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Text |
Quellenangaben |
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Rath (Commercien-) heissen solche
Räthe,
welche den
Handel besorgen. |
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Sie sind entweder
würckliche oder
Titular-Commercien-Räthe. |
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Von einem würcklichen, und folglich salarirten oder
Besoldung zühenden Commercien-Rath wird
erfordert, daß er erstlich gut
Latein
wisse,
und zwar in der Fertigkeit, daß er darinn einen
feinen Brieff,
Concept
und Memorial aufsetzen, fertig in solchen
von Commercien-Sachen discuriren und peroriren könne. Denn
weil es sich vielmahls zuträgt, daß mit fremder
Sprach Nationen zu negociiren, an ausländischen
Höfen einen
Vortrag in Lateinischer Sprache zu
thun,
ein Memorial in solcher zu präsentiren, oder auch
ein dergleichen von andern in solcher Sprache
übergebenes zu beantworten, ihme aufgetragen
wird; als wird ja
billig die Känntniß solcher
Sprache an ihm erfordert, zu geschweigen, daß
sie das Fundament etlicher anderer Sprachen ist,
und auch viele
Autoren, die von Commercien-Sachen
geschrieben, sich derselben bedienet
haben. |
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Hiernächst
muß er auch anderer heutiges
Tages
gebräuchlicher ausländischer Sprachen
kundig seyn, sonderlich der
Frantzösischen und
Italiänischen, so, daß wo er sie nicht beyde, er
doch eine |
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{Sp. 935|S. 477} |
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davon fertig schreiben und
reden könne, und
wann die Situation des
Landes oder der
Stadt, in
welcher er wohnhafft ist, eine Nation von
verschiedener Sprache zum Nachbarn, oder doch
grossen Handels-Verkehr zu Wasser oder zu
Land mit derselben hat, so muß er
vornehmlich
solche Sprache sich auch bekannt machen, damit
man in vorfallender Angelegenheit sich seiner
bedienen könne. |
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Er muß ferner ein guter
Geographus seyn, und
die Land- und See-Charten wohl kennen, und
zwar kommt es darinnen nicht bloß auf eine
mittelmäßige
Wissenschafft an, daß man etwan
einen und den andern
Ort, wo solcher liege, auf
der Land-Charte zu weisen wisse, sondern er
muß auch eine genaue Wissenschafft alles
dessen, was zur
Erd-Beschreibung
gehöret, besitzen, als
z.E. |
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- wie die Gegend des Landes, in welchem er
dienet, in Ansehung der Himmels-Gegend und
Elevation des Pols, anderer benachbarter Länder gelegen
sey,
- was es vor ein Clima habe,
- wie das
Erdreich
beschaffen,
- ob es Schiffreiche Flüsse, oder
sichere See-Hafen habe,
- wie diejenigen Länder
gelegen seyn, nach welchen hiesiger
Einwohner
ihre
Handlung am meisten gehet,
- was man vor fremde
Territoria zu Land und
vor Seen, oder
Fahr-Wässer, Canäle,
gantze oder halbe
Inseln, Küsten und Vorgebürge zu Wasser
passiren
müsse, ehe man dahin gelange;
- ingleichen, was vor Hindernisse denen
Reisenden
hier und dar zustoßen können,
- was vor
Veranstaltungen zu Land und Wasser zu machen
seyn
möchten, denen
Commercirenden
Unterthanen ihre Handelschafft zu erleichtern,
- und dergleichen
mehr.
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Mit der Geographie ist auch genau verwandt
die Mathematick, dahero dann auch ein in
Besoldung stehender Commercien-Rath derselben
vor allen kundig seyn
soll, dann wie vielerley die
Kaufmannschafft angehende Vorfälle erzeigen
sich nicht, welche alle durch Hülffe der
Mathematischen Wissenschafften befördert,
gehoben,
untersuchet und entschieden werden
müssen. |
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Da kommen erstlich vor aus der Civil-Bau-Kunst, die zu der Kauffmannschafft ihrer
Nothwendig- Nutzbar- und Zierlichkeit erforderte
Gebäude, als nehmlich |
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- prächtige Börsen,
- Kauff-Häuser,
- See-Häfen,
- Leucht-Thürme,
- Waag-Häuser,
- vielerhand
Arten von Mühlen-Magazinen und dergleichen,
- ferner in Wasser-Gebäuden, Dämme, Schläusen,
neue Treck- und Rivier-Fahrten,worzu man den Schiff-Bau, ingleichen die so
genannten Krane, und
andere Machinen, mit welchen die
Güter aus den
Schiffen auf das Land gewunden werden,
zählen
möchte,
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bey diesen allen muß der Commercien-Rath,
mit projectiren, Grund- und Abriß machen, auch
über die von andern gemachte zu
urtheilen, die
daran befindliche Fehler zu
verbessern, einen
Bau
selber im
Namen des Commercien-Collegii
(wenn solcher auf dessen Unkosten geführet wird,
zu dirigiren) nicht ungeschickt seye; sonderlich
wird ihm die Structur so vielerhand Schiffe, deren
Capacität und Ausmessung, auch selbst die
Steuermanns-Kunst, und welcher massen ein
Schiff
glücklich durch die
See in erwünschten
Hafen zu bringen sey, etlicher massen bekannt
seyn müssen, weil sonsten, wann darinnen Strei-Sachen
oder
Fragen
vor dem Commercien-Collegio vorfallen
solten, sein |
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{Sp. 936} |
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Votum,
Meynung und rechtliche
Erkänntniß nur auf schwachen Füssen beruhen
würde, des unbeschreiblichen
Nutzens, den die
Mechanick, welche auch ein Stück der
Mathematick ist, in
Manufacturen, denen darzu
erforderlichen Maschinen und
Werckzeug,
sonderlich aber in Bergwercken giebet, zu
geschweigen. |
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Ob nun wohl zu diesen letztern gemeiniglich
solche Leute sich finden, die
gantz allein und ins
besondere auf solche Bergwercks-Maschinen sich
verstehen, so müssen sie doch auch einem der
Mathematickkundigen Commercien-Rath nicht
unbekannt seyn, weil die Commercien eine so
genaue Verwandniß mit den Bergwercken
haben, daß sie gar gern in die Känntniß
desjenigen, was selbige angehet, hinein sehen
mögen. |
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Da auch die Arithmetick oder Rechenkunst,
welcher das Buchhalten beyzufügen, eine
Tochter von der Mathematick ist, so ist gleichfalls
ihre
Wissenschafft einem Commercien-Rath
unentbehrlich, und möchte man flugs vor einem
solchen, der die Rechenkunst nicht verstehet, und
doch in Commercien-Sachen rathen
will, die Thür
des Commercien-Collegii zuschlüssen, wie dorten
der weise Plato an seiner
Schule zu Athen
gethan,
über welcher ihre Thüre er
schreiben ließ: Daß
niemand, der der Rechen- und Erdmeß-Kunst unerfahren
wäre, daselbst hinein gehen solte, und würde fast
ein der Arithmetick unerfahrener Commercien-Rath mit einem Prediger zu vergleichen seyn, der
die beyden Grund-Sprachen,
Hebräisch und
Griechisch nicht verstehet, da doch die
Erklärung
des Texs so vielfältig aus denenselben Muß
hergenommen werden. |
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Ein Commercien-Rath hat ja mit über
streitige Handels-Rechnungen zu
erkennen, alles
kommet bey denen
Kauffleuten auf das
Mein und
Dein an, ein jeder will in seiner Rechnung
Recht haben, und wo sie nicht einig werden
können, so wird auf des Commercien-Collegii
Ausspruch sich beruffen, wie würde es denn dem
Richter anstehen, wenn er das Recht, in welchem
die streitende Partheyen versiren, selbst nicht
wissen solte, nicht aber ist es in diesem allein,
daß die Rechenkunst ihren Nutzen hat, sondern
es kommen auch noch viele andere Fälle vor, in
welchen sie unentbehrlich ist, als nehmlich in
Müntz-Sachen, es sey, daß ein Commercien-Collegium die Besorgung des Müntz-Wesens
selber auf sich habe, oder das fremde Müntz-Sorten, Maase und Gewichte in die hiesige
reduciret, oder auch die
verschiedene Land-Maasen und Gewichte alle auf einen Fuß gesetzet
werden sollen. |
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Da auch dem Commercien-Collegio groß daran
gelegen, daß dasselbe des Landes
Ein- und
Auskünffte
jährlich in einer
ordentlichen Bilantz
habe, um daraus zu sehen, wie sie gegen
einander harmoniren, oder um wie vieles eines
das andere übertreffe, so ist ja hierzu die
Wissenschafft der Rechenkunst und des Buchhaltens höchst
nöthig, zumahl da auch in diesem
letztern, so gar viele bey dem Collegio
vorkommende Vorfälle sich ereignen, welche der
Richter zuvor selber erst wissen muß, ehe er die
benöthigte
Gesetze darüber abfassen kan. |
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Daß aber deren unterschiedliche gemachet
werden müssen, bezeuget unter andern auch die
Frantzösische Commercien-Ordnung, in welcher
ein
gantzer
Titel, wie der
Kauffleute Bücher
beschaffen seyn
sollen, zu finden ist, so |
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{Sp. 937|S. 478} |
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seynd auch ohnedem die
Rechts-Verordnungen bekannt, was vor
Eigenschafften
der Kauffleute ihre Bücher haben müssen, wenn
selbige vor
Gericht gültig seyn
sollen, ein
Commercien-Collegium selbst hat seine vielfältige
Einnahme und Ausgabe, seine zum gemeinen
Landes
Besten angerichtete Geld-Versuren und Fundos. Ob nun
wohl hierzu ein
eigener Buchhalter
bestellet seyn
möchte,
so kommet doch die Ober-Aufsicht den Gliedern des Collegii und also auch einem
Commercien-Rath zu, der Visitation der in dem
Land hin und wieder befindlichen Schreib- Rechen- und
Buchhalter-Schulen (in welchen eben die zur
Kauffmannschafft gewidmete Jugend ihre erste
Gründe legen
muß) zu geschweigen. Daß also hieraus gnugsam zu ersehen ist, daß ein
Commercien-Rath der Kunst des Rechnens und
Buchhaltens insonderheit erfahren seyn
müsse. |
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Nicht weniger muß er auch ein guter
Historicus seyn, denn die Geschichts-Kunde ist
eben dasjenige, woraus die
Commercien ihre
Nachricht erhalten, was vor Fatalitäten dieselbige von
so vielen
Jahrhunderten her betroffen haben, wie
nemlich das bis am Himmel erhobene und
seiner weiten und breiten
Handlung wegen in der
Heil. Schrifft so
berühmte
Tyrus, ingleichen die Beherrscherin
des Mittelländischen Meeres die Stadt Rhodus, die beyde
mächtige
Emporia an der Ost-See
Vineta und Julinum, welchen man auch die
auf der Insel Gothland gelegene grosse Ansee- und
Handels-Stadt
Wisbuy, ferner das mit Rom um die
Herrschafft der
Welt so lange
Zeit streitende Carthago an dem
Africanischen Ufer, welches alles mächtige Kauff-
und Handels-Städte gewesen, beyzählen möchte, theils gar nicht mehr seyn, theils
nur in ihren Überbleibsalen und Steinhauffen, oder doch in
einem andern schlechten
Zustand zu finden. |
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Die
Historie lehret uns ferner, wie vormals
Venedig, ehe die Spanier, Portugiesen, und
Holländer die Farth um das Caput bonae Spei nach Ost-Indien
erfunden, den
gantzen
Gewürtz-Handel, welchen
sie über Persien und das rothe Meer an sich
gezogen, allein in gantz
Europa getrieben,
dadurch grossen
Reichthum erworben, die Genueser aber
ihren Handel bis weit hinein in das schwartze
Meer erstrecket, und daselbst
Königreiche und
Provintzien im Besitz gehabt haben. |
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Aus der Historie ersiehet man, daß die Flämminger,
welche Franckreich am nähesten gelegen, die
ersten gewesen, die sich mit der Weberey zu
ernähren angefangen, welches denn der junge
Baudewien von Flandern ohngefähr um das
Jahr Christi 960
mercklich befördert, indem er daselbst an
unterschiedlichen
Örtern
Jahrmärckte angeordnet,
auch dieselbe mit
Freyheit (ohne Bezahlung
einigen Zolls, von allen
ein- und ausgehenden
Waaren) begabet hat. Durch diese
Gelegenheit
fieng der Kauff-Handel fast in die 300 Jahren
nach einander zu wachsen an (wie wohl die
Waaren nur in Franckreich und
Deutschland
verhandelt wurden) bis einiger Pressuren
halber die Weberey aus denen
Städten zum
Theil
auf die
Dörffer, und hernach durch die
Kriege
zwischen Franckreich und Flandern, gar von
diesem letztern Lande nach Löven in Brabant
verjagt worden. |
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Jedoch seyn die Bra- |
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{Sp. 938} |
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bander hierdurch nicht vorsichtiger geworden,
immassen eben diese
Ursachen, nemlich die
Pressuren der Tuchmacher, in denen Städten,
ingleichen die schweren Imposten auf die Nahrung, und
der stetswährende Krieg wider Franckreich,
ohngefehr hundert Jahre darnach den Weber an zu
vielen Aufrühren Anlaß gegeben, indem nicht allein
in Flandern, als woselbst unter andern im Jahr
1303 auf den Tuch-Halten, der Voigt mit den
zehen Schöpffen, oder dem
gantzen
Rath,
todtgeschlagen worden, und im Jahr 1301 zwey
Schöpffen und eilff andere
Personen deswegen ihr
Leben einbüßen
müssen, auch 1302 zu Brügge
mehr, als 1500
Menschen getödtet wurden,
sondern auch in Braband, und zwar
vornemlich
zu Löven, da in einem grossen Aufruhr
unterschiedliche Personen von der
Obrigkeit auf
dem Rath-Hause todt geschlagen worden.
Nachdem aber viele der Rädelsführer hierauf in
Engelland geflohen, haben sie zuerst die
Wissenschafft der Drappereyen dahin gebracht, viele andere aber
haben sich in die Länder über die Maaß gelegen,
und in Holland vertheilet, noch andere haben sich
zu Leyden niedergelassen. |
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Inzwischen hatten die Deutschen Creutz-Herren im
Jahr 1200 unter dem Schein die
Heyden zum
Christlichen
Glauben zu bekehren,
sich des fetten und
reichen
Preussen,
wie auch Lieflandes, der
Weichsel- Pregel- und Düna-Ströme, und folgends alles
dessen, was aus Pohlen, Litthauen und Rußland
von oben her nach der See muste gebracht
werden, bemächtiget, bey welcher
Gelegenheit die
Städte angefangen, die groben Waaren von
dannen zu holen, und solche nach dem
Niederland, Engelland, und Franckreich zu führen,
auch wiederum von denen
Örtern andre zu holen
und selbige, wo daran
Mangel war, hinzuführen. |
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Nachdem sie aber ohngefehr im
Jahr Christi
1360 von wegen des
Krieges zwischen
Dännemarck und Schweden sehr beschädiget
worden, und neben andern das berühmte
Wisbuy geplündert ward, da haben 66 Städte zu
Befriedigung der freyen Schiffarth und des Kauff-
Handels, ein Verbündniß gemacht, vermittelst
dessen sie durch den
Handel nach Osten starck
genug geworden, allein die
Handlung zu
behaupten, und alle andere
Völcker aus der See
zu halten, welches denn von der
Zeit an, bis in
das Jahr 1400 gewähret, da man erstlich
erfunden, wie man den Hering einsaltzen, und die
Fischerey je mehr und mehr mit dem See-Handel
vermehren könnte. |
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Solches hatte gleichfalls zu Brügg einen
guten Fortgang, bis in das Jahr 1482, da in
Flandern ein Krieg, welcher zehen Jahr währete,
wider den Ertz-Hertzog Maximilian wegen der
Vormundschafft seines
Sohns und dessen
Länder sich versponnen, in welcher Zeit
Sluys, als der
See-Hafen von Brügge, meistentheils versperret
gewesen. Diese Gelegenheit nahmen die von
Antwerpen und Amsterdam, als welche dem Ertz-Hertzog zugethan waren, wohl
wahr, damit sie den
Kauff-Handel dadurch an sich zühen
möchten.
Denn weil vermittelst des Levantis. Handels die Italiäner
den Saamen der Seiden-Würmer aus China und
Persien überkommen hatten, ist derselben Seiden-Weberey, weil sie viel dieser ihrer gemachten
Seiden-Waaren zu Ant- |
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{Sp. 939|S. 479} |
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werpen zu
verkauffen anfiengen, überall
bekannt geworden. |
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Daneben ward auch West- und Ost-Indien
durch die Spanier und Portugiesen erfunden,
welche ihre Specereyen
und
Waaren auch zu Antwerpen
verhandelten, und weil auch, als die
Niederländische Drapperey sich meistentheils nach Engelland
gezogen, die Englischen ihren
Stapel zu
Antwerpen angestellet, als hat solches alles
unterschiedliche Neuerungen in dem Kauff-Handel
verursachet. |
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Dann erstlich ward hierdurch Antwerpen eine
der
berühmtesten Handels-Städte, die
iemals in
der
Welt gewesen, immassen dieselbe auf viele
Schiffe nach Franckreich, Engelland, Spanien und
Italien sandte. |
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Zum andern, ob wohl die Östersische Ansee-Städte zu Antwerpen
das Östersche
Haus
baueten, und den Stapel dahin legten,
so hatten sie doch die
Gelegenheit nicht, auf
einem Boden das Korn von Osten (der mit
Spanien und Italien neu-angerichteten
Handlung gemäß) so weit hinzuführen, sondern
es muste abgeladen werden, damit es nicht
verderben möchte. Fürnehmlich, da noch hinzu
kam, daß die weit abgelegene Länder keine
gantze Schiffs-Ladung von groben und rohen,
oder auch denen allhier gemachten Waaren,
und zugleich den gesaltzenen Fisch könnten
verhandeln. |
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Zum dritten war die Holländische
Fischerey mit Kabbeljau und Hering, und die
gute Gelegenheit auch hiesigen Landes alles zu
verkauffen und zu verführen eine
Ursach, daß
der Östersche Handel meistentheils nach Amsterdam, und
zum
Theil nach Engelland versetzet ward. |
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Wann man hierauf in die
Historie
der jüngeren
Zeiten
eingehet, |
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- so siehet man ferner, wie endlich die Holländer zu ihrer grossen
Handlung gekommen, wie sie und andere
Nationen vielmals mit Franckreich wegen der
Zölle, und sonderlich wegen des so genannten
Faß-Geldes grosse Streitigkeiten gehabt,
- ingleichen, was zwischen Engelland und Holland
wegen des Hering-Fanges auf den Schottischen
Küsten, wegen der Sache von Bantam, in Ost-Indien, zwischen
Spanien und Schottland wegen dieses letztern
seiner aufgerichteten Colonie, in Darien, in America,
geschehen,
- man siehet auch,
- wie zu
unterschiedlichen mahlen von Engelländern und
Holländern ein Weg, um die Nord-Cap nach China
und Ost-Indien zu kommen, gesuchet worden,
- wie
der
Hertzog von Hollstein eine kostbare
Gesandtschaft nach Persien gesandt, um
zwischen selbigem
Königreich und
Deutschland
ein Cominercium aufzurichten,
- wie im
Jahr
1664 eine Orientalische Compagnie in Wien aufgerichtet worden, den
Handel die
Donau
hinauf aus Deutschland nach der Türckey zu treiben, und wie eben dieses
Werck,
ob es wohl an sich selbst der
Kayserlichen Residentz-Stadt Wien, als auch
gantz
Deutschland zu grossem
Nutzen
hätte gereichen können, dennoch wenig Zeit hernach in seiner schönsten
Blüthe schon wieder abgefallen und vernichtet worden,
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und was dergleichen merckwürdige Begebenheiten mehr seyn, welche in die
Kauffmanns-Historie gar füglich hinein lauffen, einem verständigen Commercien-Rath aber
zu allerhand Nachsinnen, das er sich hernach in
seinem Amte seines
Orts zu Nutze machen |
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{Sp. 940} |
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kan, Anlaß geben können. Er nimmet
nehmlich daraus nach
veränderten
Umständen,
was ihm zu gleichmäßigen,
nützlichen
Vorschlägen dienlich seyn kan, und richtet auch
seine
Rathschläge dergestalt ein, damit dasjenige
vermieden werde, was andern
schädlich ausgefallen, und was ihnen hingegen Nutzen
gebracht, daß solches auch in dem
Lande oder der
Stadt, vor dessen Commercien-Aufnahme er
zu sorgen hat, gleich also möge eingeführet
werden. |
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Nachdem aber die
Historie ohne die
Erkänntniß des
Staats-Rechts, sich nicht füglich
gebrauchen läst, sondern in der Application
mit demselben verbunden seyn will, als muß ein
habiler Commercien-Rath auch zugleich ein guter
Publicist seyn, insonderheit muß er
wissen, in was
vor Vernehmen hohe Potentaten und ihre Länder,
Staaten und
Republicken, in Ansehung ihrer
Commercien, mit einander stehen, wie des
Landes, in welchem er gebrauchet wird, seyn
Interesse in Commercien-Sachen nicht allein in
dem
Stand, in welchem es
gegenwärtig ist, und
bey welchem es sich wohl befindet,
beyzubehalten, sondern auch noch
täglich zu
verbessern, und mit Benachbarten und
Ausländern die
Handlung auf festen Fuß zu
setzen. |
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Ingleichen, wie solche durch darüber
aufzurichtende
Tractaten und Verträge am füglichsten
geschehen könne, wobey er ferner nicht allein die
Acten und öffentlichen Documente (welche von
etlichen
Jahrhunderten her in dem
Stadt- oder
Kauffmanns-Archiv, oder auch in dem, welches
ein Commercien-Collegium selbst sammlet und
anleget, zu finden) durchblättern, und das
Nothwendigste daraus
excerpiren
muß, sondern es müssen
auch die gegenwärtige Verfassungen
ausländischer Staaten und Republiquen, die unter
sich, oder auch mit dem Land oder Stadt, in
welcher er
dienet, neu-aufgerichtete Commercien-Tractaten, und was deme mehr anhängig, bekannt
seyn, die gegenwärtige Welt-Conjuncturen ihme
auch dergestalt zur reiffen Speculation dienen, daß
er zum Bestand seiner An- und Rathschläge das
Beste und Notwendigste daraus sich zu Nutzen
mache, sonderlich wenn es ietzt an deme wäre,
daß er der hohen Landes-Obrigkeit, auf
gnädigstes Begehren,
Deductionen und Relationen darüber
machen, oder gar Projecte und auf das
jus publicum, Statutarium et Provinciale gegründete Memorialia aufsetzen
solte, deren man sich etwan
bey Friedens-Tractaten, Gesandtschafften und
Allianzen, Commißionen,
Reichs-
Land- und
Kreyß-Tagen, zum besten dasiger Landes
Commercien,
gebrauchen könnte. |
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Wer nun solcher gestalt ein guter
Publicist ist,
der wird
Zweiffels ohne auch in dem
Bürgerlichen Rechte das
Seinige
gethan
haben, weil es bey einem wohlbestellten Commercien-Collegio gar
sehr viel auf die Wissenschafft der Rechte,
sonderlich der Kauffmännischen, und der darinnen
abgefaßten
Statuten eines jeden
Ortes,
ankommet, als muß ja
billig ein Commercien-Rath in solchem versiret seyn, zumahl wann ihme
von dem Collegio die darinnen vorfallende
Rechts-Händel hauptsächlich zu respiciren, solten
aufgetragen werden, ingleichen wann von
auswärtigen etwan Responsa auf ein und andern streiti- |
|
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{Sp. 941|S. 480} |
|
|
gen Mercantilischen Casum verlanget, oder
auch unter gegenwärtigen streitigen Partheyen,
nach der kurtzen Kauffmännischen Proceß-Form,
de simplici et plano, jedoch Statuten- und Usantzgemäß verabschiedet und
gesprochen werden solte. |
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Er muß wissen, |
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- was ein
Kauffmann
sey,
- wie seine
Person
beschrieben werde,
- ob derjenige, welcher
kauffet und
verkauffet, gleich ein Kauffmann zu
nennen
sey, oder nicht,
- wie ein Kauffmann von gemeinen Händlern differire,
- wie weit er mit gutem
Gewissen
seine
Waare
steigern oder damit abschlagen könne,
- ob ein Commissarius oder Factor gleicher
Privilegien,
als ein Kauffmann genüsse,
- was ein Negotiorum gestor, und was er zu prästiren
schuldig
sey,
- wie weit er seinen Principalen
obligiren
könne, oder nicht,
- was anderer
Handels-Bedienten,
und in Summa aller derjenigen, welche eines andern
Geschäffte
verrichten, ihr
Recht sey,
- welchen Personen
Kauffmannschafft
zu treiben verboten werde, und welche dannenhero auch der Kauffmännischen
Privilegien nicht fähig seyn können,
- was von der
Fürsten
und
Herren,
wie auch des Adels,
seiner Kauffmannschafft zu halten, und ob ihnen, Kauffmannschafft zu
treiben, könne zugelassen werden,
- was es vor eine Beschaffenheit mit der
Handlung,
die mit heydnischen
und ungläubigen
Völckern,
mit
Juden
und Ketzern geschiehet, habe,
- wie weit die Fremde in einem
Land oder
Stadt,
Handlung darinnen zu treiben, zuzulassen seyn,
- wie eine
Christliche
Obrigkeit der
Juden ihr Commercium, und
schädlichen Wucher einzuschränken habe,
- was ein Salvus Conductus, oder ein sicher Geleit sey, und wie
sonderlich
dasselbe zu Meß-Zeiten denen Kauffleuten und
Reisenden zu
leisten,
- was fremde Kauffleute, welche hieselbst mit
Tode
abgehen, vor ein Recht haben, und wie weit ihre Testamente gültig seyn oder
nicht,
- was Cessio bonorum und Fristungs-Brieffe bey denen Kauffleuten
heissen,
- wem dergleichen Beneficien zuzulassen, und zu ertheilen seyn,
- was vor eine Sicherheit und
Freyheit
die Kauffleute und ihre Commercien in denen Flüssen, auf der See, am Strand
oder Ufer, und in denen See-Häfen zu genüssen haben, auch was deßfalls das
Jus Postliminii
bedeute,
und wie weit solches bey gemeinen Freunden statt finde,
- wie ferner denen Kauffleuten in
Kriegs-Zeiten zu ihrer Sicherheit zu verhelffen,
- und was vor
Waaren
Handlung getrieben werden könne,
- und im Fall, daß selbige verpfändet würden, wie alsdenn die Priorität
statt habe,
- welchergestalt auch der Zoll auf solche vermindert oder erhöhet werden
müsse.
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- Was wegen der Confiscation der Kauffmanns-Waaren
Rechtens sey,
- was insonderheit die
Kauffahrtey-Schiffe vor ein Recht genüssen,
- wie
mancherley die Contracte unter Kauffleuten seyn,
- wie ihre Gerichts- und Proceß-Form, Exceptionen und
Beweiß beschaffen seyn müssen,
- und was
endlich in dem Urtheilfassen, und Verabscheiden,
auch wegen der Appellation, wann und wie weit,
auch in welchen Fällen solche von dem Handels-
Gericht an eine höhere Instantz geschehen könne,
zu bemercken sey,
- und was etwan dergleichen
Rechts-Händel mehr seyn
möchten.
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Endlich so möchte man auch von einem
salarirten Commercien-Rath
prätendiren können, daß er ein
guter
Philosoph sey, dann durch die
Philosophie
hat der weise Thales Milesius vorhersehen können, daß |
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{Sp. 942} |
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das künfftige
Jahr das Öl theuer werden
würde, dahero er zur wohlfeilen Zeit alles Öl, so er
nur bekommen können, auffgekauffet, und hernach
solches bey erfolgendem Mißwachs wieder
theuer
verkauffet, dadurch er dann
beweisen
wollen, daß es einem Philosophen gar ein
geringes wäre, durch die
Commercien
reich zu
werden, |
vid. Menoch. de arbit. jud. ...
et Cl. Salmas. de usur. ... |
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also stehet auch nicht zu
läugnen, daß
durch die
Wissenschafft der Philosophie viel
nützliches zum gemeinen Handel und Wandel
könne ausgerichtet werden. |
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Es ist zwar
wahr, daß wenig
Subjecta werden
anzutreffen seyn, die dergleichen
Wissenschafften und Requisita obbeschriebener massen nach besitzen
solten;
jedoch ist solches auch nicht eben
nöthig, wenn
es ja nicht geändert, oder ein so
vollkommenes Subjectum angetroffen werden kan, an welchem es
jedoch mit der
Zeit nicht fehlen würde, wann hiernächst auf
Universitäten die
studirende Jugend
auch zu dem Studio, und allem, was davon
dependiret, solte angeführet werden. Selbst auch
unter den salarirten Commercien-Räthen, findet sich noch
manches gute Subjectum, welches, wo nicht in allen,
doch in einer Wissenschafft, etwas prästiren kan,
dadurch es dem
Landes-Herrn und seinen
Unterthanen
Nutzen schafft, und den Lohn, den
er zühet, schon mit
Recht und gutem
Gewissen
verdienet, wie dann auch, wenn er sich in diesen
beyden Requisitis nicht
gerecht
wüste, er solchen zu
prätendiren sehr übel
thun würde. |
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Was die mit dem
Prädicat eines Commercien-Raths beehrte,
reiche
Kauffleute, welche um
des Landes-Herrn seinen
Cammer- und
Hoff-Staat
sich verdient gemacht, und ausser dem blossen
Prädicat keine Gage fordern, betrifft, so ist
solches ebenfalls nicht übel gethan, indem ihnen
das solcher gestalt aus Gnaden des
Fürsten
conferirte Ehren-Prädicat ein
Ansehen und
Distinction vor andern ihresgleichen, sonderlich
bey Ausländern, giebet, auch eine Marque ihrer
guten Aufführung und lobwürdigen Qualitäten ist,
und sie auch noch mehr und mehr anspornet, durch
fernere, dem Hof- und Cammer-Staat, wie auch
denen Lands- und Stadt-Commercien erzeigte
Dienst-Leistungen, und andere
tugendhaffte
Qualitäten, sich desselben
würdig zu
machen. |
Marperger in der ersten Fortsetzung
seiner so nöthigen als nützlichen Fragen über die
Kauffmannschafft ... Auch finden sich daselbst
... Special-Positiones, über welche ein Commercien-Rath, ehe er angenommen wird, vorher
thetice und hypothetice könne
befraget werden. |
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