder sichere See-Hafen habe,
  • wie diejenigen Länder gelegen seyn, nach welchen hiesiger Einwohner ihre Handlung am meisten gehet,
  • was man vor fremde Territoria zu Land und vor Seen, oder Fahr-Wässer, Canäle, gantze oder halbe Inseln, Küsten und Vorgebürge zu Wasser passiren müsse, ehe man dahin gelange;
  • ingleichen, was vor Hindernisse denen Reisenden hier und dar zustoßen können,
  • was vor Veranstaltungen zu Land und Wasser zu machen seyn möchten, denen Commercirenden Unterthanen ihre Handelschafft zu erleichtern,
  • und dergleichen mehr.
 
  Mit der Geographie ist auch genau verwandt die Mathematick, dahero dann auch ein in Besoldung stehender Commercien-Rath derselben vor allen kundig seyn soll, dann wie vielerley die Kaufmannschafft angehende Vorfälle erzeigen sich nicht, welche alle durch Hülffe der Mathematischen Wissenschafften befördert, gehoben, untersuchet und entschieden werden müssen.  
  Da kommen erstlich vor aus der Civil-Bau-Kunst, die zu der Kauffmannschafft ihrer Nothwendig- Nutzbar- und Zierlichkeit erforderte Gebäude, als nehmlich  
 
  • prächtige Börsen,
  • Kauff-Häuser,
  • See-Häfen,
  • Leucht-Thürme,
  • Waag-Häuser,
  • vielerhand Arten von Mühlen-Magazinen und dergleichen,
  • ferner in Wasser-Gebäuden, Dämme, Schläusen, neue Treck- und Rivier-Fahrten,worzu man den Schiff-Bau, ingleichen die so genannten Krane, und andere Machinen, mit welchen die Güter aus den Schiffen auf das Land gewunden werden, zählen möchte,
 
  bey diesen allen muß der Commercien-Rath, mit projectiren, Grund- und Abriß machen, auch über die von andern gemachte zu urtheilen, die daran befindliche Fehler zu verbessern, einen Bau selber im Namen des Commercien-Collegii (wenn solcher auf dessen Unkosten geführet wird, zu dirigiren) nicht ungeschickt seye; sonderlich wird ihm die Structur so vielerhand Schiffe, deren Capacität und Ausmessung, auch selbst die Steuermanns-Kunst, und welcher massen ein Schiff glücklich durch die See in erwünschten Hafen zu bringen sey, etlicher massen bekannt seyn müssen, weil sonsten, wann darinnen Strei-Sachen oder Fragen vor dem Commercien-Collegio vorfallen solten, sein  
  {Sp. 936}  
  Votum, Meynung und rechtliche Erkänntniß nur auf schwachen Füssen beruhen würde, des unbeschreiblichen Nutzens, den die Mechanick, welche auch ein Stück der Mathematick ist, in Manufacturen, denen darzu erforderlichen Maschinen und Werckzeug, sonderlich aber in Bergwercken giebet, zu geschweigen.  
  Ob nun wohl zu diesen letztern gemeiniglich solche Leute sich finden, die gantz allein und ins besondere auf solche Bergwercks-Maschinen sich verstehen, so müssen sie doch auch einem der Mathematickkundigen Commercien-Rath nicht unbekannt seyn, weil die Commercien eine so genaue Verwandniß mit den Bergwercken haben, daß sie gar gern in die Känntniß desjenigen, was selbige angehet, hinein sehen mögen.  
  Da auch die Arithmetick oder Rechenkunst, welcher das Buchhalten beyzufügen, eine Tochter von der Mathematick ist, so ist gleichfalls ihre Wissenschafft einem Commercien-Rath unentbehrlich, und möchte man flugs vor einem solchen, der die Rechenkunst nicht verstehet, und doch in Commercien-Sachen rathen will, die Thür des Commercien-Collegii zuschlüssen, wie dorten der weise Plato an seiner Schule zu Athen gethan, über welcher ihre Thüre er schreiben ließ: Daß niemand, der der Rechen- und Erdmeß-Kunst unerfahren wäre, daselbst hinein gehen solte, und würde fast ein der Arithmetick unerfahrener Commercien-Rath mit einem Prediger zu vergleichen seyn, der die beyden Grund-Sprachen, Hebräisch und Griechisch nicht verstehet, da doch die Erklärung des Texs so vielfältig aus denenselben Muß hergenommen werden.  
  Ein Commercien-Rath hat ja mit über streitige Handels-Rechnungen zu erkennen, alles kommet bey denen Kauffleuten auf das Mein und Dein an, ein jeder will in seiner Rechnung Recht haben, und wo sie nicht einig werden können, so wird auf des Commercien-Collegii Ausspruch sich beruffen, wie würde es denn dem Richter anstehen, wenn er das Recht, in welchem die streitende Partheyen versiren, selbst nicht wissen solte, nicht aber ist es in diesem allein, daß die Rechenkunst ihren Nutzen hat, sondern es kommen auch noch viele andere Fälle vor, in welchen sie unentbehrlich ist, als nehmlich in Müntz-Sachen, es sey, daß ein Commercien-Collegium die Besorgung des Müntz-Wesens selber auf sich habe, oder das fremde Müntz-Sorten, Maase und Gewichte in die hiesige reduciret, oder auch die verschiedene Land-Maasen und Gewichte alle auf einen Fuß gesetzet werden sollen.  
  Da auch dem Commercien-Collegio groß daran gelegen, daß dasselbe des Landes Ein- und Auskünffte jährlich in einer ordentlichen Bilantz habe, um daraus zu sehen, wie sie gegen einander harmoniren, oder um wie vieles eines das andere übertreffe, so ist ja hierzu die Wissenschafft der Rechenkunst und des Buchhaltens höchst nöthig, zumahl da auch in diesem letztern, so gar viele bey dem Collegio vorkommende Vorfälle sich ereignen, welche der Richter zuvor selber erst wissen muß, ehe er die benöthigte Gesetze darüber abfassen kan.  
  Daß aber deren unterschiedliche gemachet werden müssen, bezeuget unter andern auch die Frantzösische Commercien-Ordnung, in welcher ein gantzer Titel, wie der Kauffleute Bücher beschaffen seyn sollen, zu finden ist, so  
  {Sp. 937|S. 478}  
  seynd auch ohnedem die Rechts-Verordnungen bekannt, was vor Eigenschafften der Kauffleute ihre Bücher haben müssen, wenn selbige vor Gericht gültig seyn sollen, ein Commercien-Collegium selbst hat seine vielfältige Einnahme und Ausgabe, seine zum gemeinen Landes Besten angerichtete Geld-Versuren und Fundos. Ob nun wohl hierzu ein eigener Buchhalter bestellet seyn möchte, so kommet doch die Ober-Aufsicht den Gliedern des Collegii und also auch einem Commercien-Rath zu, der Visitation der in dem Land hin und wieder befindlichen Schreib- Rechen- und Buchhalter-Schulen (in welchen eben die zur Kauffmannschafft gewidmete Jugend ihre erste Gründe legen muß) zu geschweigen. Daß also hieraus gnugsam zu ersehen ist, daß ein Commercien-Rath der Kunst des Rechnens und Buchhaltens insonderheit erfahren seyn müsse.  
  Nicht weniger muß er auch ein guter Historicus seyn, denn die Geschichts-Kunde ist eben dasjenige, woraus die Commercien ihre Nachricht erhalten, was vor Fatalitäten dieselbige von so vielen Jahrhunderten her betroffen haben, wie nemlich das bis am Himmel erhobene und seiner weiten und breiten Handlung wegen in der Heil. Schrifft so berühmte Tyrus, ingleichen die Beherrscherin des Mittelländischen Meeres die Stadt Rhodus, die beyde mächtige Emporia an der Ost-See Vineta und Julinum, welchen man auch die auf der Insel Gothland gelegene grosse Ansee- und Handels-Stadt Wisbuy, ferner das mit Rom um die Herrschafft der Welt so lange Zeit streitende Carthago an dem Africanischen Ufer, welches alles mächtige Kauff- und Handels-Städte gewesen, beyzählen möchte, theils gar nicht mehr seyn, theils nur in ihren Überbleibsalen und Steinhauffen, oder doch in einem andern schlechten Zustand zu finden.  
  Die Historie lehret uns ferner, wie vormals Venedig, ehe die Spanier, Portugiesen, und Holländer die Farth um das Caput bonae Spei nach Ost-Indien erfunden, den gantzen Gewürtz-Handel, welchen sie über Persien und das rothe Meer an sich gezogen, allein in gantz Europa getrieben, dadurch grossen Reichthum erworben, die Genueser aber ihren Handel bis weit hinein in das schwartze Meer erstrecket, und daselbst Königreiche und Provintzien im Besitz gehabt haben.  
  Aus der Historie ersiehet man, daß die Flämminger, welche Franckreich am nähesten gelegen, die ersten gewesen, die sich mit der Weberey zu ernähren angefangen, welches denn der junge Baudewien von Flandern ohngefähr um das Jahr Christi 960 mercklich befördert, indem er daselbst an unterschiedlichen Örtern Jahrmärckte angeordnet, auch dieselbe mit Freyheit (ohne Bezahlung einigen Zolls, von allen ein- und ausgehenden Waaren) begabet hat. Durch diese Gelegenheit fieng der Kauff-Handel fast in die 300 Jahren nach einander zu wachsen an (wie wohl die Waaren nur in Franckreich und Deutschland verhandelt wurden) bis einiger Pressuren halber die Weberey aus denen Städten zum Theil auf die Dörffer, und hernach durch die Kriege zwischen Franckreich und Flandern, gar von diesem letztern Lande nach Löven in Brabant verjagt worden.  
  Jedoch seyn die Bra-  
  {Sp. 938}  
  bander hierdurch nicht vorsichtiger geworden, immassen eben diese Ursachen, nemlich die Pressuren der Tuchmacher, in denen Städten, ingleichen die schweren Imposten auf die Nahrung, und der stetswährende Krieg wider Franckreich, ohngefehr hundert Jahre darnach den Weber an zu vielen Aufrühren Anlaß gegeben, indem nicht allein in Flandern, als woselbst unter andern im Jahr 1303 auf den Tuch-Halten, der Voigt mit den zehen Schöpffen, oder dem gantzen Rath, todtgeschlagen worden, und im Jahr 1301 zwey Schöpffen und eilff andere Personen deswegen ihr Leben einbüßen müssen, auch 1302 zu Brügge mehr, als 1500 Menschen getödtet wurden, sondern auch in Braband, und zwar vornemlich zu Löven, da in einem grossen Aufruhr unterschiedliche Personen von der Obrigkeit auf dem Rath-Hause todt geschlagen worden. Nachdem aber viele der Rädelsführer hierauf in Engelland geflohen, haben sie zuerst die Wissenschafft der Drappereyen dahin gebracht, viele andere aber haben sich in die Länder über die Maaß gelegen, und in Holland vertheilet, noch andere haben sich zu Leyden niedergelassen.  
  Inzwischen hatten die Deutschen Creutz-Herren im Jahr 1200 unter dem Schein die Heyden zum Christlichen Glauben zu bekehren, sich des fetten und reichen Preussen, wie auch Lieflandes, der Weichsel- Pregel- und Düna-Ströme, und folgends alles dessen, was aus Pohlen, Litthauen und Rußland von oben her nach der See muste gebracht werden, bemächtiget, bey welcher Gelegenheit die Städte angefangen, die groben Waaren von dannen zu holen, und solche nach dem Niederland, Engelland, und Franckreich zu führen, auch wiederum von denen Örtern andre zu holen und selbige, wo daran Mangel war, hinzuführen.  
  Nachdem sie aber ohngefehr im Jahr Christi 1360 von wegen des Krieges zwischen Dännemarck und Schweden sehr beschädiget worden, und neben andern das berühmte Wisbuy geplündert ward, da haben 66 Städte zu Befriedigung der freyen Schiffarth und des Kauff- Handels, ein Verbündniß gemacht, vermittelst dessen sie durch den Handel nach Osten starck genug geworden, allein die Handlung zu behaupten, und alle andere Völcker aus der See zu halten, welches denn von der Zeit an, bis in das Jahr 1400 gewähret, da man erstlich erfunden, wie man den Hering einsaltzen, und die Fischerey je mehr und mehr mit dem See-Handel vermehren könnte.  
  Solches hatte gleichfalls zu Brügg einen guten Fortgang, bis in das Jahr 1482, da in Flandern ein Krieg, welcher zehen Jahr währete, wider den Ertz-Hertzog Maximilian wegen der Vormundschafft seines Sohns und dessen Länder sich versponnen, in welcher Zeit Sluys, als der See-Hafen von Brügge, meistentheils versperret gewesen. Diese Gelegenheit nahmen die von Antwerpen und Amsterdam, als welche dem Ertz-Hertzog zugethan waren, wohl wahr, damit sie den Kauff-Handel dadurch an sich zühen möchten. Denn weil vermittelst des Levantis. Handels die Italiäner den Saamen der Seiden-Würmer aus China und Persien überkommen hatten, ist derselben Seiden-Weberey, weil sie viel dieser ihrer gemachten Seiden-Waaren zu Ant-  
  {Sp. 939|S. 479}  
  werpen zu verkauffen anfiengen, überall bekannt geworden.  
  Daneben ward auch West- und Ost-Indien durch die Spanier und Portugiesen erfunden, welche ihre Specereyen und Waaren auch zu Antwerpen verhandelten, und weil auch, als die Niederländische Drapperey sich meistentheils nach Engelland gezogen, die Englischen ihren Stapel zu Antwerpen angestellet, als hat solches alles unterschiedliche Neuerungen in dem Kauff-Handel verursachet.  
  Dann erstlich ward hierdurch Antwerpen eine der berühmtesten Handels-Städte, die iemals in der Welt gewesen, immassen dieselbe auf viele Schiffe nach Franckreich, Engelland, Spanien und Italien sandte.  
  Zum andern, ob wohl die Östersische Ansee-Städte zu Antwerpen das Östersche Haus baueten, und den Stapel dahin legten, so hatten sie doch die Gelegenheit nicht, auf einem Boden das Korn von Osten (der mit Spanien und Italien neu-angerichteten Handlung gemäß) so weit hinzuführen, sondern es muste abgeladen werden, damit es nicht verderben möchte. Fürnehmlich, da noch hinzu kam, daß die weit abgelegene Länder keine gantze Schiffs-Ladung von groben und rohen, oder auch denen allhier gemachten Waaren, und zugleich den gesaltzenen Fisch könnten verhandeln.  
  Zum dritten war die Holländische Fischerey mit Kabbeljau und Hering, und die gute Gelegenheit auch hiesigen Landes alles zu verkauffen und zu verführen eine Ursach, daß der Östersche Handel meistentheils nach Amsterdam, und zum Theil nach Engelland versetzet ward.  
  Wann man hierauf in die Historie der jüngeren Zeiten eingehet,  
 
  • so siehet man ferner, wie endlich die Holländer zu ihrer grossen Handlung gekommen, wie sie und andere Nationen vielmals mit Franckreich wegen der Zölle, und sonderlich wegen des so genannten Faß-Geldes grosse Streitigkeiten gehabt,
  • ingleichen, was zwischen Engelland und Holland wegen des Hering-Fanges auf den Schottischen Küsten, wegen der Sache von Bantam, in Ost-Indien, zwischen Spanien und Schottland wegen dieses letztern seiner aufgerichteten Colonie, in Darien, in America, geschehen,
  • man siehet auch,
    • wie zu unterschiedlichen mahlen von Engelländern und Holländern ein Weg, um die Nord-Cap nach China und Ost-Indien zu kommen, gesuchet worden,
    • wie der Hertzog von Hollstein eine kostbare Gesandtschaft nach Persien gesandt, um zwischen selbigem Königreich und Deutschland ein Cominercium aufzurichten,
    • wie im Jahr 1664 eine Orientalische Compagnie in Wien aufgerichtet worden, den Handel die Donau hinauf aus Deutschland nach der Türckey zu treiben, und wie eben dieses Werck, ob es wohl an sich selbst der Kayserlichen Residentz-Stadt Wien, als auch gantz Deutschland zu grossem Nutzen hätte gereichen können, dennoch wenig Zeit hernach in seiner schönsten Blüthe schon wieder abgefallen und vernichtet worden,
 
  und was dergleichen merckwürdige Begebenheiten mehr seyn, welche in die Kauffmanns-Historie gar füglich hinein lauffen, einem verständigen Commercien-Rath aber zu allerhand Nachsinnen, das er sich hernach in seinem Amte seines Orts zu Nutze machen  
  {Sp. 940}  
  kan, Anlaß geben können. Er nimmet nehmlich daraus nach veränderten Umständen, was ihm zu gleichmäßigen, nützlichen Vorschlägen dienlich seyn kan, und richtet auch seine Rathschläge dergestalt ein, damit dasjenige vermieden werde, was andern schädlich ausgefallen, und was ihnen hingegen Nutzen gebracht, daß solches auch in dem Lande oder der Stadt, vor dessen Commercien-Aufnahme er zu sorgen hat, gleich also möge eingeführet werden.  
  Nachdem aber die Historie ohne die Erkänntniß des Staats-Rechts, sich nicht füglich gebrauchen läst, sondern in der Application mit demselben verbunden seyn will, als muß ein habiler Commercien-Rath auch zugleich ein guter Publicist seyn, insonderheit muß er wissen, in was vor Vernehmen hohe Potentaten und ihre Länder, Staaten und Republicken, in Ansehung ihrer Commercien, mit einander stehen, wie des Landes, in welchem er gebrauchet wird, seyn Interesse in Commercien-Sachen nicht allein in dem Stand, in welchem es gegenwärtig ist, und bey welchem es sich wohl befindet, beyzubehalten, sondern auch noch täglich zu verbessern, und mit Benachbarten und Ausländern die Handlung auf festen Fuß zu setzen.  
  Ingleichen, wie solche durch darüber aufzurichtende Tractaten und Verträge am füglichsten geschehen könne, wobey er ferner nicht allein die Acten und öffentlichen Documente (welche von etlichen Jahrhunderten her in dem Stadt- oder Kauffmanns-Archiv, oder auch in dem, welches ein Commercien-Collegium selbst sammlet und anleget, zu finden) durchblättern, und das Nothwendigste daraus excerpiren muß, sondern es müssen auch die gegenwärtige Verfassungen ausländischer Staaten und Republiquen, die unter sich, oder auch mit dem Land oder Stadt, in welcher er dienet, neu-aufgerichtete Commercien-Tractaten, und was deme mehr anhängig, bekannt seyn, die gegenwärtige Welt-Conjuncturen ihme auch dergestalt zur reiffen Speculation dienen, daß er zum Bestand seiner An- und Rathschläge das Beste und Notwendigste daraus sich zu Nutzen mache, sonderlich wenn es ietzt an deme wäre, daß er der hohen Landes-Obrigkeit, auf gnädigstes Begehren, Deductionen und Relationen darüber machen, oder gar Projecte und auf das jus publicum, Statutarium et Provinciale gegründete Memorialia aufsetzen solte, deren man sich etwan bey Friedens-Tractaten, Gesandtschafften und Allianzen, Commißionen, Reichs- Land- und Kreyß-Tagen, zum besten dasiger Landes Commercien, gebrauchen könnte.  
  Wer nun solcher gestalt ein guter Publicist ist, der wird Zweiffels ohne auch in dem Bürgerlichen Rechte das Seinige gethan haben, weil es bey einem wohlbestellten Commercien-Collegio gar sehr viel auf die Wissenschafft der Rechte, sonderlich der Kauffmännischen, und der darinnen abgefaßten Statuten eines jeden Ortes, ankommet, als muß ja billig ein Commercien-Rath in solchem versiret seyn, zumahl wann ihme von dem Collegio die darinnen vorfallende Rechts-Händel hauptsächlich zu respiciren, solten aufgetragen werden, ingleichen wann von auswärtigen etwan Responsa auf ein und andern streiti-  
  {Sp. 941|S. 480}  
  gen Mercantilischen Casum verlanget, oder auch unter gegenwärtigen streitigen Partheyen, nach der kurtzen Kauffmännischen Proceß-Form, de simplici et plano, jedoch Statuten- und Usantzgemäß verabschiedet und gesprochen werden solte.  
  Er muß wissen,  
 
  • was ein Kauffmann sey,
  • wie seine Person beschrieben werde,
  • ob derjenige, welcher kauffet und verkauffet, gleich ein Kauffmann zu nennen sey, oder nicht,
  • wie ein Kauffmann von gemeinen Händlern differire,
  • wie weit er mit gutem Gewissen seine Waare steigern oder damit abschlagen könne,
  • ob ein Commissarius oder Factor gleicher Privilegien, als ein Kauffmann genüsse,
  • was ein Negotiorum gestor, und was er zu prästiren schuldig sey,
  • wie weit er seinen Principalen obligiren könne, oder nicht,
  • was anderer Handels-Bedienten, und in Summa aller derjenigen, welche eines andern Geschäffte verrichten, ihr Recht sey,
  • welchen Personen Kauffmannschafft zu treiben verboten werde, und welche dannenhero auch der Kauffmännischen Privilegien nicht fähig seyn können,
  • was von der Fürsten und Herren, wie auch des Adels, seiner Kauffmannschafft zu halten, und ob ihnen, Kauffmannschafft zu treiben, könne zugelassen werden,
  • was es vor eine Beschaffenheit mit der Handlung, die mit heydnischen und ungläubigen Völckern, mit Juden und Ketzern geschiehet, habe,
  • wie weit die Fremde in einem Land oder Stadt, Handlung darinnen zu treiben, zuzulassen seyn,
  • wie eine Christliche Obrigkeit der Juden ihr Commercium, und schädlichen Wucher einzuschränken habe,
  • was ein Salvus Conductus, oder ein sicher Geleit sey, und wie sonderlich dasselbe zu Meß-Zeiten denen Kauffleuten und Reisenden zu leisten,
  • was fremde Kauffleute, welche hieselbst mit Tode abgehen, vor ein Recht haben, und wie weit ihre Testamente gültig seyn oder nicht,
  • was Cessio bonorum und Fristungs-Brieffe bey denen Kauffleuten heissen,
  • wem dergleichen Beneficien zuzulassen, und zu ertheilen seyn,
  • was vor eine Sicherheit und Freyheit die Kauffleute und ihre Commercien in denen Flüssen, auf der See, am Strand oder Ufer, und in denen See-Häfen zu genüssen haben, auch was deßfalls das Jus Postliminii bedeute, und wie weit solches bey gemeinen Freunden statt finde,
  • wie ferner denen Kauffleuten in Kriegs-Zeiten zu ihrer Sicherheit zu verhelffen,
  • und was vor Waaren Handlung getrieben werden könne,
  • und im Fall, daß selbige verpfändet würden, wie alsdenn die Priorität statt habe,
  • welchergestalt auch der Zoll auf solche vermindert oder erhöhet werden müsse.
 
 
  • Was wegen der Confiscation der Kauffmanns-Waaren Rechtens sey,
  • was insonderheit die Kauffahrtey-Schiffe vor ein Recht genüssen,
  • wie mancherley die Contracte unter Kauffleuten seyn,
  • wie ihre Gerichts- und Proceß-Form, Exceptionen und Beweiß beschaffen seyn müssen,
  • und was endlich in dem Urtheilfassen, und Verabscheiden, auch wegen der Appellation, wann und wie weit, auch in welchen Fällen solche von dem Handels- Gericht an eine höhere Instantz geschehen könne, zu bemercken sey,
  • und was etwan dergleichen Rechts-Händel mehr seyn möchten.
 
  Endlich so möchte man auch von einem salarirten Commercien-Rath prätendiren können, daß er ein guter Philosoph sey, dann durch die Philosophie hat der weise Thales Milesius vorhersehen können, daß  
  {Sp. 942}  
  das künfftige Jahr das Öl theuer werden würde, dahero er zur wohlfeilen Zeit alles Öl, so er nur bekommen können, auffgekauffet, und hernach solches bey erfolgendem Mißwachs wieder theuer verkauffet, dadurch er dann beweisen wollen, daß es einem Philosophen gar ein geringes wäre, durch die Commercien reich zu werden, vid. Menoch. de arbit. jud. ... et Cl. Salmas. de usur. ...
  also stehet auch nicht zu läugnen, daß durch die Wissenschafft der Philosophie viel nützliches zum gemeinen Handel und Wandel könne ausgerichtet werden.  
  Es ist zwar wahr, daß wenig Subjecta werden anzutreffen seyn, die dergleichen Wissenschafften und Requisita obbeschriebener massen nach besitzen solten; jedoch ist solches auch nicht eben nöthig, wenn es ja nicht geändert, oder ein so vollkommenes Subjectum angetroffen werden kan, an welchem es jedoch mit der Zeit nicht fehlen würde, wann hiernächst auf Universitäten die studirende Jugend auch zu dem Studio, und allem, was davon dependiret, solte angeführet werden. Selbst auch unter den salarirten Commercien-Räthen, findet sich noch manches gute Subjectum, welches, wo nicht in allen, doch in einer Wissenschafft, etwas prästiren kan, dadurch es dem Landes-Herrn und seinen Unterthanen Nutzen schafft, und den Lohn, den er zühet, schon mit Recht und gutem Gewissen verdienet, wie dann auch, wenn er sich in diesen beyden Requisitis nicht gerecht wüste, er solchen zu prätendiren sehr übel thun würde.  
  Was die mit dem Prädicat eines Commercien-Raths beehrte, reiche Kauffleute, welche um des Landes-Herrn seinen Cammer- und Hoff-Staat sich verdient gemacht, und ausser dem blossen Prädicat keine Gage fordern, betrifft, so ist solches ebenfalls nicht übel gethan, indem ihnen das solcher gestalt aus Gnaden des Fürsten conferirte Ehren-Prädicat ein Ansehen und Distinction vor andern ihresgleichen, sonderlich bey Ausländern, giebet, auch eine Marque ihrer guten Aufführung und lobwürdigen Qualitäten ist, und sie auch noch mehr und mehr anspornet, durch fernere, dem Hof- und Cammer-Staat, wie auch denen Lands- und Stadt-Commercien erzeigte Dienst-Leistungen, und andere tugendhaffte Qualitäten, sich desselben würdig zu machen. Marperger in der ersten Fortsetzung seiner so nöthigen als nützlichen Fragen über die Kauffmannschafft ... Auch finden sich daselbst ... Special-Positiones, über welche ein Commercien-Rath, ehe er angenommen wird, vorher thetice und hypothetice könne befraget werden.  
     

HIS-Data 5028-30-934-13: Zedler: Rath (Commercien-) HIS-Data Home
Stand: 27. Januar 2013 © Hans-Walter Pries