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Text |
Quellenangaben |
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(b) Die Vergleichung des Guten und Bösen, als
das zweyte eigene Mittel der Zufriedenheit.¶ |
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Dasjenige, was unsere Zufriedenheit stöhret, ist
zweyerley
Übel, davon das eine vermeidlich ist, das
andere unvermeidlich. In bisherigen Abschnitten
haben wir gezeiget, wie man durch
Klugheit,
Wahrheit,
Tugend,
und
vernünfftigen
Gebrauch der
Furcht und
Hoffnung, eine grosse Anzahl
menschlicher Übel vermeiden könne: Aber nun
müssen wir auch
untersuchen, was vor ein
Mittel
der Zufriedenheit, wider das unvermeidliche
diene? Und man kan nichts anders angeben, als
die Gedult: Weil sie aber nicht allezeit in unsern
Vermögen ist, so müssen wir zu Beförderung
derselben, die Vergleichung des
Guten mit dem
Bösen, wohl in Betrachtung zu ziehen uns
angewöhnen. |
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Es bestehet aber gedachte Vergleichung
vornehmlich darinnen, daß man, bey sich
ereignender Verdrießlichkeit, die
Gedancken |
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{Sp. 1145|S. 586} |
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von der vergeblichen Betrachtung des Übels
sogleich wegwende, und auf das Gute desselben
aufmercke, um entweder ein Mittel wider dieses
Übel, oder wider ein anders, oder zu einen andern
Guten, heraus zu finden, und diese drey
Annehmlichkeiten derer Mittel mit dem Übel der
Verdrießlichkeit so lange zu vergleichen, bis man
sehen, ob sie mit einander können aufgehoben
werden, oder das Gute das Übel, oder dieses jenes
übertreffe. ¶ |
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Diese Vergleichung geschicht zwar am
beständigsten nach denen
Grund-Sätzen der
Wahrheit, jedoch liegt auch nichts daran, woferne
das
Gemüth nur zur Ruhe kömmet, wenn es auch
schon durch
Vorstellungen, die vor dem
Gericht der
Wahrheit nicht bestehen, geschehen
solte; jedoch
daß gedachte Vorstellungen, nicht von der
Sünde
und Thorheit, sondern etwa nur von einem
unschädlichen
Irrthum, entstehen. |
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Also sind die Menschen nach ihren
unterschiedenen
Alter, wie auch
Gemüths- und
Verstands-Arten, in Vorstellung der
Empfindung, der
Annehmlichkeit und Verdrießlichkeit, so wohl unter
sich, als von denen Weisen, sehr
unterschieden.
Denn bey jungen Leuten, vornehmlich wenn ihre
Gemüths-Art wollüstig, und die Verstands-Art in der
Dichtungs-Krafft vortrefflich ist, hänget der Himmel
stets voll Geigen, ihr Hertz ist voll von guten
Hoffnungen; Aber sie bauen immer Schlösser in die
Lufft, und ihre meiste Hoffnungen haben kaum
einen geringen
Grund der
Wahrscheinlichkeit: doch
wenn diese Hoffnung das Gemüthe besänfftigen
können, so ist es ihnen wohl zu
gönnen, daß sie
derselbigen geniessen. |
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Die
Geldgeitzigen hingegen und viele Alten,
als welche schon vieler guten Hoffnungen Eitelkeit
erfahren, stellen sich lauter
Noth und
Unglück vor,
und gleichwie jene das Augenscheinliche Böse, so
bey ihrer Hoffnung ist, nicht sehen, also sind diese
gleichfalls blind das Gute, so bey ihrer
Angst sich
befindet, zu
erkennen, und sich zu Nutze
machen. |
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Jene gehen auf dem Wege der Hoffnung, und
kommen zwar dahin niemahls, wohin sie
gedencken, sind doch aber unterwegs gar vergnügt;
Diese auf dem Wege der
Furcht, und wenn sie auch
dann und wann dahin kommen solten, wohin sie
vermeynen von dem Unglück geführet zu werden,
so handeln sie doch wunderlich, daß sie nicht
unterdessen noch ruhig sind, sondern durch ihre
furchtsame und
ängstliche Vorstellung machen, daß
sie das Unglück quälet, ehe es kommet. Dieser ihre
unbegründete Bekümmerniß ist dem
Zweck der
Zufriedenheit, und der Wahrheit
gantz und gar
zuwider: Jener vergebliche Hoffnungs-Lust ist nur
wider die Wahrheit, aber nicht wider die
Zufriedenheit. |
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Ein Weiser und Verständiger hat zwar nicht
soviel Hoffnungs-Lust, als ein junger wollüstiger,
und Dichtungsfähiger,
ingenieuser Mensch; doch
quälet ihn auch nicht soviel
Angst, als einen Alten
und Geldgeitzigen. Denn die Wahrheit, welche er
erkennet, läst es nicht zu, soviel
angenehme Dinge
sich träumen zu lassen, wie jener; sie
vergönnet
ihm aber gleichfalls nicht, mit so vielem Popantzen
vergeblicher Furcht die Ruhe seines
Lebens zu
stöhren. Darum werden kluge |
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{Sp. 1146} |
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und
vernünfftige Leute allezeit gegen die
Sachen dieser
Welt etwas kaltsinniger befunden,
als andere. Und sie
thuen wohl daran. |
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Denn weil die
Natur derer
Dinge, eine ziemlich
gleiche Mischung von Guten und Bösen zeiget, so
muß der vernünfftige
Sinn derselben beystimmen,
durch Bezeigung einer wohlbedachten Kaltsinnigkeit
gegen alle Dinge dieser Welt, und das
Feuer seiner
Begierden der höchsten und wahren
Glückseeligkeit
jenes Lebens widmen. |
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Man muß also zwar aller Welt die
Wercke der
Liebe mit Emsigkeit bezeugen; in keiner Liebe aber,
als in der Liebe
GOttes Glückseeligkeit suchen.
Hieraus entstehet eine ernsthaffte Jugend, aber
ein fröliches Alter: Da hingegen, die das
Gegentheil thun, sich eine lustige Jugend, und
höchst betrübtes Alter, da alle Eitelkeit der Jugend-Hoffnung sich zeiget, machen. Und ob sie nun zwar
neue Hoffnungen sich
vorstellen könnten, so lässet
doch ihre reiffe
Erfahrung solche Eitelkeit nicht mehr
zu: Gleichwohl
wollen sie immer noch
Glückseeligkeit haben, und da sie nun sehen, daß
in dieser Welt keine Hoffnung mehr darzu
vorhanden, was kan ihnen näher seyn, als die
Verzweiffelung? |
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Wir müssen uns hierbey sowohl von der
Stoischen Verachtung derer Annehmlichkeiten,
als vor der Epicurischen Begierde dererselben
hüten: Denn es ist doch niemahls kein Stoicus
ohne
Lust, und kein Epicurer ohne
Verdruß
gewesen. |
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Es ist indessen vernunfftmäßig, daß man
Annehmlichkeit suche, und Verdrießlichkeit meide;
weil aber beyde nach GOttes
Ordnung
unzertrennlich sind, mache man es also, daß man
die Verdrießlichkeiten durch die Geniessung derer
dabey befindlichen Annehmlichkeiten sich versüsse.
Dannenhero muß man, in gedachter Vergleichung,
überhaupt folgendes in Acht nehmen; |
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1) |
Suche man die
Verdrießlichkeiten nicht,
sie werden sich schon
selbst finden: Man gehe ihnen mit der Empfindungs-
Krafft nicht entgegen, sondern ziehe sich zurück, sie
werden uns schon selbst begegnen, oder wohl gar
verfolgen.
Z.E. Wenn man
weiß, daß man seinen
Kindern nicht viel verlässet, und man hat schon
alles, was
möglich ist, gethan, so ists vergeblich,
sinnreich nachzudencken, auf wie vielerley Art man
das
Armuth der Kinder hemmen könnte; denn diese
Gedancke hat, nach dem, was wir voraus gesetzet,
keinen
Nutzen, und stöhret also unsre Zufriedenheit
vergeblich. |
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2) |
Suche man die
Annehmlichkeiten des Übels, z.E. des Armuth, so
lange auf, bis man deren genung hat, sein
Gemüthe zu befriedigen. Man
spreche nicht, wie
die Unwissenden pflegen: Ja was wird das Armuth
vor Annehmlichkeit haben? sondern man sehe die 3
Abtheilung dieses Abschnittes, da wird man
derselben genug finden, und zwar überhaupt; ein
jedweder aber wird bey seinem Armuth insonderheit
aus denen andern damit verbundenen
Umständen
sich noch mehrere zusammen lesen können. |
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3) |
deren dennoch nicht
genung finden, so brauche man erstlich
diejenigen, die man findet,
um einen, zwey und
mehr
Theile der Verdrießlichkeit damit zu heben,
auf die Art, wie wir es gleich zu
Anfange dieses
Abschnittes gezeiget: Vors andere, was noch
von |
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{Sp. 1147|S. 587} |
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den Theilen der
Verdrießlichkeit übrig bleibet, das hebe man mit
Betrachtung anderer
Vortheile, so uns etwa GOtt
gegönnet, auf: Als der Gesundheit, der guten
Freunde, der
glücklichen
Ehe, wohlgerathenen
Kinder, allerhand Hoffnungen, so uns vorstehen,
und dergleichen mehr, so wird man gar bald sehen,
daß, wenn ja in einem und andern unsern
Begebenheiten, daß Böse das Gute übertreffen
solte, dennoch es in den zusammen genommenen
Umständen unsers Lebens, zu gleichen Theilen
gemischet sey. |
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Denn diese gleiche
Mischung ist göttlich, und wer diese bey sich
befindet, der kan und muß vergnüget seyn. Und
ob zwar GOtt der HErr vermuthlich niemand leicht in
einen solchen
Stand setzet, da das Böse das Gute
überwäget, so macht doch offt unsre, und andrer
Menschen Thorheit und
Boßheit, daß wir darein
gerathen; aus welchen uns GOtt der Herr nicht
sogleich durch Wunder-Thaten errettet, ob wir auch
schon selbst uns zu helffen, nicht vermögend sind:
Dieser
Zustand, da wir aus besagter Gleichheit
gesetzet werden, wird ein
Unglück
genennet. |
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4) |
die Hoffnung das Beste
thun,
welche, bey richtiger Betrachtung, gar leicht
so starck wird, daß sie den Überfluß des Übels zu
der von GOtt abgezielten Gleichheit bringet: Jedoch
sind andre Mittel deswegen nicht
auszuschliessen. |
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Wir wollen kürtzlich, wie man sich in Unglück
aufzuführen habe, erzehlen. |
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Erstlich, entziehe man seine Gedancken
sogleich demjenigen, was vom Unglück
gegenwärtig ist, und sehe den Augenblick, da
uns das Unglück betrifft, auf das Zukünfftige,
das ist auf die
Würckung desselben: Zukünfftig aber
ist nicht allein dasjenige, was in drey oder vier
Tagen, sondern auch, was in einer Viertel-Stunde,
ja in einem Augenblicke, erfolget. |
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Unter diesen Würckungen sehe man vors
andere, sogleich auf diejenigen, so vermeidlich
sind, und lasse diejenigen, so unvermeidlich
scheinen, fahren,
damit bey jenen kein Mittel
versäumet werden. |
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Dann brauche man drittens, wider selbige
die Mittel, so in nechst vorhergehenden drey
Abschnitten sind abgehandelt worden. |
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Nachdem dieses geschehen, so sehe man
vierdtens auch auf die unvermeidlichen
Würckungen desselben, und hier suche man die
Empfindung zu vermindern, und wohl gar zu
vermeiden, welches geschehen kan, |
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1) wenn man die obigen drey Regeln |
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a) |
Man suche die Verdrießlichkeiten nicht; |
b) |
Man suche die Annehmlichkeiten des Übels
etc. und |
c) |
Man brauche erstlich diejenigen
Annehmlichkeiten, die man findet, um einen, zwey
und mehr Verdrießlichkeiten damit zu heben etc. |
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beobachtet: Denn auch das Übel, so von Boßheit
und Thorheit entstehet, hat ebenfalls zufälliger
Weise, viel gutes bey sich; |
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2) Wenn man, wovon wir in der vierdten Regel
Meldung gethan, der Hoffnung im Unglück sich
wohl zu bedienen weiß:
Denn dieses ist was
anders, als was wir oben (in dem Abschnitte von
dem rechten Gebrauche der
Furcht und Hoffnung)
abgehandelt, welches war der rechte Gebrauch der
Hoffnung vor dem Unglück.¶ |
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Der
Gebrauch der Hoffnung in Unglück aber
bestehet darinnen: Man bedencke, daß, gleich-
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{Sp. 1148} |
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wie alle
Lust, nachdem sie den höchsten
Grad erreichet, so gleich wieder abnimmt, also
auch aller Schmertz jeden Augenblick
vermindert werde.
Denn das ist eine
Eigenschafft
dieses
Lebens, nach welcher es von Himmel und
Hölle
unterschieden ist, daß keine
Empfindung
dauret, sie
mag gut oder böse seyn: Darum ist man
in seinem Unglück
gewiß versichert, daß, wenn
schon die
Noth bleibet, dennoch alle Augenblicke es
besser mit uns werde, und daß in
gewisser Zeit wir
dieselbe entweder gar nicht mehr, oder doch nicht
sonderlich, empfinden werden. |
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Wer nun fein glücklich auf gedachtes
Abnehmen Achtung giebet, hat immer
Ursache bey
seiner Noth, sich in der Stille mit zu erfreuen, und
GOtt vor die allweise Mischung des Guten und
Bösen, in Zufriedenheit zu dancken. Man weiß wohl,
daß manches Unglück jähling wieder verschwindet;
solte dieses geschehen, so ist das Ende eben so
frölich, als er Anfang betrübt, oder erschrecklich
gewesen. Solte das Unglück bis in den
Todt dauren,
so wird uns allgemeine Todes-Noth zum
Vergnügen, nicht allein wenn wir
sterben, sondern
auch so offt wir zuvor an diese Entbindung
gedencken.¶ |
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Es gehöret auch zu der Verminderung des
empfundenen unvermeidlichen Schmertzens und
der Vergleichung des Guten und Bösen, daß man
betrachte, wie viel grösser das Unglück noch
hätte seyn können. Diese so glücklich vermiedene
Grade nehme man, wie sie es
wahrhafftig sind, vor
soviel Annehmlichkeiten an, so wird man nicht allein
gar leicht die Verdrießlichkeit damit aufheben
können, sondern auch noch über die Gelindigkeit
seines Unglücks, sich zu erfreuen, Ursache
haben. |
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Endlich
erinnere man sich dessen, was bishero
offt erwiesen worden, daß die Mischung der Lust
und
Unlust ein göttlicher Rath, Ordnung und
Wille sey,
und gleich durchgehe, den
Fürsten so
wenig verschone, als den
Unterthan; so wird sich
erstlich eine Betrübniß über eine
falsch vermeynte
Ungleichheit legen: Hernach bedencke man die
Absicht Gottes, daß durch sothane Mischung uns
der Todt versüsset und Lust zum Himmel soll
erwecket werden, so wird die Empfindung der Liebe
Gottes, und die Hoffnung der Seeligkeit, gar leicht in
uns soviel Vergnügen rege machen, daß wir des
Übels dabey vergessen werden. |
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Solte nun ja dann und wann, einem und dem
andern, nach der Wahrheit, soviel Übels begegnen,
als bey andern nicht zu finden wäre, so würde ihm
die Hoffnung des Todes, und der darauf erfolgten
Glückseeligkeit, in der
Vorstellung seiner
Gedancken, desto grössere Lust erwecken, und
also auch die Ungleichheit selbst dißfalls wiederum
zur Gleichheit dienen.¶ |
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(α) Vergleichung der Lust und Unlust
des unterschiedenen Standes. ¶ |
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Viele Unruhe derer Gemüther entstehet offt aus
der Betrachtung des
Standes eines Menschen,
wenn er ihn gegen den viel höhern, und dem
Ansehen nach, glückseligern Zustand eines andern
hält: Aber bey genauerer
Untersuchung findet es
sich, daß die von denen Menschen eingeführte
Ungleichheit, die von GOtt
verordnete Gleichheit
zu |
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{Sp. 1149|S. 588} |
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hindern, nicht vermag. Wir wollen demnach die
vermeynte Noth derer Geringeren ein wenig
betrachten, und mit der Herrlichkeit derer
Vornehmen vergleichen:¶ |
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Was hat denn nun der Geringe vor Noth, die
der Vornehme nicht hat? Er muß saure
Arbeit
thun, die darff der Vornehme nicht thun.
Dagegen schläffet er so gut, es schmecket ihm
Essen und Trincken gut, er krieget weder Zipperlein
noch Wassersucht, auch keinen dicken
beschwerlichen Wanst, welches alles leicht
denenjenigen geschicht, die nicht arbeiten. |
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(2) Er hat ferner nichts zu trincken als
Wasser, nichts zu essen als Butter und Brod.
Das schmecket ihm eben so gut, und ist vor die
Gesundheit viel sichrer, als Wein, Chocolate, und
Vogel-Nester. |
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(3) Er kan nicht schlaffen, wie lange er
will.
Davor schläffet er die
gantze
Nacht, und weckt ihn
weder
Liebe noch überflüßiges Fressen und
Sauffen auf. |
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(4) Er hat nicht so viel
Bediente, wie die
Vornehmen. So hat er auch desto weniger Leute,
die ihnen betrügen können. |
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(5) Er darff sich nicht Kutsche und Pferde
halten, oder doch nicht mit vieren und sechsten
fahren wie ein vornehmer Herr.
Davor darf er sich
auch in seinem
Gewissen nicht bekümmern, ob er
sich nicht vielleicht an
GOtt versündige, daß er, vor
die dicken Bäuche so vieler Pferde, könnte noch
zweymahl so viel
arme Menschen ernehren, und die
Pferde denen Bauern, Soldaten, Fuhrleuten, zu
nützlichern
Gebrauch, überlassen. |
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(6) In die
Versammlungen derer Vornehmen,
darff er sich nicht einmahl wagen. So wird er
gezwungen, von denenjenigen
Orten wegzubleiben,
an welche wenig gehen, die nicht mit gestöhrter
Ruhe ihres Gemüthes zurücke kommen. |
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(7) Er muß immer unten an, und hinten
nach, gehen. Das kan ihm nicht öffter
schaden, als
wenn zur lincken Hand es regnen solte, und zur
rechten schön Wetter wäre. |
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(8) Ein Geringer muß immer denen
Vornehmen gute Worte geben.
Man verliert mehr
Athem, Kräffte und Gesundheit, bey bösen und
zornigen, als bey guten und glimpflichen
Worten. |
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(9) Er muß immer lassen etwas über sich
gehen, und gedultig seyn.
So übt er sich in der
Tugend (Gedult) die kein Mensch, auch die
Mächtigsten, ohne ihren Schaden, nicht entbehren
können. |
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(10) Er darf nicht so kostbare Kleidung
tragen, wie die Vornehmen. So hat er die
Bedeckung seiner Blösse um bessern Preiß, als
andre, die eben dieselbe so theuer bezahlen
müssen. |
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(11) Die Leute nehmen vor einen Geringen
den Hut nicht so ab, wie vor einen Vornehmen:
so darf er ihnen, nach dem bekannten Sprüchwort,
nicht dancken. |
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(12) Er hat viel
Freyheiten nicht, welche
Vornehme haben.
Davor hat er andre, welche
jenen der Wohlstand verbietet. |
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(13) Grosse Herren sehen ihn nicht an. So
sehen ihnen kleine Herren an: und deren sind mehr,
als derer grossen. |
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(14) Aber diese können ihm nicht soviel
helffen: so können sie ihm auch, wenn er ihre
Gunst verschertzt, nicht so viel schaden. |
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(15) Man giebt einen Geringen keine
grossen
Titel.
Davor kommen ihm diejenigen,
welche man ihm giebt, auch
wahrhafftig zu. |
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(16) Ein Geringer kan nicht alles, was er will.
Dieses kan auch der mäch- |
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{Sp. 1150} |
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tigste König nicht. |
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Aber (17) ein Geringer kan doch bey weiten
nicht so viel, als die Vornehmen. Davor hat er
nicht so viel
Gelegenheit, sich selbst
Noth zu
machen, und an GOtt zu versündigen: welches,
wenn das Gemüthe nicht sehr wohl eingerichtet ist,
leicht geschiehet, wenn man viel kan. |
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Nur scheinet das zu bedauren, daß er (18)
auch gute Dinge, aus
Mangel der Kräffte, nicht
so einrichten kan.
Einrichtung ist niemahls ohne
Mühe: was Noth ists denn, daß er mit guten
Gewissen Ruhe haben, und der Bemühung
entbehren kan. Denn wenn er mehr könnte, so
verpflichtet er ihn sein Gewissen mehr zu thun. |
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(19) Ein geringer Mensch muß sich
befehlen
lassen, und darf niemand befehlen. Davor wird er
beschützet, und darf niemand beschützen. |
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(20) Vornehme Leute können doch durch
ihre
Gewalt, mehr
Gutes stifften, als Geringe:
wenn man die Geringen vornehme macht, so
können sie es auch. |
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(21) Ein Vornehmer kan seinen Freunden
helffen, das kan kein Geringer nicht. Es ist
niemand zu geringe, daß er, wenn er es nur selbst
verstehet, seine Freunde nicht zur Klugheit und
Tugend, Zufriedenheit und Seeligkeit, anweisen
könne, und damit nützt er ihnen weit mehr, als wenn
er sie mit grosser
Ehre und vielen Gelde, erfreuen
könnte. |
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(22) Des Geringen wird vergessen, so bald
er
stirbet, dahingegen vornehme Leute in der
Historie leben.
Davor wird auch ein Geringer, nach
seinem
Tode, desto weniger gelästert, welches offt
denen Vornehmen geschiehet: und es ist derer
Vornehmen, die in der Historie leben, offt ihr
grosses
Unglück, daß ihre
Thaten der Nachwelt
erzehlet werden: überdiß, geniessen auch die
Missethäter des historischen Lebens. |
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(23) Aber nichtsdestoweniger lebet doch der
Geringe in schlechten Ehren. Davor hat er die
Sicherheit zu geniessen, daß ihm niemand nach
Ehre und
Leben strebet. |
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(24) Ein Vornehmer gehet immer voran, wo
es etwas zu geniessen giebet. Weil wir doch nicht
alle können voran gehen, so gilt es mir gleich, ob in
dem Genuß ein Geringer, oder Vornehmer, vor mir
ist. |
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(25) Allein ein Geringer wird gar zu sehr
zurück gesetzt. Man kan ihn doch nicht ausser der
Welt setzen, und innerhalb derselben ist immer
noch Zufriedenheit, und Hoffnung zur Seeligkeit:
Wer aber diese zweye hat, ist niemahls gar zu sehr
zurück gesetzt. |
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(26) Der Geringe wird von den Mächtigern
gedrückt.
Dieses ist eine allgemeine Noth, damit
auch
Fürsten nicht verschonet bleiben. |
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(27) Vor einen Geringen
fürchtet sich
niemand.
Es ist eine schlechte Ehre gefürchtet zu
werden: weil man auch die schlechtesten Thiere, als
Kröten und Blindschleichen zu fürchten pfleget. |
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(28) Ein Geringer, wenn er auch gleich alle
Geschicklichkeit, wie ein andrer hat, wird nicht
so zu hohen
Ehren-Ämtern gezogen.
So sind
diejenigen, mit welchen er
ohnmittelbahr zu
thun
hat, nicht so fähig ihn zu stürtzen. |
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(29) Von Vornehmen
schreibt man in
Zeitungen, von Geringen nicht.
Was thut das?
Schreibet man doch auch in Zeitungen von
Mißgebuhrten, und von recht
gebohrnen Menschen
nicht. |
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(30) Der Geringe ist manchmahl kranck, und
kan, weil er
arm und verachtet |
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{Sp. 1151|S. 589} |
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ist, sich nicht so leicht helffen lassen. Davor ist
er auch seltener kranck, als diejenigen, die sich
können helffen lassen: und seine Kranckheiten sind
viel leichter zu heben, als dererjenigen, die in
Überflusse leben. |
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(31) Er muß denen Vornehmen, wenn sie ihn
auch schelten, dennoch glimpflich begegnen. So
muß er ihnen dasjenige thun, was jene ihm thun
würden, wenn sie
Christlich und
vernünfftig
wären. |
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(32) Doch dieses dürffte vielleicht den
Ausschlag des
Vortheils derer Vornehmen machen,
daß ihre
Kinder immer besser
erzogen werden,
als derer Geringen.
Von einigen Vornehmen und
einigen Geringen, ist es allerdings
wahr, hingegen
von andern bemercket man das Gegentheil. |
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(33) Aber es werden doch aller vornehmen
Leute Kinder wenigstens manirlicher erzogen.
Es ist wahr, der
Leib wird gelencke, sie lernen ihn
nach den
Regeln der Höflichkeit biegen, desto
starrer aber bleibet immer der
Wille, welcher bey
denen Geringen, als welchen niemand schmeichelt,
und einigen Fehler verhält, zu ihrem grossen
Vortheil, bey
Zeiten gebeiget wird. |
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(34) Etliche derer Vornehmsten
regieren in
der Welt, wie GOtt im Himmel. Wenn sie dieses
thun, so ist ihr
Stand
so vortrefflich, daß er mit keinem andern zu vergleichen: unterdessen ists doch
auch gut vor die andern, daß sie nicht wie jene, vor dem
gerechten
Richter Himmels und der
Erden, von ihrer Statthalterschaft Rechnung
ablegen dürffen.¶ |
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(β) Vergleichung des Reichthums und
des Armuths. ¶ |
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Armuth und geringer
Stand
haben immer
einerley
Noth. Denn wenn die Geringen
reich
werden, ists ihnen, nach unsern verderbten
Sitten,
sehr leicht, auch
vornehme zu werden: da sonst
Tugend und
Verstand den
Vorzug oder vornehmen
Stand, zu ihrer
eignen Belohnung haben
solten.
Dannenhero kan die vorige Abtheilung mit gehöriger
Veränderung, auch von Armuth und
Reichthum fast
durchgängig hieher gezogen werden: darum wollen
wir allhier nur das Armuth und Reichthum, nach
gewissen
Zustand derer
Menschen, mit einander
vergleichen:¶ |
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(1) Ein armer
Studiosus kan nicht so viel
studiren als ein Reicher. So studiret er desto
weniger. |
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(2) Aber wenn er weniger studiret, so kan er
der
Welt nicht
so
dienen.
So dienet er ihr desto
weniger: denn dienen ist eben keine grosse
Herrlichkeit. |
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(3) Doch wir
wollen nur reinen Wein
einschencken, er kan auch nicht so viel
Ehre und
Geld erlangen, als wenn er mehr studiret hätte.
Das folget nicht, weil offt die
gelehrtesten und
geschicktesten Leute, aus
Mangel derer Kenner,
weniger Ehre und Geld erlangen, als andere plumpe
Köpffe, die nach dem gemeinen Dünckel,
reden und
handeln. |
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(4) Wenn er nun sein Studiren in Richtigkeit
gebracht, und der Welt dienen könnte, so hat er
kein Geld sich zu heben.
Dieses wäre eine
billige
Bekümmerniß, wenn
GOtt die vornehmen Stände
von dergleichen Mischung des
Guten und des
Bösen befreyet, oder das letztere denselben
sparsamer zugetheilet hätte. |
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(5) Es ist doch aber Schade, daß er der |
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{Sp. 1152} |
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Welt nicht in einem höhern Stande dienen
soll. Wenn der höhere Stand mehr Geschicklichkeit
brauchet, und es an Leuten fehlet, so ist es wahr;
ihme aber kan es nicht
schaden, wenn er der Welt
nur dienet, ob er ein hoher oder niedriger Diener ist,
wie die vorige Abtheilung zeiget. |
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(6) Auch die
Ehren-Stellen, die er noch
erhalten konnte, hindern seine Feinde, weil er
ihnen mit Gelde nicht gewachsen ist. Wenn er
mit Gelde kämpffen will, so ist es vielleicht gut vor
ihm, daß er keines hat, er
möchte sonst seiner
Feinde Rachgier desto hefftiger wider sich
reitzen. |
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(7) Er wolte noch eines und das andere
versucht haben, wenn er Geld hätte.
So hätte er
sich auch wohl hier und dar dem
Glücke so kühne
geliefert, daß er dabey wäre
verlohren gegangen,
oder doch in Unruhe verfallen.¶ |
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(8) Ein armes
Frauenzimmer kan nicht eine
so gute
Heyrath treffen als eine Reiche.
Das
folget nicht allezeit: und wenns geschicht, so ist sie
davor mehr versichert, daß sie aus
Liebe gesucht
wird, woran die Reichen immer einigermassen zu
zweifeln
Ursache haben. |
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(9) Wie aber wenn sie, Armuths wegen, gar
nicht
begehret wird? So ist sie sicher vor allem
dem
Ehestande eigenen vielfältigen
Unglück: vor
Zanck und Schlägen vom
Manne: vor einer
boßhafftigen Schwieger-Mutter: sie kan nicht in
Kindes-Nöthen gebrechlich werden, oder
sterben:
ihre
Tochter können sie nicht durch Hurerey, die
Söhne nicht durch Verthulichkeit elend und
verächtlich machen. Wenn sie im Ehestande 20
Kinder und Kindes-Kinder erlebet hätte, könnte sie
das Unglück an zwantzig Seiten anfallen, da es sie,
ausser der
Ehe, nur an einer fassen kan.¶ |
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(10) Ein armer Ehemann kan sein
Weib und
Kinder nicht so wohl versorgen, als einer der
Mittel hat.
Desto mehr werden sie angetrieben, sich
selbst zu versorgen, und fahren offt dabey besser,
als diejenigen, welche
glauben, daß sie von Mann
und
Vater versorget sind. |
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(11) Aber ihr Stand lässet offt nicht zu,
allerhand Mittel zu ergreiffen. Ihr Stand ist
Armuth, und lässet zu, aller ehrlichen Mittel sich zu
bedienen. |
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(12) Nicht doch! Was würden die Leute
sagen, wenn eine ehrliche
Frau Strümpffe
besohlete, waschen und scheuren hülffe? Sie
könnten nichts mehr sagen, als daß eine ehrliche
arme Frau, auf eine ehrliche arme Art sich
nehrete. |
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(13) Wenn sie aber dieses thut, hat sie keine
Hoffnung ihres gleichen wieder zu erheyrathen.
So hoffe sie auf einen geringern, und tröste sich,
daß er ihr Armuth nicht so leicht vorwerffen
werde.¶ |
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(14) Ein mit Gelde nicht gnugsam
versehener
Kauffmann, kan seinen
Handel nicht
so hoch treiben, als ein Reicher.
Davor wird er
nicht veranlasset, so viel zu wagen, und auf einmahl
arm zu werden. |
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(15) So kan er aber nicht reich und ein
Capitalist werden.
Daran wäre nun eben auch
nicht viel gelegen, es würden schon andre Leute an
seiner Statt reich und Capitalisten werden. Im
übrigen ist es keine Folge: denn wenig Geld und viel
Glück macht reicher, als viel Geld |
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{Sp. 1153|S. 590} |
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und wenig Glück; das Glück aber kan man nicht
zwingen, sondern man muß es erwarten. |
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(16) Allein jemehr Capitalisten an einem
Orte sind, je besser ist der Zustand der
Handlung,
je besser dieser ist, je mehr
Nutzen
hat der
König und das
Land darvon, und der
arme Kauffmann ist doch sehr begierig, dem
König und dem Lande, nach allen seinem
Vermögen zu dienen.
Das möchte nun wohl zwar
nicht eben die Haupt-Absicht seyn, doch was der
König und das Land von ihm nicht geniesset, das
wird es schon von einem andern haben, der von
ihm reich wird. |
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(17) Ein armer Cavalier wolte gerne
honetement leben, hat aber kein Geld. Wenn er
Adel und
Tugend vereiniget, so wird sich schon
Geld finden: der Adel bahnet ihm den Weg zum
Glücke, die Tugend erhält ihn dabey. |
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(18) Aber Adel und Tugend machen es nicht
aus, es gehöret auch noch
Glück darzu, und wer
das Glück nicht mit Geld wuchern kan, erlanget
es selten. Wir haben noch immer mehr
Exempel
daß Adel und Tugend die Menschen höher
gehoben, als
bürgerlicher Stand, und eben so viel
Tugend. |
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(19) Doch kan es einem und dem andern
wohl fehlen. Das ist wahr: wer
wolte aber
begehren
in einem
Stande zu
leben, mit dem das Glücke sich
verehlichet hätte: indem wir wohl
wissen, daß
dasselbe noch unter die wenige
Zahl derer
Jungfrauen gehöret.¶ |
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Weil aber viel Kummer der Menschen daher
entstehet, daß sie immer glauben, sie haben nicht
genung
Vermögen, und die Zufriedenheit des
Gemüths dadurch gar sehr kan befördert werden,
wenn man weiß, man habe so viel, als man haben
soll, so wollen wir eine kleine und höchst nützliche
Ausschweiffung, von der
Pflicht des Menschen,
die er in Besitzung und Erwerbung des
Vermögens zu beobachten hat, machen: Es ist
aber das Vermögen eine
Macht die Kräffte der
Natur zu seiner Zufriedenheit zu geniessen. |
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Denn niemand kan mit
Geld und Geldes werth,
was anders machen, als daß er die
Kräffte der
Kunst und
Natur dadurch an sich bringe. Gedachte
Kräffte hat
GOtt vor das
gantze
menschliche
Geschlecht erschaffen, zu der
Zeit, da noch kein
Unterscheid unter denen Menschen war: folglich
kan GOtt nicht gewollet haben, daß ein Mensch
mehr davon geniessen solle, als der andere: also
auch nicht, daß ein Mensch mehr Vermögen soll
haben, als der andre, sondern eben so viel: jedoch
nicht nach der Zahl sondern nach der vernünfftigen
Vergleichung (proportionem non Arithmeticam, sed
Geometricam) nehmlich jeder nach seiner
Bedürffniß, so daß, wann einer zehen oder hundert
mahl mehr brauchen solte, als der andre, ihm nach
so viel zu trachten nicht verwehret wäre: denn zu
dem Bedürffniß derer Menschen sind die Kräffte der
Natur geschaffen. |
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Jedoch ist dabey ausgemachet, daß (wo diese
Kräffte nicht etwa zum Überfluß vorhanden, als die
Krafft des
Wassers, den Durst zu Löschen und
dergleichen) niemand solche Kräffte sich also
zueignen könne, daß sein Neben-Mensch
dadurch in
Mangel gesetzet werde:
folglich, darf
auch niemand so viel Vermögen haben, daß
dadurch dem andern der
nöthige
Gebrauch derer
Kräffte der Natur ent- |
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{Sp. 1154} |
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zogen werde, und er doch so vieles Vermögen
zu seiner und der Seinigen, Zufriedenheit nicht
brauchen könne, sondern es als einen Überfluß
besitze, das ist, niemand unter denen Menschen
soll
reich seyn. |
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Derjenige aber wird reich
genennet, der mehr
besitzet, als er
wahrscheinlich, zu seiner und der
Seinigen vernünfftiger Zufriedenheit bedarff. Denn
das Reichthum reist die Kräffte der Natur zu
sich, und entziehet sie andern Menschen,
daß
sie z.E. der Kräffte guter Speise, gutes Tranckes,
guter Artzeneyen, Kleidung, Wohnung, Ruhe u.d.g.
welche alle ursprünglich von GOtt kommen, nicht
geniessen können, sondern leben
müssen, als
wenn GOtt eine arme schwache Natur
erschaffen hätte: da indessen ein eintziger Reicher
so viel Kräffte der Natur in seinem
Eigenthum hat,
daß tausend Nothleidende davon können erhalten
werden, und er und die Seinigen doch auch noch in
gantz wahrscheinlicher Sicherheit ihres
Auskommens, verbleiben. |
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|
Der Reiche indeß, wenn er will gesund und
ruhig bleiben, darff besagte Kräffte, die er doch
denen
Armen, welchen sie GOtt mit gegeben,
vorenthält, nicht gebrauchen, sonst müste er in
einem
Tage von besagten Kräfften bersten, wenn er
z.E. so viel essen und trincken wolte, als er ohne
Gefahr arm zu werden, bezahlen kan. Also wird
solcher
Reichthum, zu Ausheckung eines
mehrern, oder zum
Schaden des Besitzers, oder
zur Eitelkeit gebraucht: Denen Armen indessen,
welche sich von ihnen etwas ausbitten, soll GOtt
helffen, welcher ihnen genung geholffen hätte, wenn
die Reichen nur ihren Überfluß zum allgemeinen
Gebrauch wolten hergeben. |
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|
Daß also da dieses die
Vernunfft zeiget, man,
wenn der Heyland Luc. VI. 24.
spricht, wehe euch
Reichen, ihr habt euren Trost dahin, u. Matth. am
XIX 23. 24. es sey leichter, daß ein Cameel durch
ein Nadel-Öhr gehe, als daß ein Reicher ins
Reich GOttes komme, sich vielleicht mit allerhand
erdichteten
Erklärungen dieser Sprüche,
vergebliche Polster unterzulegen scheinet. |
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|
Wenn wir hier von denen Kräfften der Natur
reden, so
meynen wir es nicht nur von Wiesen,
Teichen,
Äckern und dergleichen, worinne diese
Kräffte
vornehmlich zu finden, sondern auch vom
Gelde. Denn das Geld ist wie ein
Freyheits-Brieff
(diploma) davor man alle Kräffte der Natur haben
mag: so daß, wer dergleichen güldenes oder
silbernes Diploma aufweisen kan, nachdem es hoch
oder niedrig lautet, so gleich sich weniger oder
mehrer Kräffte der Natur anmaßen darff. |
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|
Wenn wir ferner sagen, man müsse den
Überfluß nach der
Wahrscheinlichkeit schätzen,
so muß man solche mit der
Möglichkeit
vermengen. Denn niemand ist jemahls so reich
gewesen, daß er und die Seinigen nicht hätten
können arm werden: auch hat diese Sammlung des
Reichthums, nach Betrachtung der Möglichkeit,
keine
vernünfftige
Würckung, wie die
Wahrscheinlichkeit, indem nach dieser, wer eine
Million besitzt, nicht so leicht kan arm werden, als
wer nur eine Tonne Goldes hat; aber nach der
Möglichkeit ists einerley, weil z.E. der
Krieg, der
eine Tonne Goldes raubt, auch eben so wohl eine
Million hinnehmen kan. Wenn nun also vernünfftig
Geld sammlen will, muß auf die
Wahrscheinlichkeit |
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{Sp. 1155|S. 591} |
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sehen; wer es aber nach der Möglichkeit
zusammen häuffet, handelt gantz vergeblich und
unvernünfftig. |
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|
Damit man nun aber dieses, welches zum
rechten Gebrauch des Geldes viel dienen kan, recht
verstehen
möge, so muß man die
Gedancke vom
Überfluß niemahls aus dem
Sinne lassen. Denn
der Überfluß, der keinen
Nutzen hat, macht das
Reichthum, und nicht die Summe.
Darum kan
man Tonnen Goldes und Millionen mit guten
Gewissen besitzen, wenn man dadurch nicht reich
wird. |
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|
Es sind dannenhero drey
Arten von
Menschen, welche ohne Bedencken Geld oder
Vermögen haben können, soviel ihnen zu erhalten
möglich, der
König, oder alle
hohe Obrigkeit im
Nahmen des
gemeinen Wesens, der
Kauffmann,
und Wohlthäter. Denn der König ist niemahls, der
Kauffmann und der Wohlthäter selten reich. |
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|
Nehmlich ein König ist nicht eher vor reich
(nach dem angenommenen
Verstande dieses
Worts) zu schätzen, biß er von allen Vermögen, das
auf Erden
ist, ein
ansehnliches über die Helffte
hat. Denn wenn er nur so viel hätte, so könnten ihn
die andere Helffte der Könige bekriegen, auch wäre
es wahrscheinlich, daß sie es thun würden, und er
wäre nicht sicher, sie zu überwinden: es hat aber
niemahls kein König die Helffte der Erde besessen.
Weil nun dißfalls alles was ein König haben kan,
zum Nutzen des gemeinen Wesens dienlich ist, so
darff kein König, oder hohe Obrigkeit, sich ein
Gewissen machen, Geld beyzulegen, so viel dessen
zu haben ist: jedoch soll er wegen des Gebrauchs,
als ein Statthalter GOttes sich aufführen. |
|
|
Um von dem Kauffmanne auch, was wir
gesagt, zu erweisen, nehmen wir an: daß
Kauffmannschafft einem
Lande
nützlich sey,
welches zum wenigsten von einem und dem andern
wahr ist. Also jemehr der Kauffmann hat, jemehr
kan er die Handlung der
Stadt, worinnen er lebet,
befördern; thut er dieses, so hat das Geld, welches
er besitzet, ob es auch schon sehr groß wäre,
seinen
öffentlichen Nutzen, folglich macht es keinen
Überfluß. So ist er denn auch, so lange er handelt,
und dadurch das gemeine Beste befördert, nicht
reich, und darff sich eben auch keine Gedancken
machen so viel Geld zu besitzen, als er haben kan.
Wenn er aber nicht mehr handelt, so muß er die
Gebote Christi, und der Vernunfft vom Reichthum
hören, sie mögen in seinen Ohren gleich noch so
harte klingen. |
Matth. XIX, 21. |
|
Ein Wohlthäter, weil er allezeit bereit ist andern
Leuten, so es
verdienen, von dem, was er vor sich
und die Seinigen nicht braucht, beyzustehen, so hat
sein
Vermögen einen GOtt wohlgefälligen Nutzen,
und also ist er nicht leicht reich, wenn er auch gleich
eine ziemliche Summe besitzen solte. Denn wäre
gleich vor ihm, die Seinigen, und alle
würdige
Armen, so er kennet, vor jetzo zu viel Vermögen da,
so kan er doch nicht
wissen, wie viel nothdürfftige
sich zu andern
Zeiten finden möchten. Denn weil
viel Menschen sind, die die Kräffte der Natur, wenn
sie solche in ihrer
Gewalt hätten, mißbrauchen
wolten, als Schwelger,
Müßiggänger, Zäncker
u.d.g. auch andere sind, die zwar gehöriger maßen
dieselben anwenden wolten, durch den um sich
fressenden Krebs des Reichthums aber, von
deren ver- |
|
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{Sp. 1156} |
|
|
nünfftigen Gebrauch abgehalten werden, und
also jenen wenig oder nichts zu besitzen zukommet,
diese durch die verderbten
Sitten derer Menschen,
nicht haben, was sie sollen, und dennoch beyde
von denen Kräfften der Natur müssen erhalten
werden, so nehmen vernünfftige Menschen deren
beyden Gelder gleichsam zu sich, um diesen das
Capital, und jenen die Interesse zu zahlen. |
|
|
Hieraus folget ferner dieser höchst nützliche
Schluß, daß, was ein jeder von Überfluß hat,
nicht sein ist, sondern des andern:
welches er
zwar haben mag als ein Vormund derer
Armen,
die entweder, wegen der Macht derer Reichen, zu
nichts kommen können, oder wegen ihres
liederlichen und boßhafftigen Wesens, nichts
eigenthümlich haben sollen: damit, wenn es nöthig
befunden wird, er beyden, wenig oder viel, nachdem
es der Zustand erfordert, dabey auch hundert und
tausend Thaler nicht müssen vor zu viel erachtet
werden, zahlen möge. |
|
|
Es müssen aber die Armen von denen
Wohltätern, biß zu ihrer vernünfftigen Zufriedenheit,
versorget werden. Denn GOtt hat die Kräffte der
Natur zu aller Menschen Zufriedenheit, erschaffen:
nehmlich denen Armen muß so viel gegeben
werden, daß ihnen der Mangel des Vermögens kein
Gutes nehme, daß sie nach
GOttes Willen haben
sollen. |
|
|
Eitelkeiten sollen sie nach GOttes Willen nicht
haben, so ist ihnen dann der Wohlthäter auch
nicht darzu verpflichtet. Einem von starcker
Leibes-Beschaffenheit soll er weniger geben, als
einem Schwächlichen und Krancken: einem
Boßhafftigen weniger, als einem Frommen, doch
auch diesem nichts, was seine Eitelkeit reitzen kan:
einem geschickten Menschen, der wahrscheinlich
das gemeine Beste befördern kan, soll er mehr, und
nach Gelegenheit der
Umstände vielmehr geben,
als einem andern (weil solches ein Mittel ist die
allgemeine Zufriedenheit zu befördern.) |
|
|
Deswegen soll auch der
Stand der Armen in
Betrachtung gezogen werden, wenn es ein Stand
ist, damit man der Welt dienen kan: weil der Pöbel
gleich pfleget denenjenigen, der nach seinem
Stande nicht leben kan, zu verachten und sein
Gutes nicht anzunehmen. |
|
|
Diese drey Arten von Menschen, der König
oder die Obrigkeit, der Kauffmann, und der
Wohlthäter, mögen also sich Vermögen anschaffen,
soviel sie ohne
Unrecht können, doch dürffen es die
letztern zwey nicht so stets behalten: und diese
sind, wie wir gewiesen haben nicht reich. |
|
|
Nun wollen wir aber auch
beweisen, |
|
|
(1) daß einige mögen sehr viel Geld haben,
ohne daß sie sündigen, doch nicht allezeit
soviel, als sie haben können: daß ist, sie mögen
Tonnen Goldes und Millionen besitzen, doch ist
ihnen nicht
vergönnet, reich zu seyn, |
|
|
(2) ferner, daß einige auch reich seyn
mögen, jedoch nur auf eine
gewisse Zeit.
Nehmlich die ersten sind, die zu ihrem hohen
Stande viel gebrauchen, um das
Ansehen
desselben zu behaupten, und der Welt dadurch zu
dienen, als hohe
Ministri u.d.g. Denn daß man nach
Unterschied des Standes mehr aufgehen muß
lassen weil es ein Mittel ist, sich vor Verachtung
derer Unwissenden zu bewahren, bey welcher man
ihnen nicht dienen kan, dieses ist, ob es wohl
scheinet, besagter Ursachen wegen mit nichten
unter die Eitelkeit zu
zählen. |
|
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Dar- |
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{Sp. 1157|S. 592} |
|
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um mögen auch andere, jedweder nach seinem
Stande, wenn er mit demselben der Welt dienen
kan, so viel haben als sie gebrauchen: denn so
lange das Vermögen seinen vernünfftigen
Nutzen hat, ist es kein Reichthum. |
|
|
Zu der andern Art derjenigen, die eine Zeitlang
reich seyn können, gehören |
|
|
(1) alle
unverheyrathete, so lange sie
Lust zu
heyrathen haben. Denn weil diese nicht wissen, wie
starck die Familie werden, und wie vermögend die
geheyrathete Person seyn möchte, so haben sie
das
Recht, so viel Überfluß, als sie
wahrscheinlich
vor die Ihrigen brauchen könnten, zu behalten bis
sie sehen, was sich mit der Zeit hervor thue. |
|
|
(2) Auch diejenigen verheyratheten, welche
noch, und so lange sie noch im Stande sind
Kinder zu
zeugen, wegen nur angeführter Ursache. |
|
|
(3) Alle diejenigen, welche gedencken in einem
höhern
Stande, bey dem man mehr muß aufgehen
lassen, der Welt besser zu dienen, als in dem
vorigen. Diese mögen so lange, bis sie gedachten
höhern Stand erlanget, in dem vorigen, Überfluß
und Reichthum haben. |
|
|
Wie aufrichtig ein jeder, der sich dieser
Rechte bedienet, besagte Absichten heget, und wie
viel er also vom Reichthum eine Zeitlang zu haben
berechtiget sey, das müssen wir eines jeden
eigenem
Gewissen überlassen. Es muß sich aber
hier niemand, nach Betrachtung blosser
Möglichkeit, des Rechts, Reichthum zu besitzen,
anmassen, sondern es muß die Vermehrung der
Familie, und der Nutzen, welchen man der Welt
gedencket in einem höhern Stande zu leisten,
wahrscheinlich seyn: weil blosse Möglichkeit
niemahls kein Recht giebt. |
|
|
So kan man demnach, bey einerley Summe,
reich und nicht reich seyn. Also ein
Mann, der
weder
Weib noch Kind hat, kan bey einem gewissen
Vermögen reich seyn, bey welcher er nicht reich
wäre, wenn er Weib und Kinder hätte; ingleichen,
wer nur ein Kind hat, kan reich seyn, und eben bey
der Summe arm, wenn er deren drey, oder noch
mehr, hätte. |
|
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Wer einfältige und tumme Kinder hat, wird nicht
so bald reich, als einer dem GOtt kluge und muntere
gegeben. Wer boshafftige Kinder hat, wird eher
reich, als wer fromme hat: denn jenen dienet der
Mangel zum Zügel. Es ist vernünfftiger Geld und
Reichthum, das man hat, zu behalten, als zu
suchen. Denn man muß solche Behutsamkeit
brauchen, dasselbe GOtt gefällig auszutheilen, daß
man es gar leicht etliche
Jahre behalten muß. |
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Ob wir nun zwar eben nicht
glauben, daß sich
viele Reiche, nach diesen jetzt bewiesenen Regeln
von Reichthum, richten werden, so haben wir sie
doch nicht weglassen wollen: so wohl, weil sie der
Vernunfft, und wie uns bedünckt, auch dem Sinn
der
Heiligen Schrifft gemäß sind, als vornehmlich,
weil sie zu der Zufriedenheit vieler, die sich über
ihrem vermeynten Mangel, und andrer Überfluß
betrüben, ein merckliches beytragen können. Denn
wenn sie dißfalls sehen, daß sie, nach Gottes
Willen, kein Reichthum, das ist, Überfluß, haben
sollen, so werden sie vielleicht befinden, daß sie
schon gnug haben, oder doch nur noch ein weniges
bedürffen, worzu ihnen gute Hoffnung
vorstehet. |
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